BB
HANDBUCH
Familienunternehmen
Erfolgsstrategien zur Unternehmenssicherung
von
Dr. Stephan Scherer
Michael Blanc
Prof. Dr. Hermut Kormann
Torsten Groth
Prof. Dr. Rudolf Wimmer
2., überarbeitete und erweiterte Auflage 2012
Deutscher Fachverlag GmbH
Fachmedien Recht
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ISBN 978-3-8005-1491-5
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Printed in Germany
Vorwort zur 2. Auflage
Die erste Auflage unseres Buches erschien im Jahr 2005. Die letzten Jahre waren keine einfachen Jahre für einige Familienunternehmen; an Besonderheiten, die im Fokus der Presse standen (Porsche, Merckle, Schaeffler-Gruppe/Continental AG, Sal. Oppenheim, Haniel, Lidl etc.), sei erinnert. Diese Vorkommnisse dürfen aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass es in Deutschland eine große Zahl von Familienunternehmen gibt, die hervorragend durch die zurückliegende Wirtschaftskrise gekommen sind. Zudem zeigt sich, dass auch die Politik Familienunternehmen, wenngleich noch nicht im wünschenswerten Rahmen, aber doch verstärkt als die wesentliche Basis der Wirtschaft erkennt und fördert. Ein Beleg hierfür ist trotz aller Unzulänglichkeiten das neue Erbschaftsteuerrecht mit seinen besonderen Vergünstigungen für weitergeführte Unternehmen. Vertieft wurde dieses zunehmende Interesse an Familienunternehmen durch eine Vielzahl von Publikationen zum Typus des Familienunternehmens und durch die sehr gute Arbeit von Familienunternehmen verpflichteten Stiftungen und Lehrstühlen. Allen diesen Organisationen sei an dieser Stelle Dank gesagt.
Das starke Interesse an Familienunternehmen ist auch für uns Antrieb, eine zweite Auflage vorzulegen. Diese Auflage hat am bewährten Konzept des Buches nichts geändert, jedoch hat Kormann ein 6. Kapitel angefügt, das sich speziell den Stammesbindungen in Familienunternehmen widmet. Außerdem musste das steuerliche 5. Kapitel wegen der Neufassung des Erbschaft- und Schenkungsteuergesetzes völlig überarbeitet werden. Ansonsten wurde das Buch erheblich erweitert und auf den Stand zum Jahresende 2011 gebracht.
Ruhe wird im rechtlichen und steuerlichen Umfeld von Familienunternehmen nicht einkehren. Erst vor wenigen Wochen hat der Bundesfinanzhof das Bundesministerium für Finanzen aufgefordert, einem Verfahren zur Feststellung der Verfassungswidrigkeit des geltenden Schenkung- und Erbschaftsteuerrechts beizutreten. Hintergrund ist, dass das höchste deutsche Finanzgericht wesentliche Teile des Erbschaftsteuerrechts, insbesondere die oben erwähnten Erbschaftsteuervergünstigungen für Unternehmen, als verfassungswidrig erachtet. Wenn das Bundesverfassungsgericht dieses Verfahren aufgreift, wäre es das dritte Mal innerhalb von 15 Jahren, dass das Bundesverfassungsgericht über die Erbschaftsteuer zu entscheiden hätte. Bereits in den Jahren 1995 und 2007 hat das Bundesverfassungsgericht die Verfassungswidrigkeit des jeweils geltenden Rechts festgestellt. Eigentümerfamilien und Unternehmensführer müssen mithin wachsam die Entwicklung beobachten.
Wir hoffen, dass die 2. Auflage ebenfalls freundlich aufgegriffen wird.
Mannheim, Februar 2012 |
Dr. Stephan Scherer |
Geleitwort zur 1. Auflage
von Ludwig Georg Braun, seinerzeit DIHK-Präsident
Jedes Unternehmen muss sich Erfolge am Markt erarbeiten – insbesondere mit unternehmerischer Kreativität und Flexibilität. Bloßes Lamentieren über schlechte Wirtschaftspolitik verbessert nicht die betrieblichen Erträge. Unabhängig von zähen politischen Entscheidungsprozessen müssen wir Unternehmer unsere ureigene Aufgabe wahrnehmen, Marktchancen zu entdecken und entschlossen zu nutzen. Insbesondere im erweiterten Europa sehe ich große Chancen für die deutsche Wirtschaft und speziell für Familienunternehmen. Mit der erweiterten Europäischen Union steht auch den Familienunternehmen ein neuer großer Absatz- und Wirtschaftsraum zur Verfügung, der vielfältige Möglichkeiten bietet. Zudem finden wir Unternehmer in den neuen Mitgliedstaaten attraktive Investitionsbedingungen. Insbesondere niedrige Produktionskosten an mittel- und osteuropäischen Investitionsstandorten stärken die Wettbewerbsfähigkeit unserer Unternehmen auf den nationalen und internationalen Märkten – auch zugunsten der Beschäftigung hierzulande.
Mein auf Europa gerichteter Optimismus soll jedoch nicht verdecken, dass die Unternehmen in Deutschland in einem schwierigen wirtschaftlichen Umfeld agieren müssen: Seit dem Ende des New-Economy-Booms stagniert das Wirtschaftswachstum, die Unstetigkeit der Wirtschaftspolitik verunsichert Investoren und Konsumenten, das Finanzierungsklima wird zunehmend rauer, und der harte internationale Wettbewerb verdrängt so manches Unternehmen aus seinen angestammten Märkten. Viele Familienunternehmen haben sich in der Vergangenheit trotz sich wandelnder Umfeldbedingungen oft als Fels in der Brandung erwiesen. Kontinuität in der Unternehmensführung und eine Orientierung an langfristigen Werten statt an kurzfristigen Gewinnen waren und sind die Garanten des Erfolgs dieser Familienunternehmen auch bei schwierigen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen.
Die enge Verflechtung von Eigentümerfamilie und Unternehmen kann sich jedoch auch als Nachteil erweisen – und zwar dann, wenn bei Familienunternehmen der Veränderungswille nachlässt und zu lange an scheinbar Bewährtem festgehalten wird. Der starke Wettbewerbsdruck auf den Weltmärkten zwingt auch Familienunternehmen, ihr Geschäftsmodell immer wieder zu hinterfragen, Neuerungen hervorzubringen und sich veränderten wirtschaftlichen Rahmenbedingungen, z.B. bei der Unternehmensfinanzierung, zu stellen. Daher muss die Führungsebene von Familienunternehmen permanente Innovation zur Kernkompetenz ihres Handelns machen. Nur die konsequente Zukunfts- und Innovationsorientierung sichert, davon bin ich überzeugt, den langfristigen Erfolg und damit den Fortbestand von Unternehmen.
Für die nachhaltige Existenzsicherung von Familienunternehmen ist die Regelung der Betriebsnachfolge vielfach die entscheidende Frage: Von den über 70.000 kleinen und mittleren Unternehmen, die jährlich in Deutschland zur Unternehmensnachfolge anstehen, werden über 5.000 Betriebe stillgelegt, weil kein Nachfolger in das Unternehmen einsteigt. 30.000 Arbeitsplätze gehen so pro Jahr verloren. Dieser misslichen Situation wirken u.a. die Industrie- und Handelskammern erfolgreich mit ihrer Internet-Börse Change-Chance entgegen. Das gleiche Anliegen verfolgen auch die Autoren des vorliegenden Buchs: Es gibt Familienunternehmern einen Überblick z.B. über die vielfältigen rechtlichen Details bei der Regelung der Betriebsnachfolge und über wesentliche Fragen bei der Unternehmensfinanzierung. Als Vertreter des gewerblichen Gesamtinteresses wünsche ich den Autoren viel Erfolg in ihrem Bestreben, mit dem Buch allen Familienunternehmen Orientierung in einem schwierigen wirtschaftlichen Umfeld zu geben.
Berlin, August 2005 |
Ludwig Georg Braun |
Einführung
Der Gegenstand unserer Betrachtungen, die sich gezielt an Unternehmer richten, ist das Familienunternehmen, dem in Deutschland häufigsten Typus von Unternehmen.
• Im ersten Teil des Buches schreibt Kormann über die Erhaltung des Familienunternehmens aus Sicht eines Vorstands eines großen Familienunternehmens. Kormann definiert zunächst das Familienunternehmen und zeigt seine volkswirtschaftliche Bedeutung auf. Anschließend beleuchtet er die Besonderheiten erfolgreicher Geschäftsstrategien von Familienunternehmen unter besonderer Beachtung der notwendigen Risikopolitik. Ein weiterer Schwerpunkt des Beitrages beschäftigt sich mit dem Aufbau und der Bewahrung der Kapitalbasis unter Berücksichtigung der diese Basis gefährdenden Steuern.
• Im zweiten Teil des Buches „Erfolgsmuster für die Langlebigkeit von Familienunternehmen“ von Groth und Wimmer wird die Grundvoraussetzung für die Existenz des Familienunternehmens behandelt: der Bestand des Gesellschafterkreises. Aus der Sicht eines Betriebswirtes und eines Soziologen werden auf der Grundlage empirischer Erkundungen die familienstrategischen Erfolgsfaktoren von Familienunternehmen herausgearbeitet und damit sehr praktische Anregungen für die Arbeit und die Kulturentwicklung bei Familiengesellschaftern gegeben.
• Im dritten Teil des Buches wird von Scherer anhand von Fallbeispielen die Gefährdung des Familienunternehmens durch mangelhafte gesellschaftsvertragliche Regelungen oder unangepasste Nachfolgebestimmungen verdeutlicht. Gerade der eilige Leser kann hier die Brisanz der Gefährdung erkennen, zudem sollen Verweisungen auf andere Stellen des Buches Lösungen aufzeigen.
• Im vierten und fünften Teil werden von Scherer und Blanc – gleichsam als Werkzeugkasten und Nachschlagewerk – juristische und steuerliche Vertiefungen, aber auch Gestaltungsempfehlungen zur Erhaltung und Sicherung der Familiengesellschaft dargestellt. Speziell adressiert Scherer Fragen des Gesellschaftsvertrags, des Erbrechts, des Schenkungsrechts, des Eherechts und der Vollmachten. Blanc befasst sich mit einer Darstellung der Erbschaft- und Schenkungsteuer mit besonderem Schwerpunkt auf Fragen der Bewertung und der Besteuerungstechnik.
• Im sechsten Teil setzt sich Kormann kritisch mit der Verankerung von Stammesprinzip in Gesellschaftsverträgen und Familienverfassungen auseinander.
Das Anliegen unserer Ausführungen ist es zu zeigen, dass die Familienunternehmen in besonderer Weise der Analyse und Gestaltung ihrer Verfassungsgrundlagen bedürfen. Wird diese Aufgabe rechtzeitig aufgenommen und engagiert bearbeitet, können Vorkehrungen gegen viele Gefährdungen gefunden werden. Die erfolgreichen Unternehmen, die seit mehreren Generationen von Familien getragen werden, beweisen es.
Mannheim, Februar 2012 |
Stephan Scherer |
Verzeichnis der Bearbeiter
• Michael Blanc (Kapitel 5)
Michael Blanc, Jahrgang 1952, ist als Steuerberater und Wirtschaftsprüfer in Weinheim tätig. Bei der Betreuung von Familiengesellschaften, seinem Tätigkeitsschwerpunkt, hat er sich neben der Unternehmensgestaltung insbesondere auf das Erbschaft- und Schenkungsteuerrecht sowie das Gemeinnützigkeits- und Stiftungsrecht spezialisiert.
• Torsten Groth (Kapitel 2)
Dipl.-Soz.-Wiss. Torsten Groth, Jahrgang 1969, ist Dozent am Wittener Institut für Familienunternehmen (WIFU) der Universität Witten/Herdecke und selbständiger Berater von Unternehmerfamilien. Er lehrt, forscht und publiziert zu familienunternehmensspezifischen Themenfeldern wie Langlebigkeit, Nachfolge, Familienstrategie etc., und begleitet Strategie- sowie Nachfolgeprozesse in Familienunternehmen.
• Prof. Dr. Hermut Kormann (Kapitel 1 und 6)
Prof. Dr. Hermut Kormann, Jahrgang 1942, war zwei Jahrzehnte Finanzgeschäftsführer bzw. Vorsitzender der Geschäftsführung des Familienunternehmens Voith GmbH. Er ist Aufsichtsrat und Beirat bei mehreren deutschen und internationalen Familienunternehmen und berät Inhaberfamilien in Themen der Strategie der Familie und des Unternehmens. Er forscht und lehrt als Honorarprofessor an der Zeppelin-University, Friedrichshafen, und der Universität Leipzig über die Strategie und Governance der Familienunternehmen.
• Dr. Stephan Scherer (Kapitel 3 und 4)
Dr. Stephan Scherer, Jahrgang 1962, ist Rechtsanwalt, FA für Steuerrecht und FA für Erbrecht sowie Partner im Mannheimer Büro der Anwaltssozietät Schilling, Zutt & Anschütz Rechtsanwalts AG. Er berät Familienunternehmen und -unternehmer im Bereich des Gesellschafts-, Steuer- und Erbrechts (Unternehmensnachfolgeplanung) und im Zusammenhang mit der Vermögenskoordination. Er ist u.a. Herausgeber des Münchener Anwaltshandbuchs Erbrecht, Co-Autor des Werkes Sudhoff, Unternehmensnachfolge, und Autor diverser Fachbeiträge.
• Univ.-Prof. Dr. Rudolf Wimmer (Kapitel 2)
Dr.jur. Rudolf Wimmer, Jahrgang 1946, ist apl. Professor für Führung und Organisation am Wittener Institut für Familienunternehmen (WIFU) der Universität Witten/Herdecke. Er ist außerdem Gründer und Partner der osb international AG und Autor zahlreicher Veröffentlichungen zu den spezifischen Herausforderungen von Familienunternehmen, weiters zu Fragen der Organisations- und Führungstheorie sowie zur theoretischen Fundierung der systemischen Organisationsberatung. Er ist Mitglied im Beirat bzw. im Aufsichtsrat unterschiedlicher Familienunternehmen.
Inhaltsverzeichnis
Vorwort zur 2. Auflage
Geleitwort zur 1. Auflage
Einführung
Verzeichnis der Bearbeiter
Abkürzungsverzeichnis
Kapitel 1
Grundfragen des Familienunternehmens
A.Bedeutung und Definition der Familienunternehmen
I.Dominante Bedeutung
II.Überlegene Vitalität
B.Vitalitätsfaktoren
I.Ansatzpunkte für Besonderheiten in der Strategie von Familienunternehmen
II.Unabhängigkeit von Entscheidungskriterien der Börseninvestoren
III.Position des Familiengesellschafters als Investor
IV.Sicherung der Grundlagen, Erfolgsstrategie und Sicherungsstrategie
C.Bewahrung der Trägerschaft
I.Kontinuität der Familie
II.Vererbungskonzeptionen
1.Optionen
2.Dynastisches Vererbungsprinzip
3.Egalitäres Vererbungsprinzip
4.Mischformen der Anteilsübertragung
5.Zeitrahmen der Anteilsübertragung
III.Stiftung als dauerhafter Träger des Unternehmens
D.Präsenz der Gesellschafter im Unternehmen
I.Motive für die Präsenz der Gesellschafter im Unternehmen
II.Möglichkeiten zu einer Verankerung der Unternehmerfunktion
III.Gesellschafter oder Dritte als Nachfolger in der Unternehmerfunktion
E.Bewahrung von Ordnungsstrukturen
I.Unternehmensverfassung
1.Funktionen der Unternehmensverfassung
2.Verfassungsetzende Instanzen
3.Gesellschaftsform als grundlegende Verfassungsgestaltung
II.Funktionen eines Beirats
1.Starke und schwache Beiräte
2.Vertrauensverankerung der Gesellschafter
F.Bewahrung der Kapitalbasis
I.Bewahrung vor gesellschafterbedingten Auszahlungen
II.Bewahrung vor bestandsgefährdenden Erbschaftsteuern
1.Minimierung der Erbschaftsteuer als notwendige Voraussetzung für den Bestand des Familienunternehmens
2.Erforderliche Planung der Anteilsübertragung
G.Erfolgsstrategien des Familienunternehmens
I.Grundsätzliche Übertragbarkeit von Erfolgsstrategien
II.Langfristigkeit der Geschäftspolitik
III.Know-how-basiertes Leistungsprogramm bei Vermeidung kapitalintensiver Branchen
IV.Ertragsstrategie
V.Wachstumsstrategie
1.Beherrschende Strategiefrage: Wachsen oder sich bescheiden?
2.Obergrenze für Wachstum
3.Untergrenze für Wachstum
4.Wachstum zur Bestandssicherung
H.Sicherungsstrategie des Familienunternehmens
I.Bedeutung der Sicherungsstrategie
II.Übergeordnete Normen für die Sicherung
III.Funktionstüchtigkeit der Unternehmensorganisation
1.Zustand der Instabilität
2.Vermeidung einer Akkumulation von Risiken, Bewahrung der Risikobalance
3.Vermeidung zu großer Wachstumsschritte
IV.Vorkehrung gegen existenzbedrohende externe Schädigungen (Unfälle)
V.Fail-safe-Prinzip
1.Sicherung gegen Fehler
2.Bewahrung der Existenz
3.Risikobereich
4.Mehrere Schritte
5.Höhe der Akquisitionen
6.Brandmauern einziehen
VI.Kontinuität als Sicherungselement
I.Finanzierungsstrategie des Familienunternehmens
I.„Durchschnittliches“ Finanzbild der Familiengesellschaft
II.Prämissen für die Finanzplanung von Familienunternehmen
III.Bereiche der Finanzplanung
IV.Optionen für die Kapitalbeschaffung
V.Selbstfinanzierung aus Ergebnisthesaurierung und Kreditfinanzierung
K.Berater im Familienunternehmen
L.Vorteile, Nachteile und Zukunftsaussichten der Familienunternehmen
Kapitel 2
Erfolgsmuster für die Langlebigkeit von Familienunternehmen: ein routinierter Umgang mit unvermeidlichen Paradoxien
A.Erfolgsmuster von Mehrgenerationen-Familienunternehmen
B.Besonderheiten von Familienunternehmen
I.Familienunternehmen im Zeitverlauf
II.Gesellschaftliche Rahmenbedingungen (1): Die Familie
III.Gesellschaftliche Rahmenbedingungen (2): Die Eigentümer
IV.Gesellschaftliche Rahmenbedingungen (3): Das Unternehmen
C.Was leisten Mehrgenerationen-Familienunternehmen?
I.Paradoxie (1): Familieneinflüsse als Ressource und Gefährdung des Unternehmens
II.Paradoxie (2): Loyal sein gegenüber der eigenen Kernfamilie und dem größeren Familienverband
III.Paradoxie (3): Kurzfristige (Einzel-)Investorinteressen berücksichtigen und langfristig die Zukunft des Unternehmens sichern
IV.Paradoxie (4): Gleichheitserwartungen der Familie erfüllen und den Ungleichheitsanforderungen des Unternehmens nachkommen
V.Paradoxie (5): Wachsen unter Wahrung der unternehmerischen Autonomie
VI.Paradoxie (6): Unternehmerische Wandlungsfähigkeit erhalten und (Familien-)Traditionen bewahren
VII.Paradoxie (7): Familiale Schutzerwartungen befriedigen und Leistungsfähigkeit des Unternehmens und seiner Führung sichern
D.Umgang mit Paradoxien in der Nachfolge: Vier typische Muster
I.Großfamilien-Organisation
II.Stammesorganisation
III.Mehrfamilien-Organisation
IV.Kleinfamilien-Organisation
E.Erfolgsmuster
Kapitel 3
Fallbeispiele zur Gefährdung eines Familienunternehmens aus juristischer und steuerlicher Sicht
A.Einleitung
B.Ungewollter Eintritt fremder Gesellschafter
I.Vinkulierung der Anteile
II.Regelungen in den Schenkungsverträgen
III.Regelungen für den Fall des Versterbens
1.Notwendige Regelungen bei Kapitalgesellschaften
2.Regelungen bei Personengesellschaften
IV.Auswahl des Erben durch Dritte
V.Testamentsvollstrecker und Ehegatten als temporäre Vertreter von Gesellschaften
VI.Sicherung des Familienunternehmens durch Vor- und Nacherbschaft
C.Verhinderung von Liquiditätsabflüssen
I.Liquiditätsbelastungen aufgrund von Ansprüchen gegen die Gesellschaft
II.Liquiditätsbelastungen aufgrund von Ansprüchen gegen die Gesellschafter
1.Liquiditätsbelastungen aufgrund von Pflichtteilsansprüchen
2.Liquiditätsbelastungen aufgrund von Zugewinnforderungen
III.Liquiditätsbelastungen aufgrund des Todes von Kindern
IV.Liquiditätsbelastungen aufgrund von Teilungsanordnungen
V.Liquiditätsbelastungen sui generis
VI.Liquiditätsbelastungen durch unerwartete Steuern
D.Identifikation mit dem Unternehmen
I.Identifikationsverlust durch Zersplitterung der Beteiligung
II.Identifikationsverlust durch Börsengang
III.Verkaufsdruck durch unerwartete Steuerbelastung infolge des Börsengangs
IV.Identifikationsverlust durch Machtverlust
1.Beibehaltung der Kontrolle gegenüber dem Management
2.Beibehaltung der Kontrolle gegenüber dem Beirat
V.Identifikation mit dem Unternehmen und Vermeiden von Streit
1.Vermeiden von Streit zwischen den Gesellschaftern
2.Spezielle Regelungen, um Streit unter den Erben zu vermeiden
3.Allgemeines zum Vermeiden von Streit
Kapitel 4
Zivilrechtliche Bedingungen und Gestaltungsüberlegungen
A.Gesellschaftsvertrag
I.Nachfolge
1.Anteilsübertragung unter Lebenden
a)GmbH-Anteile
b)Aktien
c)Personengesellschaften
2.Anteilsübertragung von Todes wegen
a)GmbH-Anteile
b)Aktien
c)Personengesellschaften
II.Abfindungsbeschränkungen
1.Abfindung beim Tod eines Gesellschafters
2.Abfindung bei Kündigung oder Ausschluss eines Gesellschafters
III.Gewinnverteilung und Thesaurierung
1.Rücklagen zum Ausgleich privater Steuerschulden der Gesellschafter
2.Darlehenskonten
IV.Geschäftsführung und Rat (Beirat und Aufsichtsrat)
1.Geschäftsführung durch die Familie
a)Allgemeines
b)Geschäftsführung und objektive Eignungskriterien
c)Geschäftsführung und Entsenderechte der Familienstämme
d)Geschäftsführung und Amtszeiten sowie Altersgrenzen
2.Aufgaben und Befugnisse eines Rats (Beirat, Aufsichtsrat)
a)Allgemeines
b)Besetzung des Rats
V.Ausschließungsklauseln
1.Ehevertragsklauseln
2.Sonstige Ausschlussklauseln
VI.Familienrechtliche Anordnungen
VII.Adoptivkinder
VIII.Präambel und salvatorische Klausel
IX.Einstimmigkeit oder Beschlussfassung mit Mehrheit
X.Beilegung von Gesellschafterstreitigkeiten
B.Erbrecht
I.Erbrechtlicher Übergang und gesetzliche Erbfolge
1.Erbrechtlicher Übergang
2.Gesetzliche Erbfolge
II.Testamentserrichtung
1.Allgemeines
2.Widerruf eines Testaments
3.Gemeinschaftliches Ehegattentestament
III.Erbvertrag
IV.Erbeinsetzung durch Dritte
V.Pflichtteilsrecht
1.Allgemeines und Übersicht
2.Bewertung von Unternehmen
3.Schutz des Pflichtteilsberechtigten
4.Pflichtteilsreduktionen
a)Güterstandsvereinbarung
b)Pflichtteilsverzicht
c)Pflichtteilsreduktion durch Anordnung der Vor- und Nacherbschaft
d)Pflichtteilsreduktion durch gesellschaftsrechtliche Regelungen
e)Pflichtteilsreduktion durch vorweggenommene Erbfolge
f)Pflichtteilsreduktion durch das Verlagern von Vermögen ins Ausland
g)Pflichtteilsrecht und Verfassungsrecht
VI.Erbeinsetzung und Unterscheidung zwischen Erben und Vermächtnisnehmern
VII.Ersatzregelungen
VIII.Auflagen
IX.Vor- und Nacherbschaft
1.Allgemeines
2.Vor- und Nacherbschaft und Gesellschaftsrecht
a)Nachfolgeklauseln
b)Stimmrecht
c)Gewinnverteilung
d)Kapitalgesellschaften
X.Testamentsvollstreckung
1.Allgemeines und Anordnung der Testamentsvollstreckung
2.Befugnisse und Aufgaben des Testamentsvollstreckers
3.Testamentsvollstreckung an Unternehmen
a)Sondererbfolge
b)Höchstpersönlichkeit
c)Unbeschränkte Haftung
XI.Staatliche Aufgaben im Erbrecht
1.Sicherung des Nachlasses
2.Testamentseröffnung
3.Erbschein
XII.Miterbengemeinschaft
XIII.Familienrechtliche Anordnungen
XIV.Haftung des Erben nach dem Erbfall
1.Vermeiden der Haftung durch Ausschlagung
2.Umfang der Erbenhaftung
3.Haftungsbeschränkung nach Annahme der Erbschaft
a)Nachlassverwaltung
b)Nachlassinsolvenz
c)Dürftigkeitseinrede
d)Überschwerungseinrede
e)Aufgebotsverfahren
f)Inventarerrichtung
4.Besonderheiten bei der Beteiligung mehrerer Erben
5.Erbenhaftung für gesellschaftsrechtliche Verbindlichkeiten
a)Haftung des Erben eines OHG-Gesellschafters
b)Haftung des Erben eines Kommanditisten
c)Haftung des Erben eines GbR-Gesellschafters
XV.Lebensversicherungen und Erbrecht
C.Schenkungen
I.Allgemeine Vorzüge und Risiken der vorweggenommenen Erbfolge
II.Arten der Zuwendung
III.Form und Vollzug der Schenkung
IV.Zustimmungs- und Genehmigungserfordernisse
1.Zustimmung des Ehegatten oder des eingetragenen Lebenspartners
2.Zustimmungs- und Genehmigungserfordernisse bei der Beteiligung Minderjähriger an der Familiengesellschaft
a)Gründung einer Familiengesellschaft
b)Eintritt in eine bereits bestehende Familiengesellschaft
c)Änderungen des Gesellschaftsvertrages
d)Laufende Geschäftsführung der Familiengesellschaft
e)Haftungsbeschränkung
V.Ausgleichs- und Anrechnungspflichten
1.Ausgleichspflicht der gesetzlichen Miterben
2.Anrechnung von Zuwendungen auf den Pflichtteil
VI.Familienrechtliche Anordnungen
VII.Rücknahmevorbehalte in Schenkungsverträgen
1.Mögliche Vertragsgestaltungen
a)Ungünstige Weiterleitungsklausel
b)Weitere ungünstige Klauseln
2.Mögliche Gestaltungen
a)Vertragliches Rücktrittsrecht
b)Widerrufsvorbehalt
3.Praktische Durchführung der Rückabwicklung
a)Einzelprobleme
b)Minderjährige
c)Ansprüche auf Aufwendungsersatz
d)Rückgabegegenstand
e)Umfang des Rückabwicklungsvorbehalts
f)Fristen für die Geltendmachung des Rückabwicklungsrechts
g)Abschließende Rückabwicklungsvoraussetzungen oder freier Vorbehalt?
h)Schenkung von Gesellschaftsanteilen
i)Muster
D.Eheverträge
I.Ausgangslage
II.Regelungen des § 5 ErbStG
III.Zugewinngemeinschaft und modifizierte Zugewinngemeinschaft
1.Zugewinngemeinschaft
2.Modifizierte Zugewinngemeinschaft
3.Zugewinnausgleich und Pflichtteilsrecht
IV.Güterstandswechsel
E.Begleitende Maßnahmen der Nachfolgeplanung
I.Gebot der Vorsorge
II.Generalvollmacht
III.Vorsorgevollmacht
IV.Betreuungsverfügung
V.Patientenverfügung
VI.Inkrafttreten der Vollmacht und Verwahrung
VII.Regelung des Innenverhältnisses
VIII.Schutz vor Missbrauch
IX.Hinweise zur Person des Bevollmächtigten
X.Zusammenfassung von General- und Vorsorgevollmacht sowie Patientenverfügung in einer Urkunde
XI.Fazit
XII.Formulierungsvorschläge
1.Generalvollmacht
2.Vorsorgevollmacht
3.Betreuungsverfügung
4.Patientenverfügung
Kapitel 5
Steuerliche Bedingungen und Gestaltungsüberlegungen
Vorbemerkung
A.Erbschaft- und Schenkungsteuer
I.Einführung
1.Steuerpflicht bei Erwerb von Todes wegen und bei Schenkung unter Lebenden
2.Erbanfallsteuer versus Nachlasssteuer
3.Erbschaftsteuer als Effektivbelastung
II.Systematik
1.Stichtagsteuer
2.Persönliche Freibeträge
3.Progression des Steuertarifs
4.Besteuerung in 10-Jahres-Zeiträumen
III.Bewertungsmethodik
1.Bewertungsgrundsätze
2.Grundzüge des Bewertungsverfahrens nach S 1
3.Vereinfachtes Bewertungsverfahren nach§§ 199 ff. BewG
IV.Besteuerungstechnik
1.Gemischte Schenkung
2.Schenkung unter Auflage (Nießbrauch)
3.Einteilung der Erwerber in Steuerklassen, Freibeträge, Progression
4.Härteausgleich
5.Begünstigung von Betriebsvermögen
5.1Verschonungsmodelle
a)Regelverschonung
b)Optionsverschonung
c)Verwaltungsvermögen
d)Prüfungsreihenfolge
5.2Erfüllungspflichten für die Verschonung
a)Behaltensregelung
b)Lohnsummenregelung
5.3Abzugsbetrag für kleinere und mittlere Unternehmen
5.4Tarifbegrenzung
6.Stundung der Erbschaftsteuer
7.Zusammenrechnung von Erwerben
8.Besteuerung bei teilweisem Auslandsvermögen
B.Andere Steuern
I.Ertragsteuern
1.Allgemeines
2.Rechtsformspezifische Unterschiede in der Besteuerung der Beteiligung an Personen- oder Kapitalgesellschaften
2.1Einzelunternehmen und Personengesellschaften
2.2Kapitalgesellschaften
3.Drohende Auflösung von stillen Reserven im Betriebsvermögen zum Zeitpunkt des Vermögensüberganges
4.Ertragsteuerliche Implikationen der notwendigen Aufbringung der Erbschaft- oder Schenkungsteuer bzw. Abfindungsleistungen
4.1Vorfinanzierung
4.2Nachfinanzierung
II.Verkehrsteuern (Grunderwerbsteuer bei Rechtsträgerwechsel)
C.Gestaltungsvarianten
I.Einleitung
1.Allgemeines
2.Gestaltungsrahmen
II.Transfer zwischen Betriebsvermögen und Privatvermögen, Rechtsformwechsel
1.Rechtsformwahl
2.Überführung von Privatvermögen in Betriebsvermögen
3.Transfer von Schulden ins Privatvermögen
III.Gestaltungen zur Vorbereitung der Anteilsübertragung
1.Verwaltungsvermögen
2.Richtiges Timing
2.1Lohnsummenregelung
2.2Nutzung von Konjunkturzyklen
2.3Abwehr von Pflichtteilsansprüchen
IV.Gestaltungen bei der Anteilsübertragung
1.Übertragung unter Rückbehalt von Erträgen
1.1Nießbrauch
1.2Versorgungsleistungen oder Renten
1.3Renten in der Kapitalgesellschaft
2.Übertragung unter Rückbehalt von Einfluss
2.1Nießbrauch
2.2Unterbeteiligung und stille Gesellschaft
a)Typische Unterbeteiligung und typische stille Gesellschaft
b)Atypische Unterbeteiligung und atypische stille Gesellschaft
Kapitel 6
Stammesprinzip in Gesellschaftsverträgen und Familienverfassungen
A.Themenstellung
B.Stand der Meinungsbildung in Literatur und Praxis
C.Stammesprinzip in der Evolution der Familiengesellschaft
I.Wahrung der Einheit bei der Vererbung an mehrere Nachkommen
II.Wahrung des Zusammenhalts und der Identität der Kernfamilie
III.Wahrnehmung des Einflusses der Senioren-Generation
IV.Bündelung der Macht und das Entstehen von Patt-Situationen
V.Perpetuierung der Wirkungen über die Generationen
D.Regelungsinhalte einer Stammesorganisation und Instrumente zu deren Durchsetzung
I.Grundkonzept
II.Regelungsinhalte
III.Instrumente zur Durchsetzung der Stammesorganisation
E.Übertragung und Veräußerung nur innerhalb des Stammes
I.Bedeutung der Regelung
II.Werterhöhung durch Paketzuschlag
III.Erschwernis oder Unmöglichkeit des Erwerbs durch den Stamm
IV.Auslöser für die Kündigung/den Austritt des ganzen Stammes
F.Repräsentative Vertretung des Stammes durch eine Stimme
I.Regeln für die Willensbildung und Stimmrechtsausübung innerhalb eines Stammes
II.Regeln für die Vertretung der Stämme in den Unternehmens-Institutionen
III.Vertretung des Stammes durch eine Stimme
IV.Besetzungsrechte für die Organe des Unternehmens
G.Meinungsbildungs- und Entscheidungsprozess innerhalb des Stammes
I.Stärkung des Stammeshauptes
II.Delegation der Meinungsbildung in die Stammesorganisation
III.Segmentierung der Information
IV.Beeinträchtigungen der Bindung an das Unternehmen
V.Unterlaufen der Satzungsmehrheit
VI.Erhöhung der Wahrscheinlichkeit von Einstimmigkeitserfordernissen und Pattsituationen
VII.Reduzierung der Gefahr von Patt-Situationen
H.Autonomie für stammesspezifische Regelungen
I.Stammesprinzip bei der Wahrnehmung von Ämtern
J.Stammesneutrale Regelungen
I.Erfordernis der positiven Gestaltungsmaßnahmen
II.Führung der Familie
III.Architektur von Kommunikations-Plattformen zur Förderung der Bindung zwischen den Gesellschaftern
IV.Ignorieren der Stammeszugehörigkeit
K.Zusammenfassung
Literaturverzeichnis
Sachregister
Abkürzungsverzeichnis
a.A. |
anderer Ansicht |
a.E. |
am Ende |
Abb. |
Abbildung |
Abs. |
Absatz |
Abschn. |
Abschnitt |
abzgl. |
abzüglich |
AcP |
Archiv für die civilistische Praxis (Zeitschrift) |
AG |
Aktiengesellschaft |
AG |
Die Aktiengesellschaft (Zeitschrift) |
AktG |
Aktiengesetz |
Anm. |
Anmerkung |
AnwBl |
Anwaltsblatt (Zeitschrift) |
AO |
Abgabenordnung |
Art. |
Artikel |
Aufl. |
Auflage |
Az. |
Aktenzeichen |
BayObLG |
Bayerisches Oberstes Landesgericht |
BB |
Betriebsberater (Zeitschrift) |
Bd. |
Band |
BDI |
Bundesverband der Deutschen Industrie |
Beschl. |
Beschluss |
BeurkG |
Beurkundungsgesetz |
BewG |
Bewertungsgesetz |
BFH |
Bundesfinanzhof |
BGB |
Bürgerliches Gesetzbuch |
BGBl. |
Bundesgesetzblatt |
BGH |
Bundesgerichtshof |
BGHZ |
Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen |
BMF |
Bundesministerium der Finanzen |
bspw. |
beispielsweise |
BVerfG |
Bundesverfassungsgericht |
BWNotZ |
Zeitschrift für das Notariat in Baden-Württemberg |
bzgl. |
bezüglich |
bzw. |
beziehungsweise |
d.h. |
das heißt |
DB |
Der Betrieb |
DBA |
Doppelbesteuerungsabkommen |
ders. |
derselbe |
dies. |
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Kapitel 1
Grundfragen des Familienunternehmens
A. Bedeutung und Definition der Familienunternehmen
I. Dominante Bedeutung
1
Den Gegenstand der vorliegenden Betrachtung bildet das Familienunternehmen aus betriebswirtschaftlicher Sicht. Es ist der häufigste Typus eines Unternehmens. Abgesehen von den ständigen Anforderungen, die die Leitung eines jeden Unternehmens mit sich bringt, entstehen beim Familienunternehmen zusätzliche Problemfelder, wie z.B.:
– Eigenarten, die sich aus den Beziehungen zwischen den Familiengesellschaftern und dem Unternehmen ergeben. Die Vererbung von Anteilen und die Wahl von Nachfolgern sind hierbei nur besonders markante Unterthemen aus dem Beziehungsgefüge zwischen Gesellschaftern und Unternehmen;
– Besonderheiten der Finanzierung von Familiengesellschaften, bei denen es sich typischerweise nicht um Börsengesellschaften handelt bzw. trotz Börsennotierung der Familieneinfluss erhalten bleiben soll.
2
Nachfolgend soll erörtert werden, welche spezifische Bedeutung dieser Unternehmenstypus hat und welche Voraussetzungen geschaffen werden müssen, damit der Erfolg dieses Unternehmenstypus nachhaltig ist.
3
Eine Untersuchung des Umfelds von Familiengesellschaften scheint auch deswegen geboten, weil das Bild der Wirtschaft in der Öffentlichkeit immer noch vorwiegend durch Börsengesellschaften bestimmt ist, wie ein Blick in die täglichen Medien zeigt. Ebenso ist das vorherrschende Objekt der Analyse in der modernen Unternehmenstheorie derjenige Unternehmenstypus, bei dem Eigentumsrechte und die Ausübung von Verfügungsrechten aus dem Eigentum auseinanderfallen (neoinstitutionalistischer Ansatz, insbesondere Property-Rights- und Agency-Theorie). Nur durch die staatliche Wirtschaftspolitik erfahren die Familienunternehmen – insbesondere soweit sie mit mittelständischen Unternehmen gleichzusetzen sind – gelegentlich berechtigterweise Lob als Hort der Innovation und der Schaffung von Arbeitsplätzen. Erstmals wird in den Verschonungsregeln bei der Erbschaftsteuer (vgl. Abschn. F) der Förderungswürdigkeit des Familienunternehmens wenigstens von der Intention her Rechnung getragen, wenn auch die Durchführung dieser guten Absicht missraten ist.
4
Der öffentliche Fokus insbesondere auf die Börsengesellschaften ist jedoch nicht gerechtfertigt, denn die weit überwiegende Zahl der Unternehmen sind Familienunternehmen. Eine Studie des Bundesverbandes der Deutschen Industrie verdeutlicht die Bedeutung der Familienunternehmen in Relation zur Gesamtzahl aller Unternehmen:1
– 84 % aller Industrieunternehmungen sind danach Familienunternehmen,
– 41 % der Beschäftigten finden bei ihnen Arbeit,
– 29 % des Umsatzes wird durch sie erwirtschaftet.
5
In einer umfassenden Untersuchung ermittelte Klein2, dass ca. 70 % der Unternehmen mit einem Jahresumsatz zwischen einer Mio. € und 50 Mio. € und ca. 50 % aller Unternehmen mit einem Jahresumsatz zwischen 50 Mio. € und 250 Mio. € Familienunternehmen sind.
6
In diesen wie auch den meisten anderen Untersuchungen zu den Familienunternehmen wird die Beteiligung der Familien an der Geschäftsführung und damit das Zusammenfallen von Eigentumsrechten und Leitungsmacht als das bestimmende Merkmal dieses Unternehmenstyps gesehen. Die für diese Untersuchung gewählten Abgrenzungsmerkmale für Familienunternehmen sehen jedoch von dem Kriterium der Beteiligung an der Geschäftsführung oder einer sonstigen stringenten Einflussnahme auf die Geschäftsführung ab und ziehen stattdessen einen weiteren Kreis für den Untersuchungsgegenstand.
7
Nach dem hier zugrunde gelegten Verständnis sind Familienunternehmen solche Unternehmen, bei denen die Trägerschaft des Unternehmens bei einer natürlichen Person oder einer Mehrzahl natürlicher Personen liegt, die in einer persönlichen Beziehung zu dem Unternehmen stehen, vermittelt zumeist durch das Verwandtschaftsverhältnis zu dem oder einem der Unternehmensgründer. Auch eine Börsengesellschaft ist nach der hier vertretenen Auffassung dann als Familiengesellschaft anzusehen, wenn eine Familie den maßgeblichen Teil der Aktien hält, d.h. die Mehrheit der bei einer Hauptversammlung üblicherweise vertretenen Stimmen (typisiert 40 % der stimmberechtigten Aktien) besitzt. Dieser Ansatz rechtfertigt sich schon deshalb, weil der Zugang zu weiterem Eigenkapital, der bei den Börsengesellschaften i.d.R. auf dem Weg der Kapitalerhöhung geschieht, ohne die Zustimmung der Familienaktionäre faktisch nicht möglich ist.
8
Die Trägerschaft am Unternehmen kann in verschiedenen Abstufungen der Intensität wahrgenommen werden, ohne dass – im Rahmen der hier gewählten Betrachtungsweise – das Kriterium des „Familienunternehmens“ entfallen würde:
– Die Familienmitglieder sind Eigner aller oder doch des maßgeblichen Teils der Gesellschaftsanteile.
– Die Gestaltung der normativen Grundlagen für die Unternehmenstätigkeit, der grundsätzlichen Mission des Unternehmens und damit der zulässigen und unzulässigen Tätigkeitsfelder, der Unternehmensverfassung (Einbindung und Strukturierung der Interessenvertretung, Selbstverständnis des obersten Führungsorgans, Kompetenzordnung der Führungs- und Aufsichtsorgane) sowie der Bewahrung und Fortentwicklung der Unternehmenskultur3 liegt in der Hand der Familie.
– Die Bestimmung des Portfolios der Unternehmensaktivitäten wird durch die Familie, insbesondere über Zustimmungsrechte der Aufsichtsgremien verwirklicht, eventuell auch im Rahmen von Gesellschafterversammlungen zu den jeweiligen, die Struktur des Unternehmens-Portfolios bestimmenden Akquisitionen oder Desinvestitionen. Typischerweise beschränken sich die Eigentümer in den Aufsichtsgremien dabei auf Makro-Entscheidungen, wie etwa die Festlegung des Geschäftsfeldes, des Risiko-Niveaus und der Thesaurierungsquote und damit des finanziellen Rahmens für die Portfolio-Entwicklung.4
– Die Initiative oder – abgeschwächt – die genehmigende Mitwirkung bei der Auswahl der Unternehmensführer liegt bei der Familie.
– Die Familieneigner üben die Aufsicht durch Wahrnehmung der Mandate in den Aufsichtsgremien aus, die bei Familiengesellschaften häufig neben dem Aufsichtsrat noch eine Versammlung der Anteilseigner-Vertreter umfassen.
– Die Beteiligung an der Unternehmensführung ist schließlich nur als zusätzliches, keinesfalls notwendiges Merkmal anzusehen, auch wenn sie aufgrund der Trägerschaft der Gesellschaftsanteile erworben werden kann.
9
Interessant ist, dass bei den 250 größten Börsengesellschaften nach einer Erhebung von Klein sich die Aktien gut der Hälfte dieser Unternehmen jeweils mehrheitlich im Besitz einer Familie befinden.5 Als Ergebnis gilt es daher wiederum festzuhalten, dass nicht anonyme Aktionärsgemeinschaften der häufigste Fall wirtschaftlicher Trägerschaft eines Unternehmens sind, sondern Familien.
II. Überlegene Vitalität
10
Ob und unter welchen Umständen einem Unternehmenstypus ein besonders nachhaltiger Erfolg beschieden sein kann, ist eine sehr komplexe Fragestellung. Hier spielen alle denkbaren, den Typus bestimmenden Merkmale eine Rolle, z.B.:
– Entwicklungsstadium der Unternehmen in Gründung, Wachstum und Reife,
– Größe der Unternehmen,
– Branche der Unternehmen,
– Zugang zu Eigenkapitalfinanzierungsmöglichkeiten,
– Standorte der Leistungserstellung und Leistungsverwertung.
11
Neugegründete Unternehmen befinden sich zumeist in der Hand privater Eigentümer. Wollte man unter ihnen eine Messung der „Überlebensrate“ von Familienunternehmen vornehmen, müsste man eigentlich differenzieren zwischen spezifischen Gefährdungen und Gefährdungen, die jede Unternehmensgründung per se in sich birgt. Auch Neugründungen in Form von Börsengesellschaften oder im Besitz von Private-Equity-Fonds, die die Börseneinführung vorbereiten, sind einem erhöhten Risiko des Scheiterns ausgesetzt.
12
Eine ähnliche Vermischung von Einflussgrößen ergibt sich daraus, dass Familienunternehmen vorwiegend kleine und mittlere Unternehmen sind und mit diesem Typus (KMU) oft gleichgesetzt werden.
13
Die nicht wenigen, vorliegenden Untersuchungen zum Vergleich der Erfolgsträchtigkeit von Familienunternehmen zu der von Börsengesellschaften befriedigen nicht. Erstens gelingt es nicht – und wird es voraussichtlich bei keinem Forschungsansatz je gelingen – all die „sonstigen“ Variablen, die auf den Erfolg Einfluss haben, in ihrem relativen Einfluss zu eliminieren. Zweitens wird als Renditevorsprung ein Zeitraum der jeweiligen Messperiode von einigen Jahren definiert. Es ist offensichtlich abwegig, die Langfristigkeit der Strategieorientierung des Familienunternehmens lobend hervorzuheben, dann aber den Erfolg über 5 Jahre messen zu wollen.
14
Wir werden nachfolgend einmal mit einer Messperiode von 15 Jahren beginnen und als Erfolg definieren: Wer ist noch existent als selbstständiges Unternehmen und wer ist verschwunden? Und schließlich ist die Fragestellung überhaupt irrelevant: Selbst wenn nachzuweisen wäre, dass Börsengesellschaften effizienter seien – was bislang nicht überzeugend gelang –, dann müsste man die Ursachen hierfür herausdestillieren. Die Tatsache der Fungibilität der Aktien an der Börse könnte ja nur sehr indirekt auf die Erfolgsträchtigkeit einwirken: heilsame Wirkung der Publizität, besser bezahltes und deshalb vielleicht auch besser qualifiziertes Management, bessere Corporate Governance. Wenn eine oder einige dieser vorgelagerten Ursachen – was bislang auch nicht annähernd belegt ist – als die Erfolgstreiber einer überlegenen Performance der Börsengesellschaft anzusehen wären, so würde ja deshalb kein Familienunternehmen zu einer Börsengesellschaft transformiert werden müssen. Management oder Corporate Governance wie beim Börsenunternehmen könnte sich ja auch das Familienunternehmen ohne Änderung seines Status zulegen.
15
Weil es wichtig ist, dass Familienunternehmen nicht den falschen Eindruck einer konstitutionsbedingten Unterlegenheit erhalten, sei in einer gewissen Ausführlichkeit die überlegene Vitalität der Familienunternehmen gegenüber den Börsenunternehmen dargelegt.
16
Mit dem nachfolgend beschriebenen Untersuchungsansatz6 sollen andere Einflussgrößen außerhalb des Kriteriums Trägerschaft möglichst ausgeschaltet werden. Hierzu wird die Gruppe Unternehmen der Kategorie „Verarbeitende Industrie“ ausgewählt, die im Jahre 1991 zu den 250 größten Unternehmen gehörten. Hierbei bleiben folgende Unternehmen ausgeklammert:
– Unternehmen, zu denen 1991 keine Angaben veröffentlicht wurden, weil sie in einer nicht berichtspflichtigen Rechtsform (OHG, KG) geführt wurden.
– Töchter ausländischer Mütter (z.B. IBM Deutschland, Ford-Werke, Vodafone, d.h., es werden nur deutsche Firmen betrachtet.
– Tochtergesellschaften (z.B. Audi AG als Tochter der Volkswagen AG oder Veba Öl AG als Tochter der Eon AG), sodass nur noch Konzernmütter verbleiben.
– Unternehmen der Grundstoffindustrien, wie Energieversorgung (Eon AG, deren Vorgängergesellschaft VIAG AG, RWE AG, EnBW Energie Baden-Württemberg AG) und Bergbau (Ruhrkohle, Saarbergwerke).
– Unternehmen aus dem Dienstleistungssektor, wie Banken (Deutsche Bank, Dresdner Bank), Deutsche Post AG, Bahn AG, Telekom AG und Versicherungen (Münchner Rück, Allianz) etc.
– Unternehmen des Handelssektors, wie etwa Metro AG oder Anton Schlecker.
17
Tabelle 1: Entwicklung von Familien- und Stiftungsunternehmen 1991 bis 2006 nach Umsatz
18
Tabelle 2: Entwicklung von Familien- und Stiftungsunternehmen 1991 bis 2006 nach Mitarbeiter
19
Tabelle 3: Entwicklung börsennotierter Unternehmen mit bestimmenden Familieneinflüssen 1991 bis 2006 nach Umsatz
* Die Gesellschaften sind nicht selbst börsennotiert, haben aber über Tochtergesellschaften Zugang zum Eigenkapitalmarkt über die Börsen.
1 Übernahme der Wella AG durch Procter & Gamble 2003.
2 Vorher Altana AG (Umfirmierung).
20
Tabelle 4: Entwicklung börsennotierter Unternehmen mit bestimmenden Familieneinflüssen 1991 bis 2006 nach Mitarbeiter
* Die Gesellschaften sind nicht selbst börsennotiert, haben aber über Tochtergesellschaften Zugang zum Eigenkapitalmarkt über die Börsen.
1 Übernahme der Wella AG durch Procter & Gamble 2003.
2 Vorher Altana AG (Umfirmierung).
21
Tabelle 5: Entwicklung börsennotierter Unternehmen 1991 bis 2006 nach Umsatz
* Krupp AG (ein Familienunternehmen) aus Vergleichbarkeitsgründen angeführt, da sie in Thyssen-Krupp AG einging.
** VIAG AG wurde aus der Auflistung entnommen, da Energieunternehmen hier nicht mitbetrachtet werden. VIAG AG wurde von EON übernommen.
22
Tabelle 6: Entwicklung börsennotierter Unternehmen 1991 bis 2006 nach Mitarbeiterzahl
* Krupp AG (ein Familienunternehmen) aus Vergleichbarkeitsgründen angeführt, da sie in Thyssen-Krupp AG einging.
** VIAG AG wurde aus der Auflistung entnommen, da Energieunternehmen hier nicht mitbetrachtet werden. VIAG AG wurde von EON übernommen.
23
Es zeigt sich erstens, dass auch unter diesen größten Unternehmen die Familiengesellschaften einen wesentlichen Anteil einnehmen, zweitens zeigt sich, dass sich auf diese Weise vergleichsfähige Werte hinsichtlich verschiedener Tätigkeitsbereiche in etwa gleich großer Unternehmen gewinnen lassen. So lassen sich ihre unterschiedlichen Entwicklungen in einem bestimmten Zeitraum – hier die eineinhalb Dekaden von 1991 bis 2006 – einander gegenüberstellen.
24
Mit Ausnahme der drei größten Publikums-Aktiengesellschaften, Daimler-Chrysler AG – die im Übrigen im Erfassungszeitraum ein supranationaler Zusammenschluss zweier großer Firmen war, der wieder aufgelöst wurde –, Volkswagen AG und Siemens AG, finden sich also ebenso Familiengesellschaften wie Publikums-Börsengesellschaften unter den betrachteten Unternehmen. Die Tabellen 1 bis 6 führen diese Firmen auf und veranschaulichen die Größenordnungen.
25
Diese o.g. Erhebungen erlauben folgende plakative Zusammenfassung: Die Familiengesellschaft ist in unserer Wirtschaft nicht der Sonderfall, sondern der Normalfall unternehmerischer Betätigung, zumindest im Bereich der verarbeitenden Industrie. Im Bereich der Dienstleistungen, des Handels und der Land- und Forstwirtschaft gilt dies in noch ausgeprägterem Maße.
26
Nun stellt sich weiter die Frage, ob mögliche Beschränkungen hinsichtlich der Eigenkapitalbeschaffung die Entwicklung der Familiengesellschaften hemmen. Um für eine solche Analyse eine tragfähige Vergleichsbasis zu haben, werden wieder die oben aufgeführten großen Unternehmen der verarbeitenden Industrie in den Blick genommen und ihre Überlebens- und Wachstumsraten analysiert. Vergleicht man die Entwicklung der Familiengesellschaften einschließlich der Börsengesellschaften mit maßgeblichem Familieneinfluss einerseits mit der Entwicklung der übrigen Börsengesellschaften andererseits, so ergeben sich in jeder Hinsicht bemerkenswerte Ergebnisse.
27
Tabelle 7: Entwicklungen in den Beständen der Untergruppen
|
1991 |
2001 |
2006 |
Nicht-börsennotierte Familien- und Stiftungsunternehmen (inklusive Krupp) |
14 |
13 |
13 |
Börsenunternehmen mit bestimmendem Familieneinfluss |
9 |
9 |
9 |
Börsenunternehmen als Publikumsgesellschaft (ohne Krupp) |
34 |
22 |
15 |
28
Die Familiengesellschaften sind nicht nur wesentlich stabiler in ihrer Existenz, sondern sie können ein ebenso dynamisches Wachstum verwirklichen, wie es die besten Publikums-Börsengesellschaften vermögen.
– Die 14 nicht-börsennotierten und die 9 börsennotierten Familien- oder Stiftungsgesellschaften aus der Studie des Jahres 1991 bestehen alle – mit einer Ausnahme – noch 10 Jahre später in der gewählten Vergleichsgruppe. Nur eines dieser Unternehmen wurde ein Nicht-mehr-Familienunternehmen: die Krupp AG durch Fusion mit der Thyssen AG.
– Von den 34 größten nicht familienbeherrschten börsennotierten Unternehmen der verarbeitenden Industrie aus dem Jahre 1991 sind 19 Unternehmen als selbstständige Unternehmen bis 2006 nicht mehr vorhanden, wobei hierfür unterschiedliche Ursachen zu nennen sind: Fusion zwischen Gleichen, aufnehmende Fusion, Aufkauf durch einen neuen Eigner und Delisting von der Börse oder auch Insolvenz.