Cover

Anton G. Leitner dichtete über drei Jahrzehnte lang ausschließlich auf Hochdeutsch. Seit einigen Jahren schreibt er auch auf Bairisch – so wie ihm der Schnabel gewachsen ist. »Schnablgwax« ist sein erstes großes Mundartprojekt.

Leitners Versgeschichten reichen ins Kabarettistische und erzählen vom ganz alltäglichen Wahnsinn im weiß-blauen Freistaat. Die zornigen und mitunter deftig-erotisch aufgeladenen Texte knüpfen an das »Kraftbayrisch« von Poesie-Urgestein Georg Queri an und transformieren es in ein Bairisch für das 21. Jahrhundert.

Anton G. Leitner wurde 1961 in München geboren und lebt seit über 50 Jahren in Weßling (Landkreis Starnberg). In seinem Verlag gibt er seit 1993 die Jahresschrift DAS GEDICHT heraus. Bislang verfasste und publizierte er elf lyrische Einzeltitel, u. a. »Im Glas tickt der Sand. Echtzeitgedichte 1980–2005« in der edition lichtung (Neuausgabe 2016 als E-Book). Außerdem edierte er vierzig Anthologien (insbesondere für Reclam und dtv). Mit seiner Sammlung »Ois is easy. Gedichte aus Bayern« (Sankt Michaelsbund, 2010) kartografierte Leitner den Freistaat lyrisch. Für sein Schaffen wurde er mehrfach ausgezeichnet, zuletzt mit dem »Bayerischen Poetentaler« (2015). Er ist Mitglied der »Münchner Turmschreiber« und der »Valentin-Karlstadt-Gesellschaft«.

www.AntonLeitner.de

www.Schnablgwax.de

Anton G. Leitner

Schnablgwax

Bairisches Verskabarett

Oberbairisch und Hochdeutsch

Übertragen vom Autor selbst

edition lichtung

edition DAS GEDICHT

Schee is auf da Weid,
aba ned imma.

Tiger Willi, Tschugga Baby

pg5

»Schnablgwax« multimedial

Damit Leitners bairische Versgeschichten problemlos den Weißwurstäquator überqueren können, hat er sie ins Hochdeutsche übertragen. In dieser E-Book-Ausgabe stehen seine Nachdichtungen in die Schriftsprache jeweils hinter den Originalversionen in Mundart.

Mit welcher Freizügigkeit bairische Versgeschichten sogar den Ärmelkanal überwinden können, zeigen die Übersetzer Richard Dove, Dagmar Taylor und Bill Soutter im Zugabenteil dieses E-Books mit ihren »Schnablgwax«-Nachdichtungen auf Englisch, Schottisch und Cockney.

Dieses Mundartprojekt wird von der Website www.Schnablgwax.de begleitet. Exklusiv für alle Leser ist auf der Internetseite eine nicht-öffentliche Sektion eingerichtet worden, die über den Link www.Schnablgwax.de/audio.html aufgerufen werden kann. Dort sind weitere Übersetzungen und Audiodateien hinterlegt: Anton G. Leitner rezitiert ein Dutzend Gedichte auf Bairisch und Hochdeutsch, und auch die drei Übersetzer sind mit ihren Nachdichtungen im Originalton zu hören.

1. Auflage, Juli 2016
Copyright © 2016 by Anton G. Leitner, Weßling

Die Rechte für die Übertragungen ins Englische,
Schottische und Cockney liegen bei den
jeweiligen Übersetzern (am Text namentlich ausgewiesen).

Eine Gemeinschaftsproduktion von
edition DAS GEDICHT (Weßling) und edition lichtung (Viechtach)
www.dasgedicht.de, www.lichtungverlag.de

Der Nachdruck ist nur bei genauer Quellenangabe
und mit Genehmigung der Rechteinhaber möglich.

Umschlaggestaltung und Layout: Carola Vogt und Peter Boerboom, Münsing
Konvertierung: Open Publishing, München
Lektorat: Redaktion DAS GEDICHT, Johanna Trischberger, Gabriele Trinckler

ISBN 978-3-929433-28-9 (ePub)

Als gedrucktes Buch sowohl in der edition DAS GEDICHT
als auch in der edition lichtung erhältlich.

ISBN (edition DAS GEDICHT) 978-3-929433-27-2
ISBN (edition lichtung) 978-3-941306-24-0

Inhalt

I. Diaf einigschaugd

I. Intime Einblicke

Umananda doa

Nicht in die Puschen kommen

De gloane Pussiakugl

Die kleine Mollige und Rollige

Hoassa Jaga T.

Heißer Jäger T.

Da Mezzgamoasda mediddiad

Der Metzgermeister meditiert

Middanachdsjodla

Mitternachtsjodler

Baian und de weidde Wäid

Bayern und die weite Welt

Imma wenna Fuassboi schaugd

Immer wenn er Fußball schaut

Familiänaufschdellung voam hiesign Reiffeisnbangg-Auddomaddn am zwoaddn Weinachdsfeiadog

Familienaufstellung vor einem Geldautomaten der örtlichen Raiffeisenbank-Filiale am zweiten Weihnachtsfeiertag

Des Zigaräddnbiaschal

Der Sandkastenrocker

Belauschdes Banggal am Wässlinga Sä

Belauschte Parkbank am Weßlinger See

Ausufan

Ausufern

Wo d’ Liab hifoid

Wo die Liebe hinfällt

II. Sauwa aufgschbiesd

II. Investigativer Versreport

Kommunale Beddonkobbfsanierung

Kommunale Betonkopfsanierung

Drojanische Haflinga

Trojanische Gebirgspferde

Freie Inddabreddazzion vo am Frein-Wähla-Blakad

Freie Interpretation eines Wahlkampfplakates der Freien Wähler

Voiggsvadredda

Volksvertreter

Broboazz

Proporz

Foische Freind

Falsche Freunde

KaZedd-Rosl

KZ-Rosl

Auskemmane Woaddradiggale vom kommunaln Schbrachkontäina

Entwichene Wortradikale aus dem kommunalen Sprachcontainer

Zeid weads zum Vareisn

Höchste Zeit, zu verreisen

Gloans Reiseealebnis füa an passioniadn Schdubnhogga

Kleines Reiseerlebnis für einen passionierten Stubenhocker

III. Gscheid obgschminggd

III. Psychoanalytische Charakterstudien

Mjunigg Seidsiing

München Besichtigungstour

Im Feinkosdladn

Im Feinkostladen

Wea ko, dea ko

Wer kann, der kann

Minga-Schäig

Monaco-Sheikh

Ansichdskarddn aus Bäidsching

Ansichtskarte aus Beijing

Bäddn und arwadn

Beten und arbeiten oder Wie man sich bettet, so arbeitet man

Voalezde Ölung

Vorletzte Ölung

Da Wassakundla

Der Gewässerkundler

Veasalschänggn

Versschänke oder Verslein schenken

Frira war oiss bessa

Früher war alles besser

Sommafrischla am Ammasä, wuid umanandafuchdlnd

Naherholungssuchende am Ammersee, wild gestikulierend

Schaung ma moi, nachad sengmas scho

Mal sehen, ob diese Geschichte gut endet

Zugaben

»Jeder Bayer ist seine eigene Partei«

Bernhard Setzwein und Anton G. Leitner im Gespräch

»Schnablgwax« inddanazzional

Richard Dove über Leitners Mundartlyrik

Übersetzungen ins Englische, Schottische und Cockney

Alphabetisches Verzeichnis der Gedichte (bair./hochdt.)

Dank

I. Diaf einigschaugd

I. Intime Einblicke

Umananda doa

So a Gschiss:
I dua, wos i wui.
Du duasd, wosd wuisd.

Wia soin ma dann amoi zam
Kemma, damid mas midnanda
Doa kenna?

Nicht in die Puschen kommen

So ein Tamtam:
Ich tue, was ich will.
Du tust, was du willst.

Wie sollen wir dann einmal zusammen
Kommen, damit wir es miteinander
Tun können?

De gloane Pussiakugl

Drogd a Tieschöad
Duach Minga mid

Riesnläddan: I WILL
IF YOU WILL,

Grod auf iram Busn.
I wui, wenn du

Wuisd, wuislds. Ja
Saggradi, wos wui i

Denn üwahaubd vo
Dera, hob i mi gfrogd,

Und wui de denn
Wos vo am ächdn

Bairischn Mo, wenns
Inddanazzional EssOh

Ess funggd? Wuis
Glei schnaxln, fois i

Aa auf da Schdäi
Schnaxln mechd,

Oda wuis an Grabbn-
Koggdäil, wenn i an

Gluschd danoch hob,
Oda wuis a Uneaddl-

Weissbia auf Ex obi-
Ziang, fois i oans auf

Ex sauf, oda wuis ira
Rua vo mia, wenn i

Aa bloos mei Rua vo
Ira wui? Oda wuis am

End goa nix und
Duad bloos so, ois

Obs wos woin daad,
Weis säiwa need

Gwies woas, wos
Wui? Na sog hoid glei,

Wosd song wuisd,
Mid dem, wosd drogsd,

Damid mia wissn,
Wos mia woin deafa,

Bevoa uns oane wia
Du am End no – mia

Nix, dia nix – auf
D’ Leba schlogd.

Die kleine Mollige und Rollige

Trägt ein T-Shirt
Durch München, das mit

Großbuchstaben bedruckt ist: I WILL
IF YOU WILL,

Genau auf Höhe ihres Busens.
Ich will, wenn du

Willst, winselt sie. Ja
Zum Teufel, was will ich

Denn überhaupt von
Dieser Frau, habe ich mich gefragt,

Und will die denn
Etwas von einem echten

Bayerischen Mann, wenn sie
Einen internationalen Not-

Ruf absetzt. Will sie
Gleich den Beischlaf vollziehen, falls ich

Auch auf der Stelle
Koitieren möchte,

Oder will sie einen Krabben-
Cocktail, wenn ich einen

Heißhunger danach verspüre,
Oder will sie ein Unertl-

Weißbier auf Ex aus-
Trinken, falls ich eines auf

Ex trinke, oder will sie ihre
Ruhe vor mir, wenn ich

Auch bloß meine Ruhe vor
Ihr will? Oder will sie am

Ende gar nichts und
Tut bloß so, als

Ob sie etwas möchte,
Weil sie selbst nicht

Genau weiß, was sie
Will? Dann sag doch bitte gleich,

Was du sagen möchtest
Mit der Kleidung, die du trägst,

Damit wir wissen,
Was wir wollen dürfen,

Bevor uns eine Frau wie
Du am Ende noch – mir

Nichts, dir nichts – auf
Die Leber schlägt.

Hoassa Jaga T.

Sonndog iss.
Da Jaga knoid
Im Woid a
Scheene
Gams.

Do waxd eam
Wos?
Da Bard,
Gschafdlhuawa,
Gamsiga!

Heißer Jäger T.

Es ist Sonntag.
Der Jäger knallt
Im Wald eine
Schöne
Gämse.

Da wächst ihm
Was?
Der Bart,
Notgeiler
Wichtigtuer!

Da Mezzgamoasda mediddiad

Ausschaung duada säiwa
Wia a foasds Suiwesda-
Schweindal. Fäid grod no

A Ziddronascheim, na daada
Gladd ois Schnizzl auf zwoa
Haxn duachgee. Awa so

Gwambbad kennas goa need
Sei, dass eana need no da
Schdache jugga daad. Am Dog

Voa seim Fuffzga hod da
Mezzgasepp seina Oidn, de
Koan Guadn rauchd, eaöff-

Nedd, dassa se an seim Rundn
Gean zum Mediddian auf eana
Hüddn in Süddirol zruggziang

Mechad. Pfeigrod issa dann
Auf und davo, und sei Blunsn is
Auf ira feddn Gebuadsdogsdoadn

Sizzn bliem. Grod gschnaubd hods
Voa Wuad, weis des Gfui ghabd
Hod, dass ezad midm Ofnreal

Ins Gebiag schaung ko. Awa so
Woidd sa se need obschbozzn lassn
Vo iram Oidn. Zamzubbfd, wias

War, iss in eanan Zwoadd-EssJuWie
Einigschbrunga, dea glei gschdönd
Hod undda dea Lasd, und dann

Hosd nua no de schwarze Ruass-
Woiggn gseng, des hindda se
Heazong hod, wias Richdung

Brenna davognagld is wiara
Wuide. Ois dann endli üwa de
Beag war, hod da Moddoa dambbfd,

So brügld hodsn, wei ses goa
So pressand ghabd hod. An de
Düa vo eana Hüddn hods bum-

Bad wia a Irre, awa koana hod ira
Aufgmachd. Alladings lassd oane
Wia de need logga. Oiso iss um d’

Hüddn ummadum und hod vo hinddn
Duachs Fensda einigschbechd. Des
War dann doch a rechde Üwa-

Raschung, dass do drin de hoib
Naggade Schanddal, eana Fleisch-
Warenfachangeschdäiddn-Azubine,

Im gifdgreana BeeHaa umananda
Gschbrunga is, grod wia a
Aufgscheichde Brodhena, so

Duachgebräund wars ohne Gwand,
Und ia Scheef, dea uaschbrüngli medi-
Ddian woidd, wiara zumindesd säiwa

Gsogd hod, is in seina Nod in Bauan-
Schrangg einigschbrunga, dea awa
Undda seim Gwichd nochgem hod

Und duachbrocha is, grod ois sei
Muggal d’ Hausdia eigrennd hod, um
Glei danoch in da Hüddn oiss zum za-

Debban, wos ia in d’ Finga kemma
Is. Zum Glügg hod de Schanddal
No d’ Kuavn griagd und se hoib

Naggad, wias war, in Woid reddn
Kenna, wobei da Mezzgasepp, de
Arme Sau, nimma davokemma is

Und se aus Schregg goa need
Gwead hod, wiasn obgwadschd
Hod, bis a grea und blau war. Des

War scho a sauwane Drachd
Brügl, de se dea eigfangd hod, do
Hädd a Männahaus Nod do, bois

Oans gem hädd in de Dolomiddn.
Und füa unsa Doaf is de Gschichd
Aa need guad ausganga, wei se do

Seidhea koa Mezzga mea nie-
Dalassn draud. Vaschdee ko mas
Ja scho. Awa hoffma moi des

Besde füad Schanddal, dass
No woandas an neien Moasda
Find zum Feaddigleana.

Der Metzgermeister meditiert

Sein Erscheinungsbild ähnelt
Einem bulligen Silvester-
Schweinchen aus Marzipan. Fehlte nur noch

Eine Zitronenscheibe, dann wäre es
Durchaus möglich, ihn für ein Schnitzel auf zwei
Beinen zu halten. Aber so

Übergewichtig können Männer gar nicht
Sein, dass sie nicht noch ein
Kribbeln im Unterleib verspüren. Am Tag

Vor seinem fünfzigsten Geburtstag eröffnete der
Metzger Josef seiner Angetrauten, mit der
Nicht immer gut Kirschen essen ist,

Dass er sich an seinem runden Wiegenfest
Gerne zum Meditieren auf ihre
Hütte in Südtirol zurückziehen

Möchte. Und tatsächlich ist er dann
Am besagten Tag auf und davon, und seine wohlbeleibte Frau blieb
Auf ihrer kalorienreichen Geburtstagstorte

Sitzen. Richtig schnauben musste sie
Vor Wut, weil sie das Gefühl beschlich,
Dass sie jetzt mit dem Ofenrohr

Ins Gebirge schauen könne. Aber so einfach
Wollte sie sich nicht von ihrem Ehemann
Abfertigen lassen. Nur mit einem Jogginganzug

Bekleidet, sprang sie ungeschminkt in ihren Zweitwagen, eine
Geländelimousine, die ein ächzendes Geräusch
Von sich gab wegen der schweren Beladung, und danach

War nur noch eine schwarze Ruß-
Wolke zu sehen, die sie hinter sich
Herzog, als sie Richtung

Brenner davondieselte wie eine
Furie. Nachdem sie endlich die diversen
Bergpässe überquert hatte, qualmte der Motor,

Der so geschunden worden war, weil sie keine
Zeit verschwenden wollte. Sie hämmerte
An die Türe ihrer Hütte

Wie eine Besessene, aber keiner
Öffnete ihr. Allerdings ist eine derart
Impulsive Frau nicht so schnell aufzuhalten. Sie ging also um die

Hütte herum und bekam von der rückwärtigen
Seite aus die Gelegenheit, einen Blick ins Innere zu werfen. Das
War dann doch eine ziemliche Über-

Raschung, darin die spärlich
Bekleidete Chantal, ihre Auszubildende zur Fachverkäuferin
im Lebensmittelhandwerk mit dem Schwerpunkt Fleischerei,

Im giftgrünen Büstenhalter herum-
Springen zu sehen, planlos wie ein
Aufgescheuchtes Brathuhn, so

Solargebräunt erschien sie im unbekleideten Zustand,