RONALD M. HAHN

 

 

HARDCORE-WESTERN

X. In schlechter Gesellschaft

 

 

 

 

Roman

 

 

 

Apex-Verlag/Edition Bärenklau

Inhaltsverzeichnis

Das Buch 

Der Autor 

IN SCHLECHTER GESELLSCHAFT 

In Kürze als E-Book im Apex-Verlag/Edition Bärenklau erhältlich 

 

Das Buch

 

 

Schon die Umstände seines Erwachens sind kurios: Jerry Destry kommt in einer Postkutsche zu sich, mit einem Kater, der das Saufgelage des gestrigen Abends überlebt haben muss – und ohne die geringste Ahnung, wohin die Reise geht. 

Der einzige Lichtblick ist die reizende Brünette ihm gegenüber, von der er – nicht jugendfrei – gerade geträumt hat.

Dann erinnert er sich an den Brief in seiner Tasche: „Mr. Hugo Clausewitz, geboren 1811 in Barmen, Germany, gestorben in Dopeville, Texas, hat dem ehrenwerten Mr. Jeremy Destry seine gesamte Habe vermacht.“

Richtig: Er ist nach Dopeville unterwegs, um ein Erbe anzutreten, dessen Umfang er nicht kennt.

Leider verschweigt der Brief, um welche Art Stadt es sich handelt – und was ihn dort an bösartigen Intrigen und wunderbaren Lustbarkeiten erwartet...

 

 

Der Autor

 

Ronald M. Hahn, Jahrgang 1948.

Schriftsteller, Übersetzer, Literaturagent, Journalist, Herausgeber, Lektor, Redakteur von Zeitschriften.

Bekannt ist Ronald M. Hahn für die Herausgabe der SF-Magazine Science Fiction-Times (1972) und Nova (2002, mit Michael K. Iwoleit) sowie als Autor von Romanen/Kurzgeschichten/Erzählungen in den Bereichen Science Fiction, Krimi und Abenteuer.

Herausragend sind das (mit Hans-Joachim Alpers, Werner Fuchs und Wolfgang Jeschke verfasste) Lexikon der Science Fiction-Literatur (1980/1987), die Standard-Werke Lexikon des Science Fiction-Films (1984/1998, mit Volker Jansen), Lexikon des Horror-Films (1985, mit Volker Jansen) und das Lexikon des Fantasy-Films (1986, mit Volker Jansen und Norbert Stresau).

Für das Lexikon der Fantasy-Literatur (2005, mit Hans-Joachim Alpers und Werner Fuchs) wurde er im Jahr 2005 mit dem Deutschen Fantasy-Preis ausgezeichnet. Insgesamt sechsmal erhielt Hahn darüber hinaus den Kurd-Laßwitz-Preis – dem renommiertesten deutschen SF-Preis - , u.a. für die beste Kurzgeschichte (Auf dem großen Strom, 1981) und als bester Übersetzer (für John Clute: Science Fiction – Eine illustrierte Enzyklopädie, 1997).

Weitere Werke sind u.a. die Kurzgeschichten-Sammlungen Ein Dutzend H-Bomben (1983), Inmitten der großen Leere (1984) und Auf dem großen Strom (1986) sowie – als Übersetzer – der Dune-Zyklus von Frank Herbert.

Ronald M. Hahn lebt und arbeitet in Wuppertal. 

 

 

 

Ronald M. Hahn

IN SCHLECHTER GESELLSCHAFT

 

 

1. 

 

Als die halbnackt vor ihm kniende Brünette die Hand ausstreckte, um seinen harten Schwengel zu packen, wurde Jerry Destry von einem ohrenbetäubenden Donnerschlag aus dem Traum gerissen.

Er ruckte hoch, als hätte ihn ein Schlag auf den Kopf getroffen. Sein Schädel schmerzte fürchterlich. Er öffnete versuchsweise ein Auge und schaute sich um.

Dass der Raum sich bewegte, kam ihm nicht ungewöhnlich vor. Er hatte dergleichen schon oft erlebt.

Eins von den 37 Bieren gestern Abend muss schlecht gewesen sein, zuckte es durch seinen Kopf. Vermutlich das letzte... Als Leser mehrerer kluger Bücher war er jedoch gebildet genug, um zu wissen, dass nicht der Alkohol die Bewegung verursachte, sondern die Räder der Postkutsche, in der er saß.

Mehr oder weniger saß.

Als Nächstes merkte er, dass seine Zunge mit einem Pelz bewachsen war. Der Geschmack in seinem Mund war so ekelhaft, dass er sich ganz gegen seine Natur rasend nach einem Schluck Wasser sehnte. Aber um in den Genuss einer solchen Erfrischung zu kommen, hätte er aussteigen müssen. Und das war während einer Fahrt, die offenbar über Stock und Stein ging, nicht angeraten...

Destry drehte den Kopf mühsam nach rechts. Weiße Blitze durchzuckten sein Hirn. Dies führte ihn zu dem Schluss, dass er keine 37 Bier getrunken haben konnte. Es mussten 38 gewesen sein. Achtunddreißig war die kritische Masse für ihn: der Punkt, an dem sich in seinem Hirn schwarze Löcher auftaten. Bisher hatte er immer genau darauf geachtet, es nicht zu übertreiben.

Sein Blick fiel durch das Kutschenfenster. Ein dichter Vorhang aus Wasser rauschte vor ihm hinab. Es fiel vom Himmel. Hohe Tannen säumten den Weg, über den die vermutlich von einem fluchenden und ziemlich nassen Mann gelenkte Kutsche in eine Richtung holperte, die aufgrund der abwesenden Sonne nicht auszumachen war. Als der von starken Kopfschmerzen gebeutelte Destry nach oben schaute, sah der Himmel wie ein graues Leichentuch aus. Es musste später Nachmittag oder früher Abend zu sein.

Wo bin ich? Und was, zum Henker, mach ich in einer Postkutsche?

Die Mitreisenden zu fragen, hielt er für unklug. Welchen Eindruck hätte er gemacht?

Also musste er sich sammeln. Er drehte den Kopf sehr vorsichtig nach vorn. Zwei der ihm gegenüber sitzenden drei Passagiere dösten oder schliefen: Der eine war ein Bursche von Ende dreißig. Er hatte seinen beigefarbenen Stetson ins Gesicht gezogen und war glatt rasiert. Sein dunkelblauer Nadelsteifenanzug war schick und deutete an, dass er nicht zu den Armen zählte. Der andere Mann war etwa fünfzig, lang und hager. Er trug einen schwarzen Anzug, eine gleichfarbene Melone und wirkte wie ein Bürokrat.

Neben dem Nadelstreifenmann, Destry genau gegenüber, saß die Brünette aus seinem Traum: Eine schlanke Frau von etwa fünfundzwanzig Jahren. Ihre Kurven waren dazu angetan, in einem gesunden Mann körperliche Reaktionen hervorzurufen: Ihr Haar war lang, sie hatte rehbraune Augen, schmale, zartrosa geschminkte Lippen und trug dicke runde Ohrringe.

Die Lippen der Lady verzogen sich spöttisch, als wollte sie sagen: Na, hinter Ihnen liegt wohl ’ne lange und ausschweifende Nacht. 

Yeah, dachte Destry. Mein Schädel fühlt sich jedenfalls so an... 

Er versuchte sich an den Moment zu erinnern, in dem er in die Kutsche gestiegen war. Vergebens.

Als er vorsichtig nach links blickte, sah er einen asketisch aussehenden Mann. Er las eine Zeitschrift mit dem Titel Der moderne Presbyter. Daneben hockte eine Frau mit einer Nickelbrille und einem weißen Häubchen. Sie war allem Anschein nach seine Gattin und die Vorsitzende eines auf Sitte und Moral bedachten Frauenvereins.

Sie war offenbar auch spießiger als der moderne Presbyter, denn sie maß Destry mit einem giftigen Blick.

Trotz seiner Verwirrung konnte er deutlich lesen, was mit unsichtbarer Tinte auf ihrer Stirn geschrieben war: Trunkenbolden sollte man gesetzlich verbieten, mit Wells Fargo zu reisen. 

Sie mich auch“, murmelte Destry. 

Die Häubchen-Lady schnaubte empört. Dann drehte sie sich zur Seite und stierte demonstrativ ins Unwetter hinaus.

Die Brünette kicherte.

Destry fragte sich, welchen Eindruck er auf die Leute gemacht hatte, als er in die Kutsche gestiegen war. Er konnte sich an nichts erinnern... Wohin war er überhaupt unterwegs? Welcher Teufel hatte ihn geritten, seinen Stammplatz am Tresen von Barneys Saloon zu verlassen?

Die Brünette zwinkerte ihm vertraulich zu. „War wohl ’ne vergnügte Nacht, was?“

Destry bemühte sich, verschmitzt zu grinsen. „Glaub schon... Zu dumm, dass ich mich nicht daran erinnere...“

Die Brünette war verdammt ansehnlich. In ihren Augen blitzte der Schalk. Ihr amüsiert verzogener Mund sagte ihm, dass sie weniger spießig war als die Gattin des ihn demonstrativ ignorierenden Presbyters. Außerdem war ihr Rock für eine Spießerin zu kurz. Er war, offen gesagt, so kurz, dass Destry ihre Knie sah! Glänzend schwarze Seidenstrümpfe schmeichelten ihren wohlgeformten Schenkeln. Wie lang die Strümpfe wohl waren? Und wie befestigte die Lady sie? Trug sie ein Leibchen, wie die meisten Frauen im Westen? Oder einen dieser verruchten Strumpfhalter? Auch die Frage, was sie sonst noch unter dem dünnen Wildlederrock trug, fand Destry plötzlich sehr interessant.

Sie waren sehr lustig, als sie in Lordsburg eingestiegen sind“, sagte die Brünette kichernd. „Aber andererseits mehr tot als lebendig.“ 

Destry erschrak. Hatte er sich etwa zum Affen gemacht? Er räusperte sich, vergaß die Frage, was die junge Lady wohl unter der Oberbekleidung trug und konzentrierte sich auf ihre Ohrringe. Dies fiel ihm jedoch nicht leicht, denn das Abschwellen seiner Kopfschmerzen ging Hand in Hand mit dem plötzlichen Anschwellen seines Schwengels. Dies war gewiss darauf zurückzuführen, dass ihm nun der Traum einfiel, aus dem das Gewitter ihn so plötzlich gerissen hatte.

So blau er auch gewesen war – irgendwie musste er sein Gegenüber beim Einsteigen – Einwanken? – wahrgenommen haben.

Wie hatte er sich benommen?

Dann kehrte seine Erinnerung zurück und ihm fiel einiges ein: Das Schreiben des Anwalts. Es hatte ihn in dem Augenblick erreicht, als er seine letzte Kröte beim Zocken losgeworden war. Dem Brief hatten hundert Dollar beigelegen – und eine frohe Botschaft: „Mr. Hugo Clausewitz, geboren 1811 in Barmen, Germany, gestorben in Dopeville, Texas, hat dem ehrenwerten Mr. Jeremy Destry seine gesamte Habe vermacht.“

Ah, ja! Onkel Hugo war in die Grube gefahren. Deswegen hatte er in Barneys Saloon in Lordsburg gefeiert. Deswegen saß er nun in der Kutsche nach Dopeville. Zwar war er Onkel Hugo nie begegnet, aber er erinnerte sich lebhaft an das, was seine Mutter über ihren Bruder gesagt hatte: „Sausack“, „Rumtreiber“, „schräger Otto“, „Kartenhai“ und „Tagedieb“.

Na ja, dachte Destry, sowas sagen die Leute ja immer über das Schwarze Schaf ihrer Familie... Er glaubte kein Wort davon; schließlich wusste er aus eigener Erfahrung, wie schnell einem Menschen ein solcher Ruf angehängt wurde: Auch von ihm, Jerry Destry, 38 – aber wie 33 aussehend –, im Augenblick Schauspieler ohne Engagement, behaupteten schließlich gewisse Kreise, er sei ein Taugenichts. Dabei war nur dieser blöde Willie Shakespeare an seiner beruflichen Misere Schuld, dessen Bühnenstücke immer so verflucht lang waren, dass kein Mensch sich seine blöden Texte merken konnte.

Auch Destry hatte sich im Alter von 17 Jahren von Zuhause abgesetzt. Seine Mutter hatte ihm prophezeit, dass er unter die Banditen fallen und sie eines Tages per Steckbrief wieder von ihm hören würde.

Tja, sie hatte sich gründlich getäuscht! Jerry Destry war nun Haus- und Grundbesitzer! Und das Tollste war, dass Onkel Hugo in Dopeville auch ein Theater gehört hatte. Ein Theater!

Sie sind wohl nicht sehr redselig, was?“, erkundigte sich die Brünette. 

Sorry, Miss...“ Destry zuckte die Achseln und stellte fest, dass seine Kopfschmerzen wichen. „Ich hab vergessen, mich vorzustellen.“ Er neigte den Kopf. „Jerry Destry aus Milwaukee.“ 

Milwaukee?“ Die Brünette musterte ihn heiter. „Ich bin Mandy Fox, fünfundzwanzig, ledig, ohne Vermögen – aber sehr phantasiebegabt.“ 

Angenehm.“ Destry deutete eine Verbeugung an, die im Sitzen eher komisch ausfiel. Außerdem fragte er sich, was es wohl mit Miss Mandys Bemerkung über ihre Phantasiebegabung auf sich hatte. 

Wer ist Onkel Hugo?“, fragte Miss Mandy nun. 

Ein heftiger Schreck fuhr durch Destrys Glieder. „Woher, um alles in der Welt...?“

Sie sprechen im Schlaf.“ Miss Mandy zwinkerte ihm zu. 

Die Kutsche wurde langsamer. Destry, noch im Begriff, die gerade erfahrene Neuigkeit zu verdauen, hörte den Mann auf dem Bock lauthals „Brrr!“ schreien.

Destry schaute aus dem Fenster und sah einen großen Pferch mit einem Unterstand, der einem halbes Dutzend Pferden Schutz vor dem Regen bot.

Die Kutsche hielt vor einem dreistöckigen Blockhaus an. Über dem Eingang tanzte, vom Wind gepeitscht, ein Schild mit der Aufschrift Maudie’s Road House. 

Alles aussteigen!“ Der Kutscher sprang vom Bock. Auch sein Begleiter schwang sich zu Boden. Schon ging die Tür des Rasthauses auf. Eine üppig gebaute Rothaarige mit grünen Augen und einer weißen Schürze trat ins Freie und musterte missmutig das Wetter.  

Destrys Blick saugte sich an dem prächtigen Busen fest, der unter ihrer Schürze wogte. Die Rothaarige erspähte ihn im gleichen Moment und spitzte die Lippen.

Die Männer, die Miss Mandy säumten, erwachten. Der Bürokrat schaute sich irritiert um. Der Dandy im Nadelstreifenanzug schob seinen Stetson in den Nacken, musterte Destry mit einem argwöhnischen Blick und fragte: „Sind wir schon da?“

Ist nur Maudies Rasthaus, Schätzelein“, erwiderte Miss Mandy. 

Destry musterte den Dandy kurz. Er war ihm auf den ersten Blick so unsympathisch wie zehn Pfund schwarze Seife. Dann legte der Kerl den Arm um die Taille der jungen Frau, und er begriff, dass er sie offenbar für seinen Besitz hielt.

Destry seufzte enttäuscht. Tja, heute würde er wohl kaum noch in Erfahrung bringen, wie Miss Mandy die schwarzen Seidenstrümpfe unter ihrem Wildlederrock befestigte.

2.

 

Zu seinem Entzücken trug auch Maudie, die Wirtin des Road House, schwarze Seidenstrümpfe. Außerdem waren ihre Schenkel mindestens so ansehnlich wie die Miss Mandys, die zwei Tische weiter mit ihrem Dandy zu Abend speiste.

Destrys wache Ohren hatten inzwischen Schätzeleins Namen aufgefangen: Er hieß Ethan Claridge, was ihn noch unsympathischer machte. In seiner Jugend in Milwaukee hatte Destry nämlich einen gewissen Ethan Tannenbaum gekannt, einen schon im Alter von 15 Jahren abscheulich gut aussehenden Knaben, der so erwachsen ausgesehen hatte, dass es ihm jederzeit gelang, längst volljährige Bräute umzulegen. Außerdem hatte der verfluchte Tannenbaum ihm mit seinem Charme die erste Freundin abspenstig gemacht: Elsie Vanderslut, 16, die strohblonde Tochter eines Flamen – kurz nachdem es Jerry endlich geschafft hatte, die Fingerspitzen in ihren weißen Baumwollschlüpfer zu schieben. Leider hatte der doofe Jerry sich nicht getraut, sich mehr herauszunehmen, obwohl Elsies Hecheln signalisiert hatte, dass sie reif war für mehr. Dies hatte Tags darauf der Ethan Tannenbaum erledigt. Seither waren Männer mit seinem Vornamen für Jerry Destry ein rotes Tuch.

Verflucht seien alle Ethans dieser Welt, dachte er, wischte sich den Mund ab, schob den geleerten Teller von sich und tastete nach seinen Zigarillos.

Zu Destrys Entsetzen waren seine Taschen leer. Sein Blick irrte zum Tresen, hinter dem Maudie sich gerade sehr genüsslich einen Zigarillo zwischen die obszön geschminkten Lippen steckte. Dann fiel ihr Blick auf Destry und es zeigte sich, dass sie, wie alle rothaarigen Hexen, hellseherische Fähigkeiten hatte. Sie spitzte ihr Schnütchen und gab ihm mit dem Daumen ein Zeichen, das nur bedeuten konnte, dass er sich zu ihr bemühen sollte.

Destry stand auf und trat an den Tresen heran. Seine Kopfschmerzen waren zwar weg, aber seine Muskeln schmerzten noch immer. Wie er nach dem Eintreten erfahren hatte, verfügte das Road House über einen Baderaum. Er hatte sich die Freiheit genommen, bei der Wirtin einen heißen Zuber zu bestellen.

Müde?“ Maudie zwinkerte ihm zu. Ihre Stimme klang so rauchig, als hätte sie einen Großteil ihres Lebens in Bars verbracht. Der Aussprache nach stammte sie aus Irland. 

Destry warf diskret einen lechzenden Blick auf die vor ihr liegende Schachtel. „Geht so.“

Maudie zwinkerte ihm zu. „Zigarillo?“

Aber gern.“ 

Maudie kam um den Tresen herum, baute sich neben Destry auf und reichte ihm die Schachtel. Als er inhalierte, fiel sein Blick auf ihren ausladenden Busen. Offenbar gefiel Maudie sein Interesse an ihren Kurven, denn sie drückte sie noch mehr heraus. Dann schob sie ihm einen Schlüssel in die Hand.

Das Bad ist angerichtet.“ Sie deutete auf eine Tür, die neben dem Tresen in einen anderen Bereich des Road House führte. „Lass dir Zeit. Ich räum vorher noch ab.“ Sie deutete mit ihrem Zigarillo auf die Fahrgäste und das Personal der Kutsche. 

Vorher?, dachte Destry. Vor was? Während er sich noch fragte, ob er sich verhört hatte, nahm Maudie seine Hand und schleifte ihn zu der bewussten Tür. „Ich hoff, du magst es heiß“, raunte sie ihm zu, schob ihn den Baderaum und machte die Tür hinter ihm zu.

Mit dem Zigarillo zwischen den Zähnen blieb Destry vor einem riesigen Holzzuber stehen und stierte in den ihm entsteigenden Dampf.

Wie sehr er sich nach heißem Wasser sehnte! Wie sehr er sich danach sehnte, sich zu entspannen! Wie sehr er sich danach sehnte, mit dem göttlichen Geschöpf namens Miss Mandy in den heißen Fluten herumzuplätschern, ihren herrlichen Leib zu streicheln, um dann...

Destry riss  sich zusammen, zog sich aus und stieg, den Stetson auf dem Kopf und den Zigarillo zwischen den Zähnen in das heiße Wasser.

Ahhh! Wie gut es nach dem Besäufnis der vergangenen Nacht tat. Destry hielt sich die Nase zu, tauchte unter, wand sich wie ein junger Tümmler und spuckte Wasserstrahlen in die Luft.

Der Pelz verschwand von seiner Zunge. Destry lehnte er sich zurück und spürte, dass sich seine verkrampften Muskeln entspannten. Er legte den Kopf an den Zuberrand, schloss die Augen und dachte an den vergangenen Tag.

Das heißt, er versuchte an den vergangenen Tag zu denken.

Doch eigenartigerweise spielte seine Erinnerung nicht mit. Stattdessen dachte er unentwegt an Miss Mandy und ihre schwarz bestrumpften Schenkel. Was für entzückende Knie diese süße Braut doch hatte... Er hatte sie zwar nicht genau gesehen, aber er wusste, dass sie entzückend waren. Sie mussten einfach entzückend sein. Schließlich hatte Miss Mandy ein entzückendes Gesicht. Es war nur recht und billig, wenn sie auch entzückende Knie hatte. Bestimmt hatte sie auch entzückende Brüste. Und ein ebenso entzückendes...

Destry zuckte zusammen. Vielleicht war sie gar keine Miss im klassischen Sinne mehr. Vielleicht war sie verlobt. Mit einem Dandy, der den verblödeten Vornamen Ethan trug.

Destry schnaubte empört. Unmöglich. Eine hübsche Frau wie sie konnte an einer solchen Geschmacksverirrung nicht leiden. „Pah“, knurrte er vor sich hin, „auf einen Ethan fliegen doch nur dumme Gänse, die keine Ahnung von Tuten und Blasen haben...“

Was ist denn Tuten?“ 

Destry riss die Augen auf.

Maudie war lautlos durch eine Nebentür in den Baderaum gekommen – und zwar in einem schwarzen Gewand, von dem Destry wusste, dass die verdorbenen Franzosen es Negligé nannten. Sie saß mit leicht gespreizten Beinen auf einem runden Schemel – in oberschenkellangen Seidenstrümpfen und einem schwarzen Strumpfhalter, wie die Frauen in den besseren Etablissements von Lordsburg sie trugen. Ihre Haut war, sofern Destry sie sehen konnte, alabasterfarben, ihre Kurven fraulich-weich, und ihr Schamhügel, auf den sein Blick sozusagen zwangsläufig fiel, da sie unter dem Textil nichts anderes trug, war von einem gestutzten roten Pelz bewachsen.

Oh, Miss Maudie“, sagte Destry entzückt und schob den Stetson in den Nacken. 

Mrs. Stülpnagel, um der Wahrheit die Ehre zu geben. Aber nenn mich ruhig Maudie, Schatz.“ 

Stülpnagel? Missis? „Wie bitte?“ Destry hatte keinen Mann im Road House gesehen – nur den alten Mexikaner, der in der Küche die Pfannen schwenkte. Mexikaner hatten allerdings nur selten germanische Familiennamen. Bei Schwarzen kam dies schon eher vor – vorausgesetzt, die Sklavenhalter ihrer Ahnen waren germanischer Herkunft gewesen.