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Nr. 285

– ATLAN exklusiv Band 146 –

 

Die Rebellin

 

Sie flieht vor Orbanaschols Häschern – und sucht den Kristallprinzen

 

von Marianne Sydow

 

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Das Große Imperium der Arkoniden kämpft erbittert um seine bloße Existenz, denn es muss sich sowohl äußerer als auch innerer Feinde erwehren. Die äußeren Feinde sind die Maahks, deren Raumflotten den Streitkräften des Imperiums schwer zu schaffen machen. Die inneren Feinde Arkons sind die Herrschenden selbst, deren Habgier und Korruption praktisch keine Grenzen kennen.

Gegen diese inneren Feinde ist der Kristallprinz Atlan, der rechtmäßige Thronerbe von Arkon, mit seinen inzwischen rund 14.000 Helfern bereits mehrmals erfolgreich vorgegangen. Seine geheime Zentrale, von der die meisten Aktionen gegen Orbanaschol ihren Anfang nehmen, ist Kraumon.

Auch auf diesem abgelegenen Planeten ist inzwischen bekannt, dass Orbanaschols Position immer unhaltbarer wird. Daher rechnet sich Atlan längst eine reelle Chance aus, den Usurpator zu stürzen, zumal die Sache des Kristallprinzen zunehmend an Popularität gewinnt.

Diese Popularität Atlans führt letztendlich auch dazu, dass Getray von Helonk, eine junge, reiche, schöne und verwöhnte Arkonidin, sich in der Stunde ihrer Not einem Lernprozess zu unterziehen beginnt.

Getray, die bisher nichts von Politik wissen wollte, lernt die Schattenseiten des Daseins auf Arkon kennen, sobald ihr Mann in die Klauen der POGIM gerät. Getray sucht Hilfe bei Atlans Organisation – und sie wird DIE REBELLIN ...

Die Hauptpersonen des Romans

 

 

Getray von Helonk – Eine Arkonidin wird zur Rebellin.

Valtus Kherm – Ein Mann Lebo Axtons.

Atlan und Fartuloon – Der Kristallprinz und der »Bauchaufschneider« unternehmen einen Kontaktflug.

Vlisson – Kommandant des Frachtraumers DAMORC.

Gork – Ein hilfsbereiter Fremder.

1.

 

Fartuloon hatte den großen Vogel höchstpersönlich erlegt und seine Beute mit der größten Sorgfalt behandelt. Gut abgehangen, gerupft und ausgeweidet, mit Kräutern und allerlei anderen Zutaten gefüllt, hatte der Bauchaufschneider diese Delikatesse nicht etwa einem Automaten anvertraut, sondern den Braten über ausgesuchten Hölzern auf einem Spieß stundenlang gedreht. Fartuloon war mit Recht stolz auf sein Werk, als er den duftenden Braten auf den Tisch stellte. Feierlich zerteilte er den Vogel in reichlich bemessene Portionen und ließ sich mit einem zufriedenen Seufzer auf seinem Platz nieder. Erwartungsvoll blickte er in die Runde.

»Was ist los?«, fragte er nach einer Weile ungeduldig. »Hat es euch die Sprache verschlagen?«

»Das Fleisch ist zu heiß«, bemerkte Eiskralle schüchtern. »Ich wage es noch nicht anzufassen. Da schmelzen einem ja die Hände weg!«

Fartuloon brummte ärgerlich und sah zu Morvoner Sprangk hinüber. Sprangk wich den Blicken des Bauchaufschneiders aus. Atlan und Karmina Arthamin starrten den Braten beinahe traurig an, und Corpkor sah noch düsterer drein, als man es von ihm ohnehin schon gewöhnt war.

»Welche Verschwendung«, murmelte der ehemalige Kopfjäger. »Ich hätte ihn dressieren können.«

»Seid ihr alle übergeschnappt?«, fragte Fartuloon wütend. »Corpkor kann ich ja noch verstehen, aber trotzdem ... Ihr seid doch sonst keine Vegetarier! Oder habe ich versehentlich einen zahmen Vogel erwischt?«

Atlan hob den Kopf und sah seinen Pflegevater nachdenklich an.

»Wo mag er jetzt sein?«

Fartuloon zuckte zusammen. Natürlich, das war es. Einer fehlte in dieser Runde. Ra, der Barbar von einem unbekannten Planeten, hatte seiner unstillbaren Sehnsucht nachgegeben und sich auf die Suche nach seiner Heimat gemacht. Ra und Braten dieser Art – das weckte die Erinnerungen, und mit den Bildern aus der Vergangenheit kam die Wehmut. Es war nicht anzunehmen, dass Ra irgendwann zurückkehrte.

»Wenn unser dunkelhäutiger Freund jetzt hier wäre«, sagte Fartuloon grimmig, »hätte er seine Freude an euch. Während ihr wie die Trauerklöße herumsitzt, würde er mit Lichtgeschwindigkeit diesen Vogel skelettieren.«

Er biss in eine Keule und nickte zufrieden.

»Macht, was ihr wollt«, murmelte er mit vollem Mund. »Falls ihr euch zu einem längeren Hungerstreik entschließen solltet, gebt mir rechtzeitig Bescheid. Damit erspart ihr dem Proviantmeister eine Menge Arbeit.« Atlan warf dem Bauchaufschneider einen wütenden Blick zu und nahm sich zögernd ein Stück Fleisch. Natürlich war Fartuloon keineswegs so gefühllos, wie er sich jetzt gab. Außerdem hatte er Recht. Das Leben ging weiter. Die anderen folgten Atlans Beispiel.

»Damit wäre die Gedenkminute also beendet!«, verkündete Fartuloon barsch. »Und damit ist die Gelegenheit gekommen, das zu tun, was vernünftige Leute bei einer guten Mahlzeit zu erledigen pflegen. Unterhalten wir uns über unsere Pläne.«

Atlan holte tief Luft und legte demonstrativ sein knuspriges Flügelstück auf den Teller zurück.

»Schon gut«, brummte Fartuloon. »Wir haben alles hundertmal durchgekaut und sind zu keinem vernünftigen Ergebnis gekommen. Die KAYMUURTES waren ein Fehlschlag. Das werden wir überwinden. Im Imperium ist der Teufel los, und Orbanaschols Thron schwankt gewaltig. Und wir sitzen hier herum, weil wir nicht wissen, wo wir am besten einhaken sollen.«

»Ich habe dir gestern einen Vorschlag gemacht. Wir fliegen nach Arkon. Irgendwie kommen wir durch. Wir haben einen vagen Hinweis auf einen Mann namens Lebo Axton, von dem wir als sicher annehmen können, dass er auf unserer Seite steht. Außerdem hat er großen Einfluss auf das Geschehen im Kristallpalast. Suchen wir ihn also!«

»Du hast den Vorschlag gemacht, und ich habe ihn abgelehnt«, entgegnete Fartuloon gelassen. »Mein Sohn, ich bin ein alter Mann, und Aufregungen gehen nicht mehr spurlos an mir vorüber. Noch einmal möchte ich nicht nach deiner Leiche suchen müssen!«

Karmina Arthamin legte ihre Hand beruhigend auf Atlans Arm.

»Wir brauchen konkrete Hinweise«, sagte sie. »Warten wir noch ein paar Tage. Unsere Kontaktleute werden sich melden, wenn es Neuigkeiten gibt.«

Atlan las in den Gesichtern seiner Freunde wie in einem offenen Buch. Sie alle stimmten diesem Vorschlag zu. Ärgerlich stand er auf und verließ den Raum. Fartuloons Festbraten interessierte ihn plötzlich nicht mehr.

Der geheime Stützpunkt Kraumon drohte aus den Nähten zu platzen. Immer mehr Arkoniden schlugen sich auf die Seite des Kristallprinzen. Es verging kaum ein Tag, ohne dass neue Anhänger Atlans eintrafen. Überall wurde gearbeitet. Schon seit langem reichte das Tal, in dem alles begonnen hatte, nicht mehr aus, um diese vielen Menschen unterzubringen. Auf dem Landefeld stand Atlans Flotte – sie war beängstigend klein, wenn man sie mit dem verglich, was Orbanaschol an Raumschiffen aufbieten konnte. Aber die Männer und Frauen, die sich ständig bereit hielten, diese Schiffe zu bemannen, waren zuverlässig und hervorragend geschult. Jeder von ihnen ersetzte eine ganze Gruppe von normalen Raumsoldaten.

»Warten!«, murmelte Atlan. Er ballte die Fäuste und blickte in den blassblauen Himmel hinauf.

2.

 

Arkon I war zweifellos eine Welt, auf der es sich äußerst bequem leben ließ. Getray von Helonk hatte die Annehmlichkeiten, die die Kristallwelt zu bieten hatte, bisher als selbstverständlich empfunden. Jetzt jedoch erschien ihr der Blick auf die herrliche Parklandschaft beinahe als blanker Hohn.

»Ich kann es nicht glauben, Quetror«, sagte sie. »Sicher irrst du dich. Er hat vielleicht kurzfristig eine Reise antreten müssen und keine Zeit mehr gefunden, uns zu informieren.«

Ihr Bruder lächelte mühsam.

»Es hat keinen Sinn, die Augen vor den Tatsachen zu verschließen, Getray. Dein Mann hat hoch gespielt – und verloren. Ich habe mich umgehört. Viele Mitglieder der ›Macht der Sonnen‹ wurden verhaftet. Helcaar hat sich sehr stark für diese Vereinigung engagiert.«

»Das ist nicht wahr!«, schrie Getray wütend. »Du konntest Helcaar niemals leiden, und darum tischst du mir diese Lügen auf. Was wärest du dabei ohne ihn?«

»Ich hätte vielleicht nicht so viel Geld«, stimmte Quetror gelassen zu. »Dafür aber ein besseres Gewissen. Getray, ich weiß, wie sehr du Helcaar liebst. Aber das ändert nichts daran, dass er keinem Geschäft aus dem Wege geht. Nur durch den indirekten Schutz des Imperators konnte die TUUMAC das werden, was sie jetzt darstellt. Du hast dich niemals um die Geschäfte gekümmert. Du weißt nicht, mit welchen Mitteln dein Mann seine Konkurrenten ausgeschaltet hat, und auf welchen Wegen es ihm gelang, das Vertrauen des Imperators zu erschleichen.«

»Du widersprichst dir selbst!«, sagte die Arkonidin kalt. »Gerade weil er auf den Imperator angewiesen ist, könnte er es nicht wagen, sich jetzt gegen ihn zu stellen. Abgesehen davon glaube ich dir kein Wort. Was Helcaar unternahm, geschah immer zum Wohle des arkonidischen Volkes. Hast du vergessen, welche Unsummen er in die Forschung steckte?«

Quetror erhob sich seufzend. Es war sinnlos, mit seiner Schwester über dieses Thema zu diskutieren.

»Ich habe dir jedenfalls gesagt, was ich erfahren konnte«, erklärte er. »Mehr kann ich nicht für dich tun.«

Getray wandte sich demonstrativ zum Fenster und starrte nach draußen. Sie erwiderte den Gruß ihres Bruders nicht.

Nichts als neidisches Geschwätz, dachte sie verächtlich. Ausgerechnet Helcaar soll an einem Komplott gegen Orbanaschol beteiligt gewesen sein. Quetror muss verrückt sein!

Dennoch blieb die Tatsache bestehen, dass Helcaar Zunth, Besitzer des pharmazeutischen Konzerns TUUMAC, spurlos verschwunden war.

Getray fühlte sich unsicher und hilflos, und darüber ärgerte sie sich gleichzeitig. Sie musste etwas unternehmen – aber was? Irgendwie erschien ihr die Situation unwirklich.

Getray von Helonk war dreißig Jahre alt. Andere Leute hatten in diesem Alter das Leben von allen Seiten kennen gelernt – Getray kannte nur einen Aspekt des Daseins. Aus der verwöhnten Tochter reicher Eltern war die verwöhnte Frau eines reichen Mannes geworden. In Getrays Leben gab es nur einen dunklen Punkt. Nachdem ihr Vater in einem Gefecht gegen die Maahks gefallen war, hatte ihre Mutter den Halt verloren und sich mit Hilfe von Drogen die Gesundheit ruiniert. Von dem einst beträchtlichen Familienvermögen war so gut wie nichts übriggeblieben. Getray war von einer Sklavin erzogen worden – zu ihren Eltern hatte sie wenig Kontakt. Der gewaltsame Tod ihres Vaters hatte sie kaum berührt. Für das Verhalten ihrer Mutter brachte sie niemals auch nur einen Funken von Verständnis auf.

Ihr Leben war bisher so verlaufen, wie jeder adlige Arkonide es sich wünschte. Es gab Spiele aller Art, Zerstreuungen in Form von Festen, Arenakämpfen und gelegentlichen Jagdausflügen. Helcaar Zunth war ein großzügiger Mann. Er konnte es sich leisten. Getray mochte ihre Fehler haben, sie war verspielt und nicht dazu geneigt, das Leben übermäßig ernst zu nehmen, aber sie war treu.

Erst jetzt, nach dem Verschwinden Helcaars, begriff Getray, dass sie diesen Mann wirklich liebte. Und damit stand sie vor einem Problem – zum ersten Mal in ihrem Leben.

Wäre sie nur am Geld interessiert gewesen, so hätte es für sie keinen Grund zur Aufregung gegeben. Ihr hoher Lebensstandard war gesichert. Aber sie wollte nicht das Geld, sondern Helcaar. Bis jetzt hatte Getray immer das bekommen, was sie sich wünschte.

Nach einigem Nachdenken setzte sie sich hin und rief nacheinander ein gutes Dutzend Leute an. Die Informationen, die sie sich auf diesem Wege beschaffte, waren mehr als spärlich. Niemand schien zu wissen, wo Helcaar sich aufhielt oder was mit ihm geschehen war. Allerdings hatte Getray den Eindruck, dass einige ihr nicht die Wahrheit sagten. Sie versuchte, der Sache auf den Grund zu gehen, aber man wich ihr aus. Sie erkannte mühsam verstecktes Mitleid in den Gesichtern ihrer Freunde, und das rief den Trotz in ihr wach.

Eines wusste sie wenigstens mit Sicherheit: Helcaar war tatsächlich nicht überraschend verreist. Sein Luxusgleiter stand in der üblichen Parknische, und seine Raumjacht hatte Arkon I nicht verlassen. Helcaar hatte sich seit Tagen nicht an Bord blicken lassen und der Mannschaft auch keine Befehle übermittelt, die auf eine bevorstehende Reise hindeuteten.

Aber wenn er hier auf Arkon I verschwunden war ...

Unsinn!, dachte Getray energisch.

Sie hatte natürlich davon gehört, auf welche Art und Weise die »Macht der Sonnen« versucht hatte, den inzwischen arg angeschlagenen Imperator durch einen anderen Mann zu ersetzen. Sie wusste auch, dass Orbanaschol alles andere als ein Ehrenmann war. Die Schlappen, die man ihm in letzter Zeit zugefügt hatte, waren nicht geeignet, den Imperator milde und fröhlich zu stimmen. Genau genommen war Orbanaschol zu diesem Zeitpunkt eine reißende Bestie in Menschengestalt.

Sie wollte nur nicht daran glauben, dass Helcaar so unvorsichtig gewesen sein sollte, sich in die Schusslinie zu manövrieren.

Noch nicht.

Getray presste trotzig die Lippen aufeinander, zog sich um und benachrichtigte Toochen, dass sie für einige Stunden das Haus verlassen würde. Der alte Mann, der seit Jahrzehnten in diesem Gebäude die Aufsicht über alle Diener, Roboter und sonstiges Personal ausübte, nahm ihre Anweisungen schweigend entgegen. Zu Getrays Überraschung entfernte er sich jedoch nicht, nachdem sie aufgehört hatte zu sprechen.

»Was gibt es?«, fragte sie ungeduldig.

Toochen senkte verlegen den Kopf.

»Ich mache mir große Sorgen«, gestand er leise. »Sie wissen, dass Helcaar unter meiner Obhut heranwuchs. Ich kenne ihn sehr gut, und es bedrückt mich, dass er eine große Dummheit begangen hat.«

»Was weißt du darüber?«

Toochen lächelte leicht.

»In meinen Kreisen sprechen sich Neuigkeiten schnell herum«, murmelte er.

Getray riss sich zusammen. Toochen war kein gewöhnlicher Diener, den man nach Belieben abkanzeln konnte. Getray wusste schon seit langem, dass Toochen sehr gute Verbindungen zu anderen Dienstboten unterhielt. Es war durchaus möglich, dass Toochens Kontakte sogar bis in den Kristallpalast reichten.

»Helcaar wurde verhaftet«, sagte Toochen bitter. »Ich weiß nicht, wohin man ihn gebracht hat und welches Urteil ihn erwartet, aber ich habe Beweise dafür, dass der Imperator selbst angeordnet hat, Helcaar und eine Gruppe anderer Männer und Frauen festzunehmen.«

Getray starrte den alten Mann fassungslos an. Ihrem Bruder hatte sie diese Geschichte nicht abgenommen, weil sie wusste, wie gespannt die Beziehungen zwischen Quetror und Helcaar waren. Toochen jedoch stand einwandfrei auf ihrer Seite. Er sagte die Wahrheit.

»Aber warum ...«, flüsterte Getray.

»Ich glaube nicht, dass ich Ihnen das lange erklären muss«, sagte Toochen ernst. »Sie kennen die politische Lage und wissen, wie es um den Imperator steht. Er kämpft mit allen Mitteln darum, seine Macht zu behalten. Helcaar war aktives Mitglied der ›Macht der Sonnen‹. Er und seine Freunde wandten sich gegen den Imperator. Die Folgen sind Ihnen bekannt. Ich weiß, dass Sie Helcaar gerne helfen möchten, aber ich fürchte, Sie werden nichts für ihn tun können.«

Getray war nahe daran, die Fassung zu verlieren.

»Ich werde Helcaar finden«, sagte sie schließlich. »Wo immer er auch sein mag. Und wenn ich bis zu Orbanaschol persönlich vordringen muss!«

»Darf ich Sie trotzdem darum bitten, vorsichtig zu sein? Wenn man Sie ebenfalls einsperrt, dann können Sie gar nichts mehr für Helcaar tun.«

Getray dachte darüber nach.

»Ich werde mich vorsehen«, versprach sie. Der alte Mann verneigte sich und verließ lautlos das Zimmer.

 

*

 

Als sie im Gleiter saß und darüber nachdachte, an wen sie sich wenden sollte, wurde ihr bewusst, wie wenig sie über die Verhältnisse informiert war. Sie hatte sich niemals mit Politik beschäftigt. Immerhin war sie klug genug, um zu erkennen, dass sie sich auf einen gefährlichen Weg begeben hatte.

Sie entschied sich dafür, zunächst Orbanaschol und die »Macht der Sonnen« aus dem Spiel zu lassen.

Die Polizeistation in diesem Sektor war relativ klein. Hier wohnten ausschließlich sehr reiche Arkoniden, und diese Leute verließen sich in den seltensten Fällen auf die Beamten. Sie zogen es vor, ihre eigene Sicherheit Leuten in die Hand zu legen, die mit ihnen unter einem Dach wohnten.

»Ich suche meinen Mann«, sagte Getray von Helonk, als sie nach einigen Schwierigkeiten den Chef der Station vor sich hatte. »Er ist verschwunden. Ich habe Grund zu der Annahme, dass er einem Verbrechen zum Opfer gefallen ist.«

Ortruk Sathor leitete die Station seit über zehn Jahren. Er kannte die Leute, die in diesem Sektor wohnten. Darum wusste er auch, dass Helcaar Zunth eine stattliche Anzahl von Leibwächtern besaß – und natürlich war er darüber informiert, dass Zunth in irgendeinem Gefängnis steckte. Die Information hatte er inoffiziell erhalten. Ortruk Sathor war nicht der Typ, der nach Schwierigkeiten suchte. Er wollte keinen Ärger.

»Möchten Sie eine Vermisstenanzeige aufgeben?«, fragte er.

Getray nickte.

»Dann füllen Sie bitte dieses Formular aus«, empfahl Sathor friedlich. »Außerdem brauche ich die ID-Nummer Ihres Mannes, damit der Computer die vorhandenen Daten auswerten kann.«

Getray besah sich das Formular und stellte fest, dass diese Suchmethode nur dann erfolgversprechend war, wenn der Vermisste sich frei bewegen konnte. Und das war bei Helcaar mit einiger Wahrscheinlichkeit nicht der Fall.

»Das hier mag für entsprungene Sklaven taugen«, sagte sie und warf die Folie verächtlich auf den Tisch. »Meinen Mann finden Sie mit dieser Methode ganz sicher nicht.«

»Wie Sie meinen«, murmelte Sathor enttäuscht. »Kann ich sonst noch etwas für Sie tun?«

»Sie sollen ihn suchen!«, schrie Getray wütend. »Ist denn das zuviel verlangt? Wozu sitzen Sie in Ihrem weichen Sessel, he?«

»Nun ...«

»Ich verlange, dass Sie sofort alle Daten an die Zentralspeicher durchgeben«, fuhr Getray mit ziemlicher Lautstärke fort. »Ich will wissen, wo mein Mann ist. Nichts weiter.«

Sathor legte bekümmert die Fingerspitzen aneinander.

»Sehen Sie«, begann er beruhigend, »jeder Bürger hat das Recht, sich frei zu bewegen. Die persönliche Freiheit darf nicht ohne zwingenden Grund eingeschränkt werden. Sie haben keinen schlüssigen Beweis dafür, dass Ihr Mann sich wirklich in einer Notsituation befindet. Vielleicht wäre es ihm sogar äußerst unangenehm, jetzt von der Polizei gesucht und gefunden zu werden.«

Getray verstand die Anspielung sehr gut. Am liebsten wäre sie diesem Mann an die Gurgel gefahren. Nur mit Mühe riss sie sich zusammen.

»Suchen Sie ihn jetzt oder nicht?«, zischte sie.

»Sie brauchen nur das Formular auszufüllen.«