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Table of Contents

Titel

Impressum

Vorwort

1

2

3

4

5

6

7 und 8

9 und 10

11

12

13

Nachwort

MEHR SPANNUNG VON RAIMUND KARRIE BEI DEBEHR

 

 

Raimund Karrie

 

 

 

 

 

 

 

 

 

The Token – Das Zeichen

 

 

 

 

 

 

 

DeBehr

 

Copyright by: Raimund Karrie

Herausgeber: Verlag DeBehr, Radeberg

Erstauflage: 2016

ISBN: 9783957533258

Umschlaggrafik Copyright by Fotolia by lenggirl

 

Vorwort

Die Handlung dieses Romans setzt im Jahre 2054 ein. Die Welt in Deutschland hat sich verändert, und zwar, wie sich zeigen wird, grundsätzlich, insofern nämlich, dass nun nicht mehr der Islam zu Deutschland, sondern Deutschland zum Islam gehört. Hier mag vielleicht in sprachlicher Hinsicht ein nur feiner Unterschied vorliegen, der erlebte Unterschied hingegen ist ein gewaltiger. Und den werden Sie, liebe Leserin, lieber Leser, erleben dürfen. Ich lade Sie ein zu einer Zeitreise in die nicht mehr so sehr entfernte Zukunft.

Es erwartet Sie dort nicht viel Erfreuliches, lässt doch eine Entwicklung in die angedeutete Richtung bereits ahnen, was da auf Sie zukommen wird, das heißt wohl eher auf die Protagonisten dieser schönen, neuen Welt. Sie hingegen dürfen sich in ihrem Sessel bequem zurücklehnen und immer wieder sagen, dass das alles ja lediglich Fiktion ist. Und sollte es doch einmal so spannend werden, dass Sie diese Spannung befürchten nicht mehr aushalten und das Ende nicht mehr abwarten zu können – bitte nicht auf die letzte Seite gehen! Rätseln Sie mit den Helden unserer Geschichte und ich verspreche Ihnen die Lösung auf der letzten Seite.

Die Düsterheit in jenen Tagen der Zukunft lässt sich nur mit Humor ertragen und daran soll es nicht mangeln. Lediglich der humorlose Leser wird sich daran nicht erfreuen können, weil ihm eben halt der „good sense of humour“ fehlt. Selbst wenn ich diesem Lesertyp den Humor gerne erspart hätte, wie sollte das gelingen, muss auch dieser satirisch geartete Roman den Gesetzen der Satire folgen. Und eine Satire bar jeglichen Humors? – Das dürfte es nur selten geben. Gelegentlich mag Gesagtes auch an eine Komödie erinnern, vielleicht eher an eine Tragikomödie, die schon ein gerüttelt Maß an Verständnis abverlangt.

Verbleibt mir nur noch, Ihnen eine vergnügliche Lektüre zu wünschen, Humor und Spannung inbegriffen.

 

 Der Autor

 

1

– „Mustapha El Ekhzeri!“

– „Hier.“

– „Ahmed El Cabul!“

– „Hier.“

– „Kadir Sel Ohimi!“

– „Hier.“

– „Mohammed Endahoui!“

– „Hier.“

– „Ala In Ben Oit!“

 „Ala In Ben Oit!!“

 „Zum letzten Mal: Ala In Benoit!!!“

– „Das bin ich, Monsieur. Aber ich bin Alain Benoit.“

– „Al Berthaman!“

 „Al Berthaman!!“

– „Meinen Sie ‚Albert Haman‘?“

 Ein einziger Deutscher! Ich werd’ verrückt. Armes Deutschland!

 Sein Blick geht zur Tür. Nichts wie weg. Ich melde mich krank. Oh, Gott! Welch ein Start!

Er schaut zurück. Da sitzen sie, seine Kleinen. Keiner rührt sich. Alle Blicke ruhen jetzt auf ihm. Einfach weglaufen. Macht man denn das? Kann man doch nicht machen?

 „Let’s start … begin … understand?“ Sie nicken unisono. Klar verstehen die das. Jeder noch so kleine Anfänger weiß, was „Start“ heißt. Also weiter.

 „My name is MacPherson.“ Einige stutzen. Er geht zur Tafel. Doch dann besinnt er sich. Du könntest ja „name“ anschreiben. Ist das gleiche Wort wie im Deutschen. Und soviel Deutsch verstehen sie ja. Doch er besinnt sich seiner ersten Unterrichtsstunde als junger Referendar. Damals wusste er es nicht besser und hat name einfach an die Tafel geschrieben. Und jeder der Kleinen hatte verstanden. Allerdings hatte er sich harscher Kritik seitens seiner Ausbilder ausgesetzt. Im modernen Fremdsprachenunterricht werde situativ gearbeitet und das Wort müsse aus dem Kontext verständlich sein. Und vor allem zähle die korrekte Aussprache. Und die lerne man ja zunächst über das gesprochene Wort.

 Also diesmal kein Tafelanschrieb. Aber wen würde es schon stören? Man ist ja unter sich. Da sitzt kein Ausbilder hinten in der Klasse und notiert peinlich, was vorne so passiert. Er nähert sich wieder der Tafel. Greift zur Kreide. Nein, er widersteht. Er ist nun mal kein Referendar mehr. Also macht er situativ weiter. Geht doch.

 Die Glocke schrillt und ruft zur Pause. „That’s all for today. Das wär’s für heute. Und weil ihr so gut mitgearbeitet habt, gibt’s heute keine Hausaufgaben. Tschüss!“

 Zufrieden sitzt er im Lehrerzimmer. Ist doch alles bestens gelaufen. Sind doch alles nette Kerlchen. Auch wenn sie Marokkaner und nur ein Deutscher sind. Ja, Deutschland im Jahr 2054 ist nicht mehr das Land deiner Kindheit, und schon gar nicht das deiner Väter. Wen überrascht es?

 Eine Kollegin setzt sich an seinen Tisch.

 „Na, auch neu hier? Betty Rose.“

 „MacPherson. Roderick MacPherson.“

 „Schotte?“

 „Mag sein. Wie man’s nimmt. Vielleicht irgendein Vorfahr.“

 Das Lehrerzimmer füllt sich. Die Kollegen nehmen ihre Stammplätze ein. Ihr Tisch bleibt frei. So können sich die beiden neuen Kollegen ungestört weiter unterhalten, das heißt, die Unterhaltung läuft sehr eingleisig. Frau Rose vergisst ihre Rede nicht und MacPherson hört höflich gequält zu. Ein Herr im besten Tweed mit Krawatte und weißem Hemd kommt auf ihren Tisch zu.

 „Werte Kolleginnen und Kollegen, bitte mal herhören! Wir haben ab heute zwei neue Mitarbeiter, die uns hilfreich unter die Arme greifen werden. Ich darf ihnen Frau Rose vorstellen und Herrn Meier. Frau Rose stellt sich dankenswerterweise zur Verfügung und verzichtet somit auf ihren wohlverdienten Ruhestand. Guten Erfolg!“ Kurzes Klatschen der Kollegen, bis man sich wieder dem Alltagsgeschehen zuwendet: Leistungsnachweise, Terminverschiebungen, Konferenztermine, Kollegiumsausflug.

 „Was war das denn für ’ne Nummer. Was sagen Sie denn dazu, Frau Rose? Wenn der Mann mal nicht total überarbeitet ist – und das schon am ersten Schultag – will ich wirklich Meier heißen.“

 „Und was soll das mit dem Verzicht auf meinen Ruhestand. Ich bin schließlich lediglich versetzt worden, versetzt an diese seltsame Schule, Herr Mac …?“

 „MacPherson, Frau Rose. Zugegeben, ‚Rose‘ ist schon leichter zu behalten als ‚Pherson‘. Übrigens, haben Sie gesehen, wie wir hier eingestuft werden? Letzter Dreck. Meier! Also, so was!“

 Ehe „Herr Meier“ Luft holen kann, hat Frau Rose das Gespräch an sich gerissen. Aufmerksam unaufmerksam hängt er an ihren Lippen. Tolle Dinge erfährt er auf diese Weise. So weiß er nun, wie Frau Rose auf die Welt gekommen ist. Den Zeugungsverlauf will sie dann doch nicht näher erläutern. Also fährt Frau Rose mit ihrer Kindheit fort. Hierbei verschweigt sie auch nicht ihre Lieblingspuppe und den bösen Anton, der sie ständig verhauen wollte, weil er auch gerne so eine schöne Puppe gehabt hätte. Ach, und dann die aufregende Schulzeit, die natürlich gar nicht so aufregend war, jedenfalls sieht Meier das so. Und jetzt passiert das, was unweigerlich passieren muss, was er die ganze Zeit befürchtet hat.

 „Herr Meier, ach, Verzeihung, Herr Mac …“

 „Pherson, Frau Rose.“

 „Ach, wissen Sie, ich würde gerne bei ‚Meier‘ bleiben. Ist doch richtig lustig.“

 „Absolut lustig und natürlich weniger kompliziert.“

 „Und Sie hätten wirklich nichts dagegen?“

 „Nein, überhaupt nicht. ‚Meier‘ gefällt mir durchaus. Ich wollte schon immer Meier heißen. Aber Müller und Schmidt hätten mir auch gefallen. Wer nur auf den unglücklichen Namen ‚MacPherson‘ gekommen ist? Na ja, wenigstens zwei Personen in meinem Leben haben mir nun zu Meier verholfen.“

 „Zwei? Wieso zwei, Herr Meier?“

 „Na ja, der Schulleiter doch auch. Haben Sie den vergessen?“

 „Was wollte ich Sie eigentlich fragen?“ Mit großen Augen schaut sie Herrn Meier an. Der sieht nichts Gutes auf sich zukommen. Er erhebt sich schnell und gibt ein dringendes Bedürfnis an. Doch da kommt noch rechtzeitig die befürchtete Frage.

 „Herr Meier, mit Ihnen lässt es sich so richtig schön plaudern. Was halten sie davon, wenn wir diese nette Unterhaltung bei mir zu Hause fortsetzen. Ich lade Sie hiermit zu Kaffee und Kuchen ein. Na, was halten Sie davon?“

 „Sehr gute Idee, Frau Rose, aber heute kann ich leider nicht.“

 „Ich hatte auch nicht an heute gedacht. Wie wäre es denn morgen? Oder übermorgen oder …?“

 „Alles sehr schlecht. Habe immens viel zu tun die nächste Zeit. Termine auf Termine. Tut mir furchtbar leid.“ Dann rettet er sich schnell doch noch auf die Toilette, ehe sie weiter bohren kann. Inzwischen hat es geläutet. Als er zurückkehrt, ist seine Peinigerin verschwunden. Nun kann er seine Freistunde genießen.

 Die Lehrerzimmertür öffnet sich und herein schwebt ein Engel. Ihr Name ist Jeanne. Das hat er bereits in Erfahrung gebracht. Welch ein Prachtexemplar von einem Weib! Seine 65 Jahre spürt er heute gar nicht. Doch gäbe er etwas darum, wenn er ein wenig jünger wäre. Die müsste so um die Fünfzig rum sein. Vielleicht sogar jünger. Also, ich könnte doch noch als Anfang sechzig, vielleicht sogar als Endfünfziger durchgehen. Klar doch. So wie ich daherkomme. Auf! Attacke!

 Wie in seinen besten Jahren: voller Schwung, charmantes Lächeln.

 „Hallo, mein Name ist MacPherson.“

 „Was Sie nicht sagen. Vorhin waren Sie noch Meier und was sind Sie morgen? Entschuldigen Sie mich, ich muss mal kurz ins Sekretariat.“ Und weg ist sie.

Gott, wie die Menschen so unterschiedlich sind. Vor allem die Frauen. Der hätte ich stundenlang zugehört, egal welche Lieblingspuppen oder welche Antons und … Also werde ich wohl mit Frau Rose vorlieb nehmen müssen. Ich bin allein. Sie ist allein. Alleinerziehende Mutter mit zwei bereits erwachsenen Kindern, wenn ich mich recht erinnere. Und weil sie so allein ist und offensichtlich niemanden hat, dem sie ihr Herz ausschütten kann, redet sie ja auch so viel.

Aber wenn sie irgendwann mal ihren ganzen Müll abgeladen hat, wird sie bestimmt ruhiger und von daher schon angenehmer. Und doch, diese verdammte Jeanne geht mir nicht mehr aus dem Kopf. Ich werde absichern und dann weitersuchen. Wer weiß, vielleicht wird es doch noch etwas mit Jeanne. Immerhin hat sie noch meinen Namen gewusst, also dass ich Meier heiße.

Und das wiederum könnte heißen, dass sie mich zur Kenntnis genommen hat, sich vielleicht heimlich doch für mich interessiert. There’s still hope, my dear!

Roderick MacPherson – er war immer so stolz gewesen auf diesen einmaligen Namen. Und jetzt dieser Verrat! Meier! Im Augenblick befindet er sich auf einer Bank am Teich eines Parks. So ein wunderschöner Park in einer Großstadt! Hier ist es besonders ruhig. Straßenverkehr weit weg, tobende Kinder weit weg, schöne Frauen weit weg, leider. Er fühlt sich schon recht einsam hier trotz singender Vögel und Enten um ihn herum. Ab uns zu verirrt sich mal ein Eichhorn in seine Nähe. Auch kommt schon mal ein älterer Herr ohne seinen Hund des Wegs (Hunde sind nämlich verboten, da unrein). Aber keine ältere oder nicht ganz so ältere Dame. Er muss an seine Wirtin denken, bei der er zur Untermiete wohnt. Sie ist genau so unfreundlich wie sein momentanes Zuhause: ein düsteres, mickriges, ungemütliches Wohnklo. Er denkt mit Schrecken daran, in dem finsteren Loch seine Korrekturen und Unterrichtsvorbereitungen machen zu müssen. Wenn es da wenigstens ein kleines Gartenstück gäbe, wo ich im Schatten eines Baumes meine Arbeiten tätigen könnte. Man müsste einen Tisch hier in diesem Park aufstellen können und dann wäre das Problem schon halbwegs gelöst. Aber vielleicht tut es diese Bank ja auch – ganz ohne Tisch und Stuhl.

 Jemand nähert sich von hinten. Und eine Stimme vernimmt er und diese Stimme meint ihn, eindeutig ihn. Und jetzt nimmt auch schon jemand neben ihm Platz auf dieser seiner Bank.

 „Ja, Frau Rose! Das ist aber eine Überraschung. Wie kommen Sie denn hierher?“

 „Ach, Herr Meier, ganz einfach. Ich gehe oft spazieren in diesem wunderschönen Park. Ist sozusagen mein Lieblingspark. Aber Sie dürften doch eigentlich gar nicht hier sein. Ich glaube, mich zu erinnern, dass Sie große zeitliche Verpflichtungen erwähnt hatten, weshalb wir uns nicht treffen konnten.“

 „Stimmt genau, Frau Rose, aber man hatte mir den heutigen Termin kurzfristig abgesagt.“ Wie hat die dich hier nur finden können? Von wegen spazieren gehen. Die hat dir hinterherspioniert. Erfüllt das schon den Tatbestand des Stalkings? Bist du soeben Opfer einer Stalkerin geworden? Bei Jeanne wäre dir das doch egal. Egal? Aber hallo! Stets willkommen!

 „Dann sind Sie also frei und ungebunden an diesem schönen Nachmittag? Dann könnten wir doch …“

 „Nein, können wir nicht. Ich bin gerade tief in Gedanken. Muss ein kniffeliges Problem lösen.“

 „Und ich kann Ihnen dabei nicht helfen?“

 „Nein, überhaupt nicht. Ich hätte es Ihnen sonst schon gesagt. Und wenn Sie mich jetzt bitte …“

 „Hab schon verstanden. Dann bis morgen.“

 „Ja, bis morgen. Und seien Sie mir bitte nicht böse.“

 „Schon in Ordnung. Also dann bis morgen. Aber eins müssen Sie mir noch sagen …“

 „Und was wäre das schon wieder?“

 „Haben Sie den Mann da drüben schon gesehen? Der beobachtet uns.“

 „Und wenn schon. Wenn es ihm doch Spaß macht. Ich kann ihn ja mal ansprechen und fragen, ob er ein Problem hat. Oder ob er sich nicht zu mir setzen will, wo Sie ja jetzt nicht mehr hier sind.“

 „Ich glaube, Sie unterschätzen da etwas, Herr Meier. Wir sollten doch jetzt lieber zu mir gehen. Da sind wir sicherer.“

 „Das glauben Sie auch nur! Der läuft uns doch hinterher wie ein Stalker und dann weiß er auch, wo Sie wohnen und dann lauert er Ihnen eines Tages auf. Der hat bestimmt ein Auge auf Sie geworfen, schließlich sind Sie doch eine attraktive, wenn nicht gar verführerische Frau.“

 „Ah wo. Sie belieben zu scherzen. Ich meine, was Sie da zuletzt über mich gesagt haben.“

 Zum ersten Mal kommt ihm der Gedanke, ob da nicht etwas dran sein könnte, an dem, was er da so leichtfertig von sich gegeben hat. Und als sie Schutz suchend näher rückt und er eine Salve ihres Parfums abbekommt, da ist ihm so, als könnte er Jeanne mal kurz vergessen.

 „Frau Rose, ich schlage vor, wir machen die Probe aufs Exempel und gehen jetzt zu Ihnen. Und wenn der Kerl uns dann verfolgt, dann – ja, dann weiß ich nicht, was ich mit dem dann mache.“

 „Sie sind stark und mutig. Bei Ihnen fühlt man sich richtig sicher.“ Er merkt, wie seine Knie schwach werden. Wie ihm die Stimme versagt. Dann die Entwarnung. Der Mann dreht ab und verschwindet hinter Büschen und Bäumen des Parks.

 Kurz drauf befindet er sich in einem richtig gemütlichen Zuhause mit einem weiten Blick über den Park, in dem sie soeben noch gesessen haben. Hell und freundlich der Wohnbereich. Und als Kaffee und Kuchen aufgetragen werden, sind alle Schrecken schnell verschwunden. Mit dieser Wohnung könnte er sich anfreunden. Auch mit der Frau? Immerhin redet sie schon gar nicht mehr so nervend. Er kommt auch mal zu Wort und es zeigt sich sehr schnell, dass man, guten Willen vorausgesetzt, auch mal gleicher Meinung sein kann.

 „Also, Frau Rose, was hatte es denn nun wirklich mit diesem Mann da auf sich?“

 „Na ja, Herr Meier – ach, wollen wir nicht Meier und Rose fallen lassen? Ich bin Betty und wenn ich dich einfach Mac nennen dürfte?“

 „Klar doch, wo Mac fast noch unkomplizierter ist als so ein Herr Meier.“

 „Also, das ist so. Wie Sie, Verzeihung, wie du weißt, leben wir in einer Pseudodemokratie. In Wirklichkeit ist dies eine ausgewachsene Diktatur. Eine islamisch, islamistische Diktatur. Man merkt das wohl nicht so auf dem Lande, da wo du herkommst. In einer Großstadt wie dieser wirst du täglich damit konfrontiert. Wir werden alle überwacht. Und dieser Mann da heute war ein solcher Überwacher. Nicht von ungefähr sieht man am helllichten Tag, wie Menschen abgeführt werden, verschleppt auf Nimmerwiedersehen. Ich kenne Familien, wo ein oder zwei Mitglieder einfach verschwunden sind. Und bist du erst einmal politisch eingestuft, gibt es kaum noch eine Chance des Entkommens.“

 „Und wenn man genau ihre Gesetze befolgt und keine unliebsamen Reden führt, dürfte einem doch eigentlich nichts passieren.“ Und wieder werden seine Knie weich.

 „Denkst du. Beweise denen mal, dass du ein gesetzestreuer Bürger bist, gesetzestreu in deren Sinne. Und was machst du, wenn du Feinde hast, die dich für irgendetwas anschwärzen, etwas, das du nicht getan hast und auch niemals tun würdest. Was dann? Dann beginnt die Hexenjagd.“

 Mac ist sehr still geworden. Er hat zwar dem System nie so richtig getraut, aber die Vorstellung eines Überwachungsstaates war ihm stets fremd gewesen.

 „Allein, dass wir hier sitzen und dieses Gespräch führen, grenzt schon an Landesverrat.“

 In diesem Moment tritt der Sohn ins Zimmer. Wo war der denn die ganze Zeit? Der wird doch nichts mitgehört haben?

 „Mein Sohn Benjamin. Macht nächstes Jahr Abi. Hat Probleme im Englischen. Er ist mehr der mathematisch-naturwissenschaftliche Typ. Hol uns mal ’ne Flasche Wein, Ben. Du trinkst doch Wein, oder?“

 „Und ob. Doch wo hast du den denn aufgegabelt? Die Quelle kannst du mir mal verraten.“

 „Und du hast keine Angst, erwischt zu werden? Siehst du, Mac, das wäre schon ein Grund, eingelocht zu werden. So schnell geht das.“

 „Und warum sitzt du dann noch hier und nicht im düsteren Kerkerloch?“

 „Aus dem gleichen Grund wie die anderen Weintrinker auch. Wir passen auf. Und unsere Händler sind total vertrauenswürdig.“

 „Bis man euch alle ermittelt hat und ihr unter Folter – die gibt’s doch sicher auch hier – gestanden und die werte Kundschaft verraten habt. Und was dann? Sag denen ja nicht, dass ich heute hier war und mit dir Wein getrunken habe.“

 „Da liegst du gar nicht so falsch, mein lieber Mac. In einem muslimisch geprägten Land herrscht absolutes Alkoholverbot. Und wenn die Muslime sich dran halten, müssen wir Christen das auch. Schluss mit Messwein und Co. Ja, das biblische Zeitalter ist endgültig vorbei. Jesus hat noch mit seinen Saufkumpanen gesoffen. Hat ja selbst Wasser in Wein verwandelt.“

 „Und was ist mit Schweinefleisch?“

 „Das war schon zu Jesus’ Zeiten verpönt.“

 „Was würde ich, liebe Betty, was würde ich so gerne mal wieder eine Schweinshaxe essen oder nur ein Schnitzel oder Kotelette. Nichts mehr. Nur noch Lamm. Ich kann’s nicht mehr sehen. Überall sind wir eingeschränkt. Nimm die Sexualität. Früher konnte ein einsamer Mann sich eine Prostituierte nehmen und danach ging es ihm besser. Alles vorbei.“

 „Heute muss sich ein einsamer Mann halt eben eine einsame Frau suchen. Ist doch auch nicht so schlecht.“

 Mac hatte diese Anmerkung dezent überhört und fuhr fort im Text.

 „Fernsehen auch zensiert. Keine schönen Liebesakte mehr. War früher kein Problem. Die dollsten Filme liefen da schon zur Hauptsendezeit und die ganze Familie vor der Glotze. Zugegeben, das gefiel mir nicht so. Hätten diese Filme auch nachts zeigen können. Aber was heute so im Fernsehen läuft … Ich guck schon gar kein Fernsehn mehr. Das heißt, manchmal schon. Tierfilme zum Beispiel. Hast du mal gesehen, wie Elefanten sich paaren – oder zwei Igel?“ Dann erzählt er noch, was sich in seinem Leben außerhalb der Fernsehwelt alles so zugetragen hat. „Alles leider vorbei. Kommt nie wieder.“

 Betty hatte ihm aufmerksam zugehört und ihrem gelegentlichen Kopfnicken und ihrem Gesichtsausdruck nach zu urteilen, zeigte sie Verständnis für seine Klagen. Dass sie ihm überhaupt zugehört hatte und das, fast ohne ihn unterbrechen zu wollen, ließ auf weitere Stunden harmonischen Zusammenseins hoffen.

 Nachdem Ben die Flasche herbeigeholt und geöffnet hatte, fragte er noch kurz: „Glas?“

 „Wie, was Glas, Ben?“

 „Ben, nun hol schon zwei oder drei Gläser und frag nicht so dumm“, meinte die Mutter leicht indigniert, worauf Ben sich trollte und mit drei Gläsern zurückkam. Er schenkte sogar unaufgefordert ein und das nicht einmal bis zum Rand, auf dass der Besucher dann nicht den schlechtesten Eindruck bezüglich dieses Sohnes hatte. Wenn Ben nur dicht hält! Der hat doch bestimmt einiges mitgekriegt.

 „Ja, die schöne neue Welt. Die alte Welt gefiel mir da schon besser, Betty. Wie denkt denn der junge Mann diesbezüglich?“

 „Herr Mac …“

 „Sag einfach Mac, so wie deine Mutter, Ben.“

 „Ich habe sie nie kennengelernt, diese alte Welt. Ich habe natürlich viel darüber gehört, von meiner Mutter allein schon. Aber ich muss sagen, dass ich einer solchen Welt nicht nachweine. Ich fühl’ mich recht wohl in einer muslimisch geprägten Welt wie der unsrigen.“

 „Ich habe schon oft mit meinem Sohn darüber diskutiert. Ich kann ihn nicht verstehen und er mich nicht. Doch was letztendlich zählt, ist doch der Umstand, dass er sich hier wohlfühlt und nichts entbehrt.“

 „Den Alkohol zum Beispiel entbehre ich überhaupt nicht. Ich trinke jetzt auch nur aus Höflichkeit und Geselligkeit mit euch, nicht etwa, dass mir das Zeug schmeckt.“

 „Was soll’s. Geselligkeit ist doch auch was Schönes. Wir Menschen sind soziale, eben gesellige Wesen. Deshalb ist ein gemeinsamer Weingenuss an sich schon erstrebenswert.“

 „Mag ja sein. Aber ich finde meine Geselligkeit in der Moschee, wo ich mit Gleichgesinnten zusammenkomme. Und was ich da so über den Koran erfahre, tut mir in der Seele gut. Dort und in der Schule natürlich treffe ich auf meine Leute, alles gute Kumpels. Und wir verstehen uns bestens.“

 „Mit anderen Worten, du hast muslimische Freunde oder wie sehe ich das?“

 „Siehst du genau richtig. Kaum noch Freunde aus dem christlichen Lager. Ist übrigens auch politisch gesehen besser für mich. Vielleicht setzen die oder ihre Eltern sich eines Tages für meine Mutter ein, wenn sie die bei Alkohol, Schweinefleisch und unliebsamen Reden ertappen sollten.“

 „Und in einem solchen Staatswesen willst du dich wohlfühlen, wo ständige Angst die Menschen umtreibt?“

 „Wenn man sich konform verhält, hat man auch nichts zu befürchten.“

 „Siehst du Mac, meinem Sohn ist nicht zu helfen. Aber vielleicht in Englisch. Meinst du, du könntest ihm da mal gelegentlich unter die Arme greifen?“

 „Wann immer es meine Zeit erlaubt, gerne.“

 

Am folgenden Tag in der Jahrgangsstufe 12 seines Gymnasiums war Deutsch angesagt. In der Muttersprache ließ es sich doch gleich viel leichter kommunizieren. Und ungenierter. Heute stand ein Korantext auf der Tagesordnung, der mit einem Bibeltext zu vergleichen war. Und da christliche Schüler in der absoluten Minderheit vertreten waren, hatten Korantexte grundsätzlich nichts zu befürchten. Einer der Schüler las vor.

 „Unser Herr, wahrlich, wen du ins Feuer führst, den führst du in Schande, und die Ungerechten haben keine Helfer, 3:192.“

 Ein weiterer Schüler las ebenfalls eine passende Passage vor.

 „Wissen sie denn nicht, dass für den, der Gott und Seinem Gesandten (Muhammad) zuwiderhandelt, das Feuer der Hölle bestimmt ist? Darin wird er auf ewig bleiben. Das ist die große Demütigung, 9:63.“

 Es folgte der Bibeltext, wo Jesus die Hölle anpreist, wo Heulen und Zähneklappern angesagt sind.

 Da diese Bibelstelle der des Korans nicht widersprach, war von daher kein Zündstoff geboten. Und doch wollte die Unterrichtsstunde fast zum Desaster werden, denn als von Schülerseite keine Diskussion in Gang kam – wie sollte sie auch? – brachte die Lehrkraft sich ins Spiel. Eine Challenge, eine Provokation musste her. Doch Provokationen müssen sehr sensibel angegangen werden. Und daran schien es MacPherson doch erheblich zu mangeln.

 „Ich dachte immer“, so begann er unbekümmert, „Gott sei der Gott der Liebe. Doch jetzt droht Er mit Hieben.“ Kurze Pause, um die Wirkung seines platten Reims auszukosten. Doch seine Klientel erwies sich als humorlos und hörte ihrem großen Meister regungslos zu. Also fuhr dieser fort: „Jesus war stets Pazifist. Wie kann Er dann so mit einer Hölle drohen? Er, der selbst am Kreuz noch betete: Herr vergib ihnen ihre Schuld, denn sie wissen nicht, was sie tun.“

 Der erste Schüler wurde munter und tat seine Meinung kund: „Das ist genau das Problem der Christen. Für sie gibt es letztendlich keine Hölle. Einen Gott beten sie an, mit dem man machen kann, was man will. Sie tanzen Ihm förmlich auf der Nase rum. Er verzeiht ja alles. Gut, man muss Ihn schon um Verzeihung bitten. Das ist ja auch das Mindeste. Aber was geschieht dann mit all den Verbrechern, die nicht bereuen, nicht Abbitte tun? Wo landen die eines Tages? Doch wohl nicht im Himmel, zusammen mit den Aufrechten?“

 „Ja genau. Das ist ja auch genau der Grund“, so reagierte ein weiterer Schüler, „warum wir hier auf Erden schon für Ordnung sorgen müssen. Und es ist mehr als recht“, wobei er sich zu seinen christlichen Mitschülern umdrehte, „ja, mehr als recht, dass wir auch die Christen unserer Scharia unterstellt haben.“

 „Ibrahim hat da vollkommen recht, wie sonst hätten wir eine solch niedrige Verbrecherquote.“

 „Was hatte das Christentum denn erreicht mit seiner soften Haltung? Diebstähle, Einbrüche, Vergewaltigungen, Steueroasen, Bestechungen und, und, und. Alles Schnee von gestern. Ordnung musste her. Und die haben wir, Allah sei Dank!“

 „Und wer sich nicht an die Gebote hält, dem gnade Allah!“

 Anstatt die Zeichen zu sehen, goss MacPherson auch noch Öl ins Feuer.

 „Irgendwann kommt jeder mal mit Geboten und Verboten in Konflikt. Dann würde er sich gerne christlicher Barmherzigkeit erfreuen. Doch die ist ja abgeschafft. Abgeschafft für alle Zeiten. Ihr müsst gar nicht so gucken. Wir sind alle nur Menschen. Und Menschen fehlen und sündigen. Das ist Fakt. Auch ihr seid keine Heiligen. Vielleicht der Mohammed. Aber wer weiß. Auch er war nur ein Mensch. Jesus war zwar auch ein Mensch, doch er war auch Gottessohn, also ein Gott. Gott sündigt nicht. Also war Jesus ohne Sünde.“

 „Was soll denn der Unsinn! Schon im Alten Testament, das ja fast noch identisch war für Christen, Juden und Muslime, da steht doch geschrieben, wenn ich mich recht entsinne, dass Gott die Sintflut bereut hatte. Also hatte er etwas falsch gemacht. Die Sintflut war eine Sünde. Oder wie seh’ ich das?“

 „Wie auch immer“, so schnaufte MacPherson, „wie auch immer, wenn also Gott oder Allah oder Manitu, wenn also diese Gottheiten Fehler machen, dann wir Menschen erst recht. Und deshalb bedarf es der Barmherzigkeit. Und glaubt ja nicht, dass Muslime ohne Schuld sind. Man denke nur an die Drogendelikte. Wer hat uns denn die Drogen ins Land gebracht. Waren das etwa die Christen? Und wer hatte die schönsten Geldwäschereien?“ MacPherson hatte sich richtig in Rage geredet. Wenn er etwas hasste, dann waren es Pharisäertum und Heuchelei. Diesen Muslimen muss man mal den Spiegel vorhalten. Jawoll!

 Das nahmen seine Schüler nicht so einfach hin. Ein Wort ergab das andere und die Wellen schlugen hoch. MacPherson war am Ende heilfroh, als der Gong zur Pause ertönte. Er sah sich an den Gong im Boxkampf erinnert, wo auch der Gong befreiend wirkt, wenn auch nur für einen kurzen Moment. Doch dann folgt die nächste schmerzhafte Runde. Eine solche Runde stand auch ihm noch bevor. Doch das wusste er noch nicht an diesem fragwürdigen Vormittag.

 Am Morgen danach hatte sich der Rauch verzogen. Doch die hinterlassenen Ruinen waren umso präsenter. Er hatte gerade sein Pausenbrot ausgepackt, die Thermoskanne mit heißem Kaffee stand auch bereit, als der Schulleiter ins Lehrerzimmer rannte und das Unheil mit Riesenschritten auf seinen Tisch zusteuerte.

 „Herr Kollege, wollen Sie mir bitte in mein Amtszimmer folgen. Ich habe mit Ihnen zu reden.“

 Das schlug wie eine Bombe ein. Was will der Kerl? Was missfällt ihm denn? Dann überkam ihn eine Ahnung. Hatte er sich vielleicht zu weit aus dem Fenster gelehnt. Im Schnelldurchlauf repetierte er vergangene Unterrichtsstunden und je weiter er kam in seiner Gewissenserforschung, desto mulmiger wurde ihm. Und siehe da, sein schlechtes Gewissen hatte ihn nicht betrogen.

 „Herr Mac …“

 „Pherson, Herr Direktor.“

 „Sie müssen mir nicht vorsagen, Herr Mac …“

 „Pherson, Herr Direktor.“

 „Also was ich sagen will, ist dieses. Eltern von Schülern aus zwei verschiedenen Klassen haben sich bei mir über Sie beschwert.“

 „Moment mal, wenn ich Sie kurz unterbrechen darf, warum haben diese Eltern sich nicht persönlich an mich gewandt? Das wäre guter Stil gewesen. Übrigens glaube ich Ihnen kein Wort, es sei denn, Sie nennen mir deren Namen.“

 „Wer gibt hier das Prozedere vor, Sie oder der Schulleiter. Sie hören sich jetzt an, was da gegen Sie vorgetragen wurde und dann können Sie sich dazu äußern. Haben wir uns verstanden?“

 „Na, dann schießen Sie mal los. Bin schon richtig gespannt, was man sich da so aus den Fingern gesogen hat.“

 „Sie sollen den Propheten Mohammed beleidigt haben.“

 „Ach, na so was. Wie soll das denn vonstatten gegangen sein?“

 „Sie sollen – und das haben mehrere Eltern bestätigt – die Heiligkeit des Propheten infrage gestellt haben. Stimmt das?“

 „Selbst wenn, sagen Sie mir bitte, wird Mohammed als Heiliger gehandelt? Wissen Sie, mit den Heiligen kenne ich mich nicht so gut aus. Selbst die von der katholischen Kirche Heiliggesprochenen kenne ich kaum. Da hätten es die Muslime in der Tat ja einfacher mit nur einem Heiligen. Aber nun sagen Sie mir doch, hat man den Mohammed heilig gesprochen und wer hat das getan? Ich will ja gerne dazulernen und mich künftig korrekt verhalten.“

 „Also, um es kurz zu machen, der Prophet Mohammed ist den Muslimen heilig und da stellt man keine dummen Fragen. Ist das klar? Für alle Zeiten? Aber das ist ja noch nicht alles. Sagen Sie mal, Herr Kollege, was meinten Sie mit Drogendelikten und Geldwäschereien?“

 „Nun sagen Sie bloß nicht, Sie hätten noch nie davon gehört. Ich muss Ihnen doch nun wirklich hier nicht erklären, was es mit den Drogendelikten und den Geldwäschereien in der Vergangenheit so auf sich hatte. Übrigens langweilt mich allmählich diese Unterhaltung. Ich hatte wunders gedacht, was man da so Schlimmes gegen mich vorgebracht hätte. Aber was ich hier gehört habe, ist doch wohl lächerlich. Dass Sie sich damit aufhalten. Haben Sie nichts Besseres zu tun? Ich darf mich empfehlen. Dennoch vielen Dank für diese Audienz.“

 „Stopp! So geht das ja nun gar nicht. Ich warne Sie. Im Wiederholungsfall werden wir uns von Ihnen trennen müssen.“

 „Na, da bin ich aber traurig. Sie glauben doch nicht, dass mir die Schule Spaß macht. Ich bin gezwungen worden, meinen wohlverdienten Ruhestand aufzugeben. Ich kehre gerne wieder dahin zurück, wo ich herkomme. Nur zu! Tun Sie sich keinen Zwang an. Auf diese Schule hier kann ich gut und gerne verzichten. In diesem Sinne.“

 MacPherson erhob sich und hatte schon die Türklinke in der Hand, als er noch mal zurückgepfiffen wurde.

 „Herr Mac …, Herr Kollege, wenn ich Ihren Fall an das Schulamt gebe und die Sache womöglich noch der Staatsanwaltschaft vorgelegt wird, dann werden Sie sich wünschen, hier ein anderes Bild abgegeben zu haben.“

 „Was soll das denn jetzt? Sie werden sich hüten, die Sache aus dem Schulhaus zu geben. Das werden Sie auch zukünftig intern austragen wollen. Denn ihr Schulleiter fürchtet doch nichts mehr, als den guten Ruf der Schule aufs Spiel zu setzen. Hab ich recht? Wie steht die Schule dann bei der Schulaufsicht da und überhaupt in der Öffentlichkeit. Ludwig-Gymnasium in den Schlagzeilen wegen Beleidigungen des Propheten Mohammed. Na dann gute Nacht. Sehen Sie lieber zu, dass Sie mit den Eltern klarkommen, oder schicken Sie die gleich zu mir. Ich werde mit denen schon fertig. Wenn sonst nichts mehr ist, würde ich jetzt gerne in den Unterricht gehen. Meine Klasse wartet schon.“

 Mächtig stolz war er auf sich. Man darf sich von diesen Heinis nicht unterkriegen lassen. Von dem Schwachkopf von Direktor schon gar nicht. Wenn der wüsste, wie mir das Unterrichten wieder richtig Spaß macht. Ist schon was anderes, als mit Modelleisenbahn zu spielen oder dem Herrn anderweitig die Zeit zu stehlen. Und wenn es im Unterricht bei den Diskussionen so richtig abgeht. Ja, das ist das Leben. Früher hätte er sich jetzt einen guten Tropfen gegönnt zur Feier des Tages. Aber woher nehmen, wenn nicht stehlen? Ob Betty noch ein Fläschchen hat?

 Auf dem Weg zu Betty und Wein wurde er sich zum ersten Mal bewusst, wie gut es ist, in Notzeiten eine Anlaufstelle zu haben. Er musste nur auf der Hut sein. Betty war ein wenig klebrig. Wer weiß, was sie so alles mit ihm vorhatte. Der Gedanke, mit ihr Liebe zu machen, schreckte ihn nun doch sehr und ihm war gar nicht mehr so wohl, als er vor Bettys Tür angelangt war. Doch der Gedanke an Bettys guten Tropfen gab dann letzten Endes den Ausschlag.

 Wie kann sich ein Mensch nur so freuen! Betty strahlte über das ganze Gesicht und umarmte ihn und wollte ihn nicht mehr loslassen. Mac gelang es schließlich, sich freizuschaufeln und gemeinsam ging man es an. Ehe er ein Wort sagen konnte, war sie schon zum Kühlschrank geeilt. Nach einem ersten kräftigen Schluck kam Mac dann auch schnell auf den eigentlichen Anlass seines Besuches zu sprechen. Ein bisschen mehr Taktgefühl und einstweilige Zurückhaltung in eigener Sache hätten Betty gewiss mehr erfreut. Er hatte sie also nicht wegen irgendwelcher Sehnsuchtsgefühle oder gar aus Liebe aufgesucht, nein, sein Besuch bei ihr war eher von eigennützigen Motiven getragen.

 Betty hörte ihm dennoch geduldig zu und als sein Bericht beendet war, schaute sie sehr ernst, ja fast sorgenvoll drein. „Mein lieber Mac“, begann sie mit leicht zitternder Stimme, „da hast du dich gewaltig aus dem Fenster gelehnt. Glaub ja nicht, mit solchen Reden auf Dauer bestehen zu können. Wie ich den Schulleiter einschätze, und da stehe ich nicht allein, lässt der sich solch schnödes Verhalten nicht länger gefallen. Ich hätte dich doch für vernünftiger gehalten. Mag ja sein, dass auf deinem Dorf andere Gesetze herrschen. Hier in der Großstadt musst du gewaltig aufpassen. Ruckzuck haben sie dich am Schlafittchen. Und dann bist du da, wo du nicht hin willst.“

 Danach holte Betty erst einmal tief Luft und hielt noch eine Weile inne, als wollte sie nachdenken.

Dann plötzlich fuhr sie fort: „Aber du kannst Vieles wieder gutmachen. Nächste Woche zum Beispiel läuft im Waldstadion das entscheidende Spiel von Concordia Christiana gegen die favorisierten Muslime, also gegen Ballan Baladan. Und da kommst du mit in die muslimische Fan-Ecke und dann feuerst du mit uns die Ballan Balladans an. Du weißt, unsere Schule ist vornehmlich muslimisch ausgerichtet. Und dann positionieren wir uns so, dass der Direktor uns beim Jubeln und Anfeuern sehen kann. Und dann hoffe ich, dass er dir deinen Fauxpas verzeiht. Gute Führung demnächst vorausgesetzt.“

 „Das kannsde gerade vergessen. Fußball geht mir vollkommen am … also, mag ich überhaupt nicht. Früher bin ich mit Freunden des Öfteren ins damalige Waldstadion gegangen, aber nur um denen einen Gefallen zu tun. Übrigens, seit wann heißt das wieder Waldstadion. Die hatten das doch mal umbenannt und dann trug es plötzlich den Namen einer der Großbanken. Na ja, ist ja auch egal. Gleich wie das heißt, da geh ich nicht rein, nein niemals. Und als überzeugter Christ kann ich nicht Muslime anfeuern. Das wäre doch glatter Verrat, oder?“

 „Du weißt doch: Wessen Brot ich ess’, dessen Lied ich sing’. Du musst noch viel lernen, Mac. Ich mach mir allmählich wirklich große Sorgen.“

 „Musst du nicht. Du weißt doch, Unkraut vergeht nicht. Außerdem kann dir doch egal sein, was aus mir wird. Oder handelst du gemäß dem Motto ‚Sag mir, mit wem du gehst, und ich sag dir, wer du bist‘?“

 „Du merkst auch gar nichts. Bist gar nicht ein bisschen sensibel. Ach, wie soll ich dir das erklären?“

 Da horchte Mac auf. So unsensibel war er nun doch nicht. Die latente Information hatte er verstanden. Aber ich habe der Frau doch nie irgendwelche Hoffnungen gemacht! Mac war nicht nur unsensibel, er war auch naiv. Egozentrisch, wie er war, konnte er über sein eigenes Ich nur schwer hinausschauen. Nur allzu oft hielt er sich für den Nabel der Welt. So etwas kann teuer zu stehen kommen, vornehmlich in der Welt von 2054, in der er soeben lebte.

 Noch Tage nach besagtem Fußballmatch wartete Betty bange auf Macs Rausschmiss aus der Schule, zumindest auf eine schriftliche Ermahnung seitens des Schuldirektors. Doch nichts dergleichen tat sich, was wiederum ihren neuen Freund ermutigte, sich auch künftig alles andere als konform zu verhalten.

 Doch einen Kollegen gab es, der einen Tag nach dem Fußballspiel Mac auf die Schulter geklopft hatte und sein Verhalten entsprechen zu würdigen wusste. Das gefiel dem ansonsten so Geschmähten und er lud diesen netten Kollegen dann auch umgehend zu einem Bier ein. In einer urigen Kneipe trafen sie sich, aber es blieb nicht bei einem Bier. Es war sozusagen eine Gemeinschaftsproduktion. Mac hatte die Einladung ausgesprochen und der Kollege das besondere Lokal genannt, wo es für Eingeweihte reichlich Bier vom Fass gab. Vor dem Eingang stand ein Türsteher, der nur ausgewählten Gästen Zutritt gewährte. Mit diesem Kollegen namens Egon, nach dem vierten Glas war man beim Du, ergab sich ein höchst interessantes Gespräch. Sehr bald schon durfte Mac erfahren, was es Näheres mit Egon auf sich hatte.

 Egon stellte sich sehr bald schon als so etwas wie Winston Smith, der Held aus Orwells „Nineteeneightyfour“, heraus. Und wie dieser Winston Smith war er ein Gegner des Regimes und nicht nur das. Er schrieb auch an einem Tagebuch, hatte sich eine gleichgesinnte Freundin zugelegt, so eine Art Julia, und hätte er sich jetzt auch noch regelmäßig in einem Zimmer im ersten Stock eines Junkshops getroffen, die Sache wäre perfekt gewesen. Aber sie war ohnehin schon perfekt, da dieser Egon ebenso wie Smith es bei innerem Widerstand beließ. Eine offene Revolution oder Gründung einer oppositionellen Partei war somit niemals angedacht worden.

 Mac zeigte sich fasziniert, aber nur bis zu einem gewissen Grad. Was er an Egon kritisierte und was ihm schon bei Winston Smith negativ aufgestoßen war, war die Tatsache, dass eben beide glaubten, der innere Widerstand würde genügen. Zum ersten Mal in dieser seltsamen Welt von 2054 war ihm der Gedanke gekommen, dass Kritik und Gejammer nur wenig auszurichten vermögen.

 „Man müsste etwas tun, weißt du, Egon, aktiv werden. Dieses System muss weg! Es hat sich schon zu sehr ausgebreitet. Vor Jahren hat sich das alles bereits abgezeichnet. Jedenfalls gab es viele besorgte Bürger, die keine guten Zeiten auf Deutschland zukommen sahen. Ich gehörte damals noch zu den Optimisten. Warum, so dachte ich zu jener Zeit noch, warum soll das nicht gut gehen. Die Muslime waren größtenteils friedliche Mitbürger. Sie hatten ihren Glauben und ihre Moscheen und wir Christen unseren Glauben und unsere Kirchen. Es war ein friedliches Miteinander. Aber, und das muss auch gesagt werden, gab es damals schon die sogenannten Salafisten, die den Islamisten sehr nahestanden. Es gab aber auch Strömungen, Pegida und AfD, die schon damals die Ansicht vertraten, dass der Islam nicht zu Deutschland gehöre. Sie befürchteten eine Islamisierung Deutschlands. Als islamfeindlich und rechtsradikal wurden sie abgestempelt von dem linientreuen Wahlvieh, das sozusagen im Abonnement ihr Kreuzchen bei den Etablierten machte.

 Ja, und als der sogenannte Islamische Staat in den Ländern Afrikas, Afghanistan und anderen zurückgedrängt wurde, hatten die Islamisten ihre Strategie gewechselt. Sie unterminierten Staatssysteme und was daraus geworden ist, sieht man ja heute. Aufgrund des hohen Bevölkerungsanteils an Muslimen wurde es ihnen leicht gemacht, vor allem in Deutschland Fuß zu fassen. Wir Christen wurden immer mehr zurückgedrängt und lediglich geduldet. Kirchen wurden dichtgemacht. Wer beten will, kann ja in die Moschee gehen. Für die gesamte Bevölkerung gilt das Verbot von Alkohol und Schweinefleisch. Was hat das Arbeitsplätze vernichtet. Die wissen halt nicht zu wirtschaften. Und wenn die das Know-how von uns Christen nicht hätten, was wäre dann? Sie dulden uns wie Milchkühe. Ja, so sieht’s aus, mein lieber. Prost! Trinken wir auf das marode Deutschland.“

 Egon hatte die Tiraden seines neuen Saufkumpans ruhig über sich ergehen lassen. Das alles war nicht neu für seine Ohren. Neu war lediglich, dass ihm hier einer gegenübersaß, der offen die Dinge an- und aussprach. Und politisch aktiv werden war auch keine schlechte Idee. Doch bei der Frage nach der Umsetzung herrschte einhelliges Schweigen.

 Mac fand wenig Schlaf in dieser Nacht. Dieser Egon! Mehr solcher Egons und Deutschland hätte wieder eine Zukunft. Doch Egon, und das musste sich Mac nun doch noch eingestehen, befand sich erst in der Vorstufe eines Revoluzzers. Er war das Vitamin D, das noch in der Haut steckte und noch auf die Verarbeitung in der Leber wartete. Wie schon erkannt, war er der Winston Smith von 2054. Doch anders als Winston würde er den entscheidenden Schritt nach vorne tun. Mit ihm würde Mac Ideen in die Tat umsetzen. Darüber wurde er sich klar in dieser Nacht und der Nachtschlaf stellte sich dann doch noch ein.

 Und weil Mac so herrlich entspannt war, träumte er mal ausnahmsweise nichts Politisches. Heute Nacht lief mal wieder etwas Erotisches. Er war noch auf eine Revoluzzerin getroffen, mit der er so viel Schönes erlebte, in der Revolution der Sinne schwelgte und selbst nach dem Aufwachen noch glaubte, einen Aufständigen bändigen zu müssen.

George Orwells „1984“ hatte ihn sein Leben lang begleitet. Zum ersten Mal wurde er als Schüler mit diesem Roman konfrontiert. Er konnte sich noch erinnern, welch gewaltigen Eindruck die Welt des Winston Smith auf ihn gemacht hatte. Später als Lehrer dann verstand er diese Welt schon mehr, doch ist sie ihm auch da noch unheimlich genug geblieben. Und seinen Schülern hatte er diese Welt ebenso wenig vermitteln können wie die Lehrer seinerzeit ihm.

 Wenn ihm damals mal jemand gesagt hätte, dass er sich selbst eines Tages wie ein Winston Smith fühlen würde, er hätte ihn ausgelacht. Doch diese Welt von 1984 hatte ihn nicht nur ein-, sondern bereits überholt. Gut, die Welt von 1984 war auch eine Diktatur und man hatte sich auch konform zu verhalten. Doch diese Welt von 2054 nahm dem Menschen darüber hinaus noch seine letzten Freiheiten und engte ihn total ein. Im Gegensatz zu Big Brother, der die Verkörperung des Staates darstellte, eines Staates, der sich via Manipulation den Abtrünnigen zuwandte und um ihre Anerkennung und Zuwendung buhlte und der eigentlich nur verstanden, ja, überspitzt gesehen, schlichtweg geliebt sein wollte, stand dem Staatswesen von 2054 ein Präsident vor, der dem religiösen Fanatismus frönte und dem es gleichgültig war, warum seine Bevölkerung dem Islam huldigte. Hauptsache sie huldigte.

 Und diesem verruchten System hatte er nun den Kampf angesagt. Er hatte zwar keine Julia an seiner Seite wie sein Vorbild Winston, leider nur einen Egon, aber der würde es auch tun. Winston war mit seiner Julia Mac gegenüber sogar im Vorteil, da Mac mit Egon schlecht sein Bett teilen konnte. Er musste sich seine Julia halt woanders suchen. Zu diesem Zeitpunkt konnte er ja nicht ahnen, dass diese Julia gar nicht mehr so fern war.

 

 

2

 

Das Licht brannte des Nachts. So auch wieder in dieser Nacht. Wann immer er auf die Toilette musste – mindestens viermal in der Nacht dank seiner benignen Prostatavergrößerung – schaute er anschließend kurz aus dem Fenster auf das Thermometer, in den Sternenhimmel oder eben auf dieses Licht. Es war das Licht eines der Fenster im übernächsten Nachbarhaus, das sein Nachbar Johannes bewohnte. Dieser Johannes war ihm noch von seinen vier Semestern Theologie bekannt, von den zahlreichen Klausuren, wo einer vom anderen abschrieb, oder von den ausgiebigen Gesprächen in der Mensa oder im Freien auf dem Campus seiner Uni an warmen Sommertagen. Seitdem sie Nachbarn waren, hatten sie sich aus den Augen verloren, denn dieser Johannes zeigte sich nur selten bei Tageslicht. Seine Domäne war schon zu Uni-Zeiten die Nacht gewesen, wo er die Arbeiten verrichtete, die ein gutbürgerlicher Student am Tag zu verrichten pflegte. Mac fragte sich, ob Johannes immer noch des Nachts hinter seinem Schreibtisch saß, jetzt, wo es doch eigentlich keine Arbeit mehr für ihn gab. Man hatte auch seine Kirche geschlossen und er befand sich auf der Straße beziehungsweise hinter seinem Schreibtisch. Doch was trieb er da, dieser arbeitslose Nachtmensch?

 Zum ersten Mal kam Mac der Gedanke, dass er vielleicht gar nicht arbeitete und auch nicht hinter seinem Schreibtisch saß. Vielleicht taten sich ja Dinge in diesem hell erleuchteten Zimmer, die mit klerikaler Arbeit nur wenig oder gar nichts zu tun hatten. Und dank seines Gespräches mit Egon glaubte er auch zu wissen, in welche Richtung sich die nächtlichen Tätigkeiten bewegen könnten. Und so fasste er einen Plan.

 In der folgenden Nacht beließ Mac es nicht bei seinem Toilettenbesuch, sondern zog sich an und marschierte zu dem besagten Nachbarhaus. Und zu seiner Überraschung zögerte er nicht lange und drückte den Klingelknopf. Just in diesem Moment erlosch das Licht und es blieb weiterhin ruhig in dem Haus. Er schellte noch mal. Doch kein Laut war mehr zu hören und kein Nachbar zu sehen. Und da Mac Ferien hatte, reifte ein weiterer Plan.

 Offensichtlich hatte dieser Mensch etwas zu verbergen, ja, mehr noch, er schien an etwas zu werkeln, das gewiss streng geheim und brandgefährlich war. Daran bestand jetzt für Mac kein Zweifel mehr. Also beschloss er, dank reichlicher Ferienzeit, sich nahezu rund um die Uhr auf die Lauer zu legen, zumal ihm auch bei Tage die Tür verschlossen blieb. Von seinem Flurfenster konnte er den Eingang bestens observieren, sodass dieser suspekte Nachbar ihm nicht entkommen würde.

 Schon am zweiten Tag seiner Mission öffnete sich die Tür. Die Uhr zeigte neun Uhr. Das war der Moment, auf den Mac gewartet hatte. Im Nu war er auf der Straße und heftete sich an die Fersen seines Opfers. Noch vor dem Supermarkt hatte er ihn eingeholt. Man hatte sich nicht überschwänglich begrüßt nach dieser langen Zeit, jedoch noch freundlich genug, womit ein jeglicher Verdacht des alten Kommilitonen ausblieb. Gemeinsam kauften sie nun ein, Johannes gezielt, Mac zwanglos. Locker und ungezwungen konnte man sich unterhalten, zumal der Supermarkt um diese Zeit erst schwach frequentiert war. Und nachdem die Erlebnisse aus alten Zeiten zur Genüge wieder aufgewärmt waren, wagte Mac einen ersten Anlauf. Unvermittelt lud er seinen alten Freund ein, doch mal bei ihm vorbeizuschauen. Und damit ihm dieser Fisch nicht von der Angel ging, wurde noch schnell ein fester Termin vereinbart. Als Johannes diesen Termin dann auch noch einhielt und tatsächlich bei Mac aufkreuzte, sah dieser den ersten Teil seiner Mission erfüllt.

 Johannes hielt eine Flasche im Arm, die sich bald als echter Champagner herausstellte. Das war mehr, als Mac sich je erhofft hätte. Bei echtem Schampus würde es sich herrlich plaudern lassen. Und so war es dann auch. Man unterhielt sich bald wieder so vertraut wie in den alten Uni-Tagen.

Es dauerte dann auch nicht lange, bis Mac die zweite Stufe seiner Mission einleitete.

 „Sag mal, Johannes, das muss doch für euch Priester eine Katastrophe sein, dass ihr allesamt eurer Ämter enthoben seid. Wie werdet ihr mit diesem ganzen Frust überhaupt fertig? Das habt ihr euch doch sicher anders vorgestellt. Selbst als Gottesmänner müsstet ihr doch einen gewaltigen Hass auf dieses islamistische Pack haben. Oder wie sehe ich das?“

 „Na ja, also Hass würde ich nicht gerade sagen. Wir sind eher maßlos enttäuscht. Was mich anbetrifft, so hat mich das alles gar nicht so sehr überrascht. Weißt du, Roderick, ich war schon vor Jahrzehnten nicht so blauäugig zu glauben, dass der Islam in Deutschland eines Tages nicht die Oberhand gewinnt. Dass es allerdings so schlimm kommen würde, habe ich dann doch nicht gedacht. Also diese Soft-Scharia ist auf dem besten Weg, sich dahin zu entwickeln, wo der damalige Islamische Staat in den besetzten Ländern sie bereits durchgesetzt hatte. Ich bin übrigens der Meinung, dass wir bereits eine echte Scharia haben, von der die Öffentlichkeit allerdings noch keine Ahnung hat.“

 „Du meinst Steinigungen, Hände abhacken und Folterungen und was nicht noch alles, was in einem Rechtsstaat undenkbar wäre?“

 Johannes schwieg an dieser Stelle. Dann sagte er doch noch: „Egal, was ich meine, meine Meinung interessiert ja auch nicht. Egal auch, was sich da in unserem Lande tut, ich habe letztendlich keine Probleme damit. Ich komme auch ohne mein Priesterdasein aus. Ich pflege meine Hobbys und bin auf meine Weise glücklich.“

 „Und was für Hobbys sind das so?“