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Jessica von Haeseler

Windelfrei

Einfach und mit Spaß

Danksagungen

Sollte ich jemals ein Buch schreiben, so schwor ich mir, würde ich Leserinnen und Leser niemals mit etwaigen Danksagungen bombardieren. Nun erwische ich mich dennoch dabei, denn ich finde es jenen angemessen, die mir aufmunternd stets ohne Murren zur Seite standen, wenn die Lustlosigkeit mal ganz selbstlos die Führung übernahm und mich in ihrem Übereifer vom Kurs abdrängte.

An erster Stelle danke ich meinem Mann Kristian, der unseren zweiten Zwerg, manchmal trotz süßem Unverständnis, auf natürlichem Wege und mit viel Liebe durch sein kleines Leben in die wachsende Selbstständigkeit begleitet und auch mir stets zur Seite steht.

Ein weiterer Dank geht an meinen Freund Wolf Nils Bartels für seine emotionale und tatkräftige Unterstützung. Er übersetzte Texte, las kreuz wie quer, stärkte mir den Rücken und obendrein hätte ich diese Methode ohne ihn vermutlich niemals entdeckt.

Ein weiterer Riesendank geht nach Essen, an einen lieben Freund, den Illustrator des Kapitels Abhaltepositionen. Obwohl ich um Skizzen bat, an denen ich mich entlang hangeln wollte, bestand er darauf, weit über das Ziel hinaus zu springen.

Einen Dank auch an all jene, die Texte zur Veröffentlichung freigaben sowie in zahlreichen Interviews Rede und Antwort standen.

Windelfrei

Mit freundlicher Genehmigung, einige Gedanken zur Windelfreiheit von Wladimir Kaminer:

»Jede Großstadt hat mindestens einen Bezirk, in dem die Geburtenrate ständig steigt, während die Bewohner in den umliegenden Bezirken sich der Fortpflanzung verweigern. In meinem Bezirk gibt es sehr viele Babys, sie krabbeln und laufen manchmal ohne Windeln herum, viele von ihnen werden modern »windelfrei« erzogen. Und deswegen machen diese Babys oft in die Hosen, das wird ihr Leben später erschweren, meine ich. Im Kindesalter wird die Person am stärksten geprägt und wenn sie als Baby ständig in die Hosen macht, dann wird sie das auch im Alter tun. Den Anstieg der Geburtenrate hat unser Bezirk zwei Tibet-Geschäften zu verdanken, die fast gleichzeitig nebeneinander aufgemacht haben. Diese Läden verkaufen schöne bunte orientalische Tücher: Kopftücher, Schultertücher, vor allem Babytücher, die schnell in Mode geraten sind. Die Zusammensetzung von einem Babytuch, einer Dreiviertelhose und einem dicken Rock obendrauf bildet den berühmten Frauen-Dreiteiler, der zum Kern der Berliner Frauenmode gehört. Nur ein Haken ist dabei, ein Babytuch ohne Baby sieht aus wie ein Segel ohne Wind. Deswegen kamen in kürzeste Zeit eine Menge Kinder in unserem Bezirk auf die Welt, die farblich und von ihrer Größe her gut zu den Tüchern passten. Gleich nach ihrer Geburt wurden sie in Tücher eingewickelt und schaukelten auf ihren Müttern hin und her, während die Mütter Fahrrad fuhren. Fahrrad und Baby im Tuch galt als besonders schick. Aber durch das ständige Schaukeln und Kopfstoßen entwickeln diese Fahrradbabys, kaum dass sie angefangen haben, selbstständig zu laufen eine seltsame Gangart, die mich an Seeleute erinnert, wenn sie nach langer Fahrt zum ersten Mal wieder auf festem Boden stehen. Gefüttert werden diese Seebabys hauptsächlich in Kneipen. Dafür sucht die Mutter meist die Kneipe aus, die gerade am vollsten ist, dort setzt sie sich an einen mittleren Tisch, holt ihre Brust raus und steckt sie dem Baby in den Mund. Das macht sie nicht aus Spaß, das öffentliche Stillen soll die Kinder zu kommunikativen Wesen machen. Wenn es windelfreie Kinder sind, so machen sie gleich im Anschluss an die Fütterung in die Hosen. Die Mode mit den windelfreien Kindern kommt aus einem Buch, dass eine durchgeknallte Kanadierin geschrieben hat. Das Buch mit dem Titel ›Windelfrei‹ will beweisen, dass die Windeln ein Ausdruck des Totalitarismus sind. Ich bin im Totalitarismus aufgewachsen und kann diese These nur bestätigen. Man hat uns damals sogar sehr eng – ganzkörperlich sozusagen – eingewickelt, manche blieben bis zu ihrem vierzehnten Lebensjahr so eingewickelt, sie lagen wie die Mumien in ihren Bettchen und konnten sich kaum bewegen. Man versprach sich davon eine stolze Körperhaltung und eine ruhige disziplinierte Kindheit, außerdem galt die Einwicklung als vorbeugend gegen die Onanie. Gebracht hat es nur eine lebenslange Angst vor engen Hemden und Hass auf Krawatten. Die windelfreie Kindheit von heute funktioniert so: Um 7 Uhr früh und um 19 Uhr abends wird das Baby auf den Topf gebracht, ab der zweiten Lebenswoche weiß es Bescheid, was zu tun ist. Es geht eigentlich ganz gut, so wie es im Buch steht, erklärten mir schon mehrere Mütter, nur wenn Besuch kommt oder das Telefon klingelt, ist das Baby durcheinander und macht’s zur falschen Zeit. Oft stelle ich mir vor, was passiert, wenn dieses Kind zufällig Schriftsteller wird. Es wird ein Buch schreiben mit dem Titel ›Nackte Kindheit‹ basierend auf eigener Erfahrung. Es wird darin über skrupellose Techniken berichten, mit denen seine Eltern es damals zu widernatürlichen Handlungen zwangen, er wird mit diesem Buch auf Tour gehen, überall Vorlesungen halten und jedes mal wenn im Publikum bei irgendeinem das Handy klingelt, wird es in die Hosen machen, denn nichts prägt uns stärker als die Kindheit.«

Warum noch ein Windelfrei-Buch?

Der Büchermarkt zu diesem Thema ist noch recht übersichtlich. Ich las »TopfFit« und »Es geht auch ohne Windeln«.

Während ich bei der Begleitung meines Sohnes versuchte, die Informationen dieser Bücher praktisch umzusetzen, sind mir als Anhängerin des Continuum Concepts einige Lücken aufgefallen. »Es geht auch ohne Windeln« baute so sehr auf der Intuition auf, dass ich anfänglich total im Regen stand und dachte, ich sei einfach unfähig mein Kind über der Badewanne abzuhalten.

Das Buch »TopfFit« hingegen war mir bereits eine große Hilfe, auch wenn es sich mehr mit Teilzeitwindelfreiheit beschäftigte, was für mich anfänglich überhaupt nicht in Frage kam.

Methoden im Umgang mit der »Hygiene« von Kleinkindern sind jedoch immer noch relativ selten, so dass es schwierig ist Alltagserfahrungen auszutauschen und über auftretende Schwierigkeiten mit Gleichgesinnten zu fachsimpeln. Darum habe ich beschlossen meine Erfahrungen und die vieler anderer Eltern aus meinem Windelfrei-Umfeld zusammenzutragen, noch einmal aufzubereiten und mit nützlichen Links sowie Anlaufstellen zu versehen, die Interessierten ihre Entscheidungen erleichtern und aufkommende Unsicherheiten beseitigen helfen.

Das Buch ist so aufgebaut, dass Sie jederzeit, wo immer Sie wollen einfach reinlesen können. Der erste Teil umfasst Theorien, Anekdoten und andere Überlegungen zur Windelfreiheit, während ich mich im zweiten Teil des Buches ausschließlich der Praxis widme.

Vorwort

Der Büchermarkt wird überschwemmt von Ratgebern aller Art. Doch Tipps zur Windelfreiheit sind noch immer rar gesät, obwohl unsere Mütter und Väter allesamt zumindest teilzeitwindelfrei aufwuchsen.

Ich denke, es ist an der Zeit diese fast überall auf der Welt gängige Methode wieder ein wenig zu beleben und mehr in den Fokus der Öffentlichkeit zu rücken, auch wenn sie in einigen ihrer Ursprungsländer inzwischen von der Industrie und ihrem westlichen Einfluss überrollt wird.

Schließlich handelt es sich hier nicht um das Wissen von außerirdischen Lebensformen, sondern um eine uralte Methode, die unsere Kinder sehr früh in den Kontakt mit ihren natürlichen Bedürfnissen kommen lässt und somit eigentlich eine Selbstverständlichkeit darstellen sollte.

Niemand stellt es heute in Frage, wenn die Kinder trinken, essen, laufen oder sprechen lernen. Bei all diesen Dingen spielt die Koordination von selbständigen Muskelbewegungen eine wichtige Rolle und sie ist gekoppelt an Bedürfnisse. Warum sollten Kinder bei der Steuerung ihrer Blasen- und Darm-Schließmuskel eigentlich eine Ausnahme machen? Gerade bei Neugeborenen und Babys bis zum dritten Monat berichten viele, dass ihre Kleinen in einem hohen Bogen lospullern, wenn auf dem Wickeltisch die Windel geöffnet wird und reagieren als Antwort amüsiert bis verstimmt.

Säugetiere sind keine Nestbeschmutzer – auch nicht unsere Babys. Trotzdem ist unsere »intelligente Art« die einzige, die ihr Nest lange Zeit verunreinigt. Sollten wir diesbezüglich tatsächlich kein genetisches Programm mitbekommen haben?

Doch – haben wir! Daher müssen wir unseren Babys erst antrainieren ihre natürlichen Ausscheidungen in eine tragbare Toilette zu entleeren, was einige Zeit in Anspruch nimmt.

Ich möchte hier nicht den großen Zeigefinger an jene richten, die den ausgetretenen Pfad durch die gesellschaftliche Sicherheitszone beschreiten, sondern vorwiegend jenen Informationen bieten, die das Wagnis eingehen wollen in den luftleeren Raum zu springen, um ihn selbst zu füllen. Zudem soll dieses Buch Mut machen, die Höhen und auch die Tiefen von Windelfrei zu genießen.

Die Informationen entspringen sowohl eigener Erfahrung, ebenso wie sie auf dem Austausch mit anderen Windelfreimüttern und -vätern gewachsen sind.