Inhaltsverzeichnis

Zum Buch

 

Franken, das Land zwischen Spessart und Fichtelgebirge, zwischen Donau und Main, war stets ein umkämpfter Raum. Könige und Fürsten, Bischöfe und Bürger, Ritter und Herren rangen hier um die Macht. So entstand ein Gebiet mit vielen Zentren, aber ohne zentrale Herrschaft. Franken war „vielherrig“, bis es zu Beginn des 19. Jahrhunderts seine schon im Namen angelegte Freiheit an Bayern verlor. Dank seiner wirtschaftlichen Kraft konnte es sich behaupten und hat nun als Metropolregion seinen Platz in Europa gefunden.

 

 

Zur Autorin

 

Anna Schiener,
Dr. phil., (1955–2014), studierte Geschichte, Alte Sprachen und Archäologie an der Universität Erlangen-Nürnberg. Sie war freiberufliche Autorin und Historikerin.

Anna Schiener

 

 

 

 

KLEINE GESCHICHTE

Frankens

 

 

 

 

 

 

 

 

VERLAG FRIEDRICH PUSTET
REGENSBURG

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Angaben sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

5., überarbeitete und aktualisierte Auflage 2016

eISBN 978-3-7917-6098-8 (epub)
© 2016 by Verlag Friedrich Pustet, Regensburg
eBook-Produktion: Friedrich Pustet, Regensburg
Umschlaggestaltung: Martin Veicht, Regensburg

Diese Publikation ist auch als Printprodukt erhältlich:
ISBN 978-3-7917-2847-6

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Vorwort

„Franke sein, das schließt neben allen möglichen erblichen Vorzügen und Fehlern vor allem eine Eigenschaft ein, die prägnanter als jeder Wappenspruch im Namen der Franken selbst steht und sich maßgeschneidert und hauteng um ihn spannt wie der Handschuh um die Hand. Das ist das Wort ,frank‘, das in ,frank und frei‘ mit Nachdruck in seiner Bedeutung bekräftigt wird. Franke sein heißt also seit uralten Zeiten, mit einem Schuss Hochmut darin, keinem unterworfen zu sein und von freier Abkunft zu stammen. Der allzu große Freiheitsdrang hat seine Tücken. Er mündete bei den Franken immer wieder in die Zersplitterung in lauter eigenwillige, sich befehdende Territorialherrschaften, wie sie das Bild Frankens in der Frühzeit mit seinen bunten Kriegerstämmen und später mit seinen Bischofssitzen, Fürstenhöfen, freien Reichsstädten, selbstständigen Ritterkantonen, Abteien und Ordensballeis geboten hat. Das separate Eigenesüppchenkochen oder auch Eigenebierbrauen in jedem Dorf, das den Franken so sehr liegt, hat das Land zwar mit heftigen Zwietrachten belastet, aber auch mit reicher Vielfalt und der Idylle im stillen Winkel beschenkt.“

Diese Charakterisierung der Franken schrieb Hans Max von Aufseß (1906–1993), einer der es wissen muss, stammt er doch aus einem der ältesten Rittergeschlechter des Landes zwischen Main und Donau. Eine Menge Selbstbewusstsein bescheinigt er den Franken und Eigenwilligkeit, die sich nur schwer in einen herrschaftlichen Rahmen zwängen ließ. Nonkonformisten eben. Sie machen es dem Verfasser einer fränkischen Geschichte nicht leicht: Franken war niemals ein in sich geschlossener Herrschaftsraum, es war „vielherrig“ und ein oszillierendes Gebilde.

Um der Historie lokale Grenzen zu setzen, wird sich die „Kleine Geschichte Frankens“ auf die Landschaften beschränken, die heute als bayerische Regierungsbezirke die Bezeichnung Ober-, Mittel- und Unterfranken tragen. Dieser Raum ist das Ergebnis eines ständigen Erweiterungs- und Schrumpfungsprozesses, der erst in den 70er-Jahren des vorigen Jahrhunderts ein Ende fand. Franken umfasste zeitweilig Gebiete, die später zu selbstständigen Territorien wurden oder in anderen politischen Gebilden außerhalb Frankens aufgingen, wie Eichstätt – jahrhundertelang als fränkisch angesehen –, das nun zu Oberbayern gehört. Das heute baden-württembergische Bad Mergentheim oder das thüringische Meiningen sind nicht weniger fränkisch als Rothenburg ob der Tauber und Kulmbach. Im Gegenzug wurden manche Landstriche zu fränkischem Terrain, obwohl sie ursprünglich nicht dazugehört hatten, wie Aschaffenburg und seine Umgebung oder das Coburger Land.

Trotz der räumlichen Eingrenzung wird sich ein gelegentlicher Ausflug in heute außerfränkische Gefilde nicht vermeiden lassen.

Topografisches

Franken, das sind 23 000 km2 Hügel und Hochflächen, Berge, Flüsse, Seen und flaches Land zwischen Aschaffenburg im Westen, Hof im Osten und Weißenburg im Süden. Rund vier Millionen Menschen leben in diesem Gebiet, das von Mittelgebirgen umgeben ist: Odenwald und Spessart – der Spechtwald – im Westen, Rhön im Nordwesten, Thüringer Wald und Frankenwald im Norden, das Fichtelgebirge im Osten. Die Fränkische Alb zieht sich südöstlich um Mittelfranken und reicht mit der Fränkischen Schweiz nach Oberfranken hinein. Die westliche Grenze Mittelfrankens zu Baden-Württemberg bildet die Frankenhöhe. Haßberge und Steigerwald – sie trennen Mittel- und Oberfranken von Unterfranken –, Frankenhöhe und Fränkische Alb begrenzen schließlich das weite Mittelfränkische Becken.

Von Nordwest nach Südost läuft eine scharf ausgeprägte Landschaftsgrenze: die Fränkische Linie. Ungefähr auf der Höhe von Bad Berneck trifft die Autobahn Nürnberg–Berlin auf diese geologische Störungszone, die das jüngere süddeutsche Schichtstufenland vom älteren ostbayerischen Grundgebirge trennt. Hier prallen Paläozoikum (Erdaltertum) und Mesozoikum (Erdmittelalter), zwei völlig verschiedene Erdzeitalter mit ebenso unterschiedlichen Gesteinsarten, aufeinander.

Das westlich der Fränkischen Linie liegende Schichtstufenland ist nicht durch Auffaltung eines Gebirges entstanden, sondern durch Meeresablagerungen oder Ablagerungen von Flüssen. Die Struktur dieses Stufenlandes ist auf die Kräfte der Erosion zurückzuführen: Härtere Bänke, wie Burgsandstein, wurden als Schichtstufen, weniger widerstandsfähige Schichten, wie Feuerletten, als Verflachungen ausgebildet.

Das Gebiet im Großraum Nürnberg ist im Wesentlichen aus Sandsteinen und Tonen der Trias (etwa 225 bis 190 Mio. Jahre) aufgebaut. Nordwestlich, im Maingebiet, treten die älteren Muschelkalkschichten – Ablagerungen von Flachmeeren – an die Oberfläche. Der Norden und Osten von Erlangen wird durch die jüngeren Schichten des Jura (190 bis 135 Mio. Jahre) geprägt, die ebenfalls aus Tonen und Sandsteinen bestehen, aber auch aus mächtigen Kalkablagerungen, wobei die Kalke der jüngsten Jura-Epoche Malm die romantisch-bizarren Felsformationen der Fränkischen Schweiz ausbildeten.

An der Fränkischen Linie stößt dieses im Erdmittelalter entstandene Gebiet an bedeutend ältere Gebirge, zu denen das Fichtelgebirge gehört – seine ältesten Gesteine stammen aus dem Kambrium (570 Mio. Jahre). Die Landschaft war Teil eines ausgedehnten Meeres, dessen Boden mehrfach gehoben wurde und wieder in den Fluten versank. An der Wende vom Unter- zum Oberkarbon (325 Mio. Jahre) faltete sich der Meeresboden schließlich zum Hochgebirge auf. Diese Gebirgsbildung war das markanteste geologische Ereignis Nordostbayerns, denn obwohl auch in den folgenden Perioden der Erdgeschichte Meere das neu entstandene Gebirge immer wieder überspülten, verlor es doch seinen festländischen Charakter nicht mehr. Heute zeigt sich das zu größten Teilen aus Granit bestehende Fichtelgebirge als stark erodiertes Rumpfgebirge.

Der zentrale Fluss Frankens ist der Main, der in sehr charakteristischer Form das Land durchfließt. Auf seinen rund 500 km berührt er die Gesteinsformationen der Trias: Keuper, Muschelkalk und Buntsandstein, die ihm seine Form aufzwingen. Bei Bamberg trifft der Fluss auf den Keuper und trennt Haßberge im Norden vom Steigerwald im Süden. Den weichen Keuper durchläuft er gradlinig nach Westen, bis er bei Schweinfurt auf den harten Muschelkalk trifft, sich nach Süden kehrt, bei Ochsenfurt „umwendet“ und so das Maindreieck bildet, das bei Gemünden endet. Schließlich zwingt ihn der Buntsandstein des Spessarts wieder nach Süden, um das Mainviereck entstehen zu lassen, an dessen Ende der Fluss bei Aschaffenburg Unterfranken verlässt.

Der Main floss nicht immer von Ost nach West dem Rhein zu. Die ältesten Vorläufer des Flusses folgten der Ost-West-Richtung bis in die Gegend des heutigen Bamberg und bogen dann nach Süden – heute Regnitz/Rednitz – ab. Bis vor etwa zwei Millionen Jahren wurde ganz Franken zur Donau hin entwässert. Die Entstehung des Oberrheingrabens und die Hebung der Landmasse kappte diese Verbindung nach Süden, das Flusssystem musste sich nach Westen orientieren. Vor etwa 800 000 Jahren fand der Main letztendlich das Bett, das wir kennen.

Das Einzugsgebiet des heutigen Mains und seiner Nebenflüsse umfasst rund 27 000 km2 und erstreckt sich über Franken hinaus auf Teile Badens und Hessens. Es trifft im Süden auf das Einzugsgebiet der Donau: Die Grenze zwischen beiden ist Teil der Europäischen Hauptwasserscheide. Der Fluss ist ab Bamberg auf knapp 400 km schiffbar und seit 1992 über den Main-Donau-Kanal mit der Donau verbunden.

Der Main-Donau-Kanal – Teil der schiffbaren Verbindung von der Rhein- bis zur Donaumündung –, der von Bamberg über Nürnberg nach Kelheim führt, war nicht das einzige landschaftsverändernde wassertechnische Großprojekt in Franken. Rund 40 km südwestlich von Nürnberg wurde das Fränkische Seenland geschaffen, um die Wasserverteilung zwischen Süd- und Nordbayern auszugleichen. Da Franken ein wasserarmes Gebiet ist – der Süden Bayerns verfügt durch zahlreiche Zuflüsse aus den Alpen über etwa dreimal so viel Wasser wie der Norden – sollte Altmühl- und Donauwasser in das Regnitz-Main-Gebiet übergeleitet werden. Zwischen Mitte 1974 und Mitte 2000 entstanden mehrere Stauseen mit einer Gesamtwasserfläche von 20 km2. Die Seen dienen heute nicht nur der künstlichen Wasserregulierung, sie sind wie der Altmühlsee zum Teil Naturschutzgebiet und werden intensiv touristisch genutzt.

Als Franken noch nicht fränkisch war

Ur- und Frühgeschichte zwischen Main und Donau

Franken waren die ersten Menschen nicht, die sich im Gebiet um den Main und seine Nebenflüsse aufhielten. Es waren Frühmenschen, denen die Wissenschaft den Namen „homo erectus heidelbergensis“ gab. Ihren Spuren zu folgen ist nicht leicht, denn sie haben kaum solche hinterlassen. Hätten Archäologen nicht in der Nähe von Kronach (Oberfranken) und am Schalksberg in Würzburg Artefakte zutage gebracht, die den Heidelberger Frühmenschen zugerechnet werden, wüssten wir nicht, dass sie vor 600 000 Jahren fränkische Landschaften durchwanderten.

Dies war möglich, da das Gebiet während der Eiszeit in einer eisfreien Zone zwischen dem nordeuropäischen und dem alpinen Vereisungsgebiet lag. Trotz des günstigeren Klimas werden sich die Menschen hier eher selten aufgehalten haben, obwohl die Landschaft durch ihren Fisch- und Wildreichtum eine ausreichende Nahrungsgrundlage bot. Versumpfte Auenwälder, gespeist von immer wiederkehrenden Überschwemmungen, Moorbildungen, öde Dünenzüge, trockene Kiefernwaldungen und dichte Urwälder erschwerten den Jägern und Sammlern das Leben.

Mit dem Beginn der letzten, der Würmeiszeit nehmen die Siedlungsspuren zu. Ausgrabungen um Lichtenfels und Coburg, am Schwanberg in Unterfranken und in der Höhlenruine von Hunas (Gemeinde Pommelsbrunn, Lkr. Nürnberger Land) – hier fand man den ältesten menschlichen Überrest in Bayern, den Backenzahn eines Neandertalers – zeugen von der häufigeren Anwesenheit vorgeschichtlicher Menschen.

Die Fränkische Schweiz scheint zunächst als Siedlungsgebiet gemieden worden zu sein. Erst als der moderne Mensch („homo sapiens“) um 35 000 v. Chr. den Neandertaler verdrängte, wurden die zahlreichen Höhlen und Felsüberhänge als Wohn- und Jagdrastplätze genutzt.

Mit dem Ende der Eiszeit (etwa 10 000 v. Chr.) veränderten sich die Siedlungsgewohnheiten der Menschen: Hatten sie bisher Höhlen favorisiert, suchten sie nun im feuchten Nacheiszeitklima bevorzugt sandige Untergründe auf, wie sie in Mittelfranken anzutreffen sind. Sie lebten in zelt- oder hüttenartigen Bauten, die meist nur für kurze Belegungen errichtet wurden. Das generelle Lebensbild dieser mittelsteinzeitlichen Menschen wandelte sich im Vergleich zur Altsteinzeit kaum, bis etwa vor 7000 Jahren eine der wichtigsten, wenn nicht die wichtigste Umgestaltung in der Entwicklung der vorgeschichtlichen Kulturen eingeleitet wurde.

Zuwanderer aus der Pannonischen Tiefebene brachten als Erste bäuerliches Gedankengut, das seine Wurzeln in den frühen Hochkulturen Vorderasiens hat, nach Franken. Nicht mehr umherziehendes Jagen und Sammeln bestimmte den Lebensrhythmus der Menschen in der Jungsteinzeit, sondern Ackerbau und Viehzucht. Sesshaft geworden, widmeten sie sich dem Hausbau und betrieben Vorratswirtschaft. Und sie schufen sich Gefäße aus gebranntem Ton, die mit bandschlingenartigen Mustern versehen wurden. Nach diesen Verzierungen nannte man sie Bandkeramiker. Sie siedelten auf den fruchtbareren Böden Mittelfrankens, aber auch am Main und auf den weniger günstigen Böden der Albhochflächen.

Mit der Glockenbecherkultur ging die Jungsteinzeit um 1800 v. Chr. zu Ende. Sie erhielt ihren Namen nach den reich verzierten Bechern, deren Umrisse an eine Glocke erinnern. Etwa 200 Jahre lang prägte sie West- und Mitteleuropa. Funde dieser Kultur sind in Franken nicht häufig. Dies mag damit zusammenhängen, dass die Glockenbecherleute hier vergeblich nach dem suchten, was sie veranlasst hatte, weit in Europa auszuschwärmen: Als Vorboten der kommenden Bronzezeit waren sie auf der Suche nach Metallen.

Kupfer, Zinn und Goldobjekte

In der Bronzezeit, die in Franken wohl erst um 1700 v. Chr. einsetzte, fand nach der Sesshaftwerdung des Menschen der nächste kulturhistorisch einschneidende Wandel statt: Werkzeuge, Waffen und Schmuck wurden nun aus einer Legierung von Kupfer und Zinn hergestellt. Die verzögerte Adaption des neuen Werkstoffs in fränkischen Gebieten erklärt sich aus dem Fehlen von Bodenschätzen. Und die meist nicht allzu ertragreichen Böden eröffneten kaum Möglichkeiten, Handelsgüter zu produzieren, die gegen kostbare Bronzegegenstände getauscht werden konnten. Die Erzvorkommen des Fichtelgebirges, die als willkommene Tauschbasis hätten dienen können, waren in der Bronzezeit noch unbekannt. So sind frühbronzezeitliche Funde in Franken eher selten.

Die Metalle Kupfer und Zinn oder die bereits fertige Legierung mussten von weither transportiert werden. Kupfer kam aus dem Alpenraum, aus dem Salzburger Land und aus Tirol, Zinn fand man in der Bretagne und auf den britischen Inseln. Die Folge war ein ausgedehnter Handel über große Teile Mittel- und Westeuropas. Nicht ohne Grund lebten die Menschen bevorzugt an verkehrsgünstigen Wasserläufen, die die Hauptlast des Warenverkehrs zu tragen hatten. Der Main spielte hier eine wichtige Rolle, kam doch ein Teil der Rohstoffe aus dem Westen, und viele fertige Bronzegegenstände wurden aus den Kulturzentren in Hessen und vom Mittelrhein importiert.

Zwar blieben auch in der Bronzezeit die wirtschaftliche Grundlage der Menschen Ackerbau und Viehzucht, doch das Ausbeuten von Rohstoffen und der Handel mit ihnen nahmen eine immer stärker werdende Position ein. So konnten innerhalb des sozialen Gefüges Gruppen entstehen, die sich als „reiche“ Oberschicht von den übrigen Mitgliedern ihrer Sippe absetzten. Die Notwendigkeit, die Quelle ihres Wohlstandes – nämlich die Kontrolle über die Kupfer- und Zinnhandelswege – zu hüten, und die Möglichkeit, wegen dieses Wohlstandes weniger begüterte Menschen in Abhängigkeit zu bringen, bildeten die Grundlage für eine völlig neue politische Entwicklung, in deren Verlauf sich eine Art Häuptlingstum oder Adel ausbilden konnte.

Die letzte bronzeführende Kultur, die sogenannte Urnenfelderkultur (1200 bis 800 v. Chr.) – benannt nach ihrer Sitte, die Toten zu verbrennen und in Urnen zu bestatten –, stellte mit ihrem ausgeprägten Kriegeradel bereits einen Höhepunkt dieser Entwicklung dar. Angehörige der Kriegeraristokratie begannen, sich auf verteidigungsgünstigen Bergkuppen niederzulassen und dort vorerst noch mit Holz befestigte Burgen, später auch größere Siedlungen anzulegen, die als wirtschaftliche und politische Mittelpunkte die Umgegend dominierten. Solche Siedlungen existierten auf der Ehrenbürg bei Forchheim, dem Hesselberg in Mittelfranken oder dem Marienberg über Würzburg.

Eine besondere Form der bewehrten Höhenburg stellte die Heunischenburg bei Kronach (Oberfranken) dar. Ausgrabungen brachten auffallend viele Waffenfunde und eine ungewöhnlich starke Befestigung zutage. Die Heunischenburg war als Wehranlage und militärischer Brückenkopf angelegt worden. Sie diente dem Schutz einer Fernhandelsstraße oder/und als Grenzgarnison eines urnenfelderzeitlichen Stammesterritoriums. Die Burganlage gehörte als vorgeschobener Militärposten wahrscheinlich zu der etwa 70 km entfernten Siedlung auf dem Großen Gleichberg in Thüringen. Von hier aus wurden die Bewohner der Burg versorgt, bis sie nach zwei kriegerischen Auseinandersetzungen zu Beginn des 8. Jahrhunderts v. Chr. vertrieben wurden.

Über den Kult der bronzezeitlichen Menschen war zunächst wenig bekannt. Licht ins vorgeschichtliche Dunkel brachten die Funde ungewöhnlicher Goldobjekte, deren Bedeutung vor Kurzem entschlüsselt werden konnte.

Der Goldkegel von Ezelsdorf-Buch

 

Im Frühjahr 1953 stieß ein Arbeiter beim Baumstumpfroden am Südhang des Brentenberges bei Ezelsdorf (Lkr. Nürnberger Land) in einem halben Meter Tiefe auf einen goldglänzenden zuckerhutförmigen Metallkörper. Da er ihn behinderte, zerhackte der Mann den Gegenstand und warf die Bruchstücke in der Annahme, er habe nur Konservenblech vor sich, achtlos zur Seite. Stutzig wurde erst die Ehefrau des Finders. Sie legte ein kleines Stück einem Zahnarzt zur Bestimmung vor, der es als gediegenes Gold identifizierte. Glücklichen Umständen ist es zu verdanken, dass der Fund nicht zu Zahngold verarbeitet wurde, sondern auf Umwegen ins Germanische Nationalmuseum nach Nürnberg gelangte, wo die Reste zusammengesetzt sofort als Gegenstück des berühmten „Goldenen Hutes von Schifferstadt“ erkannt wurden. Der fast 90 cm lange und nur 310 g schwere Hohlkörper von Ezelsdorf wurde in einem Stück aus Gold getrieben und mit einer Vielzahl von Motiven versehen, deren Qualität ihn deutlich vom Schifferstädter Kegel abhebt. Material, Form und Verzierung weisen eindeutig auf eine sakrale Verwendung hin.

Bis vor einigen Jahren ging man davon aus, dass die Goldkegel bei rituellen Feiern über Kultpfähle gestülpt wurden. Inzwischen steht unzweifelhaft fest, dass es sich um Hüte handelt, die von bronzezeitlichen Priesterkönigen eines Sonnenkultes getragen wurden. Die Ornamente sind nicht Schmuck oder Verzierung, sie geben die Sonnenreise wieder. Die Goldhüte hatten kalendarisch-astronomische Bedeutung, denn sie erlaubten eine präzise Darstellung der Sonnen- und Mondzyklen und dienten der Berechnung beweglicher und unbeweglicher Feste.

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Abb. 1: Der Goldkegel von Ezelsdorf-Buch wurde von bronzezeitlichen Priesterkönigen als zeremonielle Kopfbedeckung getragen. – Artefakt aus Goldblech, 10.–8. Jahrhundert v. Chr.

Eisen bringt Wohlstand

Im 8. Jahrhundert ging die Urnenfelderkultur und damit die über 1000-jährige Bronzezeit zu Ende. Sie hatte Franken eine stetige Bevölkerungszunahme und vielen der hier siedelnden Menschen Wohlstand gebracht. Am Ende dieses Zeitraums kam es zu Kulturströmungen, die am Schwarzen Meer ansässige Reitervölker auslösten. Zu der Zeit als Rom gegründet wurde und Karthagos Aufstieg begann, brach in Mitteleuropa ein neues Zeitalter mit großen politischen und wirtschaftlichen Umwälzungen an. Getragen wurde es von einem neuen Werkstoff, dem Eisen. Archäologen unterteilen diese kulturhistorisch gänzlich neue Epoche in die Hallstatt- (etwa 700 bis 450 v. Chr.) und die Latènezeit (450 v. Chr. bis gegen Christi Geburt).

Wie in den übrigen vorgeschichtlichen Epochen bildete der oberfränkische Raum während der Eisenzeit eine kulturelle Einheit. Steigerwald, Haßberge, Frankenwald und Fichtelgebirge stellten eine natürliche Grenze dar und öffnen das Gebiet nach Südosten, der Oberpfalz und Böhmen zu. Die Beziehungen reichten bis in das österreichisch-slowakisch-ungarische Grenzgebiet.

In den unter- und mittelfränkischen Gebieten herrschten dagegen südwestliche Einflüsse vor. Dies belegen Funde aus Großgrabhügeln mit bis zu 90 m Durchmesser, die als Fürstengräber bezeichnet werden. Die gesamte Region profitierte vom Fernhandel, der von Massilia (Marseille, eine Gründung der griechischen Phokäer) über die Rhône, Baden-Württemberg bis in den unterfränkischen Raum reichte. Die wohlhabenden Sippenoberhäupter, die sich mit Luxusgütern aus dem mediterranen Raum umgaben, lebten auf stark befestigten Höhenburgen, wie auf dem Würzburger Marienberg, und demonstrierten ihren Reichtum und die daraus resultierende Machtfülle durch riesige Begräbnisstätten. In Repperndorf (Stadt Kitzingen) wurde einer dieser Großgrabhügel nachgewiesen. Ihren Wohlstand hatte die Oberschicht dem Eisen, das auch aus Erzvorkommen des Steigerwaldes oder der Fränkischen Alb stammte, zu verdanken. Es wurde in großem Umfang zu Waffen und Werkzeugen, also wichtigen Tauschgütern, verarbeitet und bildete so die wirtschaftliche Basis für die Adelssippen Westfrankens.

Der östliche Teil des Frankenlandes konnte hier nicht mithalten. Noch immer kannte man zu wenige Fundstätten von Bodenschätzen, Tauschobjekte blieben Mangelware und die Ausrichtung auf den südöstlichen Raum, dem der Zustrom von Luxusprodukten fehlte, schlossen Oberfranken vom Reichtum des übrigen Franken aus.

Die Kelten

Die Eisenzeit ist die erste vorgeschichtliche Epoche, die man mit ziemlicher Sicherheit einer bestimmten Volksgruppe zuweisen kann. Die Wissenschaft ist sich weitgehend einig, dass die Menschen der späten Hallstatt- und der Latènezeit Kelten waren. Die Kontinuität zeigt sich deutlich in der Nutzung der Friedhöfe, der Schachthöhlen, die kultischen Zwecken dienten, und der Höhenburgen. Es fand keine Überformung durch einen neuen Kulturkreis statt. Die Funde auf der Houbirg bei Happurg (Lkr. Nürnberger Land) oder auf dem Staffelberg (Lkr. Lichtenfels) belegen dies zweifelsfrei.

Trotz archaischer kultischer Handlungen – Menschenopfer waren üblich – hatten die frühlatènezeitlichen Menschen eine bemerkenswerte Zivilisationsstufe erreicht. Für das 5. Jahrhundert v. Chr. lässt sich in den fränkischen Gebieten eine Phase besonderer wirtschaftlicher Blüte nachweisen. Handwerkliche Produkte – Keramik und Schmuck – zeichneten sich durch beachtliche Qualität aus. Die Menschen lebten jetzt nicht nur auf befestigten Höhen, sondern auch in offenen Siedlungen, wobei die wichtigen Bronze- und Eisenschmieden in stark bewehrten Zentren, wie dem auf der Ehrenbürg bei Forchheim, ansässig waren. Derartige Siedlungen wurden nun zu Großzentren mit städtischem Gepräge ausgebaut.

Im 4. Jahrhundert v. Chr. änderte sich das Bild gründlich. Die Burgen wurden verlassen, allerdings nicht überall gleichzeitig. Zu den zuerst aufgegebenen Befestigungen gehörte die Houbirg, später folgten die Siedlungen auf dem Staffelberg und auf der Ehrenbürg, beide wurden durch Brand zerstört. In Unterfranken endete die Besiedlung deutlich später. Um 400 v.Chr. wurde zwar die befestigte Höhensiedlung auf dem Kleinen Knetzberg (Lkr. Haßberge) aufgegeben, doch etwa gleichzeitig legte man in der Volkacher Mainschleife eine neue Siedlung an. Noch in der 1. Hälfte des 4. Jahrhunderts v. Chr. gab es im Gebiet um Schweinfurt eine außerordentlich dichte Besiedlung.

Das Auflassen der Befestigungsanlagen und ein Wandel in der Bestattungssitte – Grabhügel wurden durch Flachgräber ersetzt – lassen auf tiefgreifende Veränderungen im sozialen und politischen Gefüge schließen. Franken war in den Sog der Keltenwanderungen geraten, der weite Teile Europas erfasste und die Region, besonders Oberfranken, nahezu entvölkerte. Erst in der Mitte des 2. Jahrhunderts v. Chr. kam es zu einer neuen, sehr dichten Aufsiedlung fränkischer Gebiete. Anders als in der Frühlatènezeit mieden die spätkeltischen Neusiedler die Mittelgebirge und bevorzugten das Main-Regnitztal mit seinen unmittelbar angrenzenden Höhenzügen. Die Menschen lebten nun in Großsiedlungen zusammen, in sogenannten „oppida“, oder sie ließen sich in Einzelgehöften und kleineren Weilern nieder.

Das durchstrukturierte Wirtschaftssystem der Kelten mit seinen weit verzweigten Handelsbeziehungen innerhalb ganz Europas und seinen komplexen Produktionsweisen ist ohne Münzverkehr nicht denkbar. Auch wenn der Tauschhandel mit Vieh, Fellen oder Menschen – Sklavenhandel war ganz selbstverständlich – nicht zum Erliegen kam und gewichtsmäßig genormte Eisenbarren und Salzkuchen weiter ihren festen Verkehrswert hatten, waren nach antikem Vorbild geprägte Silber- oder Goldmünzen nicht nur Zeichen zivilisatorischen Fortschritts, sondern reale Wirtschaftsfaktoren, die den „internationalen“ Warenaustausch erleichterten.

Dass sich diese hoch entwickelte spätkeltische Bevölkerung in einem latenten Gefahrenzustand befand, zeigt der Schatzfund von Neuses (Lkr. Forchheim). Er bestand aus einem Tongefäß mit 430 Silbermünzen und vier so genannten Regenbogenschüsselchen (Goldmünzen). Der größte Teil der Silbermünzen kam prägefrisch in den Boden, er war nie im Umlauf. In unmittelbarer Umgebung des Hortes gab es keine weiteren gleichzeitigen Funde. Dies kann nur bedeuten, dass man hier den Ortsschatz vergraben hatte, um ihn vor unrechtmäßigem Zugriff zu schützen. Derjenige, der ihn der Erde anvertraut hatte, wird wohl bei kriegerischen Auseinandersetzungen sein Leben verloren haben oder er wurde aus seiner Heimat vertrieben. Dies dürfte Mitte des 1. Jahrhunderts v. Chr. geschehen sein, denn zu dieser Zeit endete die letzte keltische Besiedlungsphase im fränkischen Raum.

Das Ende wurde sicherlich durch die Landnahme elbgermanischer Stämme eingeleitet. Inwieweit diesem Vordringen Wanderbewegungen innerhalb des keltischen Siedlungsraumes vorangegangen waren, bleibt unklar. Die verheerenden Züge der Cimbern und Teutonen am Ende des 2. Jahrhunderts v. Chr. bildeten in jedem Fall das spektakuläre Vorspiel für gut ein halbes Jahrtausend ständiger Unruhe und Bewegung in Mitteleuropa. Ob die zuwandernden Germanen gezielt die keltischen Mittelpunktsiedlungen besetzten und so die Machtzentren ausschalteten, ist nicht geklärt. Im Fall des einzigen Oppidums in Oberfranken auf dem Staffelberg kann dies definitiv verneint werden. Es war bereits aufgegeben worden, als sich die ersten Germanen am Fuß des Berges niederließen.

Menosgada: ein Oppidum am Obermain

 

Der wohl bekannteste Berg Frankens – besungen im Lied der Franken von Victor von Scheffel (s. S. 173f.) – ist der bei Bad Staffelstein am Obermain gelegene Staffelberg (539 m). Er erfüllt die Voraussetzungen für eine vorgeschichtliche Höhensiedlung perfekt. Das 3 ha große Hochplateau wurde von der beginnenden Jungsteinzeit bis Ende des 11. Jahrhunderts v. Chr. besiedelt. Danach gab man die Höhensiedlung auf. Erst gegen Ende der Hallstattzeit, zwischen 550 und 480 v. Chr., siedelten sich wieder Menschen auf dem Hochplateau an.