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Kerstin Sjöberg

Das Flüstern des Dämons

Finnland-Krimi





BookRix GmbH & Co. KG
80331 München

Prolog

14. November

 

Der November hatte sich über Helsinki gelegt und umgarnte die Hauptstadt mit einer traurigen, schwermütigen Stimmung. Es war kalt. Feiner Nebel hing zwischen den Häusern. Das Licht der Straßenlaternen reichte kaum aus, um die Fußgängerwege in der Nacht zu beleuchten.

Ziellos schlich die Männergestalt durch die Gassen der Stadt. Er war auf der Jagd. Der Dämon in ihm war zum Leben erwacht und lechzte nach Beute. Sein Herz schlug aufgeregt in seiner Brust und er spürte, wie sich in seinem Inneren eine Hitze freudiger Erwartung ausbreitete und ihn die unbarmherzigen Minusgrade der nordischen Winternächte vergessen ließ. Vor Aufregung zitterten seine Hände. Die Beine wurden weich und seine Gedanken überschlugen sich. Er begann, seinen jahrelangen Kampf gegen die Urgewalt in seinem Körper zu verlieren. Sie konnte nicht mehr länger in Schach gehalten werden. Die Dunkelheit in ihm wuchs und er verlor die Kontrolle über sein Handeln und Denken. Die Bilder aus seinen Träumen wurden Wirklichkeit und er sah es geradezu vor sich: reines Blut! In seinen Händen spürte er die Wärme des schlagenden Herzens. Es musste heute passieren, er konnte die Fantasien in sich nicht mehr länger zurückhalten. Schon allein der Gedanke daran drohte, ihn in den Wahnsinn zu treiben. Es musste getan werden, damit er den Dämon in sich besänftigen konnte. Zu lange hatte er den Druck in sich zurückgehalten, die Erinnerung daran verdrängt. Er drohte zu platzen! Er hatte keine Wahl, war nicht mehr stark genug, um zu widerstehen.

Plötzlich trat nur wenige Meter von ihm eine junge Frau aus einem der Häuser. Ihre Figur wurde vom Licht, das aus dem Hausflur auf die Straße schien, perfekt in Szene gesetzt. Sie trug einen blauen Wintermantel, der ihre Kurven betonte. Eine Zartheit, die ihn reizte. Der Dämon in ihm heulte begeistert auf. Sein lang gehegter Zweifel und seine Unentschlossenheit waren wie weggeblasen. Die Frau war wunderschön. Ihr langes, blondes Haar umrahmte ihr schmales Gesicht. Sie hatte fein geschwungene, rosa Lippen und ihre blauen Augen glitzerten im Licht der Straßenbeleuchtung.

In diesem Moment war es um ihn geschehen. Ihr Körper war so perfekt! Der Dämon in ihm tigerte nervös hin und her. Er geriet in Ekstase, war nicht mehr aufzuhalten. Sie sollte sein Opfer sein, er wollte sie und niemand anderen!

Er folgte ihr wie ein zweiter Schatten, der sich nicht abhängen ließ. Die Frau lief einige Hundert Meter die breite Hauptstraße entlang, ehe sie in eine dunkle Nebenstraße bog. Die Häuser türmten sich an den Seiten. Adrenalin pumpte durch seine Adern, befeuert von jahrelang aufgestauten Fantasien. Bilder aus seinen wilden Träumen schossen ihm durch den Kopf. Der Dämon in ihm schrie, wütete, jauchzte vor Glück. Sein Herzschlag hatte sich noch einmal beschleunigt und klopfte wild gegen die Rippen. Er wollte ihr Herz haben, er musste es haben. Vorher würde er sie nicht entkommen lassen. Sie war einfach zu perfekt! Heute würde sein großer Tag werden. Das Raubtier kämpfte sich nach oben und er konnte einen Ausruf der Freude nicht mehr zurückhalten. Und nun wurde er bemerkt. Seine Beute sah sich um und schien sofort zu begreifen, dass er hinter ihr her war. Ihr Schritt wurde schneller, doch auch er beschleunigte seinen Gang. Augenblicklich begann sie, zu rennen. Halb besinnungslos vor Begierde folgte er dem Klang der klappernden Absätze. Ihr entsetzter Hilfeschrei hallte durch die Gasse. Immer und immer wieder schrie sie. Doch keiner hörte sie oder wollte sie hören. Niemand könnte sie retten, dachte er.

Er lachte laut.

»Du wirst mir nicht entkommen!«, grölte er.

Sie knickte um, fiel zu Boden, rappelte sich wieder auf. Eine Chance hatte sie nicht mehr, der Absatz am rechten Schuh war abgebrochen und sie humpelte. Wie eine verletzte Antilope war sie leichte Beute für das Raubtier. Meter um Meter machte er gut. Er war am Ziel! Seine rechte, schweißnasse Hand griff in seine Manteltasche und er zog ein Messer heraus. Dann sprang er nach vorn, packte zu und erlegte seine Beute mit einem treffsicheren Stich.

 

1

15. November

 

Der Tag war grau, ein kalter Wind fuhr durch seine schwarzen Haare und rötete ihm die Wangen. Der erste Schnee fiel in dicken Flocken. Seine Schritte wurden vom Schnee gedämpft. Autos fuhren auf den Straßen langsam an ihm vorbei, einige Unbelehrbare mit viel zu hoher Geschwindigkeit. Auf den Fußgängerwegen ging es ähnlich zu und nur wenige Menschen schlugen ein hohes Tempo an. In den Gesichtern vieler Passanten erkannte er den Frust über die Kälte, obwohl der Winter gerade erst begann. Es war November und bald würden die Tage so kurz werden, dass sich die Sonne nur noch für wenige Stunden zeigte.

Sein Atem bildete kleine Wölkchen, die eine Weile in der Luft standen, bis sie sich auflösten. Er spürte, wie die Kälte von seinem Körper Besitz ergriff. Mit einem tiefen Atemzug sog er die kalte Luft in seine Lunge. Diese Prozedur wiederholte er, bis das Organ von der schneidenden Luft schmerzte. Mikael Häkkinen wurde langsamer, blieb stehen und betrachtete das große, kunstvoll geschmiedete Friedhofstor.

Er machte einen weiteren Schritt, blieb dann aber abrupt wieder stehen, als er spürte, wie eine eisige Hand nach seinem Herz griff. Seine Beine fühlten sich wie Blei an. Ein Weitergehen war unmöglich. Eine unsichtbare Wand hielt ihn davon ab, dass er diesen Friedhof betrat.

Die kalten Hände in den Taschen vergraben, stand er einfach nur da.

Stille umgab ihn. Mikael konnte den eigenen Herzschlag hören, der rhythmisch dröhnend gegen seine Brust schlug: bum, bum, bum. Das Schlagen seines Herzens kam ihm so laut vor, dass er glaubte, dass die Menschen, die an ihm vorbeigingen, es hören mussten. Einsamkeit breitete sich in ihm aus. Sein Herz begann schneller zu schlagen und das Blut dröhnte in seinen Ohren. Mikael zwang sich, normal zu atmen, um seinen Körper zu beruhigen und sich zu vergegenwärtigen, dass ihm das jetzt nicht passieren konnte. Nicht hier an diesem Ort. Auf den Boden starrend holte er einige Male tief Luft. Dann drehte er sich herum. Auch nach fast vier Jahren war er noch nicht bereit, er konnte die durchsichtige Mauer einfach nicht durchbrechen.

Seit diesem Tag im Dezember war nichts mehr wie vorher: Der Schmerz verblasste nur langsam. Die Lücke, die der Mensch, der dort lag, hinterlassen hatte, war so unendlich groß, dass nichts sie auch nur annähernd schließen konnte.

Mit langsamen, wehmütigen Schritten entfernte er sich von dem Friedhof und mit jedem Meter, den er zwischen sich und diesen Ort legte, wurde er ruhiger. Seine Gedanken wurden klarer und sein Herzschlag fand wieder einen normalen Rhythmus.

Mikael betrat ein kleines Café. Er setzte sich abseits an einen Tisch in der Ecke, zog die Jacke aus und hängte sie über die Stuhllehne. Durch das Fenster beobachtete er Schneeflocken dabei, wie sie zur Erde fielen. Der Schnee hatte für ihn etwas Beruhigendes und er mochte es, wenn alles in Weiß getaucht wurde. Da war er, anders als viele seiner Zeitgenossen, sentimental, denn er liebte den Winter. Die Ruhe, die mit dem Schneefall kam, der alle Geräusche zu schlucken schien, war unvergleichlich. Den Lärm, der oft der Grund für rasende Kopfschmerzen war, empfand er hingegen einfach nur störend.

Ein Mann setzte sich ihm gegenüber.

»Du hast es nicht geschafft?«

Mikael sah den Neuankömmling an und schüttelte den Kopf. »Nein.«

Der Mann trug kurze blonde Haare, seine Statur war kräftig und offenbarte einem geschulten Auge, dass er regelmäßig ins Fitnessstudio ging. Er hob den Arm und kurz darauf kam eine Bedienung an den Tisch.

»Möchtest du auch einen Kaffee, Mikael?« Hauptkommissar Antti Heikkinen sah seinen Tischnachbarn fragend an. Mikael nickte und so bestellte Antti zwei Tassen Kaffee.

Als die Bedienung gegangen war, sprach Antti ihn wieder an: »Ich hätte mitgehen können, weißt du?«

»Das wäre mir etwas unangenehm.« Mikael blickte nach draußen. Der Schnee schien immer dichter zu werden.

»Morgen ist es also so weit?«

Er löste den Blick vom Fenster und wandte sich wieder seinem Gesprächspartner zu. Morgen würde sein erster Arbeitstag sein, nachdem er aufgrund eines schweren Schädel-Hirn-Traumas drei Jahre seinem Beruf nicht hatte nachgehen können. Diesen Tag hatte er lange herbeigesehnt, doch nun, da er gekommen war, kam die Angst. Angst, dass er dem doch nicht gewachsen war. Was, wenn er versagte? Seine einzige Möglichkeit schien ein Lehrstuhl an der Polizeiakademie zu sein. Dort hatte er bereits in dem letzten Jahr drei Tage in der Woche gelehrt, obwohl es nie seine Vorstellung vom Traumjob gewesen war.

»Ja. Morgen.«

»Hast du Angst?«

»Ja, ich …« Mikael unterbrach seinen Satz, während die Bedienung den bestellten Kaffee auf den Tisch stellte. Als sie gegangen war, sprach er weiter: »Ich meine … es sind so viele Jahre vergangen und die Kopfschmerzen und der Schwindel. Manchmal, da ist er halt noch da.« Mikael griff nach der Kaffeetasse und drehte sie in seinen Händen. »Was, wenn ich versage?«

»Ich kann dir keine Garantie geben, dass es klappt.« Antti trank etwas von seinem Kaffee und beugte sich ein Stück nach vorn. »Dieses kleine Risiko musst du wohl eingehen, nicht wahr?«

»Vielleicht«, antwortete er.

Er musste es schon allein tun, um Antti zu danken. Denn er hatte sich für ihn eingesetzt, als er den Wunsch geäußert hatte, wieder als Kriminalist zu arbeiten. Antti hatte alle wichtigen Schritte für ihn in die Wege geleitet und sogar dafür gesorgt, dass er seinen alten Job bei der Mordkommission wiederbekam.

»Du könntest natürlich weiter an der Polizeiakademie lehren.«

»Damit machst du mir wirklich Hoffnung«, grummelte Mikael. Dorthin wollte er auf keinen Fall zurück. Diese öden Vorlesungen waren nichts für ihn.

Antti lächelte. »Du musst lernen, die positiven Dinge in deinem Leben zu sehen.«

»Mhm.«

»Wie alt bist du? Dreiunddreißig? Du hast das ganze Leben noch vor dir«, tadelte Antti. »Du hast eine Frau, einen Sohn und bald auch eine Tochter. Ist das nicht etwas Tolles? Und trotzdem lässt du dich von der Vergangenheit herunterziehen.«

»Was soll ich machen?« Mikaels Blick war auf die Kaffeetasse gerichtet. »Ich kann es nicht aus meinem Gedächtnis streichen. Er war mein bester Freund.«

»Und genau deshalb hätte er nicht gewollt, dass du weiterhin die Schuld an seinem Tod mit dir trägst. Es muss ein schwerer Rucksack sein.«

»Tonnenschwer.«

Antti lehnte sich in seinem Stuhl zurück und sah aus dem Fenster. »Bald ist es vier Jahre her. Vier Jahre, seit er erschossen wurde.«

»Warum sagst du mir das?«

»Damit du dir im Klaren bist, wie viel Zeit vergangen ist. Vier Jahre. 1.461 Tage.«

Mikael sah kurz von der Kaffeetasse auf. »Das hast du gerade ausgerechnet?«

»Vielleicht habe ich mich auch vertan. Es ist auf jeden Fall eine Menge.«

»Über 1.000 Tage.«

»Fast 1.500«, fügte Antti hinzu.

»Das ist wirklich viel«, murmelte Mikael, »trotzdem habe ich noch immer Albträume.«

»Weil du dich dem Ganzen nicht stellst«, wies ihn Antti zurecht. »Du läufst davon und das rächt sich durch die Albträume.«

»So ist es vermutlich«, gab er zu und wünschte sich, dass er im Boden versinken könnte. Denn auch Antti hatte sein Päckchen zu tragen, ging aber deutlich besser damit um.

 

Sie tranken den Kaffee aus, bezahlten und traten dann in das verschneite Helsinki. »Ich hasse den November: neblig, trüb. Die Nächte werden immer länger«, schimpfte Antti.

»Werden sie das nicht auch im Dezember?«, wollte Mikael provokativ wissen.

»Natürlich, aber da hat man immerhin die Weihnachtstage, auf die man sich freuen kann.« Antti steckte die Hände in die Taschen und atmete laut aus. »Vorausgesetzt man hat keinen Dienst.«

»Wann hattest du das letzte Mal auf Weihnachten Dienst? … muss eine Ewigkeit her sein.«

»Vor zwei Jahren. Da hatte ich Bereitschaft und es gab natürlich prompt einen Fall.« Antti begann, aus voller Kehle zu lachen. »Ein Streit über die Weihnachtsente. Sie hatte ihren Mann am Ende mit dem Messer angegriffen.«

»Ja. Du hast davon erzählt, als du bei uns zum Essen warst.«

»Die Geschichte ist trotzdem immer wieder gut, oder nicht?«

Mikael zog die Schultern hoch. »Gut, aber kein Brüller«, antwortete er schon fast gelangweilt.

»Gib einem alten Mann seine Anerkennung«, entgegnete Antti empört.

Ein angedeutetes Lächeln huschte über sein Gesicht. »Du bist nicht alt, Antti.«

2

18. November

 

Mikael lehnte den Kopf gegen die Autoscheibe und schloss die Augen. Die ersten Arbeitstage waren der Horror gewesen. Schon nach wenigen Stunden hatte sich seine alte Verletzung bemerkbar gemacht. Ihm war schwindelig geworden, er hatte Kopfschmerzen bekommen und sich kaum noch konzentrieren können. Heute, an seinem dritten Tag zurück in der Mordkommission, hatte er gerade einmal fünf Stunden geschafft. Nun brachte ihn Kasper Kramsu nach Hause. Er war in seinem Alter und derjenige gewesen, der damals seine Stelle übernommen hatte. Sie kannten sich bereits länger und waren gemeinsam zur Polizeiakademie gegangen. Freunde waren sie erst wenige Monate nach seinem Unfall geworden. Kasper wirkte deutlich älter als er, trug sein blondes Haar kurz. Anders als sein eigenes Gesicht war Kaspers kantiger und dadurch erwachsen und männlich.

Die Bäume und Häuser zogen im Eiltempo an ihm vorbei, während Mikael in Gedanken versank. Was hatte er erwartet? War er enttäuscht darüber, dass es einfach nicht so gut funktionierte, wie er gehofft hatte? Hatte er wirklich geglaubt, dass er ganz normal wieder einsteigen konnte? Vielleicht hatte er mit Erwartungen angefangen, die unmöglich zu erfüllen waren. Er war nicht mehr der Hauptkommissar, der er vor drei Jahren war. Damals war er die Karriereleiter hochgestiefelt, als gäbe es nichts Leichteres. Der jüngste Kriminalhauptkommissar überhaupt. Er hatte ein fotografisches Gedächtnis gehabt, heute war er auf Stift und Papier angewiesen, um sich etwas zu merken. Hinzu kam seine Vergangenheit. Er war der Sohn eines Verbrechers, der sich vor Jahren in Helsinki einen Namen gemacht hatte. Drogen, Waffen. Es hieß, dass er einem alles besorgen konnte. Und so war es keine Überraschung, dass Andreas Häkkinen sein Ende fand, als ein Konkurrent ihn erschoss. Als bei den Ermittlungen herauskam, dass er dessen Sohn war, begannen viele Kollegen, ihn zu meiden.

Mikael spürte, wie ihn der Gedanke an seinen Vater herunterzog. Er atmete tief durch. Es spielte keine Rolle mehr. Nach einer wilden Jugend hatte er sein Leben in den Griff bekommen. Er hatte eine Familie, einen guten Job. Alles, wovon er als kleiner Junge geträumt hatte.

Sein Smartphone klingelte und beendete den Gedanken mit einem Schlag. Unbekannter Teilnehmer stand auf dem Display. Er drückte das grüne Hörersymbol und hielt das Gerät ans Ohr.

»Ja?«

Seine Augen weiteten sich, als sich der Anrufer vorstellte. »Mit dir hätte ich jetzt als Letztes gerechnet«, stellte er verwundert fest.

Mikael sah aus dem Fenster und versank wieder in seine Gedankenwelt. Er dachte an eine längst vergangene Zeit, während der Mann am Telefon redete. Es war lange her und eigentlich wollte er niemals mehr dahin zurück, aber dennoch: Es war nicht so, dass ihm die Leute von damals nichts mehr bedeuteten. Bis heute hatte er sie nicht aus seinen Erinnerungen gestrichen und war ihnen auf eine gewisse Weise ja auch zu Dank verpflichtet, denn sie hatten mehr als einmal sein Leben in den Wirren der Bandenkriege gerettet. Als ein bestimmter Wortlaut ertönte, war er urplötzlich zurück im Hier und Jetzt. »Eine Leiche? … Ja, ich weiß, von welchem Haus du redest.«

Nachdem der Mann sich verabschiedet hatte, legte Mikael auf. Er drehte das Smartphone zwischen seinen Fingern und überlegte, was er mit dieser Information tun sollte. Die Zentrale verständigen oder mit Kasper hinfahren?

»Wer war das?«, fragte Kasper.

»Ein alter Bekannter.« Mikael winkte ab. »Das ist jetzt nicht wichtig. Ich habe versprochen, seinen Namen nicht ins Spiel zu bringen.«

»Du hast was?«, raunte ihn der Fahrer des Wagens sofort an.

»Ich habe versprochen, dass ich seinen Na…«

»Ich bin nicht schwerhörig! Wieso?«

»Es war jemand aus Ranuantie. Dort wurde eine Leiche gefunden.«

Auch wenn es bei Weitem nicht die Antwort auf die Frage war, war sie es in gewisser Weise dennoch. In dem Viertel verkehrten Menschen, die der Polizei nicht über den Weg trauten.

»Wir sollten hinfahren«, fuhr er fort und nannte seinem Kollegen und Freund die Adresse.

»Dir ist aber klar, dass du eigentlich solche Einsätze nicht machen darfst? Wegen deiner Kopfverletzung, meine ich«, meldete Kasper seine Zweifel an, bog dann allerdings trotzdem ab, um in Mikaels gewünschte Richtung zu fahren.

»Es ist nichts Gefährliches. Wir überprüfen nur etwas.«

»Wie du meinst. Was genau hat denn der Anrufer gesehen?«

»Er nichts.« Mikael steckte das Smartphone in seine Jackentasche und stützte den Ellenbogen an der Ablage der Beifahrertür ab. »Ein paar Jugendliche haben es ihm erzählt.«

»Erzählt? Warum haben die es nicht gemeldet?«

»Meinst du die Frage wirklich ernst?«

»Nein.« Der Fahrer bremste ab und bog links ab. »Eigentlich ist es ziemlich abwegig, dass jemand aus diesem Viertel einen Mord meldet.«

 

Es dauerte wenige Minuten und Kasper brachte den Audi vor einem alten, verkommenen Haus zum Stehen.

»Hier ist es«, erklärte Mikael und war bereits ausgestiegen.

Kasper tat es ihm gleich. »Ich habe kein gutes Gefühl bei der Sache.«

»Ich bin ja bei dir«, sagte Mikael trocken und ging zielstrebig auf das Gebäude zu.

»Wenn dir was passiert, dann bin ich doppelt dran. Vielleicht ist es eine Falle?« Kasper sah sich suchend um. »Möglicherweise wollen deine ehemaligen Freunde etwas Spaß mit zwei Polizisten haben?«

»Das ist Blödsinn und das weißt du auch«, erwiderte Mikael nur, der jetzt ganz dicht vor dem Haus stand.

Eine Tür gab es nicht mehr. Einzig ein großes Holzbrett übernahm die Aufgabe, ungebetene Gäste abzuwehren. Diese Pflicht erfüllte es aber nur bedingt, denn jeder in dem Viertel wusste, dass es sich leicht zur Seite schieben ließ. Mikael fasste geübt mit den Händen an zwei Stellen und schob es nach links, um dann in das Haus zu treten.

Es hatte sich nichts verändert. An einigen Stellen war der Betonboden aufgerissen, von der Decke hingen alte Stromkabel und in den Ecken stand stinkendes Wasser. Seit Jahren hatte die Stadt Pläne mit dem Haus, passiert war allerdings nichts. Wohngegenden wie diese gab man schnell verloren und kümmerte sich stattdessen um renommiertere und gewinnbringendere Projekte.

Mikael ging durch den lang gezogenen Flur, der noch recht gut erhalten war. Graffiti zierten die Wände und er konnte sogar eines erkennen, welches er an die Wand gesprayt hatte. »Fuck the Police«, stand dort in großen roten Buchstaben.

Mikael bog in ein großes Zimmer ab. Der Holzfußboden war an einigen Stellen durchbrochen und ein großer Schutthaufen hatte sich an einer Position, nicht weit von dem dunklen, mit Staub verschmierten Fenster gebildet. Er sah an die Decke. Der Boden des Raumes darüber schien ebenfalls durchgebrochen zu sein.

»Wir müssen in den Keller«, sagte Mikael und bog zielstrebig nach links ab.

»Ich nehme an, dass es nicht dein erster Besuch in diesem Haus ist?«

»Ich hatte hier den einen oder anderen Alkoholrausch, ja.«

»Gemütlicher Ort dafür«, nuschelte Kasper von hinten.

Mikael öffnete eine alte, von Schimmel befallene Holztür, schaltete die Taschenlampe seines Smartphones an und stieg mit Kasper im Schlepptau die Kellertreppe hinab.

»Wo jetzt lang?«, wollte Kasper wissen.

»Es müsste das dritte Zimmer sein … zumindest wurde es mir so beschrieben.«

Je näher sie dem Raum kamen, desto mehr keimte Nervosität in Mikaels Körper auf. Er hatte keine Ahnung, was sie erwarten würde. Der Anrufer hatte nicht viele Worte verloren. Nur das ihm von einer Leiche in dem alten verfallenen Haus berichtet wurde. Mehr nicht.

Als sie auf der Türschwelle standen, schlug ihnen der süßliche Geruch von Blut und Verwesung entgegen. Mikaels linke Hand legte sich schützend über die Nase, während er mit der anderen den Raum mit seinem Smartphone ausleuchtete. Auf der Pritsche neben einem Tischchen lag eine junge Frau. Ihre Augen waren geschlossen und sie war mit einer dünnen Decke zugedeckt. Während Kasper stehen blieb, ging er vorsichtig näher ran. Ihre Haut war fahl mit einer tödlich aschgrauen Färbung.

»Lebt sie?«, fragte Kasper.

»Was glaubst du?«, fragte Mikael ironisch zurück. Er legte seine Hand auf die Wange. Ihr Körper war kalt, die Leichenstarre bereits vollständig verschwunden. Sie war also seit mehr als einen Tag tot.

»Es stinkt fürchterlich.« Kasper hielt sich ebenfalls die Nase zu und trat an ihn heran. »Scheiße, ist das widerlich!«

Mikael zog die Decke von dem nackten Körper und für einen Augenblick wurde ihm übel. In ihrer Brust klaffte ein Loch. Die Rippen waren brutal auseinandergebrochen worden, er konnte Muskeln und Adern erkennen. Doch eins fehlte: das Herz.

»Scheiße«, entfuhr es ihm leise.

Er hörte Kasper hinter sich würgen, dann verschwand sein Kollege mit schnellen Schritten aus dem Raum und wenig später konnte man gedämpfte Brech-Geräusche aus einem der benachbarten Zimmer vernehmen.

»Was zum Henker …« Mikaels Augen fixierten den offenen Brustkorb. Mit allem hatte er gerechnet, aber nicht mit dem, was er hier vorfand.

3

Kasper Kramsu lehnte mit bleichem Gesicht an der Wand. Mikael etwas versetzt auf der anderen Seite, sodass er durch die Tür in den Raum blicken konnte, in dem sie die Leiche vor einer halben Stunde gefunden hatten.

Von den Kollegen der Spurensicherung waren Halogenstrahler aufgestellt worden, um genug sehen zu können. Rechtsmediziner Stellan Eckkvist, ein Mann um die Fünfzig mit blonden, kurzen Haaren, beugte sich über die Tote und betete einschläfernd und monoton die Fakten in sein Diktiergerät. Sie war schon länger als vierundzwanzig Stunden tot – vermutlich sogar mehrere Tage – und ihr wurde das Herz brutal entfernt. Ein Stich in der Bauchgegend war wohl die Todesursache, das konnte er aber noch nicht ohne Zweifel sagen.

Mikael sah in das leichenblasse Gesicht von Kasper und löste sich von der Wand. »Komm, lass uns raufgehen«, sagte er. Hier gab es für sie ohnehin nichts mehr zu tun, zunächst mussten die Obduktionsergebnisse und der Bericht der Spurensicherung vorliegen. Kasper nickte dankbar und folgte ihm raus aus dem verkommenen Haus.

Mikaels Blick ging die Straße hinunter, während sich Kasper eilig eine Zigarette anzündete. Es war eines der Laster, die Kasper hatte. Er rauchte eine nach der anderen, sobald er nervös wurde.

Er inspizierte die Häuser um sich herum, ehe er sich in Bewegung setzte.

»Ich komme gleich wieder«, ließ er seinen Kollegen wissen.

Der nickte und so verschwand Mikael in Richtung eines mehrstöckigen, alten Wohnhauses.

Wie jedes Mal, wenn er hier war, musterte er die Fassade. Alter und Abgase hatten dem Gemäuer zugesetzt und es wirkte trostlos. Er seufzte und senkte den Blick. Zielstrebig ging er auf die Tür zu und beachtete die Klingelschilder daneben nicht großartig. Die Tür war ohnehin nie verriegelt, das wusste er. Die Wände im Inneren waren ebenfalls schon lange Zeit nicht mehr gestrichen worden und hatten einen Grauschleier. Der Putz bröckelte jedoch noch nicht von den Wänden. Das Treppenhaus war dreckig, aber nicht schmierig.

Er stiefelte in den zweiten Stock hoch und blieb vor einer Wohnungstür stehen. Auf dem Schild stand kein Name, es war dennoch jedem in dieser Straße bekannt, wer hier wohnte. Mikael klingelte, doch es öffnete niemand. »Häpi, bist du da? Ich bin es, Mikael!«, rief er nach einer Weile und schellte erneut. Dieses Mal vernahm er Geräusche und wenig später wurde die Tür aufgezogen.

Ein stämmiger, blonder Mann um die Fünfzig mit blauen Augen und gewaltigen Muskeln öffnete ihm. Ein Lächeln breitete sich auf seinem Gesicht aus, als er ihn erblickte. Akseli Häpi war früher einer der treusten Untergebenen von Mikaels Vater und mit etwas Wohlwollen konnte man ihn sogar einen engen Freund von Andreas Häkkinen nennen. »Was kann ich für dich tun?«

»Wer hat die Tote gefunden?«, brachte er sein Anliegen sofort auf den Punkt.

»Es gab also tatsächlich eine Leiche? Ich hatte nicht nachgesehen, um keine Spuren zu hinterlassen.«

Mikael trat einige Schritte nach vorn und lehnte sich an den Türrahmen. »In dem Haus? Das ist voll von Fremdspuren. Da finden wir so oder so nichts Brauchbares.«

»Vielleicht stehe ich nicht auf Frauenleichen.« Akseli Häpi lächelte. »Die Kids waren ziemlich verstört, also war es sicher kein netter Anblick.«

»Wer hat sie gefunden?«, wiederholte er seine Frage.

»Sie werden nicht mit den Bullen zusammenarbeiten.«

»Sie sind nur normale Zeugen, nicht mehr und nicht weniger.«

Häpis Mundwinkel zogen sich nach oben. »Der 17-Jährige Mikael hätte also die Polizei informiert?«

»Ja. Das kann ich bestätigen.« Mikael seufzte. »Ich habe damals eine Leiche gemeldet.«

Häpis überhebliches Lächeln erstarb. »Es tut mir leid, ich hatte die kleine Galina schon vergessen.« Häpi drehte sich um und machte eine Handbewegung, damit Mikael ihm folgte. Sie gingen durch bis in die Küche, in der sich Häpi an den Tisch setzte und eine Zigarette anzündete. »Aber dann solltest du eigentlich umso besser verstehen, wieso sie es nicht getan haben.«

»Du meinst, weil mir niemand geglaubt hat?«

»Sie haben dich für einen Junkie gehalten, nicht?«

Mikael dachte ungern an diese Sache zurück. Akseli sprach leider die Wahrheit, denn keiner hatte ihm Glauben geschenkt, als er einen Mord an einer Prostituierten gemeldet hatte. Damals hatte er sich geschworen, dass er Galinas Ermordung aufklären würde, doch bisher war es ihm nicht gelungen. Der Schuldige für ihren Tod lief noch frei herum.

»Ich bin der ermittelnde Kommissar. Ich werde ihnen glauben, dass sie nichts damit zu tun haben.« Er reichte Häpi sein Kärtchen. »Sag ihnen, sie sollen mich anrufen.«

»Du gibst mir eine Visitenkarte? Wirklich, du schadest meinem Ruf. Das Logo der Polizei springt einem ja nur so entgegen.«

Mikael lächelte. »Im Ernst, Akseli. Bitte gib sie den Jugendlichen. Versuche, ihnen ins Gewissen zu reden. Das war ein brutaler Mord.«

»Gibt es die hier nicht des Öfteren?«, fragte Häpi herausfordernd.

»Man hat ihr das Herz rausgeschnitten. Ich glaube, so etwas ist auch hier eher selten. Nicht?«

»Das ist ja abscheulich!«, entkam es Häpi und Mikael wusste, dass er es auch so meinte. Der Freund seines Vaters war zwar kein unbescholtener Bürger, aber er war niemand, der Menschen ermorden würde.

Mikael stopfte die Hände in die Taschen seines Kapuzenpullovers und ging raus.

»Sag es ihnen, ja?«, rief er noch mal rein, ehe er die Tür hinter sich schloss. Für einen Augenblick sah er auf die gegenüberliegende Tür. Dahinter lag die alte Wohnung seiner Eltern. Fast automatisch strich seine rechte Hand über einen Schlüssel in seiner Pullovertasche. Es war schon lange her, seit er die Wohnung das letzte Mal betreten hatte, vielleicht war er inzwischen so weit und könnte sich von ihr trennen? Von ihr und allem aus seinem alten Leben, was damit zusammenhing.

Mikael seufzte und wandte sich ab. Er hasste sich dafür, dass er die Relikte aus alten Zeiten noch mit sich herumtrug. Das galt für die Wohnung und den dazugehörigen Schlüssel, den er immer bei sich hatte, obwohl er ihn doch nicht verwendete. Eilig ging er die Treppe hinunter und verließ fluchtartig das Haus. Als er auf die Straße trat, lehnte Kasper an seinem Dienstwagen. Der blonde Kommissar rauchte noch immer und tippte auf seinem Smartphone herum. »Und? Hast du was herausgefunden?«, wollte er wissen.

»Nein. Es waren wohl Jugendliche, die sie gefunden haben, mehr kann ich im Augenblick nicht sagen.«

»Bei wem warst du zu Besuch?«

»Ist das von Bedeutung?«, stellte er die Gegenfrage.

»Natürlich«, erwiderte Kasper.

»Einem Bekannten von meinem Vater. Ich dachte, er könnte uns helfen, er war es, der mich angerufen hat.«

Kasper nickte. »Ich nehme an, er konnte es nicht.«

»Nein, aber ich habe ihm meine Karte dagelassen. Vielleicht kann er ja die Jugendlichen dazu überreden, zu uns zu kommen.«

»Viel gesehen haben werden sie am Ende ohnehin nicht.« Kasper warf den Rest seiner Zigarette auf die Erde, trat sie aus und schmiss sie anschließend in einen nahestehenden Mülleimer. »Ich meine, was können die mehr gesehen haben als wir?«

»Keine Ahnung.«

»Sie ist seit Tagen tot«, beschloss Kasper. »Die haben nichts bemerkt.«

Sie sahen auf den Eingang des Hauses. Die in weißen Ganzkörperanzügen gekleideten Kollegen der Spurensicherung trugen die Leiche der Frau gerade aus dem Gebäude. Sie lag in einem schwarzen Kunststoffsack, der wie ein Kokon ihren gesamten Körper umschlang. Das Opfer wurde in einen Blechsarg gehoben und in ein graues Fahrzeug geschoben. Schon bald würde der Körper in der Rechtsmedizin genauer untersucht werden.

Mikael merkte, wie sein Kopf wieder zu pochen begann. Die Kopfschmerzen hatte er in den letzten Minuten erfolgreich verdrängen können, nun waren sie zurück. Er lehnte sich an das Auto und massierte sich die Schläfen. Etwas, was Kasper nicht unentdeckt blieb.

»Ich bringe dich nach Hause. Dann fahre ich kurz ins Präsidium und werde mit den Kollegen die ersten Einzelheiten besprechen. Wir haben ihre Identität noch nicht und auch sonst nichts. Vor morgen früh können wir also eh nichts machen.«

»Du kannst mich mitnehmen«, erwiderte Mikael. »Es geht schon.«

»Ja? Man sollte eine schwangere Frau niemals warten lassen, glaub mir.«

»Es geht doch hier nicht um Eva.«

»Tut es das nicht?«, hakte Kasper unschuldig nach.

Mikael legte die Stirn in Falten und schüttelte missbilligend den Kopf. »Nein. Du bemutterst mich gerade.«

»Tue ich das?«

»Hör auf, Kramsu!«

»Nun komm.« Kasper lachte und öffnete die Fahrertür des Autos. »So bist du im Präsidium ohnehin nicht zu gebrauchen und das weißt du auch.«

4

Als Mikael die Wohnungstür hinter sich geschlossen hatte, wurde er von Tarmo, einem Australian Shepherd, empfangen. Der Familienhund saß schwanzwedelnd vor ihm und sah ihn mit seinen treuen Augen erwartungsvoll an. Er kraulte dem Rüden den Kopf. »Na, Junge. Hast du brav auf Frauchen aufgepasst?«

Er legte seinen Schlüssel auf die Kommode, entledigte sich der Jacke und ging den langen, schmalen Flur entlang in den größten Raum der Wohnung, dem Wohnzimmer. Es war gemütlich eingerichtet mit hohen Fenstern, durch die im Sommer viel Licht in den Raum fiel.

An der rechten Wand hing ein Kunstdruck in einem schlichten schwarzen Rahmen. Polarlichter, die in Gelb, Grün und Rot über einem verschneiten Wald strahlten. In der Ecke hatte ein kleiner Schreibtisch seinen Platz gefunden. Sein Laptop stand aufgeklappt darauf und das Buch, welches er gerade akribisch mit einem alten Kollegen von der Polizeiakademie durchging, lag aufgeschlagen daneben. An der Wand darüber hingen Regale mit einigen Fachbüchern zum Thema Psychologie und Kriminologie. Früher hatte er ein Büro in einem der kleineren Zimmer gehabt, aber als er in den letzten Jahren ohnehin keinen Nutzen dafür hatte, wurde es in ein Spielzimmer umgewandelt. An der linken Wand hing eine große Collage mit Familienfotos. Ihre Hochzeit, die Schwangerschaft, das erste Kind, auch seine engsten Kollegen hatten nach einem Grillfest ihren Platz darin gefunden.

Auf dem langen, graugrünen Sofa, welches an der linken Wand stand, saßen seine Frau Eva und sein Sohn Oskari in eine Decke gekuschelt und sahen fern.

Mikael genoss das Bild für einen Moment und ging dann auf seine kleine Familie zu.

»Na, hattet ihr einen schönen Tag?« Er beugte sich zu Eva hinunter und gab ihr einen Begrüßungskuss, während er sanft über ihren gewölbten Bauch streichelte. Sie war im fünften Monat schwanger.

»Heute ist sie besonders aktiv«, flüsterte Eva. »Spürst du es?«

Das Baby trat gegen die Bauchdecke seiner Frau. Ein Gefühl des Glücks machte sich in ihm breit, als er die Bewegung spürte. Er war immer wieder fasziniert davon, das Strampeln des Kindes zu spüren. Er lächelte und küsste sie erneut. »Ich kann es kaum noch erwarten. Bald sind wir zu viert!«

Mikael wollte sich aufrichten, doch Eva zog ihn an sich heran und gab ihm einen weiteren Kuss.

»Du bist früh. Hattest du Kopfschmerzen?«, fragte sie, als sie sich voneinander lösten.

»Ja. Aber es geht schon wieder.«

Evas blauen Augen sahen in seine, musterten ihn kritisch. »Wer hat dich nach Hause gebracht – oder bist du unvernünftigerweise selbst gefahren?«

Er schüttelte den Kopf. »Kasper hat mich hergebracht.«

»Das ist nett von ihm.«

»Ja. Er wird mich morgen früh auch mitnehmen.«

Tarmo drückte die Spitze der schwarzen Schnauze gegen sein Bein und verlangte nach Aufmerksamkeit, bis er sich erbarmte und ihn hinter den Ohren kraulte. »Ist noch Essen von heute Mittag da?«

Eva nickte. »Im Kühlschrank. Du musst es dir nur aufwärmen.«

Als er sich gerade umdrehen wollte, hörte er, wie sein Sohn leise aufjammerte. Mikael kannte dieses Wimmern. Obwohl Oskari schon sehr gut für sein Alter sprach, war er redefaul. Ein Stöhnen oder ein Jammern, wie in diesem Fall, genügte oft, damit er verstand, worauf Oskari hinauswollte.

Er lächelte. »Papa holt sich nur etwas zu essen, dann bin ich sofort zurück.«

Das schien Oskari nicht zu reichen. Denn er rutschte vom Sofa und umklammerte nun sein Bein – im Kampf mit Tarmo, wer die volle Aufmerksamkeit erhalten sollte.

»Es ist schwer. Oskari kennt es nur, dass du zu Hause oder zumindest nur für ein paar Stunden weg bist«, sagte Eva. »Dauernd hat er nach dir gefragt.«

»Er wird sich daran gewöhnen müssen.« Mikael löste Oskari von sich und redete ihm gut zu, ehe Oskari ihn für wenige Minuten in die Küche verschwinden ließ.

Als er zurückkam, hatte es sich Oskari gemeinsam mit Tarmo auf dem weichen Teppich bequem gemacht, der direkt vor dem Fernseher lag, und verfolgte mit leuchtenden Augen seine Lieblings-Zeichentrickserie. Vergessen schienen die Ängste von eben. Der Dreijährige hatte den Familienhund mit seinen Ärmchen fest umschlungen und den Kopf auf den Hunderücken gelegt. Tarmo störte sich daran nicht großartig, hatte die Schnauze auf den Vorderpfoten abgelegt und döste vor sich hin.

 

Der Abend verflog wie im Nu, und nachdem Mikael Oskari ins Bett gebracht hatte, setzten sie sich trotz der eisigen Temperaturen noch auf die überdachte Terrasse. Es war knapp unter null Grad und am späten Nachmittag hatte es erneut begonnen zu schneien. Sie hatten sich in diesem Sommer ein Gartensofa in Anthrazit gekauft, das sich nicht nur bei warmem Wetter als eine gute Investition herausgestellt hatte, sondern auch für kältere Monate. Sie hatten sich in eine dicke Wolldecke gekuschelt. Evas Kopf ruhte auf seinem Schoß. Mikael nippte an seinem heißen Kakao und sah hinaus in den Garten. Wie in Zeitlupe schwebten die weißen Schneeflocken zu Boden, auf dem sich inzwischen eine beachtliche Schneedecke gebildet hatte. Da würde Oskari morgen sicherlich seinen Spaß haben, den ersten Schneemann in diesem Winter zu bauen.

Er stellte den Becher auf den kleinen Tisch, der neben dem Sofa stand, und spielte mit Evas langen, blonden Haaren, als er den Tag Revue passieren ließ. Mikael konnte nicht verhindern, dass er sich ausgemustert fühlte. Während seine Kollegen gerade bestimmt zusammensaßen und die ersten Ergebnisse studierten, war er von seinem Körper auf die Ersatzbank geschickt worden. Kasper hatte Recht gehabt. Unmöglich hätte er den ganzen Abend ausgehalten. Als er nach Hause gekommen war, hatte er Eva angelogen. In Wahrheit hatten die Kopfschmerzen seit dem Nachmittag nur bedingt nachgelassen. Es pochte unaufhörlich hinter seiner Stirn, dass er glaubte, seine Schädeldecke würde bersten. Er hatte bereits zwei Tabletten genommen, aber sie hatten nicht viel bewirkt.

»Du hast Kopfweh, nicht wahr?«, fragte Eva.

»Mhm.«

»Also ja«, schloss sie aus seinem Gemurmel.

»Es hat sich so viel verändert«, sagte er leise. »Ich fühle mich fremd an meinem eigenen Arbeitsplatz.«

Eva lachte. Dieses Lachen, bei dem sich bezaubernde Grübchen in ihren Mundwinkeln bildeten, ein Lachen, das er so liebte. »Es sind drei Jahre vergangen. Was erwartest du?«

Mikael sah in ihre blauen Augen und versank darin. Du bist das Beste in meinem Leben, dachte er. Du und Oskari. Es schien ihm manchmal wie ein Wunder, wie seine Frau diese Zeit durchgestanden hatte. Nach der Schädelverletzung war er ein Wrack gewesen. Die ersten Tage nach dem dreiwöchigen Koma hatte er überhaupt nicht sprechen können, dann waren die Worte kaum zu verstehen. Er hatte eine linksseitige Lähmung gehabt, war durcheinander gewesen, hatte dauernd alles vergessen und die Welt um sich fast gar nicht wahrgenommen. Selbst das Duschen war in dieser Zeit eine große Herausforderung gewesen. Mikael dachte daran, wie Eva ihm erzählt hatte, dass er das erste Mal vergessen hatte, das Wasser in der Dusche aufzudrehen und sich dessen überhaupt nicht bewusst war. Ihm selbst fehlte daran die Erinnerung, wie bei vielen Dingen aus den ersten Monaten nach der Verletzung. Es schauderte ihn noch heute, wenn er an die erste Jahresuntersuchung in der Spezialklinik zurückdachte. All die anderen Patienten, wie sie hilflos in ihren Rollstühlen saßen, schwerlich begriffen, was um sie passierte. Es war für ihn unvorstellbar, dass er genauso dagesessen hatte. Und dennoch war Eva bei ihm geblieben, hatte an ihn geglaubt. Ihm Mut zugesprochen, wenn er am Boden lag. Mikael war sich sicher, dass sie nicht nur einmal ihre Grenzen erreicht hatte. Manchmal, da dachte er, dass sie etwas Besseres als ihn verdient hatte. Ihn, der so oft den dunklen Gedanken nachhing, in Selbstzweifel verfiel. Er fragte sich, ob er sie wirklich glücklich machen konnte. Davor hatte er am meisten Angst. Angst, dass sie ihm so viel gab, er ihr aber nicht genauso viel zurückgeben konnte.

Immerhin waren die Folgen der Verletzung inzwischen deutlich abgeschwächt. Zurückgeblieben waren Kopfschmerzen und Schwindel, die ihn in Stresssituationen heimsuchten. Auch konnte er sich längst nicht mehr so gut konzentrieren wie vor dem Unfall. Das hatte er zuletzt bei dem Leichenfund wieder bemerkt. Früher war er imstande gewesen, eine Tatortskizze mit allen Details im Kopf anzufertigen. Heute kämpfte er schon damit, sich zu merken, wie genau sie das Haus und die Frau vorgefunden hatten.

Eva setzte sich auf und nahm seinen Kopf in ihre Hände. Mikael spürte ihre kalten Finger auf seinen Wangen.

»Denk nicht so viel nach. Lass es auf dich zukommen.« Sie küsste ihn auf den Mund. »Versuche, nichts zu lenken oder zu leiten.«

»Das sagt sich so leicht«, grummelte er.

»Du wieder! Kannst wohl einfach nicht über deinen Schatten springen und für einen Moment positiv denken, oder? Sieh es einmal so. Das Kämpfen in den letzten Jahren hat sich doch gelohnt. Du bist endlich zurück in deinem Job.«

Seinem Mund entkam ein leises sarkastisches Lachen. »Viel länger hätte ich es als Dozent an der Polizeiakademie auch nicht ausgehalten.«

»Und die dich auch nicht länger ertragen«, erwiderte Eva ironisch.

»Nun hör mal!«, entgegnete ihr Mikael gespielt empört. Denn es war die Wahrheit. Mit den anderen Dozenten war er nicht gerade gut ausgekommen und nicht nur einmal war er mit einem Ausbilder aneinandergeraten, den er noch aus seinen Akademiezeiten kannte.

Letztendlich hatte sie recht. In den letzten Jahren hatte er nie aufgegeben und mit der Rückkehr in den Polizeidienst ein Ziel vor Augen gehabt. Nun, wo er es erreicht hatte, fehlte ihm der Halt unter den Füßen, weil sich immer das dumpfe, aufdringliche Gefühl breitmachte, dass er dem nicht gewachsen war: dem Alltagsstress, der Erwartungshaltung seiner Vorgesetzten und Kollegen und nicht zuletzt sich selbst gegenüber.

Mikael dachte an die tote Frau zurück. Was hatte das Opfer getan, dass man ihr so etwas angetan hatte? Brutal erstochen und dann das Herz rausgeschnitten? Oder war sie vielleicht noch nicht tot gewesen, als der Täter den ersten Schnitt gesetzt hatte? Ihm schauderte es bei den Gedanken daran. Nein. Das wollte er sich nicht vorstellen.

5

Das Polizeipräsidium Helsinkis war ein schmuckloses, funktionales Gebäude. Im zweiten Stock waren in engen Büros drei Teams mit insgesamt vierzehn Kommissaren eingepfercht und mussten dort ihren Dienst mit veralteten Rechnern verrichten. In den späten Abendstunden waren bereits viele Beamte in den Feierabend aufgebrochen und einzig das Team um Hauptkommissar Antti Heikkinen füllte den zweiten Stock um 21:00 Uhr noch mit Leben. Unter dem kalten Licht einer Neonröhre hockten sie im Konferenzraum am Ende des Ganges an einem großen, ovalen Besprechungstisch.


Teamleiter Heikkinen heftete das Foto der Toten an das Whiteboard und malte mit einem Stift ein großes Fragezeichen darüber, ehe er sich zu den anderen Teammitgliedern drehte. »Im Augenblick haben wir nicht viel: Frauenleiche. Identität unbekannt.«

»Was sagt die Rechtsmedizin?«, wollte Kriminalkommissar Veikko Lindström wissen. Der schwarzhaarige Kollege, der mit seinen einunddreißig Jahren der Jüngste im Team war, hatte die Beine auf den Tisch gelegt und die Stuhllehne ein Stück nach hinten gekippt.

»Sie ist seit mehr als vierundzwanzig Stunden tot. Es gibt einen Stich in der Bauchgegend und ihr wurde das Herz entfernt. Der Kollege aus der Rechtsmedizin tippt auf ein scharfes Messer, will sich aber erst nach der genaueren Leichenschau festlegen.«

Kasper ließ einen Kugelschreiber zwischen den Fingern kreisen. »Gibt es Spuren einer Vergewaltigung?«

»Nein«, antwortete Antti.

»Ist der Keller der Tatort?«

»Das können wir ausschließen. Es gibt dort nicht ausreichend Blutspuren«, erklärte Antti. »Die Spurensicherung untersucht noch das gesamte Haus, ansonsten wird das Suchfeld morgen früh auch außerhalb des Hauses erweitert. Ich habe eine großräumige Absperrung veranlasst.«

»Moment«, fuhr Kasper dazwischen. »Der Keller war voller Blut.«

»Ja schon«, stimmte ihm der Teamleiter zu. »Nur nicht genug. Eckkvist sagte, sie war fast ausgeblutet und dafür war es trotz der großen Menge eben zu wenig.«

»Wer hat den Mord gemeldet?«, fragte Veikko.

»Es war ein anonymer Anruf«, antwortete Kasper schnell, aber leise.

»Anonym?« Antti zog die Augenbraue hoch und machte ein paar Schritte auf Kasper zu. »Wer ruft anonym auf dem Handy eines Kommissars an? Auf einer privaten Nummer? Mikael hat ja noch keine offizielle Dienstnummer.«

Kasper lächelte nervös. Wieso hatte er versprochen, den Anrufer rauszuhalten? Das hatte er nun davon. Natürlich hatten die Kollegen sofort durchschaut, dass etwas nicht stimmte. »Das ist zumindest das, was Mikael gesagt hat«, sagte er und ärgerte sich im gleichen Augenblick über diese wirklich dämliche Antwort.

»Aha.« Antti griff nach einem Stift und notierte etwas auf einem Block. Dann setzte er sich auf einen Stuhl am Kopf des Tisches und lehnte sich zurück. »Unsere Hauptaufgabe liegt vorerst darin, dass wir die Identität der Toten klären, und ich möchte, dass jemand in den Datenbanken nachsieht, ob es vielleicht schon ähnliche Mordfälle gab.«

»Du glaubst, dass es ein Serienmörder ist?«, fragte Veikko und schwang die Converse-Schuhe vom Schreibtisch.

»Es ist keine alltägliche Tötungsart. Ich möchte es zumindest ausschließen.«

»Ich kann die Daten durchsuchen«, erklärte sich Kasper bereit. »Ich habe heute Abend ohnehin nichts mehr vor.«

Anttis tiefes Lachen erfüllte den Raum. »Und du denkst, ich hätte eine Verabredung?«

»Es würde dir guttun«, erwiderte Kasper.

»Das streite ich nicht ab«, erklärte Antti und stand auf. »Aber ich habe keine. Also: Kasper, du durchsuchst die Datenbank nach ähnlichen Mordfällen, ich übernehme die Vermisstenanzeigen.«

»Und ich?« Veikko rekelte sich in seinem Stuhl. »Was hast du für mich vorgesehen?«

»Du könntest zur Rechtsmedizin fahren. Eckkvist hat mir versprochen, dass er sich der Sache in einer Nachtschicht annehmen wird.«

»Der ist verrückt«, kommentierte Kasper. »Nachts an Leichen rumschnippeln.«

»Er meinte, es sei ein interessanter Mord«, sagte Antti mit einem Schmunzeln auf den Lippen. Eckkvist gehörte zu den Kollegen im Präsidium, die kein Privatleben hatten. Er lebte von seiner Frau und der Tochter getrennt. Vermutlich hatte auch er heute Abend nichts Besseres zu tun.

»Aye, aye Chef!«, antwortete Veikko salutierend.



Das rechtsmedizinische Institut von Helsinki lag wenige Minuten von dem Polizeipräsidium entfernt. Es war eines der Größten des Landes und mit der neusten Technik ausgestattet.

Veikko Lindström parkte auf dem Angestelltenparkplatz direkt neben dem Hauptgebäude. Um diese Uhrzeit standen ohnehin nur noch wenige Autos auf dem Parkplatz. Er zeigte seinen Ausweis an der Pforte und wurde hineingelassen. In seiner Zeit bei der Mordkommission hatte er bereits einige Leichen gesehen, dennoch überkam ihn jedes Mal ein mulmiges Gefühl, wenn er die Gänge der Rechtsmedizin hinunterging. Es war kühl und roch wie in einem Krankenhaus. Steril und unangenehm nach Desinfektionsmitteln – nur irgendwie stechender und intensiver.

Veikko hatte nicht lange gebraucht und er hatte den Raum erreicht, in dem Professor Stellan Eckkvist sein Reich hatte. Er klopfte zwei Mal gegen die Stahltür und zog sie dann zur Seite, um in das Zimmer zu treten, welches ihn an einen Schlachthof erinnerte. Die grünbeigen Fliesen, der Geruch nach Blut. Gewöhnen würde er sich wohl nie daran. In der Mitte des Raumes stand ein Edelstahltisch, auf dem die Leiche der Frau lag. Auf einem kleinen Tisch lagen fein säuberlich aufgereiht die Instrumente des Rechtsmediziners.

Veikkos Blick blieb an dem leblosen Frauenkörper hängen. Seine Nackenhaare stellten sich auf und seine Schritte wurden langsamer, je näher er an den Tisch herantrat. Er hätte nicht sagen sollen, dass er länger bleiben würde und seine Verabredung mit ein paar Freunden zu einer Skatesession in der Indoor-Halle nicht absagen sollen. Verflucht, ihm wurde bereits bei dem Gedanken daran, was ihr widerfahren war, übel.

Eckkvist sah von der Leiche auf. »Lindström. Was denkst du, könnte ich in den wenigen Stunden herausgefunden haben?«

»Ich hoffe irgendetwas.« Sein Blick haftete weiter auf der Toten, dem Loch in ihrer Brust.

»Ich kann noch nichts Genaueres sagen. Ich habe erst die oberflächige Leichenschau abgeschlossen.«

»Kannst du uns denn da schon etwas sagen?«

Eckkvist zog die sterilen Handschuhe aus, wusch sich die Hände in dem Stahlwaschbecken, welches gegenüber der Tür lag, und drehte Veikko dann von der Leiche weg.

Es war also so offensichtlich gewesen, dass der Anblick der toten Frau ihm Probleme bereitet hatte.

»Sie war fünfundzwanzig bis achtundzwanzig, würde ich sagen. Sportlich«, philosophierte Eckkvist. »Gut ausgebildete Muskeln. Keine Operationen oder Implantate. Mandeln und Blinddarm sind noch vorhanden.«

Veikko nickte. »Irgendwelche Körpermerkmale, die zur Identifizierung beitragen könnten?«

»Nichts. Keine Tattoos, keine Narben und keine besonderen Muttermale.«

»Gibt es denn irgendetwas, was uns helfen kann?«

Eckkvists Gesicht verfinsterte sich, dann schüttelte er den Kopf. »Ihre Hände sind gepflegt, es lässt sich dennoch kein Rückschluss auf ihren Beruf ziehen.«

Veikko seufzte. Es wäre auch zu schön gewesen, wenn es jetzt schon Hinweise gegeben hätte. »Antti bittet dich darum, dass du alles gibst, damit wir morgen mehr über ihren Tod wissen.«

»Ich gebe mein Bestes«, antwortete ihm Eckkvist. »Es wird wohl eine lange Nacht werden, was?«

»Für uns alle.«

Eckkvist drehte sich zu der Leiche und zog sich ein neues Paar steriler Handschuhe über. »Dann werde ich mal weitermachen.«

Veikko setzte sich ebenfalls in Bewegung. »Ich werde Antti ausrichten, was du bisher für uns hast.«

Er wollte gerade den Raum verlassen, als Eckkvists Stimme abermals ertönte: »Häkkinen hat sie gefunden? Ich wusste gar nicht, dass er zurück im Dienst ist.«

»Es war erst sein dritter Tag.«

»Drei Tage erst. Gut, das erklärt einiges.«

»Wie?« Veikko sah erneut zur Leiche und bereute diesen Schritt sofort. Übelkeit breitete sich in der Magengegend aus.

»Häkkinen war ziemlich blass, schwankte etwas beim Gehen. Er hat sehr mit den Folgeschäden des Schädel-Hirn-Traumas zu kämpfen, nicht? Ihr solltet ihn im Auge behalten.«

»Mikael versucht, es sich nicht anmerken zu lassen, es ist allerdings offensichtlich«, erwiderte Veikko und verabschiedete sich dann endgültig von Eckkvist.

Wie sollte man auf jemanden Acht geben, wenn er es nicht wollte? Er persönlich war der Auffassung, dass es noch zu früh war. Mikael war diese Arbeit überhaupt nicht mehr gewohnt, wie konnte er da glauben, dass er von heute auf morgen einfach so in einen Vollzeitjob einsteigen konnte? Wie hatte er eigentlich die Freigabe des Amtsarztes erhalten?