Über Ellen Berg

Ellen Berg, geboren 1969, studierte Germanistik und arbeitete als Reiseleiterin und in der Gastronomie. Heute schreibt und lebt sie mit ihrer Tochter auf einem kleinen Bauernhof im Allgäu.

Ihre Romane »Du mich auch. (K)ein Rache Roman«, »Das bisschen Kuchen. (K)ein Diät-Roman«, »Den lass ich gleich an. (K)ein Single-Roman«, »Ich koch dich tot. (K)ein Liebes-Roman«, »Gib’s mir, Schatz! (K)ein Fessel-Roman«, »Zur Hölle mit Seniorentellern! (K)ein Rentner-Roman«, »Ich will es doch auch! (K)ein Beziehungs-Roman«, »Alles Tofu, oder was? (K)ein Koch-Roman« liegen im Aufbau Taschenbuch vor und sind große Erfolge.

Informationen zum Buch

Ab in die Hölle!

Als Carina entdeckt, dass Ehemann Jonas sie betrügt, bricht ihre Welt zusammen. Klar, Lust und Leidenschaft sind nach Jahren der Ehe und zwei Kindern auf der Strecke geblieben. Doch dass Jonas mit seiner Geliebten genau das genießt, was sich Carina immer vergebens gewünscht hat, ist zu viel. Sie beschließt, ihn in die Scheidungshölle zu schicken. Und seine Neue gleich dazu. Ein einmalig komischer Rachefeldzug nimmt seinen Lauf, bei dem Carina völlig neue Seiten an sich kennenlernt. Doch dann steht Jonas wieder vor der Tür …

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Ellen Berg

Ich schenk dir die Hölle auf Erden

(K)ein Trennungs-Roman

Inhaltsübersicht

Über Ellen Berg

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Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

Kapitel 27

Kapitel 28

Kapitel 29

Kapitel 30

Epilog

Impressum

Kapitel 1

Früher rauchten die Kinder heimlich, heute tun es die Mütter, dachte Carina, als sie ihre Kippe löschte, mit einem Papiertuch umwickelte und in der Toilette runterspülte. Dann öffnete sie das Badezimmerfenster. Aaah, frische Luft!

Ihr war schwindelig. In ihren Ohren rauschte es, ihr Magen rumorte, als habe sie Heftzwecken verschluckt. Seit Jahren hatte sie nicht geraucht. Die Notfallpackung Zigaretten im Arzneischrank gehörte ihrem Mann, der sie dort aufbewahrte, gleich neben Nasentropfen und Aspirin. Ironischerweise. Schließlich konnte man Rauchen nicht gerade als medizinische Maßnahme bezeichnen, das wusste jedes Kind. Doch es gab nun mal Momente, in denen das Leben keine lustige Spazierfahrt war, sondern ein Frontalaufprall ohne Airbag. Da kam es auf das bisschen Nikotin auch nicht mehr an.

»Es ist nicht das, wonach es aussieht. So was kann mir doch nicht passieren. So was kann Jonas und mir doch nicht passieren. Niemals.«

Wie die Ansage einer Warteschleife murmelte Carina die immer gleichen Sätze, während sie sich ins Schlafzimmer schleppte. In ihrer schweißnassen linken Hand zerknüllte sie einen Zettel. Ein vollkommen harmlos aussehendes Stück Papier, und doch besaß es die Sprengkraft einer Bombe. Ihre Finger bebten, als sie den zerknitterten Zettel zum hundertsten Mal glattstrich. Es war eine Rechnung, ausgestellt auf Dr. Jonas Wedemeyer: Romantikhotel Rosenhain, Übernachtung für zwei Personen inklusive Candlelight-Dinner, Hammam, Wellness-Duo-Massage, Deluxe-Frühstück. Und drei Flaschen Champagner in der Honeymoon-Suite.

Drei.

In der Honeymoon-Suite.

Das stellte zehn Jahre Ehe in Frage. Die Liebe ist ein Traum, hatte Jonas irgendwann einmal lachend gesagt, und die Ehe ist der Wecker. Ein Spruch, nur ein Spruch. Oder war es ihm ernst gewesen? Noch am Morgen hatte er ihr eine Nachricht geschrieben.

Alles ok. LG Jonas

So viel zur warmen Umarmung der Technologie.

»Mami, Mami, es hat geklingelt!« Außer Atem kam die neunjährige Melina ins Schlafzimmer gestürmt, in kunstvoll zerrissenen Jeans und einem pinkfarbenen Glitzer-T-Shirt. Papas Prinzessin. »Mum? Hast du denn nichts gehört?«

»Melli, ich … nein …«

Als kehre sie aus einem völlig verrückten Alptraum zurück, starrte Carina ihre Tochter an, die mit den Zeigefingern auf ihre Ohrmuscheln zeigte.

»Mum, wie kann man so verpeilt sein! Hör doch!«

Richtig, es schellte an der Haustür. Laut und vernehmlich. Nein, schrill und unangenehm. Himmel, der Mädelsabend!

Einmal im Monat trafen sich Carinas Freundinnen reihum zum Gedankenaustausch. So jedenfalls der offizielle Sprachgebrauch. Inoffiziell endeten die Abende in feuchtfröhlichem Geläster, denn jede Menge guter Laune verstand sich von selbst, so wie das eine oder andere Glas Prosecco. Sie alle waren Ende dreißig und teilten die Themen dieser Lebensphase: Wie läuft es mit den Männern, wenn die Attraktivität nachlässt, aber die Ansprüche steigen? Sollte man sich die ersten grauen Haare überfärben lassen? Wie erweitert man seinen Horizont, ohne den Boden unter den Füßen zu verlieren? Gibt es noch ein Leben vor dem Tod?

Heute fungierte Carina als Gastgeberin. Ihr ehemals weißes T-Shirt erzählte von den Köstlichkeiten, die sie am Nachmittag vorbereitet hatte: hauchdünne Minipizzen mit roten Zwiebeln, Mozzarella und Tomatensauce, Gemüsesticks mit grünem Pesto, winzige Gazpachoportionen in ebenso winzigen Gläsern, Schafskäsesalat mit schwarzen Oliven, roten Paprikawürfeln und frischen Kräutern sowie andere kalte Kleinigkeiten, die ihre stets auf Diät befindlichen Freundinnen als Snack akzeptierten. Überdies hatte Carina den Kamin im Wohnzimmer angezündet und, obwohl es erst Mitte November war, den Raum adventlich geschmückt – mit Tannenzweigen, Lichterketten und selbstgebastelten Gestecken, obwohl es an jeder Ecke fertige Weihnachtsdekorationen zu kaufen gab. Noch sechs Wochen bis Heiligabend …

Oha, falsches Thema. Carina unterdrückte ein Schluchzen. Wie, verdammt noch eins, sollte sie mit einem Mann Weihnachten feiern, der sich ohne sie, aber ganz gewiss nicht allein in einem fabelhaften Hotel vergnügte?

Schwer atmend stützte sie sich auf den rechten Bettpfosten. Ja doch, sie musste duschen und sich umziehen. Aus ihren zu Berge stehenden rötlichen Haaren so etwas wie eine Frisur fabrizieren. Ihrer leichenblassen Haut mit einem Hauch Rouge den Anschein von Leben verleihen, die Wimpern tuschen, ein wenig Lipgloss auftragen. Genauer gesagt, hätte sie das alles vor mindestens einer Stunde tun müssen und sicherlich auch getan, wenn nicht Jonas’ Sekretärin seinen Koffer vorbeigebracht hätte. Als gute Ehefrau hatte Carina ihn sogleich ausgepackt. Nun ja, ausgepackt hatte sie ihn letztlich gar nicht, sondern nach einer ersten Inspektion des Inhalts die Flucht ins Badezimmer ergriffen.

Wäre sie doch nur nicht so verflixt pflichtbewusst gewesen! Hätte sie doch nur den Koffer einfach in irgendeine Ecke gestellt und ungeöffnet verschimmeln lassen. Ihr wäre einiges erspart geblieben.

Zunächst hatte sie sich gewundert, warum Jonas auf eine Geschäftsreise zwei Badehosen und gleich drei funkelnagelneue Boxershorts mit Designerlogo mitnahm. Dann hatte sie über das unbekannte Rasierwasser gestaunt. Doch erst als sie die aufgerissene Schachtel Kondome entdeckt hatte, extradünn und gefühlsecht, sowie einen mikroskopisch kleinen Spitzentanga in sündigem Schwarz, war es wie ein Blitz in sie gefahren. Schockstarre. Die Rechnung hatte ihr dann den Rest gegeben.

Romantikhotel Rosenhain. Von Ferne hörte sie ein unheilvolles Donnern. Er hat dich betrogen.

»Es ist nicht das, wonach es aussieht«, begann sie wieder ihr Alles-wird-gut-Mantra zu murmeln. »So was kann mir doch nicht passieren. So was kann uns doch nicht passieren. Niemals.«

Mit der Miene einer ungeduldigen Lehrerin schüttelte Melli ihre honigfarbenen Locken, bevor sie ganz dicht an Carina herantrat.

»Hey, Mum, hast du etwa schon einen Prosecco gezischt? Und, iiih, wie fies ist das denn, du riechst ja nach Rauch!«

»… äh, wie bitte?«

Fröhliches Stimmengewirr und Gelächter im Erdgeschoss holten Carina in die Realität zurück. Aber was war schon die Realität? Dieses gepflegte Einfamilienhaus in einer ruhigen begrünten Seitenstraße, das sie für eine uneinnehmbare Bastion in schnelllebigen Zeiten gehalten hatte? Ihre Familie wie aus dem Bilderbuch – Mama, Papa und zwei entzückende Kinder? Ihre kleine Welt, in der alles um Jonas, Melina und den sechsjährigen Benjamin kreiste? Gerade kam Benny ins Schlafzimmer gerannt, mit hochroten Wangen unter seinem blonden Wuschelhaar, das blau-weiße Ringel-T-Shirt verrutscht vom Laufen. Begleitet wurde er von Familienhund Bingo, einem Golden Retriever, der aufgeregt japsend an Carina hochsprang.

»Hab die Tür aufgemacht«, erklärte Benny stolz. »Und Gläser mit Apfelsaft ins Wohnzimmer gebracht, das kann ich nämlich schon!«

Melli stemmte die Hände in die Hüften. Überheblich sah sie auf ihren kleinen Bruder herab.

»Jetzt gib mal nicht so krass an, Kurzer, das kann doch jedes Baby. Oder, Mum?«

Noch immer stand Carina völlig unbeweglich da. Wie aus weiter Ferne hörte sie, dass man von unten ihren Namen rief. Zähne zusammenbeißen, befahl sie sich, und keinen Mucks. Vielleicht ist das alles nur ein Missverständnis. Noch ist nichts verloren. Noch lohnt es sich, die Fassade aufrechtzuerhalten. Verschwörerisch legte sie einen Finger an die Lippen und schaute ihre Kinder an. Die Kinder eines ausgemachten Schufts?

»Ihr beide seid heute meine persönlichen Assistenten«, flüsterte sie. »Bietet unseren Gästen bitte schon mal die Gemüsesticks mit der grünen Pestosauce an. Komme gleich nach.«

»Aber du hast gesagt, wir dürfen einen Film gucken«, maulte Melli. »Das hast du uns versprochen.«

»Nur fünf Minuten«, bat Carina mit letzter Beherrschung.

»Krieg ich dann den Kicker zu Weihnachten?«, fragte Benny, der seit Wochen von nichts anderem sprach.

»Das muss der Weihnachtsmann entscheiden.« Carina strich ihm eine Haarsträhne aus der Stirn. »Und jetzt bitte nach unten, okay?«

Schmollend zogen die beiden ab, gefolgt von Bingo, der ein erfreutes Bellkonzert zum Besten gab, als alle drei die Treppe zum Erdgeschoss hinunterjagten.

Jonas. Wie in Trance ließ Carina den Blick durchs Schlafzimmer wandern. Die blassblauen Kleiderschränke im Vintage-Stil hatten sie kurz nach der Hochzeit gekauft, so wie den weichen, hochflorigen Teppich in mittlerweile nachgedunkeltem Cremeweiß und das Bett mit den geschnitzten Pfosten. Gemeinsam hatten sie diesen Raum gestaltet. Ihr Nest, in dem sie für immer die intimsten Momente hatten teilen wollen. Ha! Wie liebevoll hatten sie damals alles ausgesucht, die Möbel, die Wolkenstores in Blau-Gelb, die Bilder – anmutig tanzende Elfen, neckische kleine Engelchen, Blumen über Blumen.

Im Spiegel der Schranktür erblickte Carina ein Gespenst. Ein bleiches, hohlwangiges Wesen, das aussah, als würde es sich gleich in Luft auflösen. Oder als große Pfütze auf dem cremefarbenen Teppich enden. Denn jetzt floss es unkontrollierbar aus ihr heraus, ein Strom von Tränen, die auf ihr fleckiges T-Shirt tropften. Ganz leise weinte sie, unhörbar für ihre Kinder, unhörbar für ihre Freundinnen, obwohl ihre innere Stimme tröstende Worte sprach: Er liebt dich, und du liebst ihn. Ihr habt den Bund fürs Leben geschlossen. Nichts kann euch auseinanderbringen.

Auf der blau-gelb karierten Tagesdecke des Betts lag der geöffnete Koffer, wie ein Monster, das sie mit weit aufgerissenem Rachen angrinste. Wieder stach ihr die angebrochene Packung Kondome ins Auge. Nie hatten Jonas und sie verhütet. Warum auch? Ein drittes Kind wäre ihnen willkommen gewesen, Platz genug gab es schließlich in diesem geräumigen Haus, und da Carina bereits kurz vor Melinas Geburt ihren Job als Anwaltsgehilfin aufgegeben hatte, wäre auch genügend Zeit für ein Baby gewesen.

»Hallihallo, wieso versteckst du dich denn hier oben?«, ertönte auf einmal eine leicht angeraute Frauenstimme.

Carina wirbelte herum. Vor ihr stand Madeleine, seit Teenagerzeiten Leni genannt und ihre beste Freundin. Im Gegensatz zu Carina war sie perfekt gestylt. Das enganliegende beigefarbene Strickkleid harmonierte wundervoll mit ihrem frisch geföhnten schulterlangen Blondhaar, sie war raffiniert, aber dezent geschminkt, ihre Wildlederpumps in modischem Nude sahen aus, als gäbe es nicht das kleinste Stäubchen Schmutz im Universum. Schuldbewusst senkte Carina den Kopf.

»Sorry, bin noch nicht fertig, weil …«

Leni legte einen Arm um ihre Schulter.

»Schatz, du hast geweint? Was ist denn los, um Gottes willen?«

Zögernd machte sich Carina aus der Umarmung los. Nicht, dass sie Leni nicht vorbehaltlos vertraut hätte. Sie kannten sich seit der Schule, hatten vom ersten Liebeskummer bis zum letzten Vollrausch alles geteilt und keine Geheimnisse voreinander. Auch dass Leni kinderlos war und als Immobilienmaklerin arbeitete, während Carina voll und ganz für ihren Job als Hausfrau und Mutter brannte, hatte sie einander nicht entfremdet.

Sollte sie sich also ihrer Freundin offenbaren? Oder wie geplant den Ball flachhalten und zunächst mit Jonas sprechen, bevor sie am Ende falschen Alarm schlug? Zu spät. Denn just in diesem Augenblick entdeckte Leni den offenen Koffer auf dem Bett. Argwöhnisch wie ein Kammerjäger auf der Jagd nach Kakerlaken spähte sie hinein.

»Seit wann benutzt ihr Kondome? Hey, und diese Dinger sind ja schnittig.« Mit spitzen Fingern fischte sie eine zusammengefaltete Boxershorts aus dem Koffer, kniff die Lider zusammen und las halblaut den Schriftzug darauf vor. »Cal-vin-Klein-Men? Wer braucht denn so was? Wenn ich was lesen will, kauf ich mir ’ne Zeitung.«

Sie ließ die Boxershorts zurück in den Koffer fallen, um jetzt den Spitzentanga hochzuhalten. Fachmännisch begutachtete sie das schwarze Nichts, schätzungsweise drei Gramm Stoff, und doch wog es Tonnen, so schwergewichtig war seine verheerende Botschaft.

»Größe 34.« Leni bedachte Carinas runde Hüften mit einem kurzen Seitenblick. »Du bist eine solide 44, würde ich sagen, und soweit ich weiß, hat Jonas bisher keinerlei Veranlagung zum Transvestiten gezeigt.« Langsam, sehr langsam zog sie die Augenbrauen hoch.

»Es ist nicht das, wonach es aussieht«, erwiderte Carina auf die unausgesprochene Frage, die wie eine Gewitterwolke über ihnen schwebte. »So was kann mir doch nicht passieren. So was kann Jonas und mir doch nicht passieren. Niem…«

Die letzte Silbe wurde von einem Schluchzer verschluckt. Mit zuckenden Schultern fing Carina wieder an zu weinen, ihre Knie knickten ein, wie ein Stein sank sie auf die Bettkante. Sofort war Leni bei ihr. Tröstend strich sie Carina über das wirre Haar.

»Mach dir nichts vor, Süße, das sieht eindeutig nach einem außerehelichen Betriebsausflug aus. Jetzt nur keine Panik, wir stehen das zusammen durch. Ich bin deine Freundin, gemeinsam gehen wir durch dick und dünn. Hm. Was gedenkst du als Erstes zu tun?«

Tränenblind legte Carina ihren Kopf an Lenis Schulter. Sie versuchte, wenigstens ein, zwei einigermaßen klare Gedanken zu fassen, was ihr fast übermenschliche Anstrengungen abverlangte.

»Erst mal mit Jonas reden. Und dann – eine Ehetherapie vielleicht?«

Leni rollte mit den Augen. »Ich fürchte, eine Ehetherapie wegen einer Affäre ist wie Bausparen für Rentner: schlicht und einfach zu spät.«

Schockiert ließ Carina diesen Satz auf sich wirken. Stimmte das? War es zu spät? Gut, nach zehn Jahren Ehe tendierte der Knisterfaktor gegen null. In den Gesprächen mit Jonas ging es um den üblichen Alltagskrempel, um Handwerkertermine, Elternabende und die Schicksalsfrage, wer das Leergut zum Getränkemarkt brachte – aber ganz bestimmt nicht um verführerische Wäsche oder Champagner in der Honeymoon-Suite.

Genau das kränkte Carina am meisten. Wie oft hatte sie Jonas angebettelt, ein Wochenende zu zweit zu verbringen, nur sie beide, in irgendeinem romantischen Hotel. Nie war es dazu gekommen, weil Jonas sogar die Samstage und Sonntage arbeitend an seinem Laptop verbrachte und Hotels überdies für Geldverschwendung hielt. Jetzt hatte er ihren sehnlichsten Wunsch verwirklicht – mit einer Größe 34.

Schwanzwedelnd kam Bingo angehechelt und legte seinen Kopf in Carinas Schoß, als ahnte er, dass sein Frauchen Kummer hatte. Gedankenverloren kraulte sie sein weiches Fell. Ob sie Jonas anrufen sollte? Sofort verwarf sie den Gedanken wieder. Am Telefon ließen sich solche Dinge nicht klären. Sie wollte sein Gesicht sehen, wenn sie mit ihm sprach, seine Augen. Selbst wenn Jonas ein Pokerface aufsetzte, seine Augen konnten nicht lügen.

»Ich will ja nicht indiskret sein, aber hast du schon über Trennung nachgedacht?«, fragte Leni in das klemmige Schweigen hinein.

Trennung? Plötzlich sah Carina alles halbiert: ein durchgesägtes Bett, einen halben Schrank, einen zerschnittenen Teppich – und Bingo? Einen halben Bingo? Es war womöglich absurd, aber die Vorstellung, dieses treue, gutartige Wesen zu verlieren, erschien ihr mindestens so schmerzhaft wie der Gedanke, fortan allein aufzuwachen. Von der Frage, wie sie diesen Riesenschlamassel den Kindern erklären sollte, ganz zu schweigen. Sie schloss die Augen. Lieber Gott, lass das alles nicht echt sein.

»Hey, bist du noch am Leben?«, fragte Leni leise nach.

Carina räusperte sich. »Ich atme. Ob man das Leben nennen kann, weiß ich nicht.«

Polternde Schritte auf der Treppe zum ersten Stock kündigten die nächste Besucherin an. Bingo jaulte auf, und schon segelte Wanda um die Ecke, ein vollschlankes Vollweib im Hippielook. Heute trug sie ein wallendes Gewand in der gewagten Farbstellung Pink und Giftgrün, dazu unzählige Holzperlenketten. Wie eine Frau eben aussah, die anlässlich einer Indienreise zu Buddha gefunden hatte und nun davon lebte, Räucherstäbchen und selbstgemachte Cremes in einem Bioladen zu verkaufen. Carina hatte sie im Yogakurs kennengelernt und mochte ihre etwas rumpelige, aber erfrischend aufrichtige Art. Wanda scherte sich wenig um Konventionen, seien es nun Umgangsformen oder Stilfragen. In ihrer leuchtend hennarot gefärbten Mähne hing eine Schmetterlingsspange, die sie resolut hochschob.

»Was ist hier denn los? So ’ne Art Krisenkonferenz? Ist die Milch übergekocht? Oder hat sich jemand einen Fingernagel abgebrochen?«

Leni wedelte hektisch mit der rechten Hand, während sich ihre linke schützend auf Carinas Schulter legte.

»Jonas hat eine andere Frau am Start.«

»Waaas?« Mit energischen Schritten stapfte Wanda zum Bett und ließ sich neben Carina nieder. »Ich fass es nicht! Voll das miese Karma!«

Auch sie beäugte nun den Inhalt des Koffers. Ohne jede Scheu griff sie zu dem Rasierwasserflakon, schraubte den Deckel ab und schnupperte daran.

»Aua, wenn man das Zeug nimmt, braucht man keine Kondome mehr. Ich würde jeden Mann sofort aus dem Bett schmeißen, der so was benutzt. Riecht wie abgefackelte Windel auf Testosteron und ist bestimmt voller Chemie.« Angewidert stellte sie den Flakon auf den Nachttisch. »Ich sag ja immer: Gute Ehemänner sind wie Osterhasen: sexy, charmant und intelligent. Aber wer glaubt schon an Osterhasen?«

Es war so peinlich. So furchtbar peinlich. Carina hätte sich am liebsten auf den Mars gebeamt. Andererseits – konnte sie nicht heilfroh sein, diesen Schrecken nicht allein durchstehen zu müssen? Kaum auszudenken, was sie getan hätte, wenn sie weiterhin allein an dem Abgrund gestanden hätte, der sich vor ihr auftat. Aber war es überhaupt ein Abgrund? Gab es nicht vielleicht doch eine völlig vernünftige oder aber eine lachhaft aberwitzige Erklärung für die Dinge, die sich im Koffer befanden?

»Vielleicht ist das nur ein Missverständnis«, flötete sie. »Oder ein dummer Scherz.«

»O nein, das hier für einen Scherz zu halten, das wäre dumm«, grollte Wanda, die sich den schwarzen Spitzentanga vorgenommen hatte und ihn voller Ingrimm in die Breite zog, als wolle sie damit gegen die Existenz viel zu winziger Wäsche protestieren. »Wenn du mich fragst, ist Jonas Geschichte. Briefmarke auf ’n Arsch und tschüss.«

»Wanda!«, rief Leni. »Könntest du dich wenigstens einmal zivilisiert ausdrücken?«

»Wandas Wortwahl ist das kleinste meiner Probleme«, murmelte Carina mit Grabesstimme.

Eine Weile war es still.

»Ach, vergiss ihn«, sagte Wanda schließlich. Sie schleuderte den Tanga in die Luft, so dass er an der Deckenlampe hängenblieb, einem mehrarmigen Leuchter aus cremefarbenem Porzellan. »Dein geliebter Jonas ist nicht der erste Ehemann in den besten Jahren, der eine andere toastet. Ist leider typisch für Kerle in seinem Alter. Ab vierzig drehen die frei. Kaufen sich einen Porsche, da wird Vati wieder flott, oder müssen halt wie Jonas in fremden Betten rumhirschen, damit sie sich unwiderstehlich fühlen.«

Leni, die soeben eine äußerst unerfreuliche Scheidung überstanden hatte, machte eine wegwerfende Handbewegung.

»Redest du etwa von der berüchtigten Midlife-Crisis? Haben Männer nicht. Die bleiben ewig in der Pubertät, so ungefähr bis siebzig.«

Wanda kicherte. »Ich finde sowieso, Ehemänner sollten mit vierzig sterben, damit die Frau noch was vom Leben hat.«

Eine neuerliche Pause entstand. Alle drei starrten wieder in den Koffer, gebannt von dessen verräterischem Inhalt. Es ist so grässlich offensichtlich, dachte Carina. Eigentlich zu offensichtlich. Wenn jemand organisiert und strukturiert vorgeht, dann Jonas. Und wenn ein Mann genug Grips in der Birne hat, um eine Affäre zu verheimlichen, dann Dr. Jonas Wedemeyer, Fachanwalt für Wirtschaftsrecht.

»Wer hat den Koffer eigentlich hergebracht?«, fragte Leni.

»Wie? Ach so, Frau Röwer, Jonas’ Sekretärin«, antwortete Carina zerstreut.

»Aha!« Wanda tauschte bedeutungsvolle Blicke mit Leni. »Daher weht der Wind. Wie sieht sie denn so aus?«

Carina lachte ein bisschen zu blechern.

»Für Mitte fünfzig spitzenmäßig, falls man auf asymmetrische Bürstenschnitte, hängende Mundwinkel und ein moppeliges Erscheinungsbild steht.«

»Na, hör mal!«, rief Wanda. »Du willst doch wohl nicht üppige Frauen diskriminieren, oder?«

Geschenkt. Carina, die seit Menschengedenken mit gut fünfzehn Kilo Übergewicht kämpfte, ging gar nicht erst darauf ein. Nachdenklich betrachtete sie die Deckenleuchte, an der das Nichts aus schwarzer Spitze baumelte. Sie selbst trug seit einiger Zeit hautfarbene figurformende Bodys, wofür sie sich plötzlich schämte. Was sah Jonas in ihr? Nahm er sie überhaupt noch als Frau wahr? Oder war sie für ihn die asexuelle Mami, lieb, nett, praktisch? Die Frequenz ihrer erotischen Aktivitäten dümpelte mittlerweile nur noch bei einmal pro Monat herum. Wohlwollend geschätzt. Und dabei handelte es sich beileibe um keinen Gourmetsex, sondern solide Hausmannskost.

Leni stand auf. Mit verschränkten Armen stöckelte sie zwischen Bett und Kleiderschrank hin und her, bis sie abrupt stehen blieb.

»Irgendwas muss diese Frau Röwer doch erzählt haben.«

»Um ehrlich zu sein, habe ich sie gar nicht selbst gesehen.« Nervös fuhr sich Carina durchs zerzauste Haar. »Ich war in der Küche, um die Gazpacho zu pürieren, was einen Höllenlärm macht, weil mein Turbomixer lauter ist als ein startender Düsenjet. Auf einmal kam Melli mit Jonas’ Koffer in die Küche.«

»Was hat sie gesagt?«

»So was wie: ›Mami, Mami, eine Frau hat Papas Koffer gebracht.‹ Als ich fragte, wer die Dame gewesen sei, meinte Melli: ›Papas Sekretärin.‹ Das Ganze hat mich sowieso gewundert, weil Jonas eigentlich erst morgen von seiner Reise zurückkommen wollte. Sonst hätte ich heute wohl kaum unseren Mädelsabend veranstaltet – ihr wisst ja, für Jonas ist das der pure Horror.«

»Für alle Männer sind starke, selbstbewusste Frauen der pure Horror«, verkündete Wanda. »Es sei denn, sie reinigen ihre Aura. Durch Meditation kann man sich von Geschlechterklischees befreien.«

Kopfschüttelnd hatte Leni zugehört.

»Wanda, bei allem Respekt: Kannst du dir Jonas im Lotussitz vorstellen, mit Glöckchen in den Händen?«

Währenddessen formte sich in Carinas überreiztem Hirn ein Gedankengang, der längst überfällig war: Diese Kofferübergabe musste eine Panne gewesen sein. Sie kannte Frau Röwer. Jonas’ Sekretärin war eine äußerst gewissenhafte Mitarbeiterin und ihrem Chef treu ergeben, hundertpro loyal. Bestimmt hatte sie die Sache vergeigt, weil sie stolz darauf war, immer eine Spur schneller zu denken als er. Deshalb hatte sie Jonas’ blöden Rollkoffer daheim abgeliefert, ohne lange zu fragen. Tja, auch konstruktives Mitdenken seitens der Sekretärin konnte einem Chef zum Verhängnis werden.

»Was mache ich denn jetzt nur?«, flüsterte sie.

Leni strich ihr eine Haarsträhne aus dem Gesicht.

»Erst mal durchatmen, Liebes. Wir sind für dich da. Und rede dir bloß keine Schuldgefühle ein, es liegt nicht an dir. Du bist eine wunderbare Frau. Stell ihn zur Rede, verpass ihm einen Einlauf. Sag ihm klipp und klar, dass du dir zu schade für miese Spiele bist.«

»Eddy sagt immer: Das Leben ist ein Scheißspiel, nur die Grafik ist geil«, ließ Wanda sich vernehmen.

Trotz ihres desolaten Zustands musste Carina lächeln. Sie mochte Eddy, den Besitzer des Bioladens, in dem Wanda arbeitete. Ein charmanter Computernerd, der eigentlich Eduardo hieß und einen Hauch italienischer Lebensart in die graue Welt von Dinkel und Hirse brachte. Seine Frau Luisa war soeben Mutter geworden – der willkommene Anlass für einen Themenwechsel. Die Diskussion mit ihren Freundinnen überforderte Carina. Obwohl ihr Verstand die größte Krise ihres Lebens registrierte, hing ihr Herz hartnäckig an dem Mann, der sie Sternschnuppe nannte und den sie immer noch liebte, wie sie sich bang eingestand.

Sie zwang sich zu einem Lächeln. »Apropos: Eddys Frau Luisa kommt heute Abend mit ihrem Baby vorbei. Bestimmt ist es furchtbar niedlich.«

»Du lenkst ab«, sagte Leni ungerührt.

»Lass sie mal, alles Weitere sollten wir bei einem Glas Prosecco besprechen.« Erfreut beäugte Wanda Carinas fleckiges T-Shirt. »Reichlich zu essen gibt’s ja offensichtlich auch.«

»Wie kannst du jetzt bloß an Essen denken?«, regte Leni sich auf. »Mir ist jedenfalls der Appetit vergangen. Sollen wir den Abend nicht besser abblasen, Carina, Liebes? Ich könnte hierbleiben und dir beistehen. Wenn du willst, die ganze Nacht.«

Carina erhob sich stöhnend. Vor ihren Augen tanzten Sterne, und ihr Nacken war steif, als hätte sie ein Schleudertrauma. Doch getreu ihrem Motto: Aufgeben darfst du nur bei der Post, nicht im wahren Leben, beschloss sie, diesen Abend durchzuziehen, komme, was wolle.

»Nee, nee, schon gut, ihr beiden. Ich verschwinde kurz im Badezimmer, dann bin ich bei euch.«

»Meine tapfere Carina«, erwiderte Leni. »Sollen sich die untreuen Männer dieser Welt doch gehackt legen, wir Mädels halten zusammen.«

»Und wenn der Gatte kommt, kann er was erleben«, schob Wanda hinterher.

Genau das war es, was Carina am meisten fürchtete.

Kapitel 2

Als Carina eine Viertelstunde später das Wohnzimmer betrat, in einem alten abgeliebten Jeanskleid, eine Steingutplatte mit Minipizzen in den Händen, hatte sie sich einigermaßen gefangen. Der gemütliche Raum strahlte etwas Beruhigendes aus. Es duftete nach dem würzigen Aroma von brennendem Kaminholz, nach Tannenzweigen und Parfums. Allerdings täuschte die heimelige Atmosphäre, denn natürlich hatten die Neuigkeiten für helle Empörung gesorgt. Auf die mit cognacfarbenem Leder bezogenen Couchen und Sessel verteilt, palaverten ihre Freundinnen lautstark über Beziehungen im Allgemeinen und Jonas im Besonderen. »Dumpfgummi«, »Heckenseppel« und »Vorstadtmacho« zählten noch zu den netteren Bezeichnungen, die ihm zugedacht wurden.

»Da ist sie ja endlich, unsere arme Carina!«, rief Wanda. »Denk bloß nicht, wir lassen dich jetzt im Stich!«

Von den Kindern war glücklicherweise nichts zu sehen. Nur Bingo hatte es sich vor dem Kamin gemütlich gemacht. Sein Fell schimmerte golden im Widerschein des flackernden Feuers, seine Augen hatte er halb geschlossen. Doch er blieb wachsam, das signalisierte seine Rute, die rhythmisch auf den Boden klopfte. Witternd hob er den Kopf, als sein Frauchen in Sicht kam. Carina strich ihm sacht über den Rücken. Wenn sie sich auf einen Kerl verlassen konnte, dann auf Bingo. Ansonsten sah sie dem Abend mit gemischten Gefühlen entgegen. Was, wenn Jonas in diese aufgeheizte Runde platzte?

»Danke, dass ihr gekommen seid«, sagte sie mit belegter Stimme.

»Entspann dich, sei ganz du selbst, du musst uns nicht die perfekte Gastgeberin vorspielen«, erwiderte Leni weich. »Wie gesagt: Wir sind für dich da. In guten und in schlechten Zeiten.«

Kaum war Carina in einen freien Sessel geplumpst, als auch schon alle auf sie einredeten. Wanda führte die Diskussion an, unterstützt von Leni, die Carina ein Glas Prosecco reichte und als frisch geschiedener Single erst einmal den Gang zu ihrem Scheidungsanwalt empfahl. Der habe es drauf, aber richtig. Mit deutlich weniger Verve beteiligten sich Betty und Sibylle an der Debatte. Beide waren glücklich verheiratet, so jedenfalls ihre Beteuerung.

Betty, im eleganten perlgrauen Kostüm nebst adrettem braunem Pagenkopf, hielt einen Vortrag über die Geheimnisse des Konfliktmanagements. Da sie in der Personalabteilung eines Pharmaunternehmens arbeitete, kannte sie sich damit bestens aus.

»Lass dich keinesfalls auf Psychospiele ein«, beschwor sie Carina. »Sonst wirst du von falschen Argumenten manipuliert. Jonas ist der Täter, wird sich aber sehr wahrscheinlich als Opfer darstellen, als überarbeiteter, emotional vernachlässigter Familienvater, der Versäumtes nachholen will. Ohne dich, versteht sich.«

Sibylle, in Jeans und grauem Rollkragenpulli, beschränkte sich passend zu ihrem Lehrerinnenjob auf wissenschaftliche Erkenntnisse über das Verfallsdatum von Ehen.

»Man muss aber auch bedenken: Spätestens nach sieben Jahren Beziehung stellt sich das Panda-Syndrom ein. Kennt ihr nicht? Doch, kennt ihr. Fürsorglichkeit statt Erotik, Kampfkuscheln auf der Couch statt heißem Sex. Alles ganz normal. Leider auch ein Nährboden für Affären.«

»Die Frage ist ja wohl eher, wie es jetzt weitergeht«, warf Leni ein. »Meiner Erfahrung nach sollte man nicht lange fackeln. Auch mein Andreas ist durch fremde Betten gestiegen. Wir haben darüber geredet. Und geredet. Und wieder geredet. Hätte ich mir alles schenken können, am Ende sind wir dann doch vor dem Familiengericht gelandet. Besser, Carina zieht den Schlussstrich sofort. Alles andere wäre verletzungsaffin. Der reine Wahnsinn.«

»Lass dich bloß nicht von diesem schlecht bestrahlten Typen austanzen!«, rief Wanda kauend. Sie hatte sich bereits bei den Minipizzen bedient und angelte sich gerade eine zweite. »Wer loslässt, hat beide Hände frei!«

Carina spürte einen dicken Kloß im Hals. Die Solidaritätsbezeugungen ihrer Freundinnen waren zweifellos gutgemeint, brachten jedoch den Nebeneffekt mit sich, dass ihre mühsam wiedererlangte Contenance kläglich in sich zusammensank. Sie fühlte sich wie ein Wollpullover, aus dem seit langem unbemerkt ein Faden heraushing – jetzt wurde kräftig daran gezogen, Masche für Masche löste sich der Pullover auf. Bald würde nichts mehr von ihr übrig sein außer einem unansehnlichen aufgeribbelten Durcheinander.

Es ging alles zu schnell, viel zu schnell. Für ihre Freundinnen war der Drops gelutscht. Für sie hingegen stand das endgültige Ehe-Aus keineswegs fest. Immerhin hatte sie noch nicht einmal mit Jonas gesprochen. Sie holte tief Luft.

»Ich finde, ich sollte Jonas erst die Chance geben, sein Verhalten zu erklären. Heißt es denn nicht: im Zweifel für den Angeklagten?«

»Klar, Männer sind Unschuldslämmer, und Joghurt ist gesund, weil er keine Gräten hat«, knurrte Wanda.

Sibylle rückte ihre Brille aus dunklem Horn gerade.

»Vierundsiebzig Prozent der Deutschen würden sich sofort trennen, wenn ihr Partner fremdgeht – soweit die Zahlen. Dennoch, Carinas Einwand ist nachvollziehbar. Sie sollte erst einmal herausfinden, was Jonas zu einer Affäre bewogen hat. Auch Männer haben Gefühle.«

»Ja, Hunger und Durst«, fauchte Wanda.

Carina wurde es immer unbehaglicher zumute. Ihr Blick war auf den Boden gerichtet, als erfordere das Muster der rotbraunen Terracottafliesen eine eingehende Analyse.

»Du hast ihm die besten Jahre geschenkt, wie es so unschön heißt«, merkte Leni an. »Jetzt musst du dir einiges zurückholen. Wenn du mit ihm durch bist, solltest du ein reicher Engel sein und er ein armer Teufel. Es gibt nämlich nur eins, was teurer ist als eine Geliebte – die Exfrau.«

Völlig falsche Richtung. Abgesehen davon, dass Carina jegliche Berechnung fernlag, hatte sie immer umgekehrt Jonas und die Kinder als Geschenk betrachtet. Wie im Schnelldurchlauf spulte ihre Erinnerung zehn Jahre zurück. Ein Strom von Bildern flackerte vor ihrem inneren Auge auf.

Jonas, der ihr tropfnass und übermütig lachend einen Heiratsantrag machte, unter der Dusche, nach einer durchtanzten Nacht. Jonas, der sie im selbstgenähten Hochzeitskleid über die Schwelle seines kleinen Appartements trug, das sie zwei Tage nicht verließen. Jonas, der tränenüberströmt die neugeborene Melli im Arm hielt, der überglücklich mit Benny in einem Haufen Legosteine herumkroch. Jonas, ihr Jonas, der sie beim Spaziergang im Regen umarmte und herrlich alberne Zärtlichkeiten in ihr Ohr flüsterte. Gut, das alles war lange her. Doch sie hatte es nicht vergessen.

»Und wenn ich ihm verzeihe?«, hauchte sie.

Totenstille. Es war, als hätte ihre Frage jeglichen Sauerstoff aus dem Raum gesaugt. Alle hielten den Atem an. Nahezu körperlich spürte Carina nun, was man von ihr erwartete: kurzen Prozess mit Jonas zu machen.

»Wer versucht, sich alle Türen offenzuhalten, wird seine Zukunft auf dem Flur verbringen«, befand Betty nach einer Weile.

Klirrend stellte Leni ihr Glas auf den gläsernen Couchtisch.

»Du willst ihn zurück, Carina? Ernsthaft?«

»Die langweilige Grütze kannst du dir sonst wohin kleben«, knurrte Wanda. »Da kommt was Besseres, du wirst schon sehen, ein richtig toller Typ wartet irgendwo auf dich. Wer will denn ein gebrauchtes Auto mit Delle zurück, wenn er einen Neuwagen haben kann?«

»Der Vergleich ist zwar geschmacklos, aber zutreffend«, pflichtete Leni ihr bei. »Für mich ist ein abgelegter Ehemann in etwa so faszinierend wie eine Wiedervorlagemappe.«

Betty schnippte ein paar Pizzakrümel von ihrem Rock. Mit allen zehn Fingern prüfte sie den Sitz ihrer Pagenkopffrisur, bevor sie das Wort an Carina richtete.

»Krisen sind Transferräume. Sie eröffnen neue Optionen. Was ich damit sagen will: Nach einer Trennung kannst du dich ungeachtet der Bedürfnisse deines Mannes fragen, was du noch vom Leben erwartest.«

»Statistisch gesehen, hält eine Scheidung vor vierzig mehr Chancen als Risiken bereit«, dozierte Sibylle. »Die mentale Flexibilität eines Erwachsenen erlahmt erst ab fünfzig. Also bleibt genügend Zeit, dir etwas Neues aufzubauen – sei es Beruf, Beziehung oder Hobby. Außerdem hast du mit Bingo einen entscheidenden Vorteil: Siebzig Prozent der deutschen Hundebesitzer lernen ihren Partner über ihr Tier kennen. Da geht noch was.«

»Gutes Argument.« Betty knöpfte ihre Kostümjacke auf. »Momentan fragst du dich noch, ob es ein Leben ohne Jonas geben kann. Verlass dich drauf: Sobald du die Antwort hast, ändert das Leben die Frage. Betrachte den Seitensprung deines Gatten als einmalige Gelegenheit, mehr aus dir zu machen.«

Ich will aber nicht »mehr«, dachte Carina in einer Aufwallung von Trotz. Sie gehörte nicht zu jenen Frauen, die ständig jammerten, etwas verpasst zu haben, weil sie keine Karriere vorweisen konnten. Ihr gefiel das Dasein als Hausfrau und Mutter. Sie hatte weder hochfliegende berufliche Ambitionen noch Lust auf Selbstverwirklichungstrips. So unspektakulär ihr Leben auch war, sie liebte es. Und sie liebte Jonas.

»Übrigens, Carina …«, gedankenverloren betrachtete Leni die Girlande aus Tannengrün und roten Schleifen, die über dem Kaminsims hing, »wir haben deine Tochter befragt. Du weißt schon, wegen der Sekretärin. Melli meint, die sei ein ziemlicher Aufreger gewesen. Nix graue Haare und so – Minirock und tolle Stiefel. Jawohl. Overknees in Lila, so was merkt sich ein Mädchen wie Melli natürlich.«

»Wie bitte?« Es überstieg Carinas Phantasie, sich die matronenhafte Frau Röwer in Minirock und lilafarbenen Overknees vorzustellen. »Dann, dann …«

»… hat Jonas eine neue Sekretärin«, sprach Leni das Offensichtliche aus.

Auch das noch. Carina beschlich allmählich das Gefühl, mit einem großen Unbekannten verheiratet zu sein. Ohnehin erzählte Jonas kaum noch etwas aus seinem Arbeitsalltag. Früher hatte er sie oft um ihre Meinung gebeten, wenn er einen komplizierten Fall am Wickel hatte, neuerdings verzog er sich nach dem Abendessen kommentarlos in sein Arbeitszimmer. Wenn er überhaupt rechtzeitig zum Abendessen erschien. Warum war sie nie misstrauisch geworden, dass er so viele Überstunden einlegte?

Sie zuckte zusammen, als es schellte. Bellend sprang Bingo hoch und fegte zur Haustür. O Gott. Ogottogottogott. Ob das Jonas war?

Mit klopfendem Herzen lief Carina hinterher und riss die Tür so ungestüm auf, dass es fast Bingo erwischt hätte, der aufjaulend das Weite suchte. Nein, es war nicht Jonas. Vor ihr stand Luisa, mit Mitte dreißig das Küken der Runde. Sie hielt eine rosa Flauschdecke im Arm, aus der ein winziges Gesichtchen herauslugte.

»Ciao, Cara«, lächelte Luisa. »Darf ich vorstellen? Das ist Alice Alessandra Victoria, unsere Principessa.«

Wie aufs Stichwort regte sich das winzige Wesen in Luisas Arm, blinzelte ins Licht der Flurlampe und gähnte ausgiebig. Eine Welle der Zärtlichkeit überlief Carina, vermischt mit Wehmut. Auch sie hätte noch ein Baby haben können.

»Hallo, Alice«, raunte sie und streichelte mit einem Finger die seidenweiche Kinderwange. »Soll ich die Kleine für dich halten, Luisa, damit du deinen Mantel ausziehen kannst?«

»Gute Idee.«

Vorsichtig übergab Luisa ihr das rosa Bündel. Dann streifte sie den buntgemusterten Poncho ab, den sie über einer hellen Hose und einer passenden écrufarbenen Bluse trug. Die Mutterschaft stand ihr ausgezeichnet. Als Geschäftsführerin einer kleinen Firma, die Geschenkartikel herstellte, hatte Luisa immer etwas gestresst und abgezehrt gewirkt. Jetzt leuchteten ihre deutlich runderen Wangen, ihre Augen hatten einen eigentümlichen Glanz. Mit beiden Händen zog sie den Pferdeschwanz straff, zu dem sie ihr dunkelblondes Haar gebunden hatte.

»Hmmm, wie gut das hier duftet! Herrlich! Hast du Eddys Rezept für Minipizzen ausprobiert?«

Als ob es keine anderen Probleme auf der Welt gäbe als Minipizzen. Doch Carina brachte es nicht übers Herz, Luisa mit der Hiobsbotschaft ihrer zerbrechenden Ehe zu überrumpeln.

»Ja, das Rezept ist großartig«, versicherte sie. »Absolut köstlich. Komm rein, Schatz, die anderen sind schon da.«

Mit großem Hallo wurden sie im Wohnzimmer empfangen. Erleichtert stellte Carina fest, dass das Thema Jonas vorerst Pause hatte. Alle wollten die kleine Alice im Arm halten und hörten geduldig zu, als Luisa mit der typischen Begeisterung einer jungen Mutter vom Alltag ihrer kleinen Familie berichtete wie von einem Abenteuertrip an den Amazonas. Dass sie aus Rücksicht auf ihr Baby keinen Knoblauch aß, weil sie stillte. Dass Alice lächelte, wenn sie ein Bäuerchen machte. Dass sie nachtaktiv war und unfassbar intelligent werden würde, weil sie beim Einschlafen mit klassischer Musik beschallt wurde.

»Eddy ist ein phantastischer Vater«, schwärmte Luisa. »Mit Alice ist unsere Beziehung noch viel inniger geworden.«

Betty wischte sich einen silbrigen Spuckefaden vom Revers ihrer Kostümjacke, nachdem sie das vergnügt glucksende Baby an Sibylle weitergereicht hatte.

»Tja, die Ehe ist wie ein Job. Es hilft, wenn man den Chef mag.«

Wissende Blicke flogen hin und her. Mittlerweile betete Carina, dass Jonas erst nach Hause kam, wenn ihre Freundinnen gegangen waren. Ängstlich horchte sie, ob ein aufheulender Motor seine Rückkehr ankündigte, doch gottlob war nichts zu hören. Ich könnte ihm eine WhatsApp-Nachricht schicken, überlegte sie. Aber was sollte sie ihm schreiben? Dass ein weibliches Tribunal auf ihn wartete, begierig, sich an seiner Zerknirschung zu weiden? Sehr witzig.

Sie passte einen Moment ab, in dem Luisa voller Überschwang die wohlriechenden Ausscheidungen gestillter Babys schilderte, um unbemerkt in die Küche zu huschen. In ihre mittlerweile aus der Mode gekommene beigefarbene Landhausküche, in der sie so oft mit Jonas gefrühstückt hatte. Ein paar Minuten Zweisamkeit, wenn die Kinder bereits in der Schule waren, in denen sie bei Espresso und Croissants die selbstverständliche Vertrautheit einer langjährigen Ehe genossen hatten – sie im Bademantel, er im verschwitzten Jogginganzug nach seiner morgendlichen Runde um den Block. Oder war es eine falsche Idylle gewesen? Hatte sie sich etwas vorgemacht?

Eilig checkte sie ihr Handy, das in der Obstschale lag. Keine neue Nachricht von Jonas. Wo war er überhaupt? Was hatte er vor? Sie sah zu Melli und Benny, die einträchtig nebeneinander auf der rotgepolsterten Küchenbank herumlümmelten und auf Jonas’ iPad schauten. Das Gedudel einer Filmmusik erfüllte den Raum. Den satten Streicherklängen nach zu urteilen, handelte es sich um »Fluch der Karibik«. Der Gedanke versetzte Carina einen Stich. Eine Reise an südliche Strände stand ganz oben auf ihrer Liste unerfüllter Wünsche, die so lang war wie der Einkaufszettel für den wöchentlichen Bedarf einer vierköpfigen Familie.

Jonas versprach viel, gehalten hatte er bisher wenig. Eigentlich nichts. Weder der Strandurlaub auf Mallorca noch der Familienausflug in einen Freizeitpark hatten stattgefunden. So wenig wie die Reise zu zweit nach Paris, der gemeinsame Tangokurs und der mehrfach groß angekündigte Fallschirmsprung zu zweit, den sie in zehn Jahren Ehe nie gewagt hatten.

»Mama, wann kommt Papa?«, fragte Benny, der mit geröteten Wangen vom iPad aufsah.

»Wird langsam Zeit, dass du die Uhr lesen lernst, Kurzer«, wurde er von Melli belehrt. Sie deutete auf die Küchenuhr neben dem Kühlschrank. »Viertel vor neun. Papa kommt nicht vor zehn nach Hause. Manchmal erst um elf.«

Carina war sprachlos. So genau hatte sie Jonas’ Gewohnheiten nie studiert. Sich nur damit abgefunden, dass das Familienleben weitgehend eine Angelegenheit zu dritt war. Benny knabberte auf seiner Unterlippe herum. Fragend sah er seine Mutter an.

»Wohnt Papa woanders?«

Es zerriss Carina fast das Herz. Sie schluckte schwer, um ihre Tränen niederzukämpfen.

»Natürlich nicht, Liebling, wie kommst du denn darauf? Er arbeitet halt sehr viel, damit wir in diesem schönen großen Haus leben können.«

Melli blies die Backen auf. »Also ich würde lieber in einem kleinen Haus wohnen, wenn Papa dann öfter bei uns ist.«

Volltreffer. Kindermund tut Wahrheit kund, dachte Carina halb erschrocken, halb überrascht. Einmal mehr ging ihr auf, dass man Melina keinesfalls unterschätzen durfte. Das Mädchen war ungewöhnlich aufgeweckt für ihre neun Jahre und hatte ganz beiläufig den Finger in die Wunde gelegt: Was nützte ein großes Haus, wenn der Vater durch Abwesenheit glänzte und selbst an den Wochenenden keine Zeit für seine Familie hatte?

»Ihr dürft euch noch eine Fanta nehmen und den Film zu Ende gucken, weil heute Freitag ist«, erwiderte sie, ohne auf Melinas Kommentar einzugehen. »Dann ist Zapfenstreich.«

»›Fluch der Karibik‹ hat aber fünf Teile«, widersprach Melli. »Ich will mindestens drei anschauen.«

»Also schön, schließen wir einen Kompromiss: Ihr putzt die Zähne, zieht eure Schlafanzüge an und seht Teil zwei bei mir im großen Bett. Dann könnt ihr gleich einschlafen, wenn ihr müde werdet.«

»Bin noch gar nicht müde«, quengelte Benny.

Carina gab ihm einen liebevollen Stups auf den Rücken. »Ab durch die Mitte. Ich muss jetzt die Suppe servieren. Später schaue ich oben vorbei und gebe euch einen Gutenachtkuss.«

Die beiden zogen einen Flunsch, trollten sich jedoch ohne weiteren Protest. Das iPad nebst der lauten Musik nahmen sie mit. Carina atmete tief durch. Endlich Ruhe. Währenddessen wuchs in ihr eine unerträgliche Anspannung. Zum ersten Mal hoffte sie, dass sich Jonas erst weit nach Mitternacht zeigen würde, dann, wenn ihre Freundinnen längst verschwunden waren. So wie Leni und Wanda drauf waren, sprach alles für ein gnadenloses Gemetzel, und am Ende fielen unwiderrufliche Entscheidungen, die sie später vielleicht bereuen würde.

Lieber Gott, lass Jonas im Stau steckenbleiben. Es ist Freitag, da dürfte das doch kein Problem sein, so ein schöner dicker Stau, oder?

Mit zitternden Händen holte Carina die Gazpacho-Gläschen aus dem Kühlschrank, verteilte sie auf ein großes Tablett und dekorierte sie mit Minzblättchen. Dann machte sie sich auf den Weg zu ihren Freundinnen. Schon auf dem Flur fiel ihr eine verdächtige Stille auf. Das Geplauder und Gelächter waren verstummt, als hätte jemand den Ton abgedreht. Als sie das Wohnzimmer erreichte, erblickte sie den Grund für die Stille: Vor dem Kamin stand Jonas, knapp zwei Meter personifiziertes Schuldbewusstsein im dunkelblauen Anzug.

Alle starrten ihn an. Und Jonas? Starrte zurück, mit dem verzweifelten Blick eines Zwergpudels, dem soeben klarwurde, dass er durch einen brennenden Reifen springen musste.

Kapitel 3

Der Augenblick dehnte sich wie Kaugummi ins schier Unendliche. Eisige Ablehnung schlug Jonas entgegen, mit der geballten Energie einer mittleren Kleinstadt. Einer sehr schlecht gelaunten Kleinstadt, wohlgemerkt, und es gab keine Stopptaste, um diesen Katastrophenfilm anzuhalten.

Carina stöhnte leise auf. Verfluchte Karibik! Die Musik in der Küche war so laut gewesen, dass sie weder den Wagen gehört hatte noch Jonas’ Schlüssel im Haustürschloss. Jetzt war die Chance vertan, ihren Gatten rechtzeitig abzufangen. Zu allem Überfluss begann auch noch die kleine Alice zu weinen. Luisa drückte sie an sich, mit schreckgeweiteten Augen. Sibylle, die neben ihr saß, weihte sie flüsternd in die Hintergründe dieser seltsamen Szene ein.

Noch immer stand Jonas stumm vor dem Kamin. Hochgewachsen, gutaussehend, wenn auch deutlich in die Jahre gekommen, und jeder Zoll ein Gentleman, dummerweise nur optisch. Einzig das etwas zu lange dunkelblonde Haar ließ ahnen, dass sich hinter der Fassade des seriösen Anwalts noch andere, stürmischere Charakterzüge verbergen könnten. Ängstlich musterte Carina sein Gesicht. Gab es Spuren einer wilden Nacht? Kratzer, Bisse, Lippenstiftabdrücke? Zu sehen war nichts, zu spüren mehr, als ihr lieb war. Und, was es auch nicht besser machte: Offenbar hatte Jonas getrunken, wie sie aus seinem leicht glasigen Blick schloss.

Die erstickende Hitze des Wohnzimmers nahm ihr den Atem, eine würgende Übelkeit stieg in ihr hoch. Krampfhaft umklammerte sie die Griffe des Tabletts, als könne sie sich ernsthaft daran festhalten. Keine gute Idee. Einige Gläschen kippten um, die rote Flüssigkeit ergoss sich zunächst auf das Tablett und von dort auf die Bodenfliesen. Schwanzwedelnd leckte Bingo ein paar Tropfen auf,