978-3-401-80162-9.tif

Titel

Gabriella Engelmann

Weiß wie Schnee
Rot wie Blut
Grün vor Neid

Ein mörderischer
Schneewittchenroman

Arenaneu.tif

Die Autorin

Gabriella Engelmann
Die gebürtige Münchnerin entdeckte in Hamburg ihre Freude
am Schreiben. Nach Tätigkeiten als Buchhändlerin, Lektorin und Verlagsleiterin
genießt sie die Freiheit des Daseins als Autorin
von Romanen, Kinder- und Jugendbüchern. Märchen stand
sie bislang eher skeptisch gegenüber – was sich mit diesem
Buch schlagartig geändert hat.
»Weiß wie Schnee – Rot wie Blut – Grün vor Neid«
ist ihr erstes Buch für den Arena Verlag.

Impressum

Erste Veröffentlichung als E-Book 2012
© 2012 Arena Verlag GmbH, Würzburg
Alle Rechte vorbehalten
Einbandgestaltung: Frauke Schneider
ISBN 978-3-401-80162-9
www.arena-verlag.de
Mitreden unter forum.arena-verlag.de

Mein Dank gilt meiner wunderbaren Lektorin Sabine Franz
für die tolle Zusammenarbeit – und Peter Wolff sowie Peter Dorsch
für das notwendige Quäntchen krimineller Energie…

Personenregister:

Sarah Sandmann/Schneewittchen:

Schwarzhaarige Schönheit mit Milchteint und blutroten Lippen. Schreibt Gedichte und liebt Tiere. Träumt von einer intakten Familie und ist vor der bösen Stiefmutter auf der Flucht. Trotz aller Katastrophen lautet ihr Wahlspruch: »Don’t let the system get you down!«

Philipp Sandmann:

Verwitweter Vater von Sarah, Reisejournalist auf der Flucht vor seiner launischen, ewig unzufriedenen Ehefrau Bella Schönhuber. Trauert um seine verstorbene Marie.

Bella Schönhuber:

Ehemalige Tabledancerin mit Hang zum Größenwahn.

Hobbys: Shoppen, Beautybehandlungen und stundenlanges Sitzen vor dem Spiegel. Ist grün vor Neid auf Sarahs Schönheit und will sie loswerden. Mit allen Mitteln.

Zwerg eins:

Jonathan Drexler, genannt Johnny D. Angesagter DJ mit Bad-Boy-Charme und sandfarbenen Dreadlocks. Baut Cannabis an, verschläft den halben Tag und steht auf Sarah.

Zwerg zwei:

Sebastian Kramer. Versicherungsmakler mit hässlichen Krawatten. Isst jeden Morgen dasselbe zum Frühstück und findet, dass Frauen eine »unsichere« Sache sind, seit seine Sandkastenliebe ihn für einen Hausbesetzer verlassen hat.

Zwerg drei:

Alexander Jacobs, genannt Aleks. Der Papiertiger studiert Germanistik und liebt den Filmklassiker Doktor Schiwago. Eine eigene »Lara« zu finden ist sein größter Traum. Allerdings nicht Lara Croft, die flößt dem erklärten Romantiker nämlich Angst ein.

Zwerg vier:

Guido Hansen, genannt JamieTim. Der passionierte Koch und Teilzeit-Vegetarier ist der gutmütigste der Jungs und bald schon Sarahs bester Freund. Ist hoffnungslos in eine indische Kellnerin verknallt, wegen der er zu viel Yogi-Tee mit Honig trinkt.

Zwerg fünf:

Julius Krohnberg, genannt Ju. Arbeitet als Texter in der renommierten Agentur AltvonPlatt. Gibt sich stets ein bisschen kühl, weshalb man nie weiß, was wirklich in ihm vorgeht. Dies ist genauso irritierend wie die unterschiedlichen Farben seiner Augen.

Zwerg sechs:

Leander Dorf, genannt Lenny. Schauspieler und Model. Nervt seine Kumpels mit Endlosberichten über Castings und Begegnungen mit namhaften Regisseuren. Nächste Rolle: Kumpel von Til Schweiger in »Dreiohrfrettchen«.

Zwerg sieben:

Ben Regner, Eso-Freak und Helfer aus Leidenschaft. Wenn er nicht gerade etwas auspendelt, legt er Engelkarten oder meditiert. Der Zwerg mit dem besten Karma.

Zwerg acht:

Felix von Hohensee. Wohnt als Einziger nicht in der WG. Absolviert den Zivildienst in der Uni-Klinik, stammt aus einer Ärztefamilie und ist immer zur Stelle, wenn Sarah Opfer eines Anschlags wird. Zufall, Berechnung oder wahre Liebe?

Prolog

Es war einmal mitten im Winter und Schneeflocken fielen herab…

Eine Frau saß am Fenster und blickte hinaus in den verschneiten Garten. Ihr schönes, ebenmäßiges Gesicht spiegelte sich in der Scheibe, die mit glitzernden Eiskristallen besetzt war, und warf eine Fratze zurück.

Die Fratze einer Frau mit zwei Gesichtern.

Das eine hell, freundlich, mit großen himmelblauen Augen, sinnlich geschwungenen Lippen und strahlend weißen Zähnen. Das andere dunkel, unzufrieden und böse.

Die Frau nestelte an ihren schulterlangen blonden Haaren, drehte sie mit ihren Fingern zu einem Knoten, starrte mit leeren Augen auf ihr Ebenbild, das die Scheibe zurückwarf, und löste den Knoten wieder. Dann stieß sie einen tiefen Seufzer aus und stand auf, um das Licht in ihrem Wohnzimmer einzuschalten und sich den Brief anzusehen, den zu öffnen, sie noch nicht gewagt hatte.

Wozu sollte sie das auch tun? Sie wusste längst, was darin stand. Doch sie wusste auch, dass es nichts nützte, sich weiter vor der Wirklichkeit zu verstecken.

Allmählich wurde es Zeit, den Dingen ins Auge zu sehen. Sie würde sich etwas einfallen lassen müssen, um ihren schönen Kopf aus der Schlinge zu ziehen, in der er nun schon seit einer ganzen Weile steckte.

Die würden nicht lange fackeln. So viel war klar.

Die Frau bekam eine Gänsehaut und kalter Schweiß perlte tröpfchenweise ihren Nacken hinab, bis er schließlich am unteren Ende ihres Rückens ein salziges Rinnsal bildete. Ich muss dringend duschen!, dachte sie und ging schwankend Richtung Badezimmer.

Mit zitternder Hand schob sie den geblümten Vorhang beiseite, neuerdings witterte sie überall Gefahr. Nichts wäre leichter gewesen, als sie hier, in der Einsamkeit des leeren Hauses, zu überwältigen und mitzunehmen.

Keiner würde ihre Schreie hören, niemand ihr zu Hilfe eilen.

Die Frau wusste, dass sie es nicht ertragen würde, einsam und allein an einem Ort eingepfercht zu sein, von dem es kein Entrinnen gab.

Eine dunkle, kleine Zelle. Ohne Licht, ohne Luft zum Atmen.

Sie musste alles daran setzen, um zu verhindern, dass dieser Albtraum Wirklichkeit wurde!

Langsam streifte sie ihre Kleider ab, steckte ihr Haar hoch und drehte schließlich den Hahn auf.

Doch diesmal brachten das heiße Wasser und der Duft ihres teuren Duschgels nicht die erwünschte Entspannung.

1

»Liebling, wo steckst du?«

Ich hob den Kopf von meinem Kissen und lauschte. Hatte ich eben tatsächlich Dads Stimme gehört? Eigentlich konnte das nicht sein, er wollte doch erst übermorgen zurückkommen.

Als gefragter Reisejournalist war er ständig, andauernd und für meinen Geschmack immer viel zu lange unterwegs.

»Niemand zu Hause? Bella? Sarah? Ich bin wieder da!«

Ich warf die Decke beiseite und sprintete Richtung Flur.

Sekunden später wirbelte mein Vater mich durch die Luft und ich landete nach ein paar Runden keuchend und prustend auf dem Boden. Dad rieb sich betont leidend das Kreuz, verzerrte das Gesicht und gab mir schließlich einen Kuss auf die Nasenspitze.

»Jaja, ich weiß, du bist ein alter Mann«, sagte ich und knuffte ihn in die Seite. »Soll ich dir ein Bad einlassen, damit du deine morschen Knochen durchwärmen kannst?« Ich grinste über beide Ohren, denn wenn wir hier eines ganz bestimmt nicht hatten, war es eine Badewanne.

Weil sie lieber duschte. Weil lange, ausgiebige Schaumbäder die Haut austrockneten und das Bindegewebe schwächten. Und weil ihr Wunsch und ihr Wille in diesem Haus Gesetz waren.

Schließlich war es ja auch ihr Zuhause.

»Tee wäre super«, antwortete Dad und hob seinen schweren Koffer vom Boden.

Diesmal war er sechs Wochen unterwegs gewesen und ich hatte das zweifelhafte Vergnügen gehabt, in dieser Zeit ganz allein mit ihr zu sein.

»Grün oder Roibusch?«

»Wie wär’s mit Grünbusch?«

»Haha«, murmelte ich und stellte den Wasserkocher an, während mein Vater im Schlafzimmer vor sich hin summte.

Mein Herz tat einen kleinen Sprung, weil mich sein Summen an meine Kindheit erinnerte.

Ich nahm Dads Lieblingsbecher aus der Anrichte, deren Tür mir wie immer beinahe entgegenfiel. Warum konnte sie sich nicht endlich mal darum kümmern, anstatt den lieben langen Tag vor dem Spiegel zu hocken und die Mitesser auf ihrer Himmelfahrtsnase zu zählen?

»Wo ist Bella eigentlich?«, fragte Dad, der wie aufs Stichwort im Türrahmen auftauchte.

Er sah gut aus. Braun gebrannt, mit kleinen weißen Lachfältchen um die Augen. Er schien auch ein wenig abgenommen zu haben, sein T-Shirt spannte nicht mehr ganz so über dem Bauch wie vor seinem Abflug nach Namibia. Das würde Bella gefallen!

»Einkaufen«, antwortete ich und fügte im Geiste ein »Was sonst?!« hinzu.

Dad antwortete: »Aha«, und ließ sich auf den Küchenstuhl plumpsen.

»Und wie geht’s dir, meine Süße?«, fragte er und spielte mit seinem Feuerzeug herum. Hoffentlich hatte er auf der Reise nicht wieder angefangen zu rauchen!

»Ganz okay. Es ist nichts Besonderes passiert, sonst hätte ich dir schon gemailt oder angerufen.«

Nein, nichts Besonderes. Von meinen Mordgelüsten gegenüber Bella, meinen schlechten Noten in Physik, einem üblen Skateboardunfall und meinen verwirrenden Gefühlen gegenüber Paolo einmal abgesehen.

»Lief es denn ganz gut mit… Bella?« Dad war sich meiner miesen Situation offenbar bewusst. Schade nur, dass er nichts tat, um etwas daran zu ändern.

Deshalb würde ich später wie fast jeden Abend meiner Lieblingsbeschäftigung nachgehen: die verbleibenden Tage bis zum meinem achtzehnten Geburtstag auf dem Kalender abstreichen. Momentaner Stand: siebenundsechzig. Gefühlt eine Ewigkeit.

»Wie lange kannst du diesmal bleiben?«, fragte ich.

Lange genug, um mir diese Kuh endlich vom Hals zu schaffen?

Dad rutschte unruhig hin und her und spielte mit der Schnur seines Teebeutels.

Schon klar. Er würde sich so schnell wie möglich wieder vom Acker machen, so wie er es immer tat, seit wir bei Bella eingezogen waren.

»Nur kurz«, nuschelte Dad in seinen hellen Ein-bisschen-mehr-als-Dreitagebart, den ich persönlich richtig toll fand, der bei Bella aber sicherlich ungnädiges Stirnrunzeln hervorrufen würde.

»Philipp, na das ist ja eine Überraschung! Ich dachte, du wolltest erst übermorgen kommen!«

Auftritt Bella Schönhuber, meine Stiefmutter.

Dad steckte reflexartig das Feuerzeug in seine Hosentasche – er schien also wirklich wieder zu rauchen! – und stand auf, um sie zu begrüßen.

»Hallo, Schatz, schön, dich zu sehen«, log er und seine Lippen streiften kurz ihre Wange.

Mir sträubten sich sämtliche Nackenhaare, wie immer, wenn sich die beiden einander auf weniger als zehn Zentimeter näherten.

»Hallo«, antwortete Bella und zuckte zurück.

Eine winzige, schnelle Bewegung, die einem weniger aufmerksamen Beobachter vielleicht entgangen wäre. Doch nicht mir.

Zwischen den beiden lief gar nichts mehr, so viel war klar. Ich hatte nur noch nicht durchschaut, weshalb Dad und ich noch nicht unsere Sachen gepackt und ausgezogen waren. Weg von Bella, raus aus diesem spießigen Stadtteil, in dem man nur trübsinnig oder hirntot werden konnte. Wahrscheinlich hatten die beiden eine gemeinsame Leiche im Keller dieses miefigen Reihenmittelhauses versteckt.

Ob Paolo nachher noch anrufen würde?

Mein Leben konnte wirklich etwas mehr Glamour vertragen, so viel war sicher. Und Dad würde nicht lange genug bleiben, um dafür zu sorgen, das stand ebenfalls fest.

»Sarah, träumst du?«, drang Bellas hohe, dünne Stimme an mein Ohr. Upps! Hatte ich?

»Ich habe dich eben gefragt, ob du bei Douglas warst und mir die Creme besorgt hast, um die ich dich gebeten habe.«

Tri-Aktiline. Das Hammermittel gegen Hammerfalten…

»Liegt im Bad. Auf der Konsole«, knurrte ich. »Dad, ich muss noch was für die Schule machen. Kommst du nachher rein, Gute Nacht sagen?«

Mein Vater nickte und hatte wieder diesen Dackelblick drauf. Gottergeben und so süß, dass ich ihm einfach nicht böse sein konnte.

Paolo konnte das auch gut.

Vielleicht konnte Bella ja auch so gucken und nur ich war zu blind, um es zu sehen.

Die Welt war wirklich kompliziert!

Sarah’s Secret Diary

Dad wieder da, freue mich total. Freue mich allerdings weniger darüber, dass er ab Montag schon wieder weg ist. Diesmal fährt er nach Island, um irgendwelche spuckenden Geysire zu besuchen. Einziger Lichtblick: morgen Date mit Paolo.

Wollen erst irgendwo in der Schanze was essen und dann zu einem Poetryslam ins Uebel & Gefährlich.

Soll ich mich endlich trauen, eines meiner Gedichte vorzulesen?

Paolo sagt, ich soll.

Er meint, ich soll endlich mal mein Innerstes nach außen kehren, das würde helfen. Weil ich dann meine Wut auf Bella endlich rausschreien kann und mir das guttun würde.

Aber eigentlich will ich über die Liebe schreiben, nicht über Wut.

Sarah’s Love Poem (ebenfalls top-secret!)

You put your hand in my hand

I look through my eyes into your heart

You let me shiver, whenever I look at you

You make my heart beat, my lips sing

All I want is to hold your hand

Kiss your lips

Listen to the beat of your heart

Close to mine

Tell me: are you the one?

»Du machst so spät noch was für die Schule?«

Zum Glück riss Dads Frage mich aus meiner ultrapeinlichen Gefühlsduselei, über die ich sogar vergessen hatte, etwas zu Abend zu essen. Jetzt knurrte mir der Magen, aber ich hatte keine Lust, nach unten zu gehen und womöglich Bella in der Küche über den Weg zu laufen.

Besser, ich redete noch eine Runde mit Dad über Island – waren die nicht pleite? -, als darüber zu grübeln, ob Paolo wirklich the one war. Oder mir fünf Nutella-Brote hintereinander reinzuziehen.

»Nö, nicht direkt«, antwortete ich und klappte mein Heft zu.

»Du nimmst immer noch das olle Heft da? Schreibt man heutzutage nicht Blogs?«

»Ach Papa! Ich muss doch nicht jeden Mist mitmachen, nur weil’s gerade angesagt ist. Außerdem finde ich, dass es Dinge gibt, die niemanden etwas angehen!«

»Okay, schon verstanden«, grinste Dad und strich mir übers Haar. Dann schaute er auf das Regalbrett über meinem Schreibtisch und das Foto meiner Mom.

»Du siehst ihr von Tag zu Tag ähnlicher, weißt du das?«, seufzte er und nahm das Bild in seine Hand. »Das lange schwarze Haar, das kleine Muttermal am Kinn, die gebogenen Wimpern, deine grünen Augen. Sogar deine Lippen . . .«

Ich schluckte. »Sie fehlt dir immer noch, oder?«, fragte ich leise und stellte das Foto zurück. Ich wollte nicht, dass er zu weinen begann.

Dad nickte.

Mein Herz zog sich zusammen. Ich wünschte, ich hätte meine Mutter kennengelernt, doch sie starb direkt nach meiner Geburt an Herz-Kreislauf-Versagen. Alles, was mir von ihr geblieben war, waren Fotografien und eine Kette mit einem herzförmigen Granatanhänger, die ich Tag und Nacht trug.

»Wollen wir am Samstag etwas zusammen unternehmen?«

»Klar!«, antwortete ich. »Ich muss es doch ausnutzen, wenn du mal da bist. Ich lass mir was einfallen, okay? Schlaf gut, Paps. Schön, dass du wieder da bist!«

Dad gab mir einen Kuss auf die Stirn und zog dann die Tür hinter sich zu.

Kaum war er weg, krachte etwas gegen mein Fenster. Ich zuckte zusammen. Hatte sich etwa ein Vogel verflogen? Hoffentlich nicht! Vorsichtig zog ich die Gardine zur Seite und lugte nach draußen.

Der vermeintliche Vogel war Paolo, der in unserem Garten stand und zu mir heraufsah.

»Hey, Sarah«, flüsterte er und ich betete, dass Bella nichts davon mitbekam. »Kannst du runterkommen?«

Wie bescheuert war das denn bitte? In der Schule hatte der Typ heute den ganzen Tag so getan, als hätte er mich noch nie vorher gesehen, und jetzt gab er in einer Nacht- und-Nebel-Aktion den Vorstadt-Romeo?

»Warum hast du nicht angerufen?«, zischte ich in die Dunkelheit.

»Los Sarah, jetzt komm schon! Ich hab keine Lust, dass eure Nachbarn die Polizei rufen«, drängte Paolo.

Na wenn’s ihm Spaß machte! Für mich war sein Besuch eine willkommene Ablenkung, um nicht wieder an meine Mom denken zu müssen und daran, wie mein Leben wäre, wenn wir als Familie zusammenwohnen würden.

Also schwang ich mich aufs Fensterbrett und versuchte abzuschätzen, was ich mir alles brechen würde, wenn ich unten falsch aufkam.

Paolo breitete seine Arme aus. »Los spring schon, ich fang dich auf!«, flüsterte er und mein Herz tat einen Satz.

Ich ließ mich hinuntergleiten und musste leise kichern.

Der erste Stock war natürlich alles andere als gefährlich.

Paolos Gegenwart dagegen sehr…

2

Irgendetwas berührte sanft meine Schultern. Ich spürte fremden Atem nah an meinem Gesicht. Ein Duft aus Sandelholz und Zedern stieg in meine Nase und von irgendwoher duftete es nach Kaffee…

»Schlafmütze, aufwachen! Die Sonne scheint!«

Mühsam öffnete ich die Augen. Ich blinzelte und versuchte zu erkennen, wo ich war. Vor mein Gesicht schob sich ein Totenkopf mit gekreuzten Knochen auf schwarzem Grund. Hilfe!

Dad lachte und setzte sich neben mich, sodass meine Matratze ein bisschen einsank. Ich brauchte dringend eine neue, aber immer wenn das Thema auf den Tisch kam, sagte Bella, dass »sich das nicht mehr lohnt«.

Warum? Weil sie schon seit Jahren ungeduldig darauf wartete, mich endlich aus dem Haus zu haben, um ungestört ihrem Schönheitswahn frönen zu können…?

Ich schaffte es, »Danke!« zu sagen, nahm den St.-Pauli-Fanbecher und setzte ihn an meine ausgetrockneten Lippen, während mein Vater mir netterweise ein Kissen in den Rücken stopfte.

»Lange Nacht gehabt?«, fragte er und prostete mir mit seinem Becher zu. Im Gegensatz zu mir trank er allerdings Kakao.

»Glaub schon«, murmelte ich und versuchte, zu mir zu kommen. Ich fühlte mich, als sei ich von einem Panzer überrollt worden. Seltsam, denn ich hatte gerade mal zwei Cocktails getrunken. Die konnten doch gar nicht so viel mit mir angestellt haben, oder?

Ich beschloss, dass Ablenkung die beste Medizin war, und wandte mich Dad zu. »Und du? Was habt ihr gestern Abend noch gemacht?«

Die Frage erübrigte sich eigentlich, weil ich mir die Antwort im Grunde selbst geben konnte: Dad hatte vor der Glotze gesessen und Bella war in ihrem Spiegelzimmer gewesen, um die wöchentliche Bestandsaufnahme ihres aufwendig gepflegten Äußeren zu machen.

»Das Übliche, nichts Besonderes…«

Sagte ich’s doch! Deprimierend!

»Hast du denn schon überlegt, was wir heute machen wollen?«, fragte Dad, der aussah, als könne er es kaum erwarten, von hier abzuhauen. Da musste er sich jedoch leider noch ein bisschen gedulden, denn ich brauchte definitiv noch etwas Zeit, um in die Gänge zu kommen.

»Ich hätte Lust, mit dir auf den Dom zu gehen und Zuckerwatte zu essen«, schlug ich vor, weil mir gerade nichts anderes einfiel.

Als ich am Abend zuvor im Uebel & Gefährlich gewesen war, hatte ich vom Dach des alten Bunkers das Riesenrad gesehen und der Anblick hatte mich an meine Kindheit erinnert.

»Danach könnten wir in den Hexenladen in der Marktstraße, dort habe ich neulich eine Kette bestellt, die ich noch…«

»Äh, Hexenladen?!«

»Ja, ich weiß, aber das klingt jetzt durchgedrehter, als es ist«, startete ich einen Versuch, meinen Lieblingsladen zu beschreiben. »Ist halt so ’n Eso-Shop mit allem möglichen Schnickschnack für Elfen, Göttinnen, Priesterinnen, Feen und weise Frauen.«

Konnte es sein, dass Dad unter seiner Bräune ein kleines bisschen blass wurde?

»Egal, du wirst es ja nachher sehen! Wenn du magst, können wir in einer Stunde los. Ich muss nur noch duschen und ein Brötchen essen!«

Dad öffnete die Tür. »Okay, dann frage ich mal Bella, ob ich noch was fürs Wochenende einkaufen soll.«

Knappe zwei Stunden später saß ich zusammen mit meinem Vater im Kettenkarussell und schrie mir die Seele aus dem Leib. Gott war mir schwindelig! Das war doch früher nicht so gewesen!

Wir versuchten, einander an den Händen zu halten, wurden aber immer wieder auseinandergerissen. Der Hamburger Dom und seine Besucher wirbelten an meinem Blickfeld vorbei und verschmolzen zu einer einzigen bunten Masse.

Warum hatte ich mir das angetan? Warum war ich nicht einfach ins Riesenrad gestiegen und gondelte jetzt gemütlich über Hamburgs Dächer?

Gefühlte zehn Stunden später torkelte ich aus meinem Sitz. So wie ich mich fühlte, war ich bestimmt schlammgrün im Gesicht. Dad schien es nicht viel besser zu gehen.

Wir setzten uns erst einmal auf eine Bank.

»Hey, Sarah, alles klar?«, hörte ich eine männliche Stimme.

Ich hob meinen Kopf und blinzelte gegen die Sonne. Wenn mich nicht alles täuschte, stand da Jonathan Drexler, genannt Johnny D, der gestern im Uebel & Gefährlich aufgelegt hatte.

Woher kannte der meinen Namen?

»Na, Johnny, wie geht’s?«, antwortete ich mühsam und hoffte, dass ich mich nicht gleich übergeben musste. Mir war ja so was von schlecht!

Dad guckte interessiert zwischen Johnny und mir hin und her.

»Darf ich mich vorstellen: Philipp Sandmann, Sarahs Vater«, sagte er schließlich und stand auf, um Johnny die Hand zu geben.

Hoffentlich dachte er nicht, ich sei in den Typen verknallt und würde ihn morgen heiraten oder so!

»Jonathan Drexler, freut mich«, antwortete der DJ und grinste von einem Ohr zum anderen.

Eines musste man ihm ja lassen: Er sah verboten gut aus. Groß, breitschultrig, Surferbody. Seine sandfarbenen Haare waren zu Dreadlocks gedreht und er trug eine bunte Strickmütze auf dem Kopf, obwohl wir mindestens zwanzig Grad hatten. Unter dem Arm seines Longsleeves blitzten die schwarzen Striche einer Tätowierung hervor.

»Ihre Tochter ist übrigens echt nicht von schlechten Eltern«, meinte Johnny.

Wie bitte? Was erzählte der denn da? Wenn er noch so ein paar dumme Sprüche losließ, konnte ich für nichts mehr garantieren.

Doch mein Dad nahm’s locker. Er grinste nur und sagte amüsiert: »Ich weiß.«

Johnny schwafelte ungerührt weiter. »Tanzt wie ’ne Eins und hat ein Stehvermögen, da hält keine andere so schnell mit!«

Okay, da hatte er aber gerade noch mal die Kurve gekriegt. Trotzdem wusste ich immer noch nicht, woher er meinen Namen kannte.

Dad hatte meine Verwirrung wohl bemerkt und räumte freiwillig das Feld. »Soll ich uns mal was zu trinken holen?«, bot er an.

Ich hätte ihn küssen können!

Als Dad davonschlenderte, setzte sich Johnny neben mich und legte seinen Arm um mich, als wäre es das Normalste auf der Welt.

Ich schüttelte ihn ab. »Sag mal, geht’s noch? Wann hab ich dir erlaubt, mich anzufassen? Und kannst du mir bitte mal verraten, weshalb du meinen Namen kennst und so tust, als hätten wir schon in der Sandkiste zusammen Bauklötze gestapelt?«, wollte ich wissen und funkelte Johnny mit meinen grünen Augen an.

Er funkelte mit nicht minder grünen Augen zurück. »Hey, Prinzessin, nun reg dich mal ab! Erstens haben wir deinen Namen gestern laut und deutlich gehört, als du dein Gedicht vorgetragen hast, und zweitens kennt mein Freund Leander deinen Paolo und hat ihn ein bisschen über dich ausgequetscht.«

Ich war verwirrt. Doch plötzlich stieg in mir ganz dunkel die Erinnerung hoch, wie ich mich gestern auf die Bühne des Uebel & Gefährlich gewagt hatte. Dumm nur, dass ich nicht mehr wusste, wie mein Gedicht beim Publikum angekommen war. Und an einen gewissen Leander konnte ich mich schon überhaupt nicht erinnern…Verflixt!

»Wieso hat er mich denn nicht einfach direkt gefragt, wenn er was über mich wissen wollte?«, gab ich zurück.

Johnny D rutschte unbehaglich auf der Bank hin und her. »Na ja, eigentlich wollte nicht er was über dich wissen, sondern ich. Ich finde dich eben ganz niedlich.«

Aha?! War Johnny D etwa trotz seines coolen Gehabes schüchtern?!

»Ich bin nicht niedlich«, knurrte ich, auch wenn ich gestehen musste, dass mich die Vorstellung nicht ganz kalt ließ, dass Johnny D Interesse an mir hatte.

»Sag mal, wohnst du hier oder was hast du Samstagmittag auf dem Dom verloren?«, fragte ich, um meine Verlegenheit zu überspielen.

»Ja, tu ich, gleich um die Ecke, in der Karolinenpassage. Und du?«

Das konnte ich jetzt wirklich nicht wahrheitsgemäß beantworten. Ich würde mich Johnny D auf keinen Fall als Langenhornerin outen!

Also murmelte ich stattdessen nur ein »Du hast’s gut!«.

Johnny reagierte sofort. »Willste mich mal besuchen?«

Leider tauchte Dad in diesem Moment auf und schwenkte fröhlich die Getränke und eine ultragroße Portion Zuckerwatte. »Hier, allseits bekanntes Mittel gegen Übelkeit«, strahlte er und drückte mir das süße Zeug in die Hand.

Ehe ich auch nur gucken konnte, war Johnny schon dran und steckte mit seiner Nasenspitze mitten in der klebrigen Zuckermasse. Da saßen wir nun zusammen auf der Bank und naschten links und rechts von der Watte, wie Susi und Strolch im Disney-Film von einem gemeinsamen Teller Spaghetti.

Dad schien’s lustig zu finden und schlürfte versonnen an seiner Bionade. Vermutlich dachte er gerade an die Gletscher, Vulkane und Geysire Islands. Und an seine Freiheit.

»Jetzt weiß ich aber immer noch nicht, warum du dich um diese Uhrzeit auf dem Dom herumtreibst«, nahm ich den Gesprächsfaden wieder auf und hoffte, dass in meinem Gesicht nicht irgendwo noch Reste von Zuckerwatte klebten.

»Ich war frühstücken«, gab Johnny D zurück. »Wir waren bis vor einer Stunde aufm Kiez unterwegs und ich hatte höllischen Appetit auf Currywurst. Und dann hab ich dich gesehen, Prinzessin.«

»Wer ist wir?«, fragte ich neugierig. Paolo und ich waren schon um zwei Uhr nach Hause gefahren, und auch das nur dank einer Ausnahmegenehmigung von Dad. Wie um alles in der Welt konnte man so lange wach bleiben?

»Ich und die sieben Zwerge«, antwortete Johnny D und ich glaubte zunächst, mich verhört zu haben. Machte der sich lustig über mich? Wir waren doch hier nicht im Märchen!

»Um genau zu sein, war ich mit meinen sieben Kumpels unterwegs«, erklärte Johnny D grinsend, als er meinen verständnislosen Blick bemerkte. »Mit sechs von ihnen wohne ich in einer WG in der Karoline. Wir haben da ein ganzes Haus zusammen.«

»Äh, wieso Zwerge?«, fragte ich skeptisch. Johnny war mit seinen geschätzten einen Meter fünfundachtzig alles andere als kleinwüchsig.

»Jetzt verrate ich dir ein Geheimnis, Prinzessin«, flüsterte Johnny und kam ganz dicht an mein Ohr. Dad räusperte sich.

»Wir nennen uns so, weil wir alle zusammen in den Kindergarten Tobezwerge gegangen und seitdem immer noch eng befreundet sind. Die Zwerge, das sind Leander, Sebastian, Aleks, Guido, Julius, Ben, Felix und ich.«

Ich rechnete nach: Das waren insgesamt acht.

»Und einer wohnt demnach nicht in eurer WG?!«

»Genau! Felix steht nicht so auf den Trubel bei uns. Er fühlt sich in Eimsbüttel wohler. Außerdem hat er es da nicht so weit bis zum UKE. Er macht gerade seinen Zivildienst in der Uni-Klinik.«

Jetzt schien auch Dad neugierig geworden zu sein. »Und Sie wohnen alle zusammen in einer Wohnung? Gibt es da nicht jede Menge Stress?!«

Bestimmt nicht mehr, als Bella und ich zu zweit in ihrem Reihenmittelhaus hatten…

Johnny dachte kurz nach. »Nö, eigentlich nicht. Was aber auch daran liegt, dass wir in insgesamt vier Wohnungen wohnen. Wir sehen uns also nur, wenn wir wirklich Bock darauf haben. Ab und zu machen wir aber zusammen einen drauf, so wie gestern.«

Das klang wie Balsam in meinen Ohren! Am liebsten hätte ich Johnny D auf der Stelle gefragt, ob ich bei ihnen einziehen durfte. Ich hätte alles, aber wirklich alles dafür getan, endlich Bellas Klauen zu entfliehen.

»Klingt, als hätte ich in meiner Jugend auch Spaß an so was gehabt«, sagte Dad und fuhr sich durchs Haar. Vermutlich dachte er gerade daran, dass wir bis zu meinem fünften Lebensjahr in Eimsbüttel gewohnt hatten.

Bevor Bella in unser Leben getreten und sich Dad unter ihre künstlichen Fingernägel gerissen hatte.

»Wollen wir mal los?«, fragte ich Dad, der schon wieder melancholisch zu werden drohte. Der Besuch im Hexenladen würde ihn hoffentlich auf andere Gedanken bringen.

»Klar, du wolltest doch noch deine Kette abholen, wenn ich mich recht erinnere«, erwiderte er und stand auf. »Hat mich gefreut, Sie kennenzulernen«, sagte er und schüttelte Johnny D, der sich ebenfalls erhob, die Hand.

»Mich auch«, antwortete der, holte einen Zettel aus der Tasche seiner schwarzen Lederhose, kritzelte etwas darauf und drückte ihn mir in die Hand. Dann gab er mir einen Kuss auf die Wange und sagte: »Tschüss, Prinzessin. Auf bald!«

Ich war verwirrt. Johnny D, der coolste aller Hamburger DJs, hatte soeben mir, Sarah Sandmann, seine Handynummer gegeben!

Auf dem Weg zur Marktstraße schwebte ich wie auf Wolken und plapperte bestimmt jede Menge wirres Zeug. Dad schien das zum Glück nicht weiter zu stören – oder er hörte mir gar nicht erst zu.

Die Frage, die mich beschäftigte, als ich abends im Bett lag und Musik hörte, war: »Wieso schmeichelte es mir so, dass Johnny D Interesse an mir hatte?« Ich war doch in Paolo verknallt – oder etwa nicht?

Als eine Stunde später Bellas Stimme über den Flur keifte, kannte ich die Antwort: Mein Interesse galt nicht Johnny selbst, sondern seiner Lebensweise. Er hatte all die Freiheit, die ich nicht hatte. Er verdiente sein Geld mit etwas, das ihm Spaß machte, und er wohnte zusammen mit coolen Typen in einem hippen Stadtteil. Er musste nicht darauf achten, wann die letzte U-Bahn Richtung Nobodytown fuhr. Er konnte die Nacht zum Tag machen und niemand fragte, woher er kam und wohin er ging.

Mir wurde klar: Wenn ich nicht bald komplett versauern und verblöden wollte, musste ich schleunigst hier weg. Besser heute als morgen. Ab Montag war mein Dad wieder unterwegs und wer wusste schon so genau, wie lange er diesmal bleiben würde?

Ich wälzte mich unruhig hin und her. Mit Bella zusammenzuleben, war echt keine Option mehr. Doch bis zu meiner Volljährigkeit war es leider noch ein ganzes Weilchen hin…

3

»Spieglein, Spieglein an der Wand.
Wer ist die Schönste im ganzen Land?«

Die Frau saß wie jeden Morgen vor den großen, hell ausgeleuchteten Spiegeln in ihrem Spiegelzimmer und betrachtete sich kritisch von allen Seiten. Es hatte keinen Sinn, sich von gedämpftem Licht täuschen zu lassen.

Wenn sie diesen Wettbewerb gewinnen wollte, würde sie alles in ihrer Macht Stehende tun müssen, um jeden noch so kleinen Makel zu erkennen und mit aller Entschlossenheit zu bekämpfen. Sie war schon so weit gekommen, um nichts auf der Welt würde sie sich jetzt noch aufhalten lassen.

Als Preisgeld winkten dreißigtausend Euro, ein nagelneues BMW-Cabriolet und – das war das Allerwichtigste – ein Werbevertrag mit einem bekannten Kosmetikhersteller. Ihr Gesicht würde von haushohen Plakatwänden auf die Stadt hinabblicken. Tausende von Leserinnen würden ihr Bild auf dem Cover der wichtigsten und einflussreichsten Modemagazine des Landes sehen. Vielleicht würde sogar ein TV-Spot mit ihr gedreht werden…

Sobald die Frau dieses Ziel erreicht hatte, wäre sie endlich frei. Sie wäre nicht mehr gezwungen, zu heucheln, zu lächeln, zu schmeicheln, obwohl sie sich selbst dafür hasste. Und vor allem wäre sie nicht mehr gezwungen, mit anzusehen, wie das Mädchen von Tag zu Tag schöner wurde, ohne etwas dafür tun zu müssen.

Während ihre eigene Schönheit immer mehr dahinwelkte, erblühte die andere wie eine Rose. Der Teint so ebenmäßig und hell, als sei er aus Milch und Honig. Das rabenschwarze Haar, das in glänzenden Kaskaden ihren schmalen, zarten Rücken hinunterfloss. Die vollen, sinnlich geschwungenen blutroten Lippen, an die noch nie auch nur ein Hauch von Gloss oder Lippenstift gekommen war. Die Wimpern so lang und so gebogen, als hätte man sie mit einer Zange und Unmengen von Mascara bearbeitet.

All das, was sich die Frau mit viel Kosten und Mühen erkämpft hatte, war dem Mädchen von der Natur im Übermaß geschenkt worden.

Sie griff mit spitzen Fingern nach dem schnurlosen Telefon und wählte die Nummer ihres Vertrauten und treuesten Verbündeten gegen den unaufhaltsamen Verfall ihrer natürlichen Schönheit.

»Meng am Apparat«, ertönte eine sonore männliche Stimme und für einen Moment wurde die Frau ruhig. Doktor Walther Meng würde wissen, was zu tun sei. Gleich nächste Woche würde sie zu ihm an den Starnberger See fahren und sich in seine erfahrenen Hände begeben.

Ihm vertraute sie vorbehaltlos und konnte es kaum erwarten, endlich wieder in seiner Nähe zu sein.

Sie würde sich von ihm begutachten, fotografieren und beraten lassen. Er würde wissen, was das Beste für sie war, er hatte es immer gewusst.

Viel zu lange schon hatte sie getrennt von ihm sein müssen. Und viel zu lange hatte sie diesen Langweiler von Ehemann an ihrer Seite ertragen müssen.

Damit würde bald Schluss sein, dachte sie triumphierend, als sie das Gespräch beendet hatte. Bald schon würde sie all dem Elend hier den Rücken kehren und in ein neues Leben aufbrechen.

In ein Leben aus Glamour, Glanz und Gloria, mit ihm an ihrer Seite.

Auf immer und ewig.

Als seine Königin!