Georgius AGRICOLA – Berggelehrter, Naturforscher, Humanist

Georgius AGRICOLA – Berggelehrter, Naturforscher, Humanist
von Friedrich Naumann

veröffentlicht 2015 von E-Sights Publishing

E-Sights Publishing
Dr. Jörg Naumann
Altendorfer Straße 61
09113 Chemnitz
Deutschland

Herausgeber: E-Sights Publishing
Umsetzung: Dr. Jörg Naumann
Covergestaltung: Erika Jansen, jansen.lange GRAFIKdesign

Copyright © 2015 Friedrich Naumann

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ISBN: 978-3-945189-03-0

Inhaltsverzeichnis

Vorwort

„Geowissenschaftler in aller Welt nennen ihn Vater der Mineralogie, Bergmänner und Hüttenleute ehren ihn als Begründer des modernen Montanwesens, Metrologen führen ihn als philologischen Vorläufer ihrer Wissenschaft von Maßen und Gewichten, die Volkswirte rechnen ihn zu den Wegbereitern des Merkantilismus, Numismatiker nehmen ihn als einen der ersten Gelehrten in Anspruch, der Edelsteine und Münzen in einen Zusammenhang brachte, die Mediziner verdanken ihm den Begriff ‚Lazarett’, die Pädagogen betrachten ihn als Wegbereiter einer kindgemäßen Lehrmethode. Aber auch regional leistete er Vorbildliches: Er war der erste sächsische Hofhistoriograph, den Kommunalpolitikern war er Vorbild in der Leitung einer Stadt in turbulenten Zeiten. All dieses, wovon jedes einzelne schon eine beachtliche Persönlichkeit ausgemacht hätte, war vereint in der Person Georgius Agricolas.“

Als Hans Prescher (1926-1996), der verdienstvolle Nestor der Agricola-Forschung, diese Zeilen niederschrieb, machte sich die wissenschaftliche Welt auf den Weg, Agricolas 500. Geburtstag zu begehen. Dafür sah sich vor allem jene Stadt in die Pflicht genommen, auf deren Boden Agricola und seine Familie fast ein Vierteljahrhundert ihres Lebens verbrachten – Chemnitz. Bereits im dazu ausgerufenen Agricola-Gedenkjahr 1955 gedachte man auf diesem, von gewerblicher und industrieller Emsigkeit geprägten Boden seines 400. Todestages, präsentierte eine Fülle neuester Arbeiten und sorgte für den Fortgang interdisziplinärer Forschungsarbeiten; denn man sah sich „berechtigt und verpflichtet, Agricolas Andenken in der Nachwelt zu wahren, zumal er selbst ein aufrechter Mann und ein Patriot war, der zur Einheit des deutschen Volkes aufrief“.

In dem zurückliegenden halben Jahrhundert ist immens viel geleistet worden, um das Œuvre dieses herausragenden Gelehrten zu erschließen und zu publizieren, wobei Autoren und Herausgebern der elfbändigen Agricola-Gesamtausgabe (AGA) eine exzellente wissenschaftliche wie auch publizistische Leistung zu bescheinigen ist. Verdienstvoll ist gleichermaßen die Aufarbeitung der Quellen durch das Chemnitzer Stadtarchiv, anknüpfend an eine 1884 von Paul Uhle begründete und von Rudolph Strauß fortgesetzte Erforschung der Quellen zu Agricola, ergänzt durch die von Helmut Bräuer betriebenen Forschungen zur Stadtgeschichte des 15. und 16. Jahrhunderts. In jüngster Zeit konnte die systematische Durchsicht von Quellen und Zeugnissen zu Agricola und dessen Familie sowie über Wirkungsbereiche, Lebensumstände und finanzielle Bedingungen erfolgreich fortgesetzt werden.

Im Unterschied zu genannten Forschungsthemen reichen die biographischen Arbeiten weit zurück. Als einer der ersten mühte sich sein junger Freund Georgius Fabricius nach Agricolas Ableben, wichtige Briefe wissenschaftlichen Inhalts von den Empfängern zu erwerben, um eine Briefedition mit einer Biographie herauszugeben. Doch der Plan scheiterte – nicht zuletzt am Widerstand der Familie Agricolas selbst. 1589/90 schrieb der Churfürstlich Sächsische Sekretarius Petrus Albinus die erste größere Biographie auf der Basis offenbar noch vorhandener Archiv-Dokumente, die später leider verloren gingen. Erst 1763 wurde eine weitere Arbeit im Umfang von 28 Druckseiten als Teil einer Chronik der Stadt Chemnitz publiziert; sie stammte aus der Feder von Adam Daniel Richter, dem Rektor des Gymnasiums Zittau. Allerdings bewies er dabei keine so glückliche Hand. Diese hatte eher der Freiberger Bergbeamte Friedrich August Schmid mit seinen „Nachrichten über Georg Agricolas Leben und Schriften“ (1806). Die erste Dissertation über Agricola schrieb Johann Heinrich Jacobi 1888 an der Universität Leipzig, weitere Dissertationen verfassten Erwin Herlitzius (1960) und Roland Ladwig (1988), wobei die biographischen Probleme eher im Hintergrund blieben.

Einer der maßgebenden neueren Biographen war Reinhold Hofmann, seine Arbeit erschien 1905 und stellt einen gewissen Höhepunkt in der zusammenfassenden Darstellung von Leben und Werk Agricolas dar. Auch Populärwissenschaftliches wurde verfasst: 1953 von Hans Hartmann, 1955 das „Agricola-Büchlein“ von Ulrich Horst. Mit dem Band I der AGA (1956) erschien endlich ein biographisches Fundamentalwerk, für das der Freiberger Altphilologe und Historiker Helmut Wilsdorf verantwortlich zeichnete. 1982 erarbeitete schließlich Gisela-Ruth Engewald nach gründlichen Studien eine vorzügliche Biographie, die 1993 in einer zweiten Auflage erschien.

Der unlängst begangene 450. Todestag Agricolas sowie das Jubiläum „450 Jahre De re metallica libri XII“ scheinen nun ein rechter Anlass zu sein, dem großartigen Gelehrten und Humanisten ein weiteres Mal eine biographische Schrift zu widmen und diese dem geschätzten Leser mit allem Respekt zu empfehlen.

Friedrich Naumann

Kapitel 1

Agricola und das Zeitalter der Renaissance

Georgius Agricola und das Zeitalter der Renaissance – beides nennt sich leicht in einem Atemzuge, geprägt von der Kraft dieser gewaltigen Epoche, die wie kaum eine andere in die Entwicklung der Menschheit einzugreifen wusste. Friedrich Engels sprach von „der größten progressiven Umwälzung, die die Menschheit bis dahin erlebt hatte“ und nannte sie „eine Zeit, die Riesen brauchte und Riesen zeugte, Riesen an Denkkraft, Leidenschaft und Charakter, an Vielseitigkeit und Gelehrsamkeit. Fast kein bedeutender Mann lebte damals, der nicht weite Reisen gemacht, der nicht vier bis fünf Sprachen sprach, der nicht in mehreren Fächern glänzte. Daher jene Fülle und Kraft des Charakters, die sie zu ganzen Männern macht. Stubengelehrte sind die Ausnahme: entweder Leute zweiten und dritten Ranges oder vorsichtige Philister, die sich die Finger nicht verbrennen wollen.“ Welch scharfsinnige Prädikate für die großartigen Begabungen, die „wie auf ein Zeichen hin auf der ganzen Welt erwachten“ (Erasmus) und mit denen sich der große sächsische Gelehrte so trefflich beschreiben lässt. Renaissance – die Wiedergeburt – bedeutet vor allem Humanismus, bedeutet Studium des vollkommen Menschlichen, Streben nach Wissenschaft, Wiederbelebung von alter Geschichte, christlicher Moral und Ethik, gesellschaftlichen Umgangsformen und politischer Haltung, anknüpfend an das reiche antike Erbe. Deutlich zu spüren ist die neue Epoche vor allem in der Kunst, bringt sie ihren Glanz doch in nahezu alle Bereiche von Literatur, Musik, Theater, Malerei, Bildhauerei und Architektur.

Allerdings zeigt sich die Renaissance auch in politischen, sozialen und wirtschaftlichen Umbrüchen, in einer ungeahnten Erweiterung des geographischen Lebensraumes und in zunehmender Weltoffenheit, begünstigt dadurch, dass der 1450 von Johannes Gensfleisch zu Gutenberg erfundene Buchdruck mit beweglichen Metall-Lettern und das allen Gebildeten verständliche Latein die kommunikativen Grenzen zu sprengen vermag. Martin Luthers Thesenanschlag an das Hauptportal der Schlosskirche zu Wittenberg am 31. Oktober 1517 findet großen öffentlichen Widerhall und leitet die Reformation ein, während die Ideen des evangelischen Predigers und Bauernführers Thomas Müntzer am traditionellen Gesellschaftsgefüge kratzen: Die Bauernkriege brechen aus, auf den Lippen der Kämpfenden die Forderung nach Gütergemeinschaft und Gerechtigkeit. Soziale Unruhe auch in deutschen und böhmischen Bergbaugebieten als organisiertes Aufbegehren gegen Not und feudale Last. Die Türken unter Süleyman I. haben Konstantinopel erobert und bedrohen Wien. Konfessionsgegensätze führen 1546/1547 zum Schmalkaldischen Krieg, doch auch die über Europa hinwegrasende Pest – der durch das Bakterium Yersinia pestis verursachte „Schwarze Tod“, von vielen Menschen als Gottesstrafe empfunden – bringt Not und Verzweiflung. 1507 erscheint erstmals auf der Weltkarte die Bezeichnung „Amerika“ für den kurz vorher von Christoph Columbus entdeckten Erdteil, und Ferdinand Magellans Weltumsegelung 1519/1522 bestätigt endlich die Kugelgestalt der Erde. Noch nicht sobald gelingt es, die durch Himmel und Hölle gesetzten Grenzen zu überwinden, jedoch obsiegt schließlich die Naturforschung durch Emanzipation aus den scholastischen Fesseln des Mittelalters.

Mit dem intellektuellen Antrieb, die Natur zu erforschen, verbindet sich jedoch zugleich das wirtschaftliche Verlangen, sie gezielter zu nutzen, sie zu gestalten. So vollziehen sich Wandlungen im Ackerbau: Drainage und Bewässerung, Verwendung von tierischem und mineralischem Dünger (Pottasche, Kalk) und Kompostieren werden modern. „Komponierte“ Gärten und Parklandschaften erhalten neue Formen und werden zu Allegorien menschlicher Lebenswege. Der Import exotischer Pflanzen löst das utilitaristische Klostergärtlein ab. Auch gelangen Artischocke und Spargel aus dem Mittelmeerraum nach Norden, die Kartoffel entwickelt sich von einer exotischen Kostbarkeit zum Grundnahrungsmittel; Flieder, Tulpen, Hyazinthen, Anemonen und Krokusse gesellen sich zu Rosen, Ringelblumen und Veilchen. Für den Tabak schließlich beginnt der Siegeslauf in Europa – neben der Syphilis ein weiteres Instrument der Rache Amerikas an ihren Konquistadoren.

Vergleichbares erlebt die Naturforschung für den Bereich der Zoologie. So setzt der Schweizer Konrad Gesner mit seiner Historia animalis einen neuen Standard für enzyklopädische Werke der Naturkunde. Wissen über die Welt der Natur ist also gefragt, und der aus dem sächsischen Leisnig stammende Petrus Apianus behauptet sogar, ohne diese Fortschritte „würde das Leben zurückfallen in den Zustand der Menschen in alter Zeit, die ohne Gesetze oder Zivilisation lebten, wie wilde Tiere“. Bald konturieren sich erste Gedanken zum Heliozentrismus, erkämpft und verbreitet durch Nikolaus Kopernikus’ De revolutionibus orbium coelestium, Tycho Brahes Astronomiae instauratae mechanica, Johannes Keplers Astronomia nova und Giordano Brunos De l'infinito, universo e mondi. Nicht vergessen sei jedoch, dass sich der Weg zu neuen Erkenntnissen vielfach erst über das Totenbett der kirchlichen Autorität durchzusetzen vermag.

Zunehmend gewinnt auch das Studium technischer Probleme an Bedeutung – die effektivere Nutzung von Wind und Wasser, verbesserte Technologien im Bergbau sowie bei der Aufbereitung und Verhüttung von mineralischen Rohstoffen, Innovationen in der Metallurgie, bei der Keramik-, Glas- und Seifenproduktion. Die Beschäftigung mit Flaschenzügen und Schneckengetrieben wie auch die Konstruktion „nützlicher Maschinen“ bleibt nicht nur auf die ideenreichen Entwürfe eines Leonardo da Vinci oder Agostino Ramelli beschränkt, sondern entwickelt sich bald zum Allgemeingut vieler praktisch Tätiger im Bereich von Handwerk und Gewerbe, Architektur und Baukunst, vor allem jedoch des Bergbaus. In zunehmendem Maße werden die Artes mechanicae, also die dem unmittelbaren Broterwerb dienenden praktischen Künste, von der Mathematik ergriffen, die sich zugleich aus der Beschränktheit des Abakusrechnens löst und der Praxis geometriae und den arabischen Zahlen den Vorrang gibt. So erreichen die meist in Deutsch geschriebenen Bücher der besten Rechenmeister – wie Adam Rieses „Rechenung auff der linihen und federn“ (Erfurt 1522) – Rekordauflagen. Schließlich emanzipieren sich vielfältige Ideen aus der Ebene von Beobachtung und Experiment und bilden, sich ständig erweiternd und vervollkommnend, die Grundlage künftiger Wissenschaftsdisziplinen. Dies betrifft nicht nur die belebte Natur, sondern auch traditionelle Fächer wie Alchemie, Astrologie und Naturphilosophie, die bezüglich ihrer wissenschaftlichen Haltbarkeit kritischen Prüfungen ausgesetzt sind.

Nur zu verständlich, dass der von Maximilian I. zum Dichterfürsten des Deutschen Kaiserreiches gekrönte Ulrich von Hutten – er erwarb sich mit der Dichterkrone das Recht, an allen Universitäten des Reiches Vorlesungen über Poetik und Rhetorik zu halten – bereits 1517 verlauten lässt: „Oh Jahrhundert, oh Wissenschaft. Es ist eine Lust zu leben.“

Zu den herausragenden Persönlichkeiten dieser Zeit zählt Georgius Agricola, dem insofern eine besondere Stellung zukommt, als er sich erstmals in der Geistesgeschichte mit einem bis dahin wenig beachteten Bereich, nämlich der Erde, ihren Schätzen und deren Verwertung, beschäftigt und dabei auch „Randprobleme“ in den Zirkel nimmt. Sein Bildungsbestreben und sein gesellschaftliches Engagement sind nahezu universell, so dass er sich zu einem profunden Kenner von Bergbau und Hüttenwesen, Pharmazie und Medizin, Pädagogik, Philosophie und Geschichte sowie Politik und Diplomatie entwickeln kann, und dem deshalb heute unser größter Respekt gebührt.

Kapitel 2

Glauchau, Chemnitz, Leipzig - Georg Pawers Kindheit und Jugend

In Glauchau, unweit von Chemnitz im heutigen Freistaat Sachsen gelegen, wurde Georg Pawer – so sein bürgerlicher Name und eigentlich Bauer bedeutend – am 24. März 1494 als zweites von sieben Kindern geboren. Der Vater Gregor Pawer war vermutlich Tuchmacher und Färber, zählte also zu den eher vermögenden Handwerkern. Der gesellschaftliche Status der Familie dürfte zugleich ein guter Nährboden für die intellektuelle Entwicklung gewesen sein; denn drei der vier Söhne konnten an der Universität Leipzig studieren und machten im Anschluss erfolgreich Karriere.

Die territoriale Zuordnung Glauchaus war zu jener Zeit etwas anders, da mit der Leipziger Teilung im Jahre 1485 an Stelle des bis dahin existierenden wettinischen Kurfürstentums Sachsen zwei neue selbständige Territorialstaates entstanden waren. Zum einen war dies das albertinische Herzogtum unter der Regentschaft von Herzog Albrecht (1464-1500), zum andern das ernestinische Kurfürstentum unter der Regentschaft von Kurfürst Ernst (1464-1486). Ungeteilt und damit in gemeinsamer Verwaltung blieben u. a. die erzgebirgischen Silberregionen Schneeberg und Neustädtel. Zwischen diese beiden Territorien schoben sich, bis zum Nordhang des Erzgebirges reichend und damit direkt an die böhmischen Besitzungen der Grafen Schlick angrenzend, die gleichermaßen souveränen Herrschaften des Hauses Schönburg. Neben Glauchau als Sitz der Schönburger waren dies Waldenburg und Lichtenstein als böhmische Reichsafterlehen sowie das sächsische Reichsafterlehen der oberen und niederen Grafschaft Hartenstein.

Zeichnung von Glauchau

Glauchau um 1600. Zeichnung nach einem schönburgischen Stammbaum, um 1760.

Glauchau zählte etwa 1100 bis 1500 Einwohner und verfügte, gleich anderen Kleinstädten, über Marktrechte und ein breit gefächertes zunftmäßig organisiertes Handwerk, nicht zuletzt auch über eine von Ernst I. von Schönburg gestiftete Parochialschule (Lateinschule). Deren Zweck richtete sich vornehmlich auf die musische Ausbildung und das Erlernen der lateinischen Sprache – beides unentbehrlich für kirchliche Veranstaltungen jeder Art im Schloss der Adelsfamilie –, aber auch auf Lesen und Rechnen. Hier begann Georgs erfolgreicher Bildungsweg, hier wurden die ersten, ein Leben lang währenden Freundschaften geschlossen. Möglicherweise setzte er die Schulausbildung in Zwickau und Chemnitz fort und erlernte – wie sein Freund Stephan Roth während seines zweijährigen Aufenthalts in Chemnitz – neben Latein auch Griechisch. Denn zu Beginn seines späteren Universitätsstudiums wusste er mit profunden Kenntnissen in diesen Sprachen zu beeindrucken, was die Vermutung erhärtet, gleichermaßen zwei Jahre in Chemnitz verbracht zu haben. In einem Spätwerk erwähnt er zudem noch Magdeburg mit seinen „Prachtbauten, Kirchen und Türmen, die er vor 35 Jahren (1511) gesehen hat“, Genaueres über den Zweck seines dortigen Aufenthaltes ist jedoch nicht bekannt.

Portal der alten Chemnitzer Lateinschule

Portal der alten Chemnitzer Lateinschule, das durch den später erfolgten Einbau am Chemnitzer Rathaus (1911) erhalten blieb.

Es ist auffällig, dass der 17-Jährige bereits ein besonderes Interesse für die „Schätze der Erde“ und die Besonderheiten ihrer Entstehung zeigte und aufmerksam registrierte, dass für das Bedecken von Dächern die besonders verwitterungsresistenten Materialien Blei und Kupfer verwendet wurden. Jahre zuvor schon hatte ihn der Schwelbrand eines in Planitz bei Zwickau zu Tage tretenden Steinkohleflözes beeindruckt; denn er schreibt 1530 in seinem Buch Bermannus, nun bereits erfahren in der Bewertung geologischer Sachverhalte: „Als wir noch ziemlich kleine Buben waren, gerieten die Zwickauer Kohlengruben in Brand. Nicht anders als Ätna und Vesuv brannte der Berg und spie Flammen aus, so dass man in der Stadt selbst in Furcht geriet, die doch drei römische Meilen (= 4,5 km) entfernt liegt … Ich habe diese Kohlen häufig gesehen. Unsere Bergleute nennen sie nämlich unter Hinzusetzung des Wortes ‚Stein’ Steinkohlen.“ Allzu häufig kam es vor, dass „die Flammen aus einigen Schächten zu Tage geschlagen und sowohl das Zimmerholz der Gruben wie Bäume auf der Oberfläche verkohlt haben“. Derartiger Feuerbrünste Herr zu werden, war allein schon deshalb fast aussichtslos, weil jedwede technischen Hilfsmittel wie Pumpen, Schläuche, Löschmittel etc. noch unzulänglich arbeiteten, zum Teil auch der mittelalterliche Aberglaube vorherrschte, das Feuer sei etwas „von Gott Gewolltes“ und man dürfe deshalb nicht in das „Strafgericht Gottes“ eingreifen.

Der bekannte Gelehrte Petrus Albinus, dessen fleißiger Feder nicht nur die „Meißnische Land- und Berg-Chronica“ (Dresden 1589/90) und weitere historische Schriften zur sächsischen Geschichte, sondern auch eine Beschreibung von Agricolas Leben und Werk zu danken sind, berichtet erstmals über einen Flözbrand im Jahre 1479. Nach seiner Darstellung entzündeten sich die Steinkohlen 1505 ein weiteres Mal; auf diesen zweiten Brand, der – von einigen Unterbrechungen abgesehen – erst 1865 erfolgreich eingedämmt werden konnte, bezog sich Agricolas beeindruckende Schilderung.

Steinkohle fand zu jener Zeit vorwiegend in Haushalten und Schmieden Verwendung, obwohl der bei der Verbrennung entstehende „Steinkohlendampf“ – im Wesentlichen waren dies stickige Schwefeloxide führende sulfidische Röstprodukte – als Ursache mancher Krankheit und manchen Übels angesehen wurde. So verbot man zeitweise sogar die Verwendung von Steinkohlen oder man löste das Problem dadurch, die Schmiede vor die Tore der Stadt zu verbannen. Da es nicht gelang, die „Schlechtigkeit aus der Kohle auszutreiben“, bot sich Holzkohle als Alternative an, was jedoch gewaltige Holzmengen erforderte und dazu führte, dass das Erzgebirge in zunehmendem Maße abgeholzt wurde. Noch heute zeugen große Freiflächen von dem zum Teil erheblichen Kahlschlag. Immerhin stieg mit der Ausweitung des Bergbaus zu Beginn der zweiten Bergbauperiode (ca. 1500) – vor allem nach Entdeckung neuer Lagerstätten in den Regionen von Schneeberg, Annaberg, Marienberg und Conradsgrün – der Bedarf an Schmiedewaren merklich an. Man benötigte sie für zunehmend komplexere technische Einrichtungen in den Bereichen Gewinnung und Abbau, Förderung, Wasserhaltung und Wetterführung.

Immatrikulationsvermerk Agricolas

Immatrikulationsvermerk Agricolas unter „Natio Misnensium“ (Meißnische Nation) im Matrikelbuch der Universität Leipzig, Sommersemester 1514.