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Einführung

»Gold ist ein barbarisches Relikt.«

Wie oft haben Sie diese Aussage schon gehört? Falls Sie, wie ich, über Gold schreiben und Vorträge halten, haben Sie ihn schon tausendmal gehört. Er ist ein Teil einer altbekannten Litanei von Menschen, die rückhaltloses Vertrauen in ungedecktes Papiergeld haben – aber kein Vertrauen in Gold. Sobald jemand ein gutes Wort für Gold einlegt, kommt sofort diese automatische Reaktion von den treuen und unbeirrbaren Fans des Papiergeldes.

Dieser Abwehrreflex gegen Gold ist generationenübergreifend. In der älteren Generation finden sich Akademiker, die im Dunstkreis bekannter Goldgegner wie Milton Friedman heranwuchsen. Zu ihnen zählen Paul Krugman, Barry Eichengreen, Nouriel Roubini, Martin Feldstein und andere, die das gesamte ideologische Spektrum von links bis rechts abdecken. Friedmans andere theoretischen Arbeiten sind weitgehend überholt (es hat sich inzwischen herausgestellt, dass freie Wechselkurse nicht optimal sind und die Umlaufgeschwindigkeit des Geldes nicht stabil ist), aber das hat sich keineswegs auf die Art und Weise ausgewirkt, wie seine Gefolgschaft über Gold denkt.

Zu diesen Antigold-Koryphäen gesellen sich heute die Mitglieder einer jüngeren Generation, die gelernt haben – oder dazu verleitet wurden – zu glauben, Gold habe keinen Platz in einem Währungssystem. Zu dieser Gruppe zählen bekannte Blogger und Kommentatoren wie Barry Ritholtz, Matt O’Brien, Dagen McDowell und Joe Weisenthal. Dieser Antigold-Liga mag es egal sein, ob Sie goldene Ringe oder Uhren tragen, aber falls Sie erwähnen sollten, dass Sie sogar Goldbarren besitzen, werden sie mit herablassendem Mitleid reagieren. Und sobald ein Goldstandard auch nur erwähnt wird, fahren sie ihre Krallen aus – das ist anrüchig. Diese Leute sind – wie ein Karabiner mit einem hochempfindlichen Stecherabzug – allzeit bereit, Argumente abzufeuern, warum ein Goldstandard nicht funktionieren kann, nie funktionieren wird und noch nie funktioniert hat. Obendrein werden geringschätzende Attribute wie »vorsintflutlich« und »primitiv« in die Diskussion geworfen.

In diesem Buch vertrete ich dagegen die Auffassung, dass Gold tatsächlich Geld ist, dass auf Gold basierende Währungsstandards durchaus möglich sind und dass in Abwesenheit eines offiziellen Goldstandards jeder Einzelne seinen persönlichen Goldstandard einführen sollte, indem er Gold kauft, um den eigenen Wohlstand zu sichern.

Während ich mich auf mein Plädoyer für Gold vorbereite, ist es gut, zu wissen, dass ich nicht allein bin. Neben der neuen Generation von Goldkritikern gibt es auch eine neue Generation von klugen und besonnenen Goldbefürwortern. Zu diesen »›jungen Helden‹ des Goldes« zählen Ronni Stöferle und Mark Valek in Wien, Jordan Elieso und Janie Simpson in Sydney, Jan Skoyles in London, »Koos Jansen« (wirklicher Name: Jan Nieuwenhuijs) in den Niederlanden sowie Elaine Diane Taylor in Vancouver – ein ansehnliches Netzwerk. Sie sind für mich eine beständige Quelle der Ermunterung und neuen Erkenntnisse.

Bevor wir jedoch die Argumente für Gold präsentieren, wäre es nützlich, zuerst die Gründe zu widerlegen, die gegen Gold angeführt werden. Wenn Sie wieder einmal erleben, dass ein Goldgegner sich in reflexhafte Reaktionen flüchtet, werden Sie wissen, was Sie ihm entgegnen können – und zwar auf der Grundlage von Fakten anstatt Klischees.

Wie lauten denn die Argumente gegen Gold? Die Kritiker kennen sie auswendig. Hier sind sie im Einzelnen:

 

1.Gold ist ein »barbarisches Relikt«, so John Maynard Keynes.

2.Es gibt nicht genug Gold, um weltweit sämtliche finanziellen und wirtschaftlichen Aktivitäten zu ermöglichen.

3.Es wird nicht genug Gold produziert, um mit dem Wachstum der Weltwirtschaft Schritt zu halten.

4.Gold hat die Weltwirtschaftskrise verursacht.

5.Gold bringt keine Rendite.

6.Gold hat keinen intrinsischen Wert.

 

Jede dieser Behauptungen ist überholt, falsch oder ironischerweise ein Argument für Gold. Das hält jedoch die Papiergeld-Ideologen nicht davon ab, sie immer wieder anzuführen. Wir wollen sie uns etwas genauer ansehen, eine nach der anderen.

Laut John Maynard Keynes ist Gold ein »barbarisches Relikt«

Diese Behauptung ist ganz einfach zu widerlegen: Keynes hat das so nie gesagt.

Was er tatsächlich gesagt hat, ist wesentlich interessanter. In seinem Buch Ein Traktat über Währungsreform (1924) schrieb Keynes: »In Wahrheit ist der Goldstandard bereits ein barbarisches Relikt.« Dabei hat er sich nicht auf Gold, sondern auf einen Goldstandard bezogen – und im Kontext von 1924 hatte er durchaus recht. Das notorisch mangelhafte Golddevisen-Währungssystem, das in diversen Varianten von 1922 bis 1939 in Kraft war, hätte nie eingeführt werden dürfen. Und es hätte schon lange aufgegeben werden sollen, bevor es mit Ausbruch des Zweiten Weltkrieges zugrunde ging.

Keynes war vor allem ein Pragmatiker. Als im Juli 1914 der Erste Weltkrieg ausbrach, war Keynes einer der überzeugendsten Befürworter des klassischen Goldstandards, der seit 1870 in Kraft war. Die meisten Länder, die in den Krieg eintraten, gaben daraufhin den Goldstandard sofort auf, um mit ihrem verbliebenen Gold den Krieg zu finanzieren. Das Schatzamt seiner Majestät, des Königs von England, und die Bank von England wollten es ebenso machen.

Keynes argumentierte im Wesentlichen, dass die Menge des als Geld genutzten Goldes begrenzt sei, Kredite dagegen elastisch. Wenn man im Goldstandard bliebe und Londons Rolle als Zentrum der globalen Finanzwirtschaft beibehielte, würde man die Kreditwürdigkeit Großbritanniens verbessern. So konnte London sich das Geld leihen, das es brauchte, um den Krieg zu finanzieren.

Und genauso kam es dann auch. Das House of Morgan in New York organisierte riesige Kredite für Großbritannien, aber keine für Deutschland und Österreich. Nur durch diese Finanzierung konnte Großbritannien durchhalten, bis im Jahr 1917 die Vereinigten Staaten in den Krieg eintraten. Im Jahr darauf kam es zum Sieg.

Im Jahr 1925 überlegte Winston Churchill als damaliger britischer Finanzminister, ob Großbritannien wieder zum Goldstandard zurückkehren solle, zur gleichen Parität wie vor dem Krieg. Keynes teilte Churchill mit, das würde zu einer katastrophalen Deflation führen. Keynes sprach sich gegen den Goldstandard aus, aber falls Großbritannien ihn wieder einführen wolle, so Keynes, dann sei es entscheidend, den Goldpreis auf dem richtigen Niveau festzulegen. Er empfahl eine viel höhere Parität für Gold als vor dem Krieg. Churchill ignorierte Keynes’ guten Rat. Das Ergebnis war eine massive Deflation und eine Depression in Großbritannien, und zwar schon etliche Jahre bevor die Weltwirtschaftskrise den Rest der Welt erschütterte.

Im Juli 1944, ein Dreivierteljahr vor seinem Tod, setzte Keynes sich in Bretton Woods für eine neue globale Währung ein, die er »Bancor« nannte – der theoretische Vorgänger des heutigen »Special Drawing Right« (SDR, »Sonderziehungsrecht«). Den Bancor wollte er durch einen Korb von Rohstoffen decken, darunter auch Gold. Das wäre zwar kein Goldstandard im strengeren Sinne gewesen, hätte dem Gold aber dennoch eine wichtige Rolle im Währungssystem zugewiesen. Keynes’ Plan wurde auf Betreiben der Vereinigten Staaten zugunsten eines Dollar-Gold-Standards verworfen, der von 1944 bis 1971 andauerte.

Kurz gesagt: Zu Beginn seiner Karriere war Keynes ein Befürworter von Gold, in der Mitte seiner Laufbahn war er ein kluger Ratgeber in Bezug auf Gold und gegen Ende seiner Karriere setzte er sich wieder für einen Goldstandard ein. Dazwischen sprach er sich zu Recht dagegen aus, eine fehlerhafte Golddevisen-Währung einzuführen. An diese differenzierte Meinung von Keynes zum Thema Gold sollten Sie denken, wenn Ihnen das nächste Mal jemand die Phrase vom »barbarischen Relikt« an den Kopf wirft.

Es gibt nicht genug Gold, um weltweit sämtliche finanziellen und wirtschaftlichen Aktivitäten zu ermöglichen

Obwohl diese Behauptung Unsinn ist, werden wir sie widerlegen, weil sie eine der Torheiten ist, die man von Papiergeld-Fans am häufigsten zu hören bekommt.

Die Menge des weltweit vorhandenen Goldes steht zu jedem gegebenen Zeitpunkt fest, nimmt jedoch zu, weil durch Bergbau neues Gold gewonnen wird. Zurzeit sind etwa 170.000 Tonnen vorhanden, von denen etwa 35.000 Tonnen auf offizielles Gold entfallen, das von Zentralbanken, Finanzministerien und Staatsfonds gehalten wird. Dieses Gold kann unter einem Goldstandard zu einem bestimmten Preis jedes Ausmaß an finanziellen und wirtschaftlichen Aktivitäten ermöglichen. Der Preis kann ermittelt werden, indem man die Menge des physisch vorhandenen Goldes durch die Geldmenge teilt.

Es sind gewisse Annahmen notwendig, um diese Berechnung durchzuführen. Welche Währungen sollen an dem Goldstandard teilnehmen? Welche Geldmenge (M0, M1 und so weiter) soll für diesen Zweck verwendet werden? Welches Verhältnis von Gold zu Geld ist optimal? Dies sind legitime geldpolitische Fragen, welche die verschiedenen Zentralbanken zu verschiedenen Zeiten unterschiedlich beantwortet haben.

Von 1815 bis 1914 hat die Bank of England einen erfolgreichen Goldstandard umgesetzt mit einer Golddeckung von etwa 20 Prozent der Geldmenge. Von 1913 bis 1965 musste die Federal Reserve mindestens 40 Prozent der US-Geldmenge als Golddeckung vorhalten. Generell gilt: Je mehr Vertrauen die Bürger in die Zentralbank haben, desto weniger Golddeckung ist notwendig, um einen stabilen Goldstandard aufrechtzuerhalten.

Wenn diese Vorgaben feststehen, lässt sich der implizite Goldpreis errechnen, der sich aus jeder beliebigen Kombination von Annahmen ergibt. Falls zum Beispiel die Vereinigten Staaten, die Eurozone und China sich auf einen Goldstandard auf der Basis von M1 als Geldmenge und 40 Prozent Golddeckung einigen sollten, würde sich daraus ein impliziter Goldpreis von etwa 10.000 US-Dollar pro Feinunze ergeben. Wenn dieselben drei Partner Geldmenge M2 mit 100 Prozent Golddeckung verwenden würden, ergäbe sich daraus ein impliziter Goldpreis von etwa 50.000 US-Dollar pro Feinunze.

Wenn ein Goldstandard mit einem Goldpreis von 1 100 Dollar pro Feinunze eingeführt würde, wäre das entweder stark deflationär (wenn die Geldmenge nach Bedarf reduziert würde) oder sehr instabil (weil die Bürger sich beeilen würden, dem Staat möglichst viel billiges Gold abzukaufen).

Die kurze Antwort auf diesen Einwand lautet, dass es immer genug Gold für einen Goldstandard gibt, solange ein stabiler, nicht deflationärer Goldpreis festgesetzt wird.

Wenn ein Kritiker sagt: »Es gibt nicht genug Gold«, meint er damit eigentlich, dass es nicht genug Gold zum aktuellen Preis gibt. Dies ist kein Einwand gegen einen Goldstandard an sich; es ist ein Vorbehalt gegen eine offene Konfrontation mit dem realen Wert von Papiergeld im Verhältnis zum vorhandenen physischen Gold. Zu dieser Konfrontation wird es kommen, wenn das Vertrauen in Papiergeld schwindet und ein Goldstandard immer mehr Zustimmung findet als ein Instrument, um das Vertrauen in unser Währungssystem wiederherzustellen.

Es wird nicht genug Gold produziert, um mit dem Wachstum der Weltwirtschaft Schritt zu halten

Dies ist ein weiterer Irrtum, der lediglich zeigt, dass nicht verstanden wird, wie ein Goldstandard funktioniert.

Ein Kritiker, der diesen Einwand vorbringt, unterscheidet nicht zwischen dem offiziellen Bestand und dem gesamten Bestand an Gold. Offizielles Gold gehört dem Staat und steht zur Verfügung, um eine Geldmenge zu decken. Der Gesamtbestand an Gold umfasst das offizielle Gold und zudem alles Gold, das sich als Barren, Schmuck oder Ziergold in Privatbesitz befindet.

Wenn eine Regierung den offiziellen Goldbestand aufstocken will, um eine Ausweitung der Geldmenge zu decken, muss sie lediglich Geld drucken und damit privates Gold auf dem freien Markt kaufen. Solche Zukäufe werden nicht eingeschränkt durch die im Bergbau neu produzierte Menge an Gold. Die offiziellen Goldbestände könnten durch den Kauf von privatem Gold verdoppelt werden, falls das notwendig werden sollte, ohne eine nennenswerte Veränderung des Gesamtbestandes zu bewirken. (Auf offizielles Gold entfallen nur etwa 20 Prozent des Gesamtbestandes, was den Regierungen reichlich Spielraum lässt, Gold hinzuzukaufen.)

Wenn unter einem Goldstandard mit frisch gedrucktem Geld Gold gekauft wird, ist das lediglich eine weitere Art von Offenmarkt-Operation. Es unterscheidet sich nicht vom Gelddrucken, um damit Anleihen zu kaufen, was die Federal Reserve jeden Tag tut. Natürlich wirkt sich das auf die Märkte aus und eine diskretionäre Geldpolitik kann zu Fehlern führen – aber das gilt mit und ohne Goldstandard. Letzten Endes wird die Fähigkeit der Zentralbanken, das Kreditvolumen auszuweiten, nicht durch die limitierte Menge an neu produziertem Gold eingeschränkt.

Viel relevanter sind die folgenden jährlichen Wachstumsraten von 2009 bis 2014:

Globale Wirtschaftsleistung

2,9 %

Weltbevölkerung

1,2 %

Goldproduktion

1,6 %

Von der Federal Reserve erzeugte Geldmenge

22,5 %

Welche Wachstumsrate ist hier der Ausreißer?

Es ist richtig, dass die globale Wirtschaftsleistung schneller wächst als die Produktion von neuem Gold. Wenn das der einzige Faktor wäre (was er jedoch nicht ist), würden die nominalen Preise dennoch eine leicht deflationäre Tendenz zeigen, selbst wenn die Weltwirtschaft real mit ihrem maximalen Potenzial wachsen würde (abgesehen von nicht monetären strukturellen Einflüssen). Eine leichte Deflation wirkt sich zum Vorteil von Konsumenten und Sparern aus.

Es gibt keinen Grund, warum ein Goldstandard nicht mit einer diskretionären Geldpolitik kombiniert werden könnte. Eine Kombination von Gold und Zentralbankgeld war zwischen 1815 und 1971, außer in Kriegszeiten, die Norm. Die Zentralbanken fungierten als »Lender of last resort« (»Kapitalgeber in letzter Instanz«) und erweiterten oder verringerten die Geldmenge nach eigenem Gutdünken, selbst unter einem Goldstandard. Eigentlich hatte Gold hauptsächlich die Funktion, das Signal für eine richtige Geldpolitik in Abhängigkeit von den Zu- und Abflüssen von offiziellem Gold zu geben.

Wenn ein Kritiker sagt, die mengenmäßig limitierte Goldproduktion würde das weltweite Wirtschaftswachstum nicht zulassen, meint er damit eigentlich, dass die Goldproduktion kein inflationäres Wirtschaftswachstum zulässt. Das ist richtig. Inflation überträgt Vermögen von den Armen auf die Reichen, von den Sparern auf die Schuldner und von den Bürgern auf den Staat. Inflation ist die bevorzugte Geldpolitik von Sozialisten und Progressivisten, die an eine Umverteilung von Einkommen glauben. Mit den Vorbehalten gegen Gold wegen zu geringer Goldproduktion ist nicht gemeint, dass dies dem Wirtschaftswachstum im Weg stehen würde, sondern vielmehr, dass dies dem Diebstahl im Wege steht.

Gold hat die Weltwirtschaftskrise verursacht

Tatsächlich wurde die Weltwirtschaftskrise in den USA durch die inkompetente diskretionäre Geldpolitik der Federal Reserve in der Zeit von 1927 bis 1931 verursacht. Das wurde durch eine lange Reihe von Währungsexperten dokumentiert, unter ihnen Anna Schwartz, Milton Friedman und in der jüngeren Vergangenheit auch Ben Bernanke.

Die Weltwirtschaftskrise wurde dann durch politische Experimente verlängert, die Herbert Hoover und Franklin D. Roosevelt in Gang setzten. Diese Experimente führten zu einem Phänomen, das der Gelehrte Charles Kindleberger als »Regime uncertainty« (»Unsicherheit in Bezug auf die künftigen rechtlichen Rahmenbedingungen«) bezeichnete. Damit ist gemeint, dass große Konzerne und wohlhabende Bürger sich weigerten, Kapital zu investieren, weil die zukünftigen Kosten staatlicher Regulierungs-, Steuer- und Arbeitsmarktpolitik sich schlichtweg nicht vorhersehen ließen. Das Kapital wurde sicher geparkt, statt produktiv eingesetzt zu werden, und das Wirtschaftswachstum kam dadurch zum Erliegen.

Bernankes eigene Studien zeigen, dass zu keinem Zeitpunkt während der Weltwirtschaftskrise die Geldmenge durch die verfügbare Menge an Gold eingeschränkt wurde. Nach den damals geltenden Gesetzen durfte die Fed neues Geld im Wert von bis zu 250 Prozent ihrer Goldbestände schöpfen. Die tatsächliche Geldmenge war zu keiner Zeit größer als 100 Prozent des Wertes der Goldbestände. Das bedeutet, dass man die Geldmenge um mehr als das Doppelte hätte ausweiten können, ohne durch die Goldmenge eingeschränkt zu werden. Das Problem bei der Ausweitung der Geldmenge war nicht das Gold, sondern vielmehr der Umstand, dass niemand sich Geld leihen wollte und dass die Banken keine Kredite vergeben wollten. Es gab ein Problem mit der Kreditvergabe der Banken und mit dem Verbrauchervertrauen, aber nicht mit Gold.

Hinsichtlich der Entwicklung in anderen Ländern hat der Ökonom Barry Eichengreen darauf hingewiesen, dass sich die Wirtschaft der Länder, die ihre Währung gegenüber Gold abwerteten (Frankreich im Jahr 1925, Großbritannien 1931, die Vereinigten Staaten 1933 sowie Großbritannien und Frankreich gemeinsam im Jahr 1936), sehr schnell durch mehr Export erholte. Es ist richtig, dass die einzelnen abwertenden Länder daraus einen kurzfristigen Nutzen zogen, aber global betrachtet galt das nicht. Frankreichs wirtschaftliche Erholung 1925 erfolgte zulasten von Großbritannien; der Aufschwung in Großbritannien 1931 erfolgte zulasten der Vereinigten Staaten; die positive Entwicklung in den Vereinigten Staaten 1933 erfolgte zulasten von Großbritannien und Frankreich.

Eichengreens im Übrigen hervorragende Arbeit leidet unter dem, was Keynes als die »Fallacy of composition« (den »Trugschluss der Verallgemeinerung«) bezeichnet hat. Gemeint ist, dass nicht unbedingt alles, was für ein Individuum gut ist, auch für eine Ansammlung von Individuen gut sein muss. Eine Person, die sich bei einem überfüllten Rockkonzert auf ihren Stuhl stellt, wird vielleicht besser sehen können, aber wenn sich alle auf ihre Stühle stellen, wird fast keiner die Darbietung sehen können.

Die Serie von Abwertungen gegenüber Gold in der Zeit von 1925 bis 1936 zeigt die notorische Ausplünderungsdynamik gegenüber den Nachbarn, die für Währungskriege typisch ist. Der Ursprung des Problems war Großbritanniens 1925 getroffene Entscheidung, zum Goldstandard zurückzukehren, und zwar bei einem Goldpreis von 4,25 Pfund Sterling pro Feinunze, was genau der Parität entsprach, die vor dem Ersten Weltkrieg herrschte. Da Großbritannien seine Geldmenge zwischen 1914 und 1925 verdoppelt hatte – hauptsächlich, um den Krieg zu finanzieren –, machte die Rückkehr zur alten Parität es notwendig, die Geldmenge zu halbieren. Diese Politik war hochgradig deflationär. Das überbewertete Pfund Sterling brachte Frankreich von 1925 bis 1931 Vorteile im Handel mit Großbritannien, bis das Königreich schließlich die alte Parität aufhob. Die Abwertung von 1931 verschaffte Großbritannien einen Vorteil vor allem im Handel mit den Vereinigten Staaten, bis 1933 auch die USA ihre alte Parität aufhoben.

Die Ursache der Weltwirtschaftskrise war nicht der Goldstandard, sondern vielmehr der aus politischen Gründen zu niedrig festgesetzte Goldpreis sowie eine inkompetente, diskretionäre Geldpolitik.

Damit ein Goldstandard funktionieren kann, darf Gold nicht unterbewertet werden (wie es 1925 in Großbritannien der Fall war und heute weltweit der Fall ist). Wenn Gold zu niedrig bewertet ist, dann ist das Zentralbankgeld überbewertet und die Folge ist Deflation. Ein Goldstandard kann hervorragend funktionieren, solange die beteiligten Regierungen den Goldpreis nicht nach politischen, sondern nach analytischen Kriterien festlegen.

Gold bringt keine Rendite

Diese Aussage ist richtig und sie ist eines der stärksten Argumente für Gold.

Gold bringt keine Rendite und auch keine Zinsen, weil es das nicht soll. Gold ist Geld, und Geld bringt keine Rendite, weil es keinem Risiko unterliegt. Geld kann als Tausch- und Zahlungsmittel, als Wertaufbewahrungsmittel und als Recheneinheit fungieren, aber echtes Geld ist nicht risikobehaftet.

Um diesen einfachen, aber nicht gerade offensichtlichen Punkt deutlich zu machen, sehen Sie sich einfach einen Dollarschein oder eine Euromünze an. Handelt es sich dabei um Geld? Ja. Bringt es eine Rendite? Nein.

Die Rendite entsteht, wenn man diesen Dollar oder Euro auf ein Konto bei einer Bank einzahlt. Aber dann ist er kein Geld mehr, sondern eine Bankeinlage. (Die Zentralbanken definieren Bankeinlagen als Teil der »Geldmenge«, und zwar weil es ihre Aufgabe ist, genau diese monetäre Illusion aufrechtzuerhalten.)

Eine Bankeinlage ist kein Geld, sondern vielmehr eine unbesicherte Verbindlichkeit der Bank. Die größten Banken in den Vereinigten Staaten wären 2008 kollabiert, wenn der Staat sie nicht gerettet hätte, und in Deutschland und anderen EU-Staaten war das ähnlich. Die Rettung erfolgte durch höhere Einlagensicherung, Garantien für Geldmarktfonds, Nullzinspolitik, Währungsswaps mit ausländischen Zentralbanken und andere monetäre Pflichtübungen. Bankeinleger in Zypern (2013) und Griechenland (2015) erhielten eine schmerzliche Lektion zum Unterschied zwischen einer Bankeinlage und wirklichem Geld. In beiden Fällen wurden Banken geschlossen und Geldautomaten ausgeschaltet und bald wurden die Geldscheine knapp. In Zypern wurden die Einlagen mancher Bankkunden zwangsweise in Bankaktien umgewandelt. In Griechenland funktionierten die Kreditkarten inländischer Banken nicht mehr und schnell entwickelte sich eine Quasi-Tauschwirtschaft.

Rendite lässt sich auch erzielen, indem man Aktien, Anleihen, Immobilien oder andere Anlagewerte kauft, die nicht Geld sind. Aber damit geht man ein Risiko ein. Obwohl sich die meisten Anleger Aktien, Anleihen und Immobilien als eine Form von Geld vorstellen, handelt es sich dabei vielmehr um Anlagen mit einem gewissen Risiko – ebenso wie bei einer Bankeinlage.

Eine Goldmünze, ein Dollarschein, eine Euromünze und ein Bitcoin sind vier Erscheinungsformen von Geld – die erste ist aus Edelmetall, die zweite aus Papier, die dritte aus Industriemetall und die letzte digital. Keine davon bringt Rendite – was sie auch nicht soll, da es sich hierbei um Geld handelt.

Gold hat keinen intrinsischen Wert

Angenommen, ein Reporter oder Blogger greift Sie an, weil Sie sich für Gold aussprechen. Und angenommen, er sagt Ihnen, es habe »keinen immanenten Wert«. Dann sollten Sie ihm ein Kompliment machen, weil er sich so gut mit der Marxistischen Wirtschaftslehre auskennt.

Die intrinsische Bewertungsmethode ist eine Erweiterung der Arbeitswerttheorie, die zuerst von David Ricardo (1811) vorgestellt und später von Karl Marx im Kommunistischen Manifest (1848), in Das Kapital (1867, 1885, 1894) und anderen Schriften aufgegriffen wurde. Sie beruht auf der Vorstellung, dass sich der Wert eines Wirtschaftsguts aus der Kombination von Arbeit und Kapital ergibt, die in seine Herstellung eingeflossen sind. Je mehr Arbeit gebraucht werde, um ein Produkt herzustellen, desto »wertvoller« sei es.

Marx’ wichtigste Kritik am Kapitalismus war, dass die zur Bourgeoisie (zum »Großbürgertum«) gehörenden Kapitalisten die Produktionsmittel besaßen und dass sie ihren Arbeitern als Arbeitslohn nicht den Anteil am zusätzlich erzeugten Wert auszahlten, der ihnen eigentlich zustand. Auf diesem Wege pressten die Kapitalisten ihren Arbeitern den »Mehrwert« ab. Marx entwickelte die Theorie, dass letzten Endes die Ausbeutung der Arbeiter durch das Kapital zu extremer Einkommensungleichheit führen werde, wodurch das Klassenbewusstsein der Arbeiterschaft gestärkt würde. Das würde wiederum zu einer Revolution des Proletariats und zum Umsturz des Kapitalismus führen, an dessen Stelle ein sozialistisches System treten werde. Diese marxistische Analyse beruhte letztlich auf der intrinsischen Bewertungstheorie.

Problematisch an dieser Kritik in Bezug auf Gold ist, dass sämtliche auf der intrinsischen Bewertungsmethode basierenden Wirtschaftstheorien seit 1871 von den Wirtschaftswissenschaften nicht mehr anerkannt werden. In diesem Jahr stellte Carl Menger an der Wiener Universität das Konzept der subjektiven Bewertungsmethode vor. Mengers Erkenntnisse wurden zu einem Grundpfeiler der Lehre, die in der Volkswirtschaftslehre später als »Österreichische Schule« bekannt wurde.

Der subjektive Wert eines Wirtschaftsgutes ist der Wert, der ihm von einem Menschen aufgrund seiner individuellen Bedürfnisse und Wünsche zugeschrieben wird. Dieser Wert ist völlig unabhängig von irgendeinem intrinsischen Wert, der sich aus hineingestecktem Kapital, hineingesteckter Arbeit oder sonstigen Produktionsfaktoren ergibt. Jeder Goldminenbetreiber, der pleitegeht, weil der Marktpreis von Gold seine Produktionskosten nicht mehr deckt, kann Ihnen erklären, wie irrelevant der intrinsische Wert ist.

Gold hat kaum industrielle Anwendungen. Als Geld ist es nützlich, aber davon abgesehen kaum. (Schmuck ist keine separate Anwendung von Gold. Er mag ja vielleicht schön sein und die Dame, die ihn am Körper trägt, erfreuen, aber dennoch ist er ein Vermögenswert – was Ihnen jede indische Braut gern bestätigen wird – und deswegen eine Form von Geld in seiner Funktion als Wertaufbewahrungsmittel.) Nach der subjektiven Bewertungsmethode wird der Preis von Gold schwanken, je nachdem, welchen Nutzen es jemandem bringt, der Geld braucht oder sich wünscht.

Für eine Transaktion in einer Volkswirtschaft, die sich über das Robinson-Crusoe-Stadium von einfacher manueller Produktion und Subsistenzwirtschaft hinausentwickelt hat, braucht es Geld. Es gibt zahlreiche Formen von Geld, zum Beispiel Gold, US-Dollars, Euros, Bitcoins und, in bestimmten Zeiten und Gegenden, auch Vogelfedern, Muscheln oder Perlen. Der Wert einer jeden Form von Geld schwankt – je nach den subjektiven Wünschen und Bedürfnissen eines jeden einzelnen Teilnehmers in der betreffenden Wirtschaft. Zu bestimmten Zeiten wird sich vielleicht der US-Dollar als besonders nützlich erweisen, Gold dagegen weniger, und aufgrund dieser subjektiven Bewertung wird der Goldpreis im Vergleich zum Dollar fallen. Zu anderen Zeiten wird vielleicht das Vertrauen in den Dollar schwinden, woraufhin der Goldpreis im Vergleich zum Dollar dramatisch hochschnellen könnte.

Der »intrinsische Wert« von Gold ist eine überholte Vorstellung, wie Menger vor 145 Jahren gezeigt hat. Jeder Kritiker, der dieses Argument gegen Gold ins Feld führt, ist der älteren Marx’schen Wirtschaftslehre verhaftet.

Von diesen sechs bekanntesten Einwänden gegen Gold als Geld sind fünf empirisch, analytisch oder historisch widerlegt, während einer – Gold bringt keine Rendite – zwar richtig ist, aber keinen Nachteil darstellt, sondern eine Binsenweisheit, die sich mit der Sicht von Gold als Geld gut verträgt.

Das soll keineswegs heißen, dass die Verwendung von Gold als Geld völlig unproblematisch wäre. Jeder Währungsstandard bringt seine Probleme mit sich. Wollte man zum Beispiel einen neuen Goldstandard einführen, würde das eine ganze Menge Arbeit auf der technischen Ebene erfordern, es würde Probleme wie die Paritäten zu anderen Währungen und die Frage aufwerfen, wie man diese Paritäten aufrechterhalten könnte. Eine solche Aufgabe wäre mit den acht Jahren Forschungsarbeit vergleichbar, die zwischen dem Maastricht-Vertrag (1992) und der offiziellen Einführung des Euro (1999) in die Konvergenz der verschiedenen europäischen Währungen zum Euro eingeflossen sind.

Aber trotzdem sollten die Goldkritiker echte Einwände vorbringen (sofern sie denn überhaupt welche haben) anstatt der oben angeführten Irreführungen.

Nachdem wir die Einwände gegen Gold entkräftet haben, wollen wir uns nun mit den Argumenten beschäftigen, die für Gold sprechen. Bedauerlicherweise sind einige dieser Argumente, die am häufigsten zugunsten von Gold in die Waagschale geworfen werden, ebenso überholt und aus der Luft gegriffen wie diejenigen dagegen.

So behaupten zum Beispiel manche Verschwörungstheoretiker, in Fort Knox gebe es gar kein Gold mehr. Kann das sein? Wenn Gold tatsächlich so wertvoll ist, wie sie behaupten, warum sollte die US-Regierung es dann zulassen, dass es aus ihrem Blickfeld verschwindet?

Tatsächlich wird der Großteil der US-Goldbestände in absoluter Sicherheit, in Fort Knox, Kentucky, und West Point, New York, aufbewahrt sowie in wesentlich geringeren Mengen in der Denver Mint (Münzanstalt) in Colorado und in der Federal Reserve Bank of New York. Dieses Gold kann durch die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich in Basel, Schweiz, an Dritte verleast werden, was aber keineswegs bedeutet, dass das US-Gold dann nicht mehr im Gewahrsam der Vereinigten Staaten wäre. Das Verleasen von Gold ist eine Papiertransaktion, für die keine physische Lieferung notwendig ist.

Andere Goldbefürworter behaupten, der Umstand, dass die Vereinigten Staaten noch nie eine Bestandsaufnahme ihrer Goldbestände durchgeführt haben, würde beweisen, dass das Gold nicht mehr vorhanden sei. Tatsächlich beweist er jedoch genau das Gegenteil. Die US-Regierung hat ein starkes Interesse daran, die Bedeutung von Gold herunterzuspielen. Der Regierung wäre es am liebsten, wenn die Bürger vergessen würden, dass ihr Gold überhaupt existiert (obwohl sie über 8 000 Tonnen davon in unterirdischen Stahlkammern gelagert hat). Außerdem werden nur wichtige Bestände überprüft, keine unbedeutenden. Indem sie sich weigert, eine Inventur der Goldbestände durchführen zu lassen, erhält die Regierung den Anschein aufrecht, dass Gold unbedeutend sei. Eine Bestandsaufnahme würde den Wert des Goldes hervorheben – aber das ist das Letzte, was die Regierung will.

Dieses Buch trägt im englischen Original den Titel The New Case for Gold, wobei die Betonung auf dem Wort new liegt. Unser Ziel ist nicht, hier dieselben, immer gleichen alten Argumente zu wiederholen, sondern die Golddiskussion in den Kontext des 21. Jahrhunderts zu stellen. Dazu gehört die Rolle von Gold im »Cyber-Finanzkrieg«, die Bedeutung von Gold für Wirtschaftssanktionen gegen Länder wie etwa den Iran und dazu gehört auch die Zukunft des Goldes als Konkurrent der globalen Währung, die unter dem Namen »Sonderziehungsrechte« bekannt ist und vom Internationalen Währungsfonds ausgegeben wird.

Jetzt wollen wir die Goldkritiker und die etwas tendenziöseren Verschwörungstheoretiker hinter uns lassen und uns aufmachen, die Bedeutung von Gold in der hyperaktiven digitalen Welt zu erkunden, in der wir heute leben. Das verspricht, eine spannende Reise zu werden.