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Nr. 186

– ATLAN exklusiv Band 47 –

 

Die Schlacht von Trantagossa

 

Die Maahks greifen an – und drei Todfeinde begegnen einander

 

von Marianne Sydow

 

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Im Großen Imperium der Arkoniden schreibt man eine Zeit, die auf Terra dem 9. Jahrtausend v. Chr. entspricht. Imperator des Reiches ist Orbanaschol III., ein brutaler und listiger Mann, der seinen Bruder Gonozal VII. töten ließ, um selbst die Nachfolge antreten zu können.

Gegen den Usurpator kämpft Kristallprinz Atlan, der rechtmäßige Thronerbe des Reiches, mit einer stetig wachsenden Zahl von Getreuen und besteht ein gefahrvolles Abenteuer nach dem anderen.

Doch mit dem Tag, da der junge Atlan erstmals Ischtar begegnet, der schönen Varganin, die man die Goldene Göttin nennt, hat er noch anderes zu tun, als sich mit Orbanaschols Schergen herumzuschlagen oder nach dem »Stein der Weisen« zu suchen, dem Kleinod kosmischer Macht.

Atlan – er liebt Ischtar und sucht sie zu schützen – muss sich auch der Nachstellungen Magantillikens erwehren, des Henkers der Varganen, der die Eisige Sphäre mit dem Auftrag verließ, Ischtar unter allen Umständen zur Strecke zu bringen.

Gegenwärtig befindet sich der Kristallprinz erneut in großen Schwierigkeiten. Kaum ist er den Maahks entronnen, da gerät er auf Trantagossa, dem strategisch wichtigen imperialen Flottenstützpunkt, der Amarkavor Heng, einem der Mörder Gonozals, untersteht, in arkonidische Gefangenschaft.

Atlan kann sich in seiner aussichtslosen Lage glücklich schätzen, dass die Maahks gerade zu diesem Zeitpunkt einen Angriff starten, in dem alles drunter und drüber geht. Denn es entbrennt DIE SCHLACHT VON TRANTAGOSSA ...

Die Hauptpersonen des Romans

 

 

Atlan – Der Kristallprinz begegnet zwei Todfeinden.

Amarkavor Heng – Ein Kommandeur, der unter Verfolgungswahn leidet.

Magantilliken – Der Henker der Varganen in einem neuen Körper.

Vreena – Eine Informantin des Geheimdiensts.

Kiran Thas – Sektionschef des Geheimdiensts von Trantagossa.

Tharmiron Obos – Ein Offizier, dem Atlan das Leben rettet.

1.

 

Ich verließ inmitten einer großen Zahl anderer Passagiere die bedrückende Enge einer Transportkapsel, beeilte mich, aus dem Strom von Menschen herauszukommen, der mich mit sich zu reißen drohte und sah mich dann forschend um.

Vor mir lag der Zugang zu einer Freien Zone – einem der wenigen Gebiete Enorketrons, die dem Privatleben vorbehalten blieben. Alle anderen Teile der riesigen Anlagen, die die gesamte Oberfläche des Planeten bedeckten und sich bis tief unter die seichten Meere hinzogen, dienten ausschließlich militärischen Zwecken. Enorketron war eine vom Krieg geprägte Welt, Zentrum des Flottenstützpunkts Trantagossa, der seinerseits einen der drei wichtigsten Nervenknoten des Großen Imperiums darstellte.

Unter anderen Bedingungen wäre es durchaus interessant für mich gewesen, diesen Stützpunkt aus der Nähe kennenzulernen. Aber leider hatte man mir bisher wenig Gelegenheit gegeben, meine Neugier zu befriedigen.

Ich war praktisch als Gefangener nach Enorketron gebracht worden, und es grenzte fast an ein Wunder, dass ich noch lebte. Der Kommandeur dieses Stützpunkts hieß Amarkavor Heng und gehörte zu der Gruppe von Verrätern, die unter der Leitung Orbanaschols meinen Vater, den Imperator Gonozal, ermordet hatten. Mein ehrenwerter Onkel Orbanaschol ließ mich in der ganzen Galaxis suchen und machte auch keinen Hehl daraus, was er mit mir zu tun gedachte. Und nun befand ich mich im Machtbereich eines seiner Spießgesellen, der mich zweifellos mit dem größten Vergnügen dem falschen Imperator ausgeliefert hätte.

Mit viel Glück war es mir gelungen, der unmittelbaren Gefahr zu entfliehen und meine Freiheit zu gewinnen. Ich wusste jedoch, dass diese Freiheit eine sehr fragwürdige Angelegenheit war. Solange es mir nicht gelang, Enorketron zu verlassen und Verbindung mit Fartuloon und den anderen Getreuen aufzunehmen, schwebte ich in Gefahr.

Aber noch einen anderen Mann hatte es nach Enorketron verschlagen. Magantilliken, der varganische Henker, hielt sich irgendwo auf diesem Planeten auf. Er hatte den Körper eines varganischen Schläfers übernommen, den arkonidische Forscher hierhergebracht hatten. Ich nahm als sicher an, dass der Henker einen solchen Schritt nicht freiwillig unternommen hatte. Sein Ziel war es, Ischtar und alle anderen freien Varganen zu töten, die sich außerhalb der rätselhaften Eisigen Sphäre aufhielten. Da keines seiner Opfer auf Enorketron herumirrte, würde er sich bemühen, diese Welt so schnell wie möglich zu verlassen. Darin sah ich meine Chance. Ich musste Magantilliken finden. Für ihn hatte ich einen beträchtlichen Wert als Geisel, darum zweifelte ich nicht daran, dass er mich auf seiner Flucht mitnehmen würde. Ich wiederum sah in Magantilliken die beste Chance, den Machtbereich Amarkavor Hengs unbehelligt zu verlassen und außerdem in Ischtars Nähe zu gelangen. Über sie würde ich dann auch wieder Verbindung mit dem Bauchaufschneider aufnehmen können.

Im Augenblick war ich von diesem Ziel jedoch weit entfernt. Niemand schien zu wissen, wo Magantilliken sich aufhielt. Über den Bildsprechapparat, den ich einem Geheimdienstbeamten abgenommen hatte, konnte ich mich jederzeit über den Fortgang der Fahndung informieren. Man setzte alles daran, den Varganen zu fangen – allerdings ohne den leisesten Erfolg. Magantilliken hatte sich scheinbar in Luft aufgelöst. Nur ein Zufall konnte mich auf seine Spur führen.

Ich hoffte, in den Freien Zonen einen solchen Hinweis zu finden, auch wenn mein Extrahirn mich ständig darüber belehrte, wie gering die Wahrscheinlichkeit dafür war, dass mir der Henker über den Weg lief.

Ich schlenderte über den Platz vor der Transportstation. Vor mir lag ein Gewirr subplanetarischer Straßen, an die sich Massenquartiere und Vergnügungsstätten anschlossen. Die Oberfläche Enorketrons lag weit über mir. Dort oben gab es nichts als gigantische Raumhäfen und die dazugehörigen technischen Anlagen.

Im Augenblick fühlte ich mich relativ sicher. Ich war zwar nur unzureichend maskiert, aber in dieser Masse von Menschen würde ich kaum auffallen. Ich trug eine ganz gewöhnliche Kombination, und meine ID-Karte würde zwar einer genauen Überprüfung nicht standhalten, reichte jedoch aus, um die normalen öffentlichen Anlagen zu benutzen. Dank der Hilfe einer älteren Arkonidin namens Gajana verfügte ich sogar über etwas Geld.

Ich betrachtete das Treiben um mich herum und überlegte, wo ich am ehesten etwas über Magantilliken erfahren würde.

Er war hier in der Nähe aufgetaucht, wie ich aus den Geheimnachrichten wusste. Aber dann hatte man seine Spur verloren. Ich nahm an, dass er sich irgendwie Informationen über Enorketron und das Trantagossa-System verschafft hatte.

An wen konnte er sich gewendet haben?

Bei jedem Soldaten, jedem Mädchen, deren Lachen aus den Trinkstuben drang, konnte es sich um die Kontaktperson des Henkers handeln. Allmählich begriff ich selbst, wie wenig Aussichten ich hatte, zufällig den richtigen Weg zu finden. Gleichzeitig überfiel mich eine ungeheure Wut. Seitdem ich Kraumon verlassen hatte, um mich in die Gewalt des Henkers zu begeben und so das Leben Ischtars und unseres Sohnes Chapat zu retten, wurde ich wie ein Spielball zwischen den verschiedensten Mächten hin und her geschleudert.

So konnte es nicht weitergehen! Ich musste endlich aus dieser Mühle von Schicksalsschlägen hinaus.

Wo soll ich anfangen?, richtete ich einen Gedanken an die Adresse des Extrahirns. Aber ausgerechnet jetzt verhielt sich der Logiksektor schweigsam. Dann eben nicht, dachte ich grimmig, und gleichzeitig hatte ich einen Einfall.

Magantilliken würde sich schon aus Vorsicht nicht an einen Offizier gewendet haben. Ich vermutete zwar, dass er die Möglichkeit besaß, seinen Gesprächspartnern die Erinnerung an den Inhalt einer Unterhaltung zu nehmen, aber das dauerte seine Zeit, und Offiziere laufen normalerweise nicht ohne ihre Waffe herum.

Ich versuchte, mich systematisch in die Rolle des Henkers zu versetzen. Immerhin hatte ich dem hiesigen Geheimdienst gegenüber einen großen Vorteil – ich kannte den Varganen von früher.

Wie auf den meisten vom Militär bestimmten Welten, so gab es auch auf Enorketron zahlreiche Bordelle unterschiedlicher Preisklasse. Männer, die monatelang im Raum unter härtesten Bedingungen bestehen müssen, brauchen ab und zu die Gelegenheit, sich gründlich auszutoben. Und so mancher plauderte in trauter Zweisamkeit Geheimnisse aus, die er besser für sich behalten hätte. Auch Magantilliken dürfte über diese Dinge informiert sein. Er konnte also sicher sein, dass eines dieser Mädchen ihm alle Informationen zu liefern vermochte, die er sich wünschte. Allerdings würde er sich nicht an eine dieser Damen heranmachen, die nur mit den unteren Diensträngen Kontakt hatte und dementsprechend lediglich das übliche Raumfahrerlatein zu hören bekam. Offiziere treffen sich entweder in ihnen vorbehaltenen Kasinos, oder sie suchen Etablissements oberhalb einer gewissen Preisgrenze auf.

Aus diesen Überlegungen heraus klapperte ich verschiedene Lokale ab, von denen mir jedoch keines als wirklich vielversprechend erschien. Dann aber gelangte ich an einen Raum, der mich geradezu magisch anzog.

Hier waren alle Voraussetzungen gegeben. Eintrittsgeld brauchte nicht bezahlt zu werden. Aber allein die Innenausstattung machte mir klar, dass ein gewöhnlicher Soldat sich den Aufenthalt in diesem Lokal nicht erlauben durfte.

Ich zögerte nicht länger, sondern trat ein.

Um mir eine Gesellschafterin zu besorgen, brauchte ich nichts weiter zu tun, als einen Knopf zu betätigen. Ich bestellte ein ziemlich teures Getränk und schob jeden Gedanken an meine nicht gerade umfangreiche Barschaft zur Seite. Schon nach wenigen Minuten tauchte eine junge Arkonidin am Eingang der Nische auf.

Ich hatte keinen genauen Plan. Es war auf jeden Fall aussichtslos, diese junge Dame schlichtweg zu fragen, ob sie den Varganen kannte. Aber ich vertraute auf den Zufall, der mir schon oft geholfen hatte. Nach einer minutenlangen, absolut uninteressanten Unterhaltung wurde ich bereits weniger zuversichtlich.

Zeig ihr das Bild!, meldete sich plötzlich das Extrahirn.

Mir war im ersten Moment gar nicht klar, was damit gemeint war, dann begriff ich.

Enorketron war ein Planet, auf dem man nirgends vor Beobachtung sicher war, das hatte ich bereits erfahren. Amarkavor Heng schien unter Verfolgungswahn zu leiden. Seine Spionanlagen waren überall verteilt. Diese Fülle von Informationen über die Stimmung unter den Soldaten und der Bevölkerung wurde durch die Berichte von zahllosen Geheimdienstbeamten ergänzt. Aus eigener schlechter Erfahrung hatte ich gelernt, dass es hierzulande gefährlich war, auch nur einem Menschen zu vertrauen. Die Spitzel mischten sich mit erstaunlicher Geschicklichkeit unter das Volk. Gewiss hatten die Mädchen in diesem Lokal des Öfteren Gäste dieser Art. Meine neue Bekannte würde also kaum etwas dabei finden, wenn auch ich mich als Angehöriger dieser Lauschertruppe entpuppte.

»Entschuldige einen Moment«, lächelte ich sie freundlich an. »Die Pflicht ruft!«

Ohne weitere Umstände zog ich das kleine Funkgerät aus der Tasche. Auf einen Tastendruck hin erhellte sich der winzige Bildschirm. Wie ich gehofft hatte, lief die Fahndung nach Magantilliken noch immer auf Hochtouren. Das scharfgeschnittene Gesicht mit den wulstigen Lippen wurde immer wieder gezeigt. So auch jetzt.

Ich hielt das Gerät so, dass meine Gefährtin es sehen musste, und an der Art, wie sie überrascht die Luft durch die Zähne zog, erkannte ich, dass dieses von langen, goldenen Haaren umrahmte Gesicht ihr nicht unbekannt war.

»Kennst du den Burschen etwa?«, fragte ich sie, und ich bemühte mich, nicht allzu interessiert zu wirken.

»Er war hier«, nickte sie. »In dieser Nische.«

»Hast du dich mit ihm unterhalten?«, stieß ich sofort nach.

»Nein. Aber das Mädchen, das bei ihm war, beschwerte sich hinterher über ihn. Er bestellte nicht einmal etwas zu trinken.«

»Sagte sie, worüber er mit ihr gesprochen hat?«

»Nur über ganz belanglose Dinge. Es gibt manchmal solche Gäste. Meistens sind es Soldaten, die zwar kein Geld haben, aber trotzdem einmal hier hereinschauen möchten.«

»Wie heißt du?«

»Thiendris«, flüsterte sie, und ich merkte, dass sie plötzlich Angst vor mir hatte. Vermutlich rechnete sie damit, dass ich ihr Schwierigkeiten bereitete.

»Gut, Thiendris«, sagte ich langsam. »Dieser Fremde ist ein sehr gefährlicher Mann. Der Geheimdienst sucht ihn verzweifelt, aber bis jetzt hat man seine Spur noch nicht gefunden. Es kann sein, dass er in seinem Gespräch seine weiteren Absichten zumindest angedeutet hat. Ich muss wissen, welche Fragen er gestellt hat. Wenn es mir gelingt, einen Hinweis zu liefern, sollst auch du deinen Vorteil davon haben.«

Sie war jetzt um vieles zurückhaltender als vorher, aber das Angebot lockte sie. Sie überlegte kurz, dann meinte sie:

»Ich kann das Mädchen herholen. Es heißt Vreena, und ich weiß, dass sie dir alle Fragen so gut beantworten wird, wie sie nur kann.«

Ich versprach mir nicht viel von diesem Versuch, aber es konnte auch nichts schaden. Vreena kam und ließ sich von Thiendris kurz erklären, worum es ging. Ich beobachtete ihr Gesicht und wusste, dass meine Ahnung mich nicht getäuscht hatte.

»Ich kann mich nicht genau daran erinnern, was der Fremde eigentlich wollte«, sagte sie schließlich achselzuckend. »Er redete alles mögliche, das übliche Geschwätz eben. Mehr weiß ich nicht. Es kommen so viele Gäste ...«

Ich nickte. Vreenas Erklärung war gut, aber in meinen Augen nicht glaubhaft. Sie selbst hatte den Inhalt des Gesprächs vergessen. Aber ich war sicher, dass der Henker sich nicht über Belanglosigkeiten mit ihr unterhalten hatte. Die Frage war nur, wie ich den wirklichen Gesprächsstoff in Erfahrung bringen konnte. Hätte ich wirklich zum Geheimdienst gehört, so wäre das kein Problem gewesen. So jedoch musste ich mir etwas einfallen lassen.

»Die Gespräche in den Nischen werden doch sicher irgendwo aufgezeichnet«, murmelte ich, und Thiendris nickte eifrig.

»Ja. Aber nur Ihre Kollegen haben Zutritt zu diesem Raum. Ich kann Sie hinführen.«

Ich überlegte blitzschnell. Wenn ich erst vor der fraglichen Tür stand, würde das Mädchen von mir erwarten, dass ich mir mit einer Dienstplakette umgehend Eintritt verschaffte. Tat ich das nicht, dann musste sie misstrauisch werden. Mir war das zu gefährlich. Selbst hier durfte ich nicht sicher sein, dass nicht eines dieser reizenden jungen Mädchen zu der Garde von Spitzeln gehörte.

Ich schlug das Angebot also aus und meinte, ich würde das meinen »Kollegen« überlassen. Wichtig sei ja nur, dass ich überhaupt einen Hinweis gefunden hatte.

»Dann kann ich jetzt gehen?«, fragte Vreena, und ich nickte gnädig.

Thiendris blieb bei mir, und da ich die kurze Rast dazu benutzen wollte, mich unauffällig weiter über die ziemlich seltsamen Verhältnisse auf Enorketron zu informieren, waren wir bald in ein lebhaftes Gespräch vertieft, bei dem ich selbst wenig redete, dafür jedoch um so besser zuhörte.

Erst nach einer ganzen Weile kam mir zu Bewusstsein, dass jede Minute, die ich in dieser komfortablen Nische verbrachte, mich einen Teil meines Geldes kostete. So stand ich auf, um mich zu verabschieden. Und genau in diesem Moment sah ich Vreena, sie ging auf die Tür zu und begrüßte dort zwei Arkoniden, die zwar keine Uniform trugen, aber dafür ihre Impulsstrahler in der Hand hielten.

Das galt mir!

Ich hatte keine Ahnung, warum das Mädchen Verdacht geschöpft hatte, und es war mir auch ziemlich egal. Ich wusste nur eines: Ich durfte mich auf nichts einlassen, was mich in Kontakt zu dem allgegenwärtigen Geheimdienst brachte. Ich sah mich kurz nach Thiendris um – sie war damit beschäftigt, ihr Glas zu leeren und achtete nicht auf mich. Sie schien mit der ganzen Aktion nichts zu tun zu haben. Aber sie würde mir auch kaum helfen, abgesehen davon, dass die Zeit sehr knapp war.

Im Raum herrschte nur schwaches Dämmerlicht. Grelle Lichtbahnen in verschiedenen Farben zuckten über den schwarzen Platz in der Mitte, auf dem eine Gruppe von Tänzerinnen ihre akrobatischen Verrenkungen vollführte. Hell war es lediglich am Eingang, wo durch die offenstehende Tür Licht aus dem Gang hereinfiel. Vreena zeigte jetzt in die Richtung der Nische, und die beiden Männer setzten sich in Bewegung.

Ich tat es ihnen nach. Da sie – um nicht unnötiges Aufsehen zu erregen – die Tanzfläche umgingen, blieb mir nur der Weg in die entgegengesetzte Richtung. Ich machte mir jedoch keine Hoffnung, dass etwa der Ausgang unbewacht geblieben war. In diesem Fall hätten die beiden sich getrennt, um mir keine Fluchtmöglichkeit zu lassen.

Nachdem ich fast ein Viertel der Tanzfläche umschritten hatte, entdeckte ich zwischen zwei Nischen ein matt glimmendes Schild. Kurz entschlossen nutzte ich den Hinweis und stand gleich darauf in einem Waschraum. Auf den ersten Blick schien es, als hätte ich mich nun erst recht in eine hermetisch abgeschlossene Falle begeben, aber noch gab ich nicht auf. Ich erinnerte mich an Shelon, jenen Agenten, der mir zum Schein zur Flucht verholfen hatte, in der Absicht, mich anschließend seinen Spießgesellen zu übergeben. Es war ihm nicht gelungen, aber ich hatte durch ihn gelernt, dass es auf Enorketron nicht nur die offiziellen Gänge gab, sondern auch ein Gewirr von Reparaturschächten, die ziemlich leicht zugänglich waren.

Hastig sah ich mich um und entdeckte tatsächlich in einem Toilettenraum einen quadratischen Schachtdeckel. Shelons kleines Vielzweckwerkzeug steckte immer noch in meiner Tasche. Wenn es ihm gelungen war, mit diesem Ding den Verschluss eines ähnlichen Deckels zu öffnen, musste ich das wohl auch fertig bringen.

Das Schloss widerstand mir nur wenige Sekunden, dann klappte der Deckel nach unten weg. Ich sah ein paar metallene Sprossen in der Wand unter mir und kletterte in den Schacht. Den Deckel wieder zu schließen war gar nicht so einfach, aber endlich hörte ich ein leises Klicken. Ich überzeugte mich davon, dass die Falltür fest eingeklinkt war, dann stieg ich in der absoluten Dunkelheit abwärts, bis ich wieder festen Boden unter den Füßen hatte.

Nach kurzem Suchen hatte ich den Schalter für die Notbeleuchtung ertastet. Ich lauschte einige Sekunden lang mit angehaltenem Atem – oben blieb alles ruhig. Entschlossen drückte ich den Kontakt herunter. Einzelne, weit verteilte Lampen flammten auf und spendeten ein trübes Licht. Ich rannte los.

 

*

 

Kiran Thas hatte große Sorgen. Er war einer von insgesamt zwanzig Sektionschefs, die auf Enorketron den von Amarkavor Heng aufgezogenen Geheimdienst leiteten.

Im Augenblick hätte Thas viel darum gegeben, diesen Posten verlassen zu können. Es schien, als hätte er eine gewaltige Pechsträhne erwischt.

Es begann damit, dass ein junger Bursche namens Vregh Brathon sich mit unglaublichem Geschick einem Verhör entzog. Zwar hatte Thas die Verantwortlichen aufgespürt und sie auch bestraft, aber das änderte nichts an der Tatsache, dass Brathon unauffindbar blieb. Der Leiter eines Hangars, der diesem Burschen durch seine Unaufmerksamkeit die Flucht in ein Lazarett ermöglicht hatte, tat jetzt auf einem sehr unangenehmen Posten Dienst, und ein Agent namens Shelon grübelte zur Zeit in einer Arrestzelle darüber nach, wie es möglich war, dass ein junger Bursche ihn – den trainierten Kämpfer – auf so schmähliche Weise hatte besiegen können. Die verräterische Ärztin, die Vregh Brathon aus einem Lazarett geschleust hatte, war besonders hart bestraft worden – sie befand sich jetzt auf einem Schlachtschiff.