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Nr. 213

– ATLAN exklusiv Band 74 –

 

Komet der Geheimnisse

 

Im Untergrund von Arkon II – Ra, der Barbar, lernt das Rätsel Blahurs kennen

 

von Peter Terrid

 

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In einer Zeit, die auf Terra dem 9. Jahrtausend v. Chr. entspricht, steht es mit dem Großen Imperium der Arkoniden nicht zum Besten, denn es muss sich sowohl äußerer als auch innerer Feinde erwehren.

Die äußeren Feinde sind die Maahks, deren Raumflotten den Streitkräften des Imperiums durch überraschende Schläge schwere Verluste zufügen. Die inneren Feinde Arkons sind Habgier und Korruption der Herrschenden, die – allen voran Imperator Orbanaschol III. – nur auf ihren eigenen Vorteil bedacht sind und das Gemeinwohl völlig außer acht lassen.

Gegen diese inneren Feinde des Imperiums ist der junge Atlan, der rechtmäßige Thronerbe und Kristallprinz von Arkon, der eine stetig wachsende Schar von verschworenen Helfern um sich sammeln konnte, bereits mehrmals erfolgreich vorgegangen.

Gegenwärtig ist Atlan jedoch nicht in der Lage, den Untergrundkampf gegen den Usurpator und Brudermörder Orbanaschol persönlich weiterzuführen, denn durch die Einwirkung einer Geheimwaffe der Maahks gelangte er erneut in den Mikrokosmos, wo er inzwischen von Ischtar, der Goldenen Göttin, und seinen alten Kampfgefährten Fartuloon, Corpkor und Eiskralle gesucht wird.

Ra, der Barbar, hingegen nimmt an der Suche nach Atlan nicht teil. Er hatte sich schon vorher abgesetzt und hält sich gegenwärtig zusammen mit dem Con-Treh Bel Etir Baj im Arkon-System auf.

Dort nähert sich der KOMET DER GEHEIMNISSE ...

Die Hauptpersonen des Romans

 

 

Ra – Der Barbar lernt den Untergrund von Arkon II kennen.

Regir da Quertamagin – Ein Verräter wider Willen.

Perytlth – Ein Krüppel und ein Denunziant.

Pathor Margib und Mehn Sulk – Zwei Männer der POGIM.

Orbanaschol III. – Der Imperator lässt sich weissagen.

Yagthara – Atlans Mutter.

1.

 

Dass Perytlth für die POGIM arbeitete, hatte ein paar einfache Ursachen. Der Zaliter in arkonidischen Diensten war äußerst unglücklich verheiratet, mit einer reinblütigen Arkonidin, die es dem Schicksal nie verzeihen würde, dass es nur zu einem Zaliter gereicht hatte. Die Tatsache, dass sie keinen besseren Mann hatte finden können, musste Perytlth täglich büßen. Der zweite, stichhaltigere Grund war die brutanthsche Knochenpest, an der Perytlth litt. Diese furchtbare Krankheit nahm ihren Anfang in einer Entzündung der Gelenke im unteren Bereich der Wirbelsäule. Dann arbeitete sie sich langsam in die Höhe.

Die unerträglichen Schmerzen führten dazu, dass der Betroffene sich krümmte und versuchte, eine Haltung einzunehmen, in der er möglichst wenig Schmerzen litt. In dieser Haltung erstarrte der Kranke schließlich, vornübergebeugt, kaum noch fähig zu atmen oder zu gehen. Die Gelenke, in denen sich die Rippen beim Atmen an der Wirbelsäule bewegten, entzündeten sich in der Regel auch und machten jeden Atemzug zur Qual.

Perytlth litt seit etlichen Jahren an dieser Krankheit, die von den Ärzten schlicht als »idiopathisch« bezeichnet wurde, was eine hochwissenschaftliche Umschreibung für die Tatsache war, dass die Ärzte keine Ahnung hatten.

Perytlth litt, an Körper und Geist, und darum störte es ihn auch nicht, wenn andere leiden mussten. Im Gegenteil, es bereitete dem Krüppel größtes Vergnügen, kräftige, gesunde Männer an die POGIM auszuliefern und sicher zu sein, dass diese Männer, wenn überhaupt, in ähnlicher Verfassung wie er selbst die Folterkammern der POGIM verlassen würden.

Natürlich kam niemand auf den Gedanken, in dem gichtbrüchigen Mann einen POGIM-Spitzel zu vermuten. Perytlth war einigermaßen beliebt, auch bei den Männern und Frauen, die er zu verraten gedachte. Was den Mann störte, war nur die Tatsache, dass er ihnen nicht verraten durfte, dass ausgerechnet er, der Krüppel, sie ans Messer lieferte. Perytlth konnte nur dann sein schmutziges Geld verdienen, wenn er im Schutze einer völligen Anonymität arbeitete. Einmal von den Gegnern durchschaut, hätte der Mann aufgeben müssen. Die POGIM würde ihn fallen lassen, und was man dann mit Perytlth anstellen würde, war leicht auszurechnen.

Feigheit, gepaart mit einem alles verzehrenden Hass, das waren die herausragenden Charaktermerkmale des Zaliters. Die Feigheit machte ihn vorsichtig, der Hass gefährlich.

Am Rand der großen Raumhäfen, die die Oberfläche von Arkon II bedeckten, gab es für den alten Zaliter genug zu schnüffeln. Für reguläre Polizeieinheiten war es ein Ding der Unmöglichkeit, die riesige Zahl von Menschen genau zu kontrollieren, die täglich auf Arkon landete und wieder abflog. Rings um die Landefläche gab es, wie überall im Imperium, eine unbestimmbare Grauzone, in der die Reden freier geführt wurden als anderswo. Dort war Perytlths Revier.

Auch an diesem Abend war Perytlth unterwegs. Der kleine Gleiter, der ihn trug, war speziell für ihn angefertigt worden, eine Art freibeweglicher Sessel. Antigravfelder hielten die Konstruktion eine Handbreit über dem Erdboden in der Schwebe, so dass Perytlth nur kleine Bewegungen mit der Hand auszuführen brauchte, um sein seltsames Gefährt in Bewegung zu setzen. Das Metall des Krankengleiters war verschrammt und unansehnlich geworden, und aus dem Innern ertönten in unregelmäßigen Abständen Geräusche, die jeden Uneingeweihten vermuten lassen mussten, dass der Reaktor des Gleiters im nächsten Augenblick detonieren würde. Wer Perytlth kannte, wusste aber, dass diese Gefahr einstweilen nicht bestand, obwohl die mechanischen Krämpfe des Gefährts von Mal zu Mal geräuschvoller und bedrohlicher ausfielen.

Perytlth allein wusste, dass die hinfällige Schale einige positronische Finessen enthielt, die für jeden Unvorsichtigen zur tödlichen Falle werden konnte. Manch ein Raumfahrer war Tage nach seiner Verhaftung mit Tonaufzeichnungen konfrontiert worden, die seine staatsfeindlichen Ansichten mehr als deutlich bewiesen. Perytlths klappriger Gleiter verbarg unter anderem auch Geräte, mit denen man Hirnschwingungsdiagramme aufzeichnen konnte, dazu Stimmspektrographen, Kameras und eine ansehnliche Sammlung von Waffen, die Perytlth durch einfachen Knopfdruck betätigen konnte.

Ein Raumfahrer ging pfeifend an Perytlth vorbei, stutzte dann und grüßte den Zaliter mit einer Handbewegung.

»Hier hast du etwas«, rief er und warf Perytlth eine Münze zu.

Perytlth grinste zurück und fing die Münze auf, obwohl ihm die schnelle Bewegung des Armes starke Schmerzen bereitete. Dies war einer der rauen Scherze, die man mit dem Krüppel trieb, vielleicht aus Bosheit, vielleicht aber auch aus Unkenntnis. Perytlth hatte sich nie die Mühe gemacht, seine Mitmenschen genau über seine Krankheit aufzuklären.

Hätte der Raumfahrer den Blick sehen können, den der Krüppel ihm nachschickte, wäre er erschrocken. Perytlth kniff die Augen zusammen, dann drückte er den Fahrthebel leicht nach vorne. Kreischend setzte sich das Fahrzeug in Bewegung; ein kleines Pelztier, das aus einem Kanalrohr hervorlugte, suchte erschreckt das Weite.

Perytlths Weg war in den vergangenen Jahren fast zu einem Ritual geworden. Hätte es keine vollpositronische Zeitabstimmung gegeben, die Wirte hätten ihre Uhren nach Perytlths Auftauchen und Verschwinden stellen können. Stets um die gleiche Zeit erschien der Mann in seinem Stammlokal, bekam seine Almosen, trank etwas und verschwand wieder. Auch die Reihenfolge, in der der Mann seine Stammkneipen aufsuchte, war festgelegt.

Erstes Ziel an jedem Abend war eine jener verrufenen Spelunken, die bevorzugt wurde von einer Sorte Männer, die im Raum tagtäglich ihr Leben aufs Spiel setzten und sich so eine beneidenswerte Freiheit der Gedanken erhalten hatten. Gerade die Besatzungen von privaten Prospektorenschiffen dachten nicht daran, ihre Zungen zu zügeln. Für manchen wurde dieser Leichtsinn verhängnisvoll, andere wiederum blieben ungeschoren, um der POGIM Gelegenheit zu geben, tiefer in die subversiven Kreise einzudringen.

Der Wirt begrüßte Perytlth mit einem freundschaftlichen Handschlag, dann winkte er dem Servierrobot zu, dem Gast etwas zu trinken zu bringen.

»Was machen die Geschäfte, Alter?«, fragte der Wirt und machte es sich in der Nähe des Zaliters bequem. »Wenn du Hunger hast, dann sag es mir.«

Perytlth lächelte. Er hatte lange gebraucht, bis dieses Lächeln so ausfiel, wie er es brauchen konnte. Dank musste zu erkennen sein, ein Schuss melancholischer Weisheit, Resignation – Perytlth konnte sich des Erfolges sicher sein, wenn er dieses Lächeln produzierte.

»Es könnte besser sein«, murmelte Perytlth schwach. »Aber auch wesentlich schlechter. Ich bin's zufrieden. Und du, hast du genügend Umsatz?«

Der Wirt sah flüchtig durch das Lokal, dann zuckte er mit den Schultern.

»Ich habe schon bessere Abende erlebt«, stellte er fest. »Hunger?«

Perytlth schüttelte den Kopf und nahm einen Schluck aus dem Glas, das der Robot neben ihm abgestellt hatte. Anerkennend verzog er das Gesicht.

»Ein guter Tropfen«, lobte der alte Zaliter. »Es würde mich wundern, wäre der Weg, den dieser Wein bis zu deiner Spelunke zurückgelegt hat, ein gerader gewesen.«

Unwillkürlich sah sich der Wirt um, als befürchte er, dass irgend jemand den Alten gehört haben könnte.

»Psst!«, machte der Wirt und sah Perytlth vorwurfsvoll an. »Du weißt, hier haben die Wände Ohren!«

Perytlth grinste unverschämt.

Mit Bemerkungen dieser Art hatte sich der Krüppel den Ruf eines boshaften Spötters und Regimegegners verschafft. Er galt als bissig, aber ungefährlich. Perytlth wusste aus sicherer Quelle, dass bei der nahegelegenen Dienststelle der Hafenpolizei ein umfangreiches Dossier über ihn geführt wurde. Dort hielt man ihn für einen Kritiker des Imperators, und der Alte wusste dieses Image zu schätzen.

»Jeder hier«, behauptete Perytlth anzüglich, »weiß, dass deine Getränke entweder gepanscht oder geschmuggelt sind. Nun ja, mich geht es nichts an. Ich bin nur ein armer, kranker Mann, der für jeden wärmenden Schluck dankbar sein muss.«

In Wirklichkeit hatte der Wirt Perytlth einiges zu verdanken. Der Krüppel, der tagsüber ständig an den Landefeldern herumlungerte und Raumfahrer anbettelte, hatte sich als Schlepper hervorragend bewährt. Hunderte von zahlungskräftigen Gästen waren nur dank der Tipps des Alten in diese Kneipe gekommen und hatten den Kontostand des Wirts erhöht.

Dass sich der Wirt für die Dienste des Krüppels revanchierte, verstand sich von selbst. Allerdings sprachen die beiden Männer nie offen über ihre gegenseitigen Geschäfte; diese Dinge erledigten sich diskret und unbeobachtet fast von selbst. Ab und zu bat der Wirt seinen Gast, bei einem wichtigen Briefstück Kurier zu spielen, und in den Umschlägen fand Perytlth dann das Entgelt für seine Schlepperdienste.

»Irgendwelche neuen Gesichter?«, erkundigte sich Perytlth, während er den heißen, belebenden Wein schlürfte. »Ich habe lange keine gute Geschichte mehr gehört.«

Der Wirt deutete mit einer kaum wahrnehmbaren Handbewegung auf einen Tisch im Hintergrund des weitläufigen Lokals. Das Gasthaus war vierstöckig und bestand aus insgesamt vierzehn verschiedenen Kneipen, Gaststätten und Restaurants, sorgfältig den einzelnen Geschmäckern angepasst. Im Keller befand sich das von den lokalen Behörden stillschweigend geduldete Geheimzimmer, in dem um hohe Einsätze gespielt wurde. Der Tisch, auf den der Wirt gedeutet hatte, gehörte zum Bereich des Lokals, der für das normale Laufpublikum gedacht war, für Männer, die schnell einen Drink nehmen wollten, bevor sie zur Arbeit oder nach Hause gingen. Stammgäste zogen andere Räumlichkeiten des Etablissements vor.

»Ein komischer Vogel«, murmelte der Wirt. »Trinkt nichts, jedenfalls nichts, was Alkohol enthält. Sitzt da, grinst die Leute an und hört allen Gesprächen mit auffallendem Interesse zu. Vielleicht ein Spitzel der POGIM.«

Der Krüppel war daran gewöhnt, sich so wenig zu bewegen, wie es irgend möglich war, da er keine Körperbewegung mehr ausführen konnte, ohne von kleineren oder größeren Schmerzanfällen gepeinigt zu werden. Daher zuckte Perytlth auch nicht zusammen, als der Wirt seinen Verdacht äußerte.

Perytlth spürte, wie ihn Angst befiel. Wenn dieser Unbekannte tatsächlich ein POGIM-Mann war, dann befand sich der alte Zaliter in höchster Gefahr. War es schon soweit, wurde er abgelöst? Brauchte die Geheimpolizei die Dienste des Kranken nicht mehr? Perytlth war nicht so dumm, dass er nicht gewusst hätte, dass er als POGIM-Mann nur so lange von Wert war, wie er für die Untergrundorganisationen und Regimegegner gefährlicher war als für die POGIM. War Perytlth erst einmal von den geheimen Widerstandsorganisationen enttarnt, konnte er höchstens noch POGIM-Geheimnisse ausplaudern, und vor solchen unangenehmen Überraschungen pflegte man sich bei der geheimen Polizei des Imperators recht drastisch und wirkungsvoll zu schützen.

»Wo kommt der Mann her?«, fragte der Spitzel leise. »Ein Arkonide?«

Der Wirt zuckte mit den Schultern und bedeutete dem Robot mit einer Handbewegung, die beiden Gläser wieder aufzufüllen.

»Die Sorte habe ich noch nie gesehen«, behauptete der Wirt. »Arkonide ist er sicher nicht, er hat dunkle Augen und auch dunkles Haar. Zaliter ist er auch nicht. Ich habe in meinem Gedächtnis gesucht, aber ich kenne keine Welt, auf der es solche Männer gibt. Es sei denn, er stammt von einer der Welten, die nur bei Sklavenjägern bekannt sind, aber dann würde er wohl kaum so friedlich hier sitzen. Willst du ihn dir ansehen?«

Perytlth kniff die Augen zusammen.

Was hatte der Wirt mit dieser Frage gemeint, vor allem mit dieser Formulierung? Ahnte er, in wessen Diensten Perytlth stand, war er eingeweiht? Perytlth, durch das Auftauchen des Fremden ohnehin überrascht, wurde nervös. Gerade er, der sich im stillen darüber freute, Angst und Schrecken verbreiten zu können, war für Angst besonders empfänglich. Aber ein schneller Seitenblick auf den Wirt zeigte dem Zaliter, dass der Mann mit seinen Worten keinen Hintergedanken ausdrücken wollte.

»Vielleicht kennt er ein paar neue Geschichten«, hoffte Perytlth und setzte sein Gefährt in Gang. »Ich werde versuchen, mit dem Mann ein Gespräch anzufangen.«

Perytlth sah verstohlen nach der Uhr. Es blieb ihm noch mehr als eine Stunde, bis er, um den Ruf seiner sagenhaften Pünktlichkeit zu rechtfertigen, das Lokal wieder verlassen musste. Langsam schwebte der klapprige Untersatz, der Prothese und Fahrzeug zugleich war, auf den Tisch zu, an dem der Fremde saß.

Das erste, was Perytlth sehen konnte, waren eindrucksvoll breite Schultern. Nein, ein Arkonide war dieser Mann nicht; er konnte sich auch nicht verkleidet haben. Für einen Arkonbürger war er zu klein, zu breit und zu muskulös.

»Darf ich?«, fragte Perytlth unterwürfig.

Der Fremde drehte sich halb herum und sah den Zaliter schnell an, dann lächelte er.

»Natürlich«, sagte der Fremde. »Hier ist schließlich Platz genug.«

Es gab zu diesem Zeitpunkt mehr als zwanzig freie Sitzplätze in dem Lokal, die Perytlth ohnehin nicht hätte in Anspruch nehmen können. Was der Mann in dem Krankengleiter wollte, musste dem Fremden sofort klar gewesen sein. Er änderte seine Sitzposition so, dass er Perytlth ansehen konnte.

Der Zaliter hielt diesem Blick nicht lange stand. Perytlth war kein Psychologe, nicht einmal ein guter Menschenkenner, aber selbst er spürte sofort, dass dieser Fremde kein POGIM-Mann sein konnte. In dem Netz von Ängsten, Schrecken, Terror, Verdächtigungen, offenem und verstecktem Widerstand, in dem Arkon seit der Machtergreifung gefangen war, konnten sich weder Täter noch Opfer auf beiden Seiten einen so offenen Blick leisten.

Der Fremde sah Perytlth freundlich an.

»Darf ich dich zu etwas einladen?«, fragte er.

In diesem Augenblick begann Perytlth den Fremden zu hassen. Natürlich war der Zaliter daran gewohnt, etwas ausgegeben zu bekommen, schließlich gehörte es zu seiner Rolle, seine Mitmenschen anzubetteln. Aber Perytlth hatte immer gewusst, weshalb man ihm etwas zuschob, sei es aus Selbstgerechtigkeit, um ihn loszuwerden, um ihn seine Minderwertigkeit fühlen zu lassen, um ihn auszuhorchen, als Bezahlung für geleistete, illegale Dienste – all diese Motivationen kannte der Zaliter. Dieses Angebot aber war anders; vergeblich suchte der Mann im Blick des Fremden den wohlvertrauten Ausdruck: »Du bist ein armer Hund und ich ein feiner Kerl, da hast du!« In Perytlths Welt, die von Hass und Bosheit, von Feigheit und Niedertracht eingegrenzt wurde, war diese einfache, ungekünstelte Geste nicht vorhanden, und es durfte sie auch nicht geben. Nur solange Perytlth die Möglichkeit hatte, in jedem anderen Menschen den Halunken, kalten Egoisten, den schlechten Charakter zu entdecken, konnte er seine eigene Schlechtigkeit vor sich selbst rechtfertigen.

Perytlth verzog das Gesicht und produzierte sein Standardlächeln Nummer eins.

»Vielen Dank, Bruder«, säuselte er. »Es tut gut, in diesen harten Zeiten einen freundlichen Mitmenschen zu treffen. Sag, Bruder, woher kommst du?«

»Ich weiß es nicht«, sagte der Fremde lächelnd. »Ich bin sozusagen ein galaktisches Findelkind, das von einem großen Geheimnis umgeben wird.«

Perytlth machte ein interessiertes Gesicht. Geheimnisse aller Art liebte er sehr, besonders den Verrat dieser Geheimnisse. Er machte es sich in seiner ambulanten Prothese bequem und hörte dem Fremden fasziniert zu.

 

*

 

Ra wusste selbst nicht, wie er dazu kam, dem offenbar schwerkranken Zaliter solche Märchen aufzutischen. Aber der Barbar hatte ein sicheres Gespür für menschliche Qualitäten, und sein Instinkt sagte ihm, dass sein Gegenüber als Erzschurke zu bezeichnen war. Daher erlegte er sich keine Hemmungen auf.

»Ich wurde vor zwanzig Jahren gefunden«, erzählte er mit gedämpfter Stimme, »und zwar in einem sehr großen Raumschiff, das steuerlos durchs All trieb. Ein Handelskapitän hatte das Schiff gefunden und las mich auf. Mit dem Schiff konnte er nicht viel anfangen, da die Technologie dem, was er kannte, um mindestens fünftausend Jahre voraus war. Das einzige, was er brauchen konnte, war ein Datenband für eine Hypnoschulung. Leider wurde der Frachter auf dem Weg nach Arkon von Maahks erwischt und nahezu völlig zerstört. Der Kapitän starb und mit ihm fast die ganze Besatzung. Auch das Datenband wurde vernichtet. Nur ein alter Raumfahrer und ich überlebten die Tragödie, und dieser Mann, der vor wenigen Wochen gestorben ist, hat mir wenigstens einen Teil des Geheimnisses auf dem Sterbebett enthüllen können.«

Gierig trank Perytlth aus seinem Glas, er konnte kaum mehr erwarten, dass der Fremde weitererzählte.