cover
Cornelia Richter

Amélie und der Froschkönig.

Eine Komödie rund um die Liebe





BookRix GmbH & Co. KG
80331 München

Entree

Bonjour Madame, bonjour Monsieur,

 

isch eiße Amélie un isch möchte sie erzählen eute ein Geschicht von misch und mein undedame "Petit Fleur". Aber wie sie spüren ist mein deutsche sprak nich so komfortabel und isch abe misch gedenkt, das ist nicht so ein besonder idee, wenn isch ihnen erzähl diese geschicht in deutsch sprak. so isch denke sie werden misch verzeihen, das isch abe mein belle ami Conny gebittet, diese gefallen fur misch zu tun.

 

 

Viele merci für ihre verstand

 

Grand plaisir 

wunscht sie Amélie

1. Kapitel

Ich schwöre, beim Leben meiner Mama, dass ich eher schüchtern bin und mich bei Bekanntschaften mit Männern, die mir gefallen, immer sehr schwertue. Ich bin, wie man so schön sagt, eine ausgesprochen hübsche Mittzwanzigerin, die so bezaubernd lächeln kann, dass eigentlich jeder Mann weiche Knie bekommen müsste, wenn er mich nur sieht, und mein roter Haarschopf tut sein Übriges. Er verleiht meinem hübschen Gesicht eine besonders interessante Note und die kleinen Sommersprossen, die meine Wangen zieren, geben meinem Aussehen etwas Freches, Burschikoses und man kann mich schon von Weitem erkennen, vor allem, wenn sich das Licht der Sonne in meinem Rotschopf widerspiegelt. Mein Gott, werden Sie jetzt denken, die ist aber ganz schön eingebildet. Weit gefehlt, das ist die Meinung meiner Freunde und Bekannten. Ich hingegen hasse meine roten Haare und meine Sommersprossen. Gut, mag ja sein, dass ich einigermaßen attraktiv bin, aber für ein Titelbild auf der Vogue reicht es allemal nicht. Was, und das muss ich ganz ehrlich gestehen, mich aber überhaupt nicht interessiert.

 

Ich bin eher ein häuslicher Typ, was aber nicht heißt, dass ich rumlaufe wie Lieschen Müller, nein, nein. Ich habe schon einige extravagante Klamotten im Schrank hängen und wenn mir danach ist, kann ich auch eine „Femme fatale" sein, wissen Sie. So gesehen ist das, so glaube ich, eine gesunde Mischung. Meine Freundin Conny hingegen würde schon eher als Französin durchgehen. Sie hat brünettes langes Haar, einen strammen Hintern und schöne lange Beine, die dafür gesorgt haben, dass sie mindestens eins fünfundsiebzig groß ist. Ihr Gesicht, was soll ich sagen, ich liebe ihr Gesicht, mag wie sie lacht und überhaupt, ist sie nicht das, was man unter einer typischen Deutschen versteht. Kurzum, ich liebe sie einfach, und sie ist meine beste Freundin.

 

Ich allerdings habe das Gefühl, dass irgendwann mal ein Wikinger durch meine Familie geritten sein muss, wegen der roten Haare, meine ich. Als ich noch zur Schule ging, haben mich immer alle „sorcière rouge" genannt, was so viel heißt wie „rote Hexe". Eine nicht sehr nette Bezeichnung, wie ich finde. Aber recht bald habe ich aufgehört, mich darüber zu ärgern. Irgendwann habe ich mich dann entschieden, selbstbewusster zu werden, ich habe aber trotzdem noch alle Register der Bescheidenheit gezogen, nur weil ich nicht den Eindruck erwecken wollte, eingebildet zu sein. Da auch ich eine immerhin stattliche Größe von eins dreiundsiebzig erreicht habe und das alles ohne die Pumps, die ich so gerne trage, ist es natürlich unbedingt erforderlich, dass mein männlicher Begleiter schon ein Gardemaß von mindestens eins fünfundachtzig haben muss. Ein zusätzliches Handicap, bei der Suche nach einem Mann, ist dies allemal, denn die französischen Männer sind nach meinen Erfahrungen eher etwas kleiner geraten. Allerdings muss ich mich einmal selbst loben. Ich habe Charme und eine Ausstrahlung, von der die Männer immer wieder aufs Neue begeistert sind. Wie oft hat meine Freundin Conny dieses Kompliment schon gemacht. Aber sie ist meine Freundin und daher war sie, nach meinem damaligen Verständnis, nicht wertneutral. Ich wünsche mir, dass mir irgendwann ein Kerl über den Weg läuft, der mich komplett aus den Schuhen haut.

 

Ich habe ein kleines schnuckeliges Bistro in der Rue Bonaparte, im 6. Arrondissement in Paris, und meine Gäste sind durchweg alles Normalbürger, die noch, bevor sie zur Arbeit gehen, bei mir reinspringen, auf die Schnelle einen Café Crème trinken, und mit einem Croissant in der Hand dem Bus hinterherlaufen. Von dieser täglichen Hektik unberührt sind allerdings ein paar intellektuelle Spinner, die sich zwischendurch immer wieder in meinem Bistro treffen, um sich, wie sie betonen, auf höchstem geistigem Niveau auszutauschen. Sie sitzen dann stundenlang zusammen und einer übertrifft den anderen mit der Darstellung seiner künstlerischen Fähigkeiten. Wenn man ihren Worten glauben will, sind sie allemal besser als ein Pablo Picasso oder ein Ernest Hemingway. Aber so ganz ernst meinen sie das sicherlich nicht mit ihrem intellektuellen geistigen Austausch, denn einen Blick, wenn eine schöne Frau in das Bistro kommt oder auf der Straße am Fenster vorbeigeht, riskieren sie allemal, so viel Zeit muss sein.

2. Kapitel

Es war ein ganz normaler Freitagmorgen, als ich noch etwas verschlafen das Bistro aufsperrte. Ich war spät dran und da ich noch einiges zu tun hatte, war es auch entsprechend hektisch, um alles für den kommenden Tag vorzubereiten. Conny saß, wie fast jeden Morgen, bei mir und trank hastig ihren geliebten Café Crème, weil sie mal wieder nicht rechtzeitig aus den Federn gekommen war. Die Zeit drängte, denn sie war mehr als zu spät dran. Ich hantierte in meiner kleinen Küche und klapperte lautstark mit dem Geschirr herum.

 

Einen Augenblick später bemerkte ich, wie ein kleines Etwas, einem Derwisch gleich, aus der Tür hervorschoss und schnurstracks auf Conny zulief, vor ihr stehen blieb und mit einer unglaublichen Hingabe ihre Hand leckte, die seitlich an ihrem Stuhl herunterbaumelte. Es war Petit Fleur, dieser Teufelsbraten, der sich an Conny zu schaffen machte. Sie stellte sich auf ihre Hinterpfoten und schaute Conny aus ihren großen treuen Hundeaugen an, dass ihr das Herz dahinzuschmelzen drohte, und sie nicht anders konnte, als sie auf ihren Schoß zu nehmen. Sie wackelte ein paar Mal mit ihrem Hinterteil, bis sie die für sie bequemste Position gefunden hatte, und blieb dann, zu keinem weiteren Kompromiss bereit, störrisch wie ein Esel, auf ihrem Schoß sitzen.

 

Ich hatte die beiden schon die ganze Zeit beobachtet und mich köstlich über die Vergewaltigung durch Petit Fleur amüsiert. Ich schnitt eine Grimasse, verzog meinen Mund zu einem breiten Grinsen und verschwand lachend in der Küche. Conny war verzweifelt. Sie schaute auf ihre Uhr und überlegte krampfhaft, wie sie aus dieser verfahrenen Situation wieder herauskam. Petit Fleur thronte inzwischen wie ein Imperator auf ihrem Schoß und Conny hatte das untrügliche Gefühl, dass sie nicht die Absicht hatte, diesen eroberten Thron in naher Zukunft zu verlassen.

„Amélie", rief sie verzweifelt, „Amélie, bitte hilf mir. Wie werde ich dieses kleine Monstrum wieder los?" Wieder schaute sie auf ihre Uhr.

 

„Oh mein Gott", rief sie erschreckt aus, „es ist bereits 9.45 Uhr und um 10.00 Uhr muss ich im Verlag sein." Sie hatte eine wichtige Verlagskonferenz und die durfte sie unter keinen Umständen versäumen.

 

„Petit Fleur, komm hierher und lass Conny in Ruhe." Keine Reaktion. Dieses kleine Biest wollte einfach seinen eroberten Platz nicht mehr verlassen. Würde Conny sie jetzt herunterschmeißen, hätte sie vielleicht einen unerbittlichen Feind, der sie nie wieder anschauen würde, aber es musste sein. Prompt kam es so, wie ich es befürchtet hatte. Als sie wieder den Boden des Bistros erreicht hatte, lief sie wie eine hysterische Liebhaberin hinter ihr her und bellte so laut, dass alle Gäste erstaunt die Köpfe hoben. War Conny nun ein Unmensch, nur weil sie aufgestanden war, um zur Arbeit zu gehen? Na ja, wie auch immer, das ist halt der Unterschied zwischen Mensch und Tier.

 

Das nächste Mal, als Conny das Bistro betrat, lief Petit Fleur durch die Reihen der Gäste, blieb neugierig vor ihnen stehen, schnupperte an ihnen herum und trottete dann, völlig desinteressiert, weiter. In dem Augenblick als sie Conny erblickte, machte sie plötzlich kehrt und würdigte sie keines weiteren Blickes, kläffte nur einmal kurz und verschwand dann in der äußersten Ecke des Bistros und ward nicht mehr gesehen.

 

Conny kam völlig ratlos zu mir in die Küche. „Was ist denn mit der los?"

 

„Die ist sauer auf dich", erwiderte ich lachend und rührte weiter in meinem Topf, in dem ich immer meine französische „Zwiebelsuppe nach Amélies Art" zubereitete. Übrigens ist dies ein altes Rezept meiner Großmama. Die Suppe hatte sie immer gekocht, wenn ich in den Ferien bei ihr zu Besuch war. Sie lebte bis zu ihrem Tode in einem kleinen schnuckeligen Häuschen in der Normandie. Für mich war es immer ein aufregendes Erlebnis, wenn mich meine Mama in den Zug setzte und ich mutterseelenallein nach Deauville fuhr, nur bewaffnet mit einem kleinen Rucksack, in dem sich all meine Utensilien befanden, die ich für meinen Aufenthalt benötigte. Sie hatte mir nach ihrem Tode doch sehr gefehlt und ich habe oft geweint, weil ich sie so sehr vermisste. Als kleines Andenken an sie habe ich mich dann entschlossen, diese besagte „Zwiebelsuppe nach Amélies Art" auch meinen Gästen anzubieten. Jedes Mal, wenn ich ihnen dieses Vermächtnis meiner Großmama servierte, brachen sie in Begeisterungsstürme aus. Viele kamen nur wegen dieser vorzüglichen Zwiebelsuppe in mein Bistro, aber natürlich auch meinetwegen, weil ich so nett und so liebenswürdig bin.

 

Conny war fast täglich bei mir, bestellte sich wie üblich ein Croissant und trank dazu einen Café Crème, der im Übrigen in ganz Paris seinesgleichen sucht, so glaube ich wenigstens. Sie ist Journalistin, wissen Sie, und schon aus diesem Grund ist ihr das Schreiben nicht ganz fremd. Als ich ihr vorschlug, doch einen Roman zu schreiben, lehnte sie dies natürlich entrüstet ab.

 

„Amélie, es tut mir sehr leid. Ich schreibe keinen Roman, auch wenn es ein Roman über dich und Petit Fleur ist."

 

„Conny, bitte tu mir den Gefallen", quengelte ich, schmiegte mich an sie und gab ihr einen schmatzenden Kuss auf die Wange. Ihr Französisch war sehr gut und ihre Affinität für alles, was mit Paris zu tun hatte, war schon immer sehr ausgeprägt und so entschloss sie sich kurzerhand, sich ein Domizil in dieser wunderschönen Stadt zu suchen. Sie bewarb sich bei der Tageszeitung „Le Monde" und innerhalb kurzer Zeit hatte sie den Job. Seitdem ist sie Redaktionsleiterin.

 

„Conny, bitte schreib doch ein Buch über uns, über das Leben in Paris. Es sind so viele schöne und lustige Dinge passiert, dass daraus bestimmt eine nette Komödie wird." So oder so ähnlich lag ich ihr fast jeden Tag in den Ohren.

 

„Schau, du bist Journalistin, hast Humor, warum solltest du dann nicht ein Buch schreiben, das den Leuten gefällt?"

 

Ich hatte mit Petit Fleur schon so viele kuriose Dinge erlebt, dass ich der Meinung war, man müsse darüber unbedingt schreiben. Ob es nun ein Roman oder so was Ähnliches wurde, überließ ich natürlich meiner lieben Conny, die ich irgendwann so weit hatte. Über den Begriff Roman oder Kurzgeschichte wollte sie mit mir allerdings nicht diskutieren, das käme ja wohl auch darauf an, wie viel ich ihr zu erzählen hätte, meinte sie. Da ich sie ja nun ganz gut kannte, ahnte sie wohl auch schon mit Schrecken, was da auf sie zukommen würde. Allein aus diesem Grund redete sie mit Engelszungen immer wieder auf mich ein, wollte mich von dieser fixen Idee abbringen, aber sie hatte keine Chance. Ich war so von dieser genialen Idee überzeugt, dass ich ihr stundenlang erzählte, was Petit Fleur in ihrem bisherigen Leben, auf ihren kurzen Hundebeinen, schon so alles angestellt hatte. Eine ihrer Geschichten, die ich ihr erzählte, fand sie wohl so schön, lustig und bewegend, dass sie plötzlich Feuer und Flamme war und sich spontan entschloss, darüber eine Geschichte zu schreiben und somit ihren Vorsatz „Nein, ich schreibe keinen Roman, niemals" komplett über den Haufen warf.

 

Wenn Sie allerdings glauben, dass ein Hund noch lange keine Liebe macht, dann irren Sie sich aber gewaltig, denn Sie kennen meinen kleinen Liebling Petit Fleur noch nicht.