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Lektorat: Dino Beck

Druck: Theiss (www.theiss.at)

Gesetzt in Premiéra

eBook-ISBN 978-3-99001-082-2

eBook-Herstellung und Auslieferung:
Brockhaus Commission, Kornwestheim

Er sei, tobte im Frühling 2013 ein junger, gar nicht unbegabter österreichischer Journalist auf seinem Blog, in seinem ganzen Leben »noch nie so respektlos und miserabel behandelt worden … Ich bin wütend. Ich bin enttäuscht. Es tut verdammt weh …«

Ursache der argen Seelenpein des Mannes war ein in der Tat etwas herzlos geratenes Schreiben des österreichischen Staatsfernsehens ORF gewesen, in dem ihm beschieden wurde: »Wir bedauern sehr, Ihnen mitteilen zu müssen, dass das Traineeship, für welches Sie sich beworben haben, leider nicht stattfinden wird.

Für Ihr Engagement sowie für Ihre Geduld beim Warten auf die Entscheidung danken wir Ihnen sehr herzlich. Falls wir 2014 ein solches Traineeship anbieten, finden Sie die Informationen dazu im Dezember auf jobs.orf.at. Wir wünschen Ihnen für Ihren weiteren Weg alles Gute!«

Grund der Absage war nicht etwa die mangelnde Qualifikation des jungen Mannes gewesen – die hatte er einem aufwändigen Auswahlverfahren bereits unter Beweis gestellt – sondern eine Entscheidung des Senders, doch keine derartigen Praktikanten einzustellen. Blöd gelaufen, sozusagen.

Verständlich ist da ja bis zu einem gewissen Grad, dass der verhinderte Trainee sich nicht eben gut behandelt fühlte und darob eher schlechte Laune aufriss.

Was aber bringt jemanden dazu, so mimosenhaft, heulsusig und vor allem völlig ohne jedes Gefühl für angemessene Proportionen derart emotional zu hyperventilieren – und das noch dazu in aller Öffentlichkeit? Es tut verdammt weh?

Selbst Armin Wolf, Anchorman des ORF und wohl bekanntester Fernsehjournalist des Landes, konnte es sich nicht verkneifen, dem Sensibelchen auf Facebook einen kleinen Reality-Check zu spendieren: »Ich habe mal – mit einigen sehr engagierten, tollen Kollegen – ein Jahr lang an einem Web-Projekt gearbeitet, das dann nicht zustande kam, weil das Budget letztlich doch nicht vorhanden war«, schrieb Wolf. »Nicht ideal, echt nicht lustig, viel verlorene Arbeits- und Lebenszeit, aber das passiert in Unternehmen. Man ärgert sich trotzdem – und das zu Recht.

Aber: ›Ich wurde in meinem Leben noch nie so respektlos und miserabel behandelt‹?

Echt jetzt? Ist das Ihr Ernst?

Eine vergebliche Bewerbung, ein ebenso vergebliches Assessment, eine durchaus höfliche Absage – das ist die miserabelste Behandlung eines ganzen Lebens?

Ich muss jetzt mal etwas leicht Polemisches sagen: Herr Kollege, ich fürchte, Sie müssen sich für Ihr Berufsleben eventuell noch auf ein paar Enttäuschungen einstellen, die deutlich größer ausfallen können.«

Das stimmt natürlich. Doch das gilt freilich nicht nur für unseren armen verhinderten Trainee und auch nicht nur für das Erwerbsleben. Was auf den ersten Blick wie die leichte Übersensibilität eines vielleicht emotional noch nicht ganz austarierten jungen Mannes erscheinen mag, ist nämlich nicht eben unsymptomatisch für die Befindlichkeit erheblicher Teile der Bevölkerung und der politischen Eliten in den westlichen Sozialstaaten des frühen 21. Jahrhunderts. »Wütend«, »betroffen« und »enttäuscht« zu sein, auf was und von was auch immer im Einzelnen, ist zu einem Massenphänomen geworden, das sich längst dem Gesetz von Ursache und Wirkung entzogen hat und zu einer Art frei schwebenden Befindlichkeit geworden ist.

Ausgerechnet jener Teil der Welt, dessen Bewohner vor den Unannehmlichkeiten des Lebens vom fürsorglichen Nanny-Staat weit umfänglicher, aufwändiger und kostspieliger beschützt werden als alle anderen Menschen auf diesem Planeten, entwickelt sich immer mehr zu einer Zone der Weinerlichkeit, des Jammerns und der weitgehenden Unwilligkeit, die Unbilden des Daseins mit angemessener Gelassenheit hinzunehmen. Und zwar quer über nahezu alle sozialen, regionalen oder Altersgruppen hinweg. Alle Menschen werden Brüder – aber Brüder im Geiste einer unglaublichen Wehleidigkeit.

Man muss sich nur eine der zahllosen TV-Quasselshows des deutschen Sprachraums ansehen, um das Ausmaß des Leidens erfassen zu können, das angeblich Europa erfasst hat. Die Jugend? Eine verlorene Generation. Die Alten? Von Altersarmut, Alzheimer und Mangel an Pflegern bedroht. Deutsche und Österreicher? Müssen für die faulen Südeuropäer zahlen. Griechen und Portugiesen? Werden von den Troika-Faschisten unterdrückt. Reiche? Werden enteignet. Arme? Verarmen. Arbeitgeber? Bekommen keine guten Arbeiter mehr. Arbeiter? Haben in halb Europa keine Arbeit. Sparer? Bekommen keine Zinsen. Kreditnehmer? Bekommen keinen Kredit mehr. Schüler? Klagen über Lehrer. Lehrer? Klagen über Schüler. Und so weiter und so weiter ohne Ende, die Gegenwart ein nicht enden wollendes Jammertal, in dem das blanke Elend regiert und dessen Bewohner ausschließlich Angehörige irgendeiner (oder noch besser gleich mehrerer davon) schwer benachteiligten Minderheit sind.

Kleiner Einschub: Ein ganz besonderes Talent, mimosenhafte Wehleidigkeit zum Lebensstil zu machen, zeigen übrigens regelmäßig ausgerechnet diejenigen, die den jungen Menschen eigentlich die zum Überleben im Dschungel des 21. Jahrhunderts notwendige Härte beibringen sollten – die Lehrer. Wann immer dieser Berufsgruppe eine kleine Änderung ihrer Arbeitsbedingungen zugemutet werden soll, verfallen deren Angehörige in kollektive Heulkrämpfe, als sollten sie künftig im Uranbergbau Untertagearbeit leisten. »Es ist schon jetzt so, dass es im Lehrerbereich einen sehr hohen Anteil von teilbeschäftigten Personen gibt. Das liegt in erster Linie daran, dass es die Leute nicht aushalten, so viel zu arbeiten …«, greinte etwa ein österreichischer Lehrergewerkschafter angesichts der von der Regierung angedrohten Zumutung, die wöchentliche Unterrichtsverpflichtung des Lehrkörpers auf brutale 26 Stunden pro Woche zu erhöhen. Angesichts von nur rund 180 unterrichtsfreien Tagen pro Jahr für österreichische Lehrer ja wirklich ein Grund, in konvulsivische Heulkrämpfe zu verfallen.

Das Einzige, worin sich alle die Benachteiligten, sozial Entrechteten und sonstwie Geschundenen einig sind: »Der Staat« soll zahlen, wegen der Gerechtigkeit und des sozialen Ausgleichs, und überhaupt.

Ganz prächtig gedeihen Weinerlichkeit, die Kunst des Betroffenheitsposierens und als Mitgefühl verkleidete Larmoyanz auch dort, wo im katholischen (in Österreich eher) oder evangelischen Milieu (in Deutschland verbreitet) Feste der Rührseligkeit und der Betroffenheit gefeiert werden, bei denen unter den Überschriften »Armut« oder »Ungerechtigkeit« oder »Sozialer Ausgleich« oder so ähnlich des Jammerns kein Ende ist. »So viel Müll. So viel Ungerechtigkeit. So viel Bomben. So viel Gezocke. So viel Gewissenlosigkeit. So viel – was kein Mensch braucht«, greinte etwa beim evangelischen Kirchentag 2013 die Hamburger Bischöfin Kerstin Fehrs geradezu artentypisch – eh, nur leider schaffen die Betroffenheitstsunamis keine Tonne Müll weg, beseitigen keine Bombe und hindern niemand am Zocken. »Lange vorbei sind die Zeiten, in denen Protestanten stolz drauf waren, dass der Geist des Protestantismus auch immer der Geist des Kapitalismus war, weil beide auf die Autonomie des Individuums setzen und auf Eigenverantwortlichkeit. Protestantismus, das hieß einmal euphorische Bejahung der Moderne, der Industrialisierung, der Emanzipationskraft, die allein der Kapitalismus bereit stellt, indem er tradierte, repressive und – nicht selten katholische – vormoderne Strukturen zerschlägt«, notierte da zu Recht Alexander Grau im Magazin »Cicero«, und spottete: »Wäre der Kirchentag lediglich die Hauptversammlung der Rührseligen und Harmoniesüchtigen, die ergriffen Kerzchen über die Elbe schaukeln lassen, man könnte ihn als Folkloreveranstaltung abtun. Doch hinter der süßlichen Rhetorik verbirgt sich ein moralischer Fundamentalismus … (um) all jene zu missionieren, die nicht geneigt und nicht willens sind, die heilige Dreifaltigkeit aus Antikapitalismus, Pazifismus und Ökologismus anzubeten.«

Nicht, dass es all diese in einer medialen Endlosschleife beklagten Schwierigkeiten, Unzulänglichkeiten und Problemzonen nicht bis zu einem gewissen Grad tatsächlich gäbe. Was freilich zunehmend wirklich ganz enorm nervt, ist die Weinerlichkeit und Larmoyanz, mit der diese Probleme im öffentlichen Raum abgehandelt werden, resultierend in einer zunehmenden Unfähigkeit und Unwilligkeit der Politik, gelegentlich harte aber notwendige Entscheidungen zu treffen.

Könnte ja irgendjemand zu heulen beginnen.

Anstatt etwa die enorme Verlängerung der menschlichen Lebenserwartung als ganz wunderbare Entwicklung zu feiern, wird so die daraus resultierende logische Notwendigkeit, eben auch länger arbeiten zu müssen, wehklagend als Zumutung empfunden.

Anstatt den Aufstieg Chinas zu den prosperierenden Regionen als gewaltige Chance für den Export unserer Produkte und Fertigkeiten zu betrachten, wird über den zusätzlichen Wettbewerb mieselsüchtig gemotzt.

Anstatt neue Möglichkeiten der Energiegewinnung – wie etwa das »Fracking« – als unerwartete Wachstumstreiber zu nutzen, verwenden wir sie vor allem, um unsere neurotischen Umwelt-Allüren zu kultivieren.

Weltmeister sind wir in der Fähigkeit geworden, Fortschritt im Zweifel als Bedrohung zu verstehen, vor der wir ängstlich zurückzuweichen haben.

Gespeist wird diese wenig zukunftsfreudige Mentalität nicht zuletzt von der im ganzen deutschen Kulturraum bis heute feststellbaren Neigung, sich mit Vergnügen zu Tode zu fürchten, vor was auch immer. Jene »German Angst«, die in ihrer österreichischen Version mit einem Schuss Übellaunigkeit und nonchalanter Ignoranz durchmischt ist, stellt einen höchst wirkungsvollen Treibstoff für die Betroffenheits- und Weinerlichkeitskraftwerke da. Denn wer sich dauernd vor irgendetwas fürchtet, dem wird auch verlässlich Grund geliefert werden, den Zustand der Welt zu beklagen. Diese »German Angst« ist der einzige Rohstoff, der zwischen Nordsee und Wörthersee in schier unbegrenzten Mengen vorhanden ist: Angst vor dem Atom, Angst vor dem Gen, Angst vor dem Klimawandel – schier unerschöpflich erscheint das deutsche Angstrepertoire. Eine Attitüde mit Tradition übrigens: »Wir schreiben den 7. Dezember 1835. In Deutschland findet eine kleine Revolution statt: Die erste deutsche Eisenbahn fährt von Nürnberg nach Fürth. Die Bevölkerung jedoch jubelt keineswegs angesichts dieser technischen Neuerung. Stattdessen hat sie Angst. Angst vor dem Explodieren der Dampfkessel. Angst davor, der vorüberfahrende Zug könnte das Vieh auf der Weide unfruchtbar machen. Angst vor der Geschwindigkeit von 35 Stundenkilometern, von der Menschen in Ohnmacht fallen könnten.

176 Jahre später hat sich scheinbar wenig geändert. Bedenkenträgerei, Panikmache und das Schüren von Ängsten gehören immer noch zur deutschen Volksseele und lassen den Alltag oft gefährlich und wenig ermutigend aussehen.« (Der deutsche Publizist Carsten Tergast)

Man kann sich des Eindrucks nicht wirklich erwehren: Würde man die heutigen Bewohner Deutschlands oder Österreichs samt ihrer politischen Klasse mit einer Zeitmaschine ins Jahr 1945 zurückbeamen, würden sie dort vermutlich nicht mit dem Wiederaufbau ihrer zerstörten Länder beginnen, sondern heulend zusammenbrechen und in flugs gegründeten Betroffenengruppen lauthals ihr Schicksal beklagen (diesfalls freilich ja auch völlig zu Recht).

Dass hingegen die Kinder und die Enkelkinder jener Generation, die vor mehr als einem halben Jahrhundert tatsächlich Grund gehabt hätte, ihre Lebensumstände zu beklagen, heute schon »wütend und enttäuscht« sind, wenn ihnen das Leben mal einen Absagebrief zukommen lässt, muss als Form der psychischen wie intellektuellen Verweichlichung gedeutet werden, einer Unfähigkeit oder Unwilligkeit also, erheblich Anstrengungen zu unternehmen, Niederlagen oder Verluste hinzunehmen und eine gewisse Schmerzresistenz gegenüber den Zumutungen und Ungerechtigkeiten des menschlichen Daseins hinzunehmen. So, wie wir uns daran gewöhnt haben – und daran gewöhnt worden sind –, jedes kleine Wehwehchen sofort mit Schmerzkillern aus der Welt zu schaffen, neigen wir immer mehr dazu, jede kleinste Beeinträchtigung unserer Komfortzone als nicht hinnehmbare Zumutung zu verstehen, die gefälligst vom Staat beseitigt werden muss. Und zwar sofort, wenn geht.

Es ist also letztlich ein Mangel an für das menschliche Überleben notwendiger Härte – primär gegen sich selbst, aber auch anderen gegenüber, wenn es denn sein muss –, der jene Weinerlichkeitskultur erzeugt und befördert, in der Empathie mehr zählt als Ergebnisse, Betroffenheit zur Bürgerpflicht wird und die Fähigkeit politischer Amtsträger, öffentlich zu heulen, gelegentlich mehr zu zählen scheint als ihre Fähigkeit, gediegene Entscheidungen zu fällen.

Wie weit der Prozess der Verweichlichung auch und gerade unserer politischen Eliten vorangeschritten ist, kann besonders gut beobachtet werden, wenn die sich außerplanmäßig aus ihren Ämtern verabschieden müssen. Karl-Theodor zu Guttenberg etwa, als deutscher Bundesverteidigungsminister immerhin verantwortlich gewesen für das Leben und Sterben deutscher Soldaten im Krieg am Hindukusch, war bei seinem Rücktritt am 1. März 2011 offenkundig so von der eigenen Bedeutung überwältigt, dass er die Tränen kaum halten konnte. Als er seinen Rücktritt damit begründete, »am Ende seiner Kräfte« zu sein, bloß weil er angesichts seiner gemogelten Dissertation in die öffentliche Kritik geraten war, mag man das menschlich sympathisch finden – oder schlicht als Mangel an der einem derartigen Amt angemessenen Härte gegen sich selbst verstehen.

Dergleichen ist neuerdings immer öfter zu besichtigen. Auch die damalige Salzburger Landeschefin Gabriele Burgstaller hatte am 12. November 2012, ihren wegen eines gewaltigen Finanzskandals nahenden Amtsverzicht vor Augen, jene mit Tränen gefüllt – wobei die Salzburger Bürger deutlich mehr Grund zu weinen gehabt hätten als die gescheiterte Politikerin – genauso wie der ehemalige deutsche Bundespräsident Horst Köhler am Tage seines Rücktritts seine Augen nicht trocken halten konnte. Irgendwie bemerkenswert auch die Tränen, die dem Sozialdemokraten Peer Steinbrück im Bundestagswahlkampf vor laufenden Kameras aus Gründen großer Ergriffenheit über sich selbst aus den Augen liefen – ausgerechnet jener Steinbrück, der politische Gegner mit Vergnügen als »Heulsusen« abqualifiziert.

Handelte es sich bei solchen öffentlichen Tränenergüssen bloß um simples politisches Handwerkszeug zur Täuschung des Wählers, um Theatertränen sozusagen, man könnte getrost zur Tagesordnung übergehen. Zu befürchten ist aber: Politiker heulen immer öfter, weil ihnen, wenn auch aus völlig unangemessenen Gründen, tatsächlich zum Heulen zumute ist. Die meinen das ernst, und das ist nun wirklich zum Heulen.

Im heute die öffentliche Meinung dominierenden Milieu der Familienaufsteller, Dauerbetroffenen und hauptberuflichen Mediatoren noch gar nicht bekannter Konflikte wird derartige Schwäche gerne zur Stärke umdefiniert (»starke Männer weinen« oder so). Tatsächlich ist freilich eine derartige Schwäche nichts als Schwäche, in diesem Kontext jedenfalls; und das wünscht man sich von einem Staatschef oder einem Verteidigungsminister ja doch eigentlich eher weniger. Aber ganz offensichtlich spiegelt sich in der Verweichlichung der Eliten bloß die Verweichlichung jener, die sie wählen. Passt schon, irgendwie. Vielleicht sollte man ja einen bundesweiten Tag der Träne einführen, an dem sich alle gemeinsam einmal so richtig schön ausheulen können.

Man könnte das als etwas eigenartige, aber letztlich nicht sonderlich nachteilige Verfasstheit einer von Jahrzehnten des Wohlstandes und des Friedens konfliktscheu, harmoniebedürftig und veränderungsängstlich gewordenen Gesellschaft verstehen, stünden wir nicht in hartem Wettbewerb mit anderen Gesellschaften, die deutlich robuster gestrickt sind und nicht gleich mit Weinkrämpfen, Betroffenheitsattacken und Therapiebedürfnis auf Probleme und Herausforderungen reagieren. In diesem globalen Wettbewerb mit den USA, China, Indien, Brasilien und künftig wohl auch anderen aufsteigenden Nationen wird uns unsere Wehleidigkeit, unsere Weinerlichkeit und unsere habituelle Abneigung gegenüber harten Entscheidungen aller Art nicht wirklich hilfreich sein, ganz im Gegenteil.

Denn diese Weinerlichkeit ist gleichzeitig das Fundament einer politischen Kultur, die auf jede Wehklage mit einer gut gemeinten, aber in vielen Fällen schlecht endenden staatlichen Intervention schließt. Wird laut genug darüber geklagt, dass unterqualifizierte Menschen am Arbeitsmarkt nicht ausreichend entlohnt werden, muss ein gesetzlicher Mindestlohn her, der leider vor allem die Arbeitslosigkeit Minderqualifizierter erhöht. Wird laut genug über die tristen Lebensumstände in Afrika geklagt, werden wieder mal ein paar Milliarden gen Süden geschickt, die leider die Probleme Afrikas nicht kleiner, sondern meist noch größer machen. Wird laut über den Mangel an Arbeitsplätzen für Ältere geklagt, wird deren Kündigung gesetzlich untersagt – was noch weniger Jobs für Alte bedeutet.