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Angela Scherer-Kern

Frau HOLLES Volk, Band 2

Das Orakel


Für meine Familie und die Kinder dieser Erde


BookRix GmbH & Co. KG
80331 München

Frau HOLLES Volk

 

Band 2

 

Das Orakel

 

 

Angela Scherer-Kern

 

 

 

 

Das komplette Werk von Frau Holles Volk ist urheberrechtlich geschützt.

Alle Rechte vorbehalten, auch die der auszugsweisen Kopie, Vervielfältigung und Verbreitung gleich durch welche Medien, sowie der Übersetzung bedarf der ausdrücklichen, schriftlichen Genehmigung der Urheberin.

Kontakt: atelier@lunartis.de

 

 

Text und Foto ©Angela Scherer-Kern

Erschienen 2015, überarbeitet 2020

Umschlaggestaltung: ©Angela Scherer-Kern

 

 

Weitere Werke der freischaffenden Künstlerin und Buchautorin

Angela Scherer-Kern: www.lunartis.de

 

 

Für meine Familie und die Kinder dieser Erde

 

Hauptfiguren

 

Jaskula Eisenschmidt, 12 J.

Choi, 10 J., Jaskulas Bruder

Eltern: Hanaskea/Hanna Eisenschmidt-Huhn, Tanobakt/Tanno Eisenschmidt

Kyr Guzzini, 13 J., gleiche Klasse wie Jaskula und Freund von Choi, Vater: Luigi, neue Freundin des Vaters: Elisa

Alena, 16 J., Tochter von Elisa

Bettina/Betti Beifuß und Bertram/Bert Beifuß, Nachbarn von Kyr

 

Simi-Simini – Kurzform von: Sieh-mich-sieh-mich-nicht, Chamäleonfee

Hee – hellblau glitzernde Windfee

Fleißig – Ideenwichtel mit dem längsten Bart

Unterhosen-Flax – grüner Blätterkobold

ReimHein – braungrüner Wurzelkobold

Sivoobal – Kurzform von: Sieht-von-oben-alles, Wipfelkobold

Egal – Pilzkobold mit den längsten und dünnsten Beinen

Luli – Kurzform von: Lustig-und-listig, kurzer knuffiger Pilzkobold

Gänseblümchenfee

 

 

 

Hanna nicht lustig

„Sie haben doch gesagt, dass sie sich melden! Aber niemand ist zu sehen! Keine Zeichen weit und breit. Toll!“, maulte Jasi und knallte enttäuscht die Terrassentür zu, dass die Scheiben bebten.

„Jaskula, wie oft soll ich dir noch sagen, dass die Tür nicht so heftig zugeschmissen werden soll!“, mahnte sie ihre Mutter Hanna Eisenschmidt-Huhn.

„Mir doch egal!“, motzte Jaskula zurück.

Ein Blick.

„Ich wollte sowieso nach oben. Hier ist ja nichts los“, sagte Jasi in düsterem Tonfall und stapfte laut nach oben in ihr Zimmer. Wamm! Tür zu. Die Mutter versuchte es bei ihrem Sohn:

„Was hat sie nur? Seit gestern ist sie unausstehlich. Jedes Mal, wenn sie in den Garten sieht, wird ihre Laune noch schlechter. Choi, weißt du…“

Das Telefon klingelte. Das Festnetztelefon. Choi sprang wie elektrisiert aus dem Sofa auf und rannte los. Jasi raste die Treppe wieder runter.

Choi schnappte den Hörer als erster:

„Ja? Und? Haben sie sich bei dir gemeldet? Ach… Hm… Okay…“

„Und? Und? Was sagt er, nun sag es mir schon!“, drängelte Jaskula ihren Bruder.

„Tanno, weißt du, um was es geht? Sie tun wieder so geheimnisvoll. Da braut sich wieder etwas zusammen. Ich spüre es!“, meinte Hanna Eisenschmidt-Huhn in jenem sonderbaren Tonfall in einer Ahnung, wenn es sich um Frau Holles Volk drehte. Sie beobachtete ihre Kinder aus halb geschlossenen Augen.

„Ach was, Hanna. Lass sie doch. Sie werden ihre Gründe haben. Sie werden es uns schon sagen, wenn sie es für richtig halten. Nun sieh dir diese Berge an! Steinböcke! Sagenhaft! Wir sollten unbedingt mal wieder zum Wandern in die Berge!“, meinte Tanno tiefenentspannt wie immer vor dem Fernseher.

„Und die Beifußens? Hast du etwas von ihnen gehört? Ach… Hm… Okay…“ Chois Tonfall klang nicht euphorisch.

„Was ist nun?“, drängelte Jasi völlig entnervt.

„Nix“, meinte Choi nur kurz und zu Kyr:

„Sobald einer etwas sieht oder hört meldet er sich sofort bei den anderen. Festnetz. Handy kaum Empfang. ChatBox geht auch. Ist klar. Bis dann.“

„Um was geht es denn? Kann ich euch vielleicht helfen?“, versuchte es die Mutter weiter.

„Das verstehst du nicht, Mama. Ist schwierig zu erklären, aber wir sagen es dir, wenn wir es genau wissen“, meinte Choi nur kurz, diplomatisch wie immer.

„Ich verstehe das auch nicht, Choi. Sie hätten sich spätestens heute melden müssen“, seufzte Jaskula und jammerte weiter:

„Es ist schon dunkel draußen. Sie wollen uns bestimmt nicht dabeihaben, weil wir dumme Pluvos sind.“

„Jass, nun rede doch nicht solch ein Zeugs. Sie werden ihre Gründe haben. Sie werden es uns schon sagen, wenn sie es für richtig halten. Oh! Sind das Steinböcke? Das ist ja unglaublich, wie die an den Felswänden herumspringen! Wir sollten mal in den Ferien in die Berge“, wechselte Choi beim Anblick der Steinböcke abrupt das Thema. Ganz der Vater.

„Das habe ich auch gerade gesagt. Dann sind wir ja schon zwei, prima! Auf in die Berge!“, strahlte Tanno ohne den Blick vom Fernseher zu nehmen. Er hatte die besondere Gabe, nur das wahrzunehmen, zu hören, was ihn interessierte, alles andere… Tiefenentspannung. Ganz im Gegenteil seine Frau Hanna. Sie grübelte.

„Im Odenwald sind auch Berge. Wir haben vor, in den Osterferien dorthin zu fahren. Das passt ja prima, dass ihr in die Berge wollt. Das freut mich“, nickte Hanna zufrieden über diesen Bogen von Berg zu Berg, den sie nun spannen konnte. Eigentlich wollte keiner aus der Familie mit in den Odenwald zu ihren Verwandten, aber so könnte es ja klappen.

„Gibt es da Steinböcke?“, fragte Choi verhandlungsbereit.

„Nein, aber deine Urgroßmutter…“, wollte Hanna eine Erklärung starten, da lachte ihr Mann und sprach die Schlagzeite der neusten Tageszeitung:

„Odenwald: Urgroßmutter macht Steinböcken Konkurenz!“

„Ja, perfekte Schlagzeile!“, stimmte Choi ihm zu und sie lachten und klopften sich auf die Schenkel ohne den Blick vom Fernseher zu nehmen. Hanna fand das nicht sehr lustig.

„Natürlich keine Steinböcke, aber ein Steinbruch ist da, den kennt ihr doch. Und den Bauernhof von Tante Ruthi und Onkel Willi mit Schweinen und Kühen und Hühnern und…“, verteidigte Hanna verzweifelt ihren Ferienwunsch und wurde auch gleich von Jasis Genöle unterbrochen:

„Wie tristlangweilig! Was sollen wir denn da? Da ist nichts los! Ich will zu Ostern nicht weg. Da ist es viel schöner hier im Wald!“

„Jasi, ich verstehe dich nicht. Seit wann verbringt man Ostern im Wald?“ Mutter Hanna kam mit den steinbockhaften Gedankensprüngen nicht mehr mit. Sie war wohl nur eine einfache Bergziege. Da fing Jasi auch noch an zu schluchzen:

„Vielleicht auch nicht, weil sie sich nicht melden, weil sie uns nicht mehr sehen wollen, weil sie nichts mehr mit uns zu tun haben wollen…“ Sie drehte sich um und rannte wieder laut stapfend nach oben in ihr Zimmer. Wamm!

„Tanno, sag doch mal was. Verstehst du sie?“, fragte sie ihren Mann und gab ihm einen Puff.

„Das ist die Pubertät. Mädchen. Da ist immer alles etwas theatralischer als es ist. Müsstest du doch am besten verstehen. Das gibt sich schon wieder, nicht wahr Choi?“, meinte Tanno und verwuselte Choi die eh schon wuseligen Shonen-Fransen-Haare, dem klassischen Haarschnitt für Jungs nach dem Vorbild japanischer Manga- und Animefiguren.

„Komm Hanna, sieh dir das mit an“, meinte Tanno, denn er wollte sie offensichtlich für höhere Berge gewinnen.

„Ich bin sicher, das hat was mit diesem Volks zu tun, mit diesem Volks aus dem Wald, stimmt das Choi?“, bohrte die Bergziege weiter.

„Was weiß ich, was in Jass‘ Kopf herumgeistert…“, sagte Choi bemüht cool.

„Na gut“, meinte Hanna und hakte das Thema ab, vorerst. Sie setzte sich zu Tanno auf das Sofa.

„Frau Holles Volk heißen sie. Frau Holles Volk, Mama“, korrigierte Choi gelassen.

Seitenblick, spitze Schnute und ein „Ach was?“

 

Aufregung am Wurzelgrubentor

Kommt herein in die gute Stube,

die gemütliche Wurzelgrube!

Kommt herein edle Völker der Erde!

Auf dass unser Fest ein…“, weiter kam der kleine braungrüne Wurzelkobold, allseits bekannt als ReimHein, mit einem braunen und einem grünen Auge, heute Abend nicht, als er fröhlich Reim singend seine Gäste begrüßen wollte. Er wurde frech von oben überschallt:

„…auf dass unser Fest ein Brüller werde!“

Das war natürlich kein anderer als Sivoobal, der Wipfelkobold. Er hatte sich flink von einer Deckenwurzel zur anderen durch das hohe Wurzelgrubentor hindurch geschwungen und auf diese Weise die lange Warterei in der Schlange vor der Wurzelgrube quasi überflogen. Das war nur möglich gewesen, weil Hee, die Windfee, ihn dabei nicht uneigennützig unterstützt hatte. Seine gestreifte Zipfelmütze baumelte dabei logischerweise nach unten und streifte zu allem Ärger von ReimHein provokant noch um dessen Nase. Der musste herzhaft niesen, weil es ihn dermaßen kitzelte.

„Sivoobal, Sivoobal,

wart‘ du mal, wart du mal!

An deiner Mütze will ich dich zupfen,

und ein Härchen von dir rupfen!“, rief er dem Wipfelkobold verärgert nach, denn dieser hatte ihn nun völlig aus seinem Begrüßungs-Reim gebracht. Sivoobal entschwand ganz rasch ans Ende der empfangenden Gäste-Schlange. Es war Tradition, dass die Gäste, die von ReimHein am Wurzelgrubentor begrüßt worden waren, sich gleich hinter ihm wieder anstellten, um ebenso die neuen Gäste zu begrüßen. Aus großer Gastfreundlichkeit und Neugier, wobei letzteres mit größter Wahrscheinlichkeit ausschlaggebend war. Wir wissen ja, woher die spitzen Nasen und Ohren kamen…

Sivoobal wollte es sich nicht gänzlich mit Gastgeber und Kumpel ReimHein verscherzen und stellte sich ganz artig richtig herum hinten an. So waren sie eben, die Kobolde. Sie machten sich liebend gern einen Spaß, auf Kosten anderer, klaro. Mit unschuldigem Schulterzucken erklärte er den Gästen in der Reihe vor sich:

„Ich habe ReimHein mit dem Zipfel meiner Zipfelmütze begrüßt. Diese Besonderheit habe ich mal eben erfunden. Ist ja langweilig, immer dieses Händeschütteln, Handgeklatsche, Spatengeklopfe, dieses Kopfgenicke oder diese Umarmungen mit Küsschen hier und Küsschen da, nach Pluvo-Art, wie es der neuste Feen-Schick ist. Ich wusste ja nicht, dass er auf den Zipfel meiner Zipfelmütze allergisch reagiert.“

Dann rief er zum Eingang:

„ReimHein, Kumpel! Ich schwöre dir sofort:

Ich mach’s nie wieder! Kobold-Ehrenwort!“

ReimHein rieb sich die Nase, denn sie war eindeutig seine empfindlichste Stelle. Er war dermaßen kitzelig an seiner Nase, dass er sich sogar selbst kitzeln konnte bis er das Niesen anfing.

Alle anderen Kobolde konnten sich das Grinsen nicht verkneifen. Von den Feen erntete er empörte Plings.

„Pass‘ nur auf! Wir werden dich auch mal an deiner spitzen Nase kitzeln, dann siehst du, wie das ist“, trillerte die blaue Windfee Hee aus der Gästereihe vor ihm. Sie ärgerte sich schon, dass sie ihm zu diesem Schummelstück verholfen hatte.

„Darauf freu ich mich jetzt schon!“, antwortete Sivoobal frohlockend.

„Ruhe, da hinten! Die Party kommt später. Bitte Ruhe dort hinten!“, mahnte jetzt Wichtel Fleißig, der direkt neben ReimHein ganz am Anfang der Reihe stand, also heute der erste Gast des Abends gewesen war. Wichtel sorgten gern für Ordnung.

ReimHein versuchte sich erneut im Reimen und vertüddelte sich:

„So komm‘ nur herein, meine liebe Freude,

seid schön fröhlich und feiert mit viel Freunde!“

Das konnte ja was werden! Ein Glück, Wichtel Emsig war an der Reihe und löste den Knoten mit seinem erfrischenden Lachen:

„ReimHeim, das ist ja noch viel besser: Wenn die Freude auch zum Fest eingeladen ist, dann können wir Freunde doch ordentlich zusammen feiern – alles bestens! Prima Idee!“

Emsig stampfte dreimal mit dem Spaten zur Begrüßung vor ReimHein auf und begrüßte danach nach interner Wichtelart Wichtel Fleißig gleich hinter ReimHein. Dass Fleißig heute als erster in die Wurzelgrube kommen sollte, war eine geheime Absprache mit der Ältesten des Waldes. Sie wusste, dass Wichtel sehr beruhigend auf Kobolde wirkten und insbesondere Fleißig auf ReimHein, einen seiner besten Freunde im Wald. Das war durchaus eine weise vorausschauende Entscheidung gewesen in Anbetracht der jüngsten Ereignisse.

ReimHein guckte den Wichtel etwas irritiert mit seinem grünen Auge an, das braune hatte er zugekniffen, doch als die beiden Wichtel ihre Spaten dreimal aneinanderstießen und danach ihre wohlgeformten Bäuche, da musste auch er herzlich lachen und die Situation entspannte sich wieder.

„Gut riecht dein fluffiger Bart, alter Wichtelbart!“, sagte Emsig begeistert. Er versenkte seine große Knollnase in die riesige Bartwolle von Fleißig und stöhnte genüsslich daraus hervor.

„Hamamelis, die Zaubernuss, ist es dieses Mal. Der Duft der Saison. Sind sie nicht bezaubernd mit ihren gelben Blüten jetzt um diese Zeit, Anfang Februar? Ich sah die erste Zaubernuss schon Anfang Januar in einem Garten erblühen. Ich lasse mich oft von ihr verzaubern. Sie bringt wahrhaftig das erste Licht an die Oberfläche der Erde, eine Ahnung, dass die dunkle Jahreszeit langsam aber sicher dem Ende zugeht. Dabei sieht sie so bescheiden aus. Also, ich liebe sie!“

„Ja, da hast du recht – die Blüten der Zaubernuss sind zauberhaft und bringen solch eine wohlige Süße in die Welt…“

Da die beiden sich gern in Fachsimpelei verloren, wurden sie ungeduldigst von Luli, dem kleinen knuffigen Pilzkobold ermahnt:

„So, ihr beiden Hamamelis-Duft-Schwärmer! Gesellt euch bitte sehr nach hinten zu den Zaubernussfeen und schnuppert dort weiter. Hier soll es jetzt weitergehen, sonst zieht nachher das kleine Licht allein zur Erde hinauf…“

„Und das ist mir jedenfalls nicht egal! Weiter geht’s!“, unterstützte ihn Egal, sein langer, dünnbeiniger Pilzkobold-Freund, leicht genervt, denn hinter ihnen wurde ordentlich gedrängelt.

Beide versuchten jetzt, gegen Fleißigs Rücken zu drücken, um die beiden Wichtel, die den Eingang voll blockierten, weiter zu schieben. Es war allerdings so gut wie unmöglich, denn wo ein Wichtel stand, da stand er. Ein Blick in ReimHeins beginnenden panischen Blick veranlasste Emsig nun doch, umgehend strammen Schrittes mit seinem üppig beladenen Bollerwagen in die Höhle zu schreiten. Fleißig folgte ihm kurz mit seinem exorbitanten Bollerwagen, der das Eingangstor doch erheblich verengt hatte.

Drinnen wich sofort die Ungeduld aus der Gäste empfangenden Schlange, als sie die prächtigen Ladungen der Bollerwagen, gefüllt mit den verschiedensten Nusskuchenvariationen auf kunstvoll geschnitzten Tellern erblickten. Alle jubelten und klatschten vor Begeisterung. Die beiden hatten sich eine Art Regalsystem in ihre Bollerwagen gezimmert, sodass sie ihre empfindliche lukullische Fracht sicher befördern konnten. Es war ein fantastischer Anblick.

Ihnen gebührte also die erste Laola-Welle, denn Neuigkeiten verbreiteten sich schneller als der Wind bis ans Schlangenende. Wenn sie die beiden Wichtel kommen sahen, hielten die Kobolde und Feen die Arme gestreckt vor sich und wackelten mit den Händen und brummten dabei ein tiefes „Oooooooh“. Überall, wo die beiden Wichtel direkt vorbeikamen, rissen sie die Arme hoch, mitsamt ihrer Stimme. Hinter ihnen floss die Laola-Welle mit einem Lachen aus. Als die beiden Wichtel am Ende der Empfangsschlange angekommen waren, bedankten sie sich durch Handgruß und Fleißig bat durch eine weitere Handgestik wieder um mehr Ruhe. Fleißig war ja Meister im Gestikulieren. Es zeigte seine sofortige Wirkung.

Jedenfalls kurz. Weiter ging es mit weiteren Gästen.

An diesem Abend war eine deutliche Unruhe zu spüren. Ein Kribbeln, eine Aufregung schien das ganze Frau Holle Volk zu durchfließen. Am deutlichsten war dies natürlich naturgegeben bei den Kobolden zu bemerken. Die Ruhezeit der Natur nahte dem Ende und das war auch gut so. Die angestaute Energie durfte sich jetzt bald wieder über der Erde in all ihrer wachsenden Schönheit entladen.

ReimHein ging es ebenso, so sehr er sich auch bemühte. Kobolde zählten eh nicht so zu den Geduldigsten, aber heute lagen seine ätherischen Nerven blank. Er war ansonsten nie aufgeregt, wenn er Gäste begrüßte, aber heute, zum Lichtfest in der Wurzelgrube, da zappelte er nervös von einem Bein auf das andere und alles ging ihm viel zu langsam voran. Er war völlig unentspannt und jede Art von Störung, die ansonsten immer zum Leben des Frau Holle Volkes einfach dazu gehörte, die war in diesem Moment, oh oh, so gar nicht angebracht.

Die Vorbereitungen zum Lichtfest waren schon die reinste Katastrophe gewesen und ReimHein stand kurz davor, mit seinen ätherischen Nerven völlig am Ende zu sein. Das bedeutete bei Kobolden sehr viel. Sie besaßen ja bekanntlich sehr großzügige Nerven-Grenzen, jedenfalls, wenn es sich um die Nervengrenzen der anderen handelte…

Schließlich hatten sie die Festvorbereitungen doch geschafft, denn die drei Wichtel Fleißig, Emsig und Rastlos waren ihnen gerade im rechten Augenblick, bevor alles zu kippen drohte, zur Hilfe geeilt. Sie hatten das natürlich dezent getan, als wären sie rein zufällig im Wald vorbeigekommen und hätten auf der Suche nach Holz nur so mal vorbeischauen wollen.

Die Waldfee hatte nämlich gespürt, dass die Kobolde diese Situation nicht mehr selbst hatten bewältigen können. Daher hatte sie die Wichtel über Windfee Hee und ihre Windfee-Freundinnen herbeirufen lassen. Die Älteste des Waldes, wie die Waldfee von allen Mitgliedern des Frau Holle Volkes respektvoll genannt wurde, wusste zu gut, dass gerade diese Zeit eine besonders sensible Zeit war. Wenn außen auch noch nichts zu sehen war, so war im Innern der Erde doch schon sehr viel Lebenskraft, die sich recken und strecken wollte. Die Natur samt Frau Holles Volk stand quasi in den Startlöchern.

Vergleichbar war diese kribbelnde Vorfreude mit der Zeit vor dem Weihnachtsfest, wenn die Geschenke unter dem Tannenbaum schon bereitlagen, die Kinder sie aber noch nicht öffnen durften.

Die Feen, die nicht oder nicht mehr schliefen, waren auf ihre Art rastlos und schwehten und schwebten aufgeregt hin und her.

Ausnahmslos alle Kobolde liefen herum wie elektrisiert, als hätte sie jemand aufgedreht und sie fänden den Aus-Knopf nicht mehr. Jede einzelne Äthernervenzelle schien zu zippeln und zu zappeln. Es fiel ihnen ungeheuer schwer, sich unter Kontrolle zu halten.

Also war die rechtzeitige dezente Hilfe für die Vorbereitungen zum Lichtfest ein Segen gewesen, um die Gemüter zu besänftigen. Die Kobolde konnten bekanntlich sehr empfindlich sein, wenn es um ihren Kobold-Stolz ging. Auf Wichtel konnte man sich daher immer gut verlassen. Sie wussten genau, wie sie sich wann und wo zu verhalten hatten. Sie kannten die Befindlichkeiten ihrer ätherischen Geschwister nur zu gut. Meistens nahmen sie deren Launen ganz einfach mit einem verständnisvollen Lächeln.

Allein die Wichtel sahen alles gelassen.

 

Wo bleibt die Älteste des Waldes?

Im Innern der Wurzelgrube sah ansonsten alles aus wie gewohnt, als endlich alle Gäste in der großen Halle erwartungsvoll versammelt waren. Nur die Geräuschkulisse erinnerte an einen hoffnungslos überfüllten Bienenstock. Es summte und brummte in den höchsten Frequenzen. Alles wartete nur darauf, endlich hinaus zu können, ins Freie, hinaus zu rennen, zu schweben, zu schwehen, zu fliegen, zu toben, Hauptsache raus!

Schon längst war die Begrüßungsrede der Ältesten des Waldes überfällig.

Jedoch - keine Hörner erschallten.

Alle, außer den Wichteln, wuselten unruhig auf der Stelle.

So sehr sie allesamt auf die Mitte der Wurzelhöhle starrten, die Waldfee wollte und wollte nicht erscheinen.

Was war los?

Wo blieb die Waldfee, die Älteste des Waldes?

Sie erschien bei Festen sonst immer in ihrer Mitte.

Sie war sonst immer die Pünktlichste von allen!

Nur eine aus grünen Blättern geformte Schale stand statt ihrer auf einem kleinen Erdhügel. Es waren Blätter von immergrünen Pflanzen. Immergrün und Efeu, Blätter der Stechpalme und des Buchsbaumes, mit einem aus langen Kiefernnadeln geflochtenem Rand und einem inneren Polster aus Thuja-, Tannen-, Fichten- und Eibennadeln.

Sonst war niemand zu sehen oder zu erahnen.

Was war nur los?

War etwas geschehen?

Die Aufregung steigerte sich ins Unerträgliche. Alle redeten durcheinander ohne sich anzusehen, denn sie starrten dabei unentwegt auf die Mitte, wo ansonsten immer, immer, zu jedem der acht Hauptfeste im Jahreskreis die Älteste des Waldes erschien, sobald alle versammelt waren.

„Ruhe, Ruhe, bitte, liebe Freunde, Brüder und Schwestern von Frau Holles Volk!“, rief Fleißig. Alle Wichtel unterstützten ihn und es dauerte. Erst als Fleißig rief:

„Ich habe eine Idee!“, da verstummten sie. Wichtel Fleißig gehörte zu den allgemein geachteten Ideenwichteln und so horchten sie hoffnungsvoll und neugierig, was er zu sagen hatte.

„Es ist eine vage Idee, aber vielleicht ist dies der Grund, weshalb unsere geschätzte Älteste des Waldes nicht erscheint.“

Er sah in die Runde, als würde er nach jemandem suchen. Dann hielt er seine Hand mit der Geste der Konzentration, die er von Buddha für sich übernommen hatte, also die rechte Hand nach vorn zeigend, Zeigefinger und Daumen berührten sich und bildeten so einen Kreis und Mittel-, Ring- und kleiner Finger blieben gestreckt. Die Geste gebrauchte er stets, um sich zu konzentrieren, wenn er etwas erklären wollte oder wenn er sein Wissen weitergeben wollte.

„Was meinst du, Fleißig?“

„Ja, sag schon!“

„Mach es nicht so spannend!“, riefen sie ungeduldig.

„Vielleicht erscheint unsere Älteste des Waldes nicht, weil wir noch nicht vollzählig sind. Vielleicht fehlt noch jemand. Prüft doch bitte, ob eure nächsten Freunde hier anwesend sind“, forderte er sie auf.

Ein hektisches, ja fast panisches Suchen startete.

„Halt, halt! Rennt doch nicht alle durcheinander! Bildet wieder einen großen Kreis! So kann jeder jeden sehen und bitte, bitte leise!“, rief Fleißig in den Trubel, was kaum Wirkung zeigte.

„Ja, vielleicht sind wir auch alle einfach nur zu laut. Das zarte, junge Licht will uns bei diesem Getöse vielleicht nicht erscheinen“, bemerkte ein zarter, schmaler Zaubernussfeen-Jüngling eher zu sich.

Mit einem Mal verstummten sie alle und sahen ihn an.

„Ich habe die große Ehre, zu den Vorboten des Frühlings zu zählen. Dieser Prozess, von hier unter der Erde aus den unzähligen Höhlen nach draußen zu gehen, über die Erde, ist ein großer Schritt für uns alle! Hier in der Erde ist alles so behütet. Keiner weiß, was einem so erblüht, wenn die ersten Knospen nach draußen geschickt werden, damit die ersten Blüten oder Blätter sich öffnen.

Stellt euch nur vor, ihr würdet jetzt alle, so wild wie ihr seid, nach draußen sprengen! Welch ein Schock für die Natur wäre das. Also langsam, langsam.

Ich kann euer aller Aufregung bestens verstehen. Es erging mir nicht anders, bis ich endlich durch die erste geöffnete Blüte hinausschauen durfte. Welch ein erhabener Augenblick!

Aber es geht nur auf sanfte Weise. Sanft bringen wir gemeinsam das junge Licht nach oben. Mit Geduld und unendlich viel innerer Freude. Dann, wenn das junge Licht wieder über der Erde ist, wird uns nichts mehr halten können. Dann wird gefeiert, was das Zeug hält.

Versteht ihr, was ich meine?“

Alle nickten und wagten nicht zu atmen.

Da meldete sich Unterhosen-Flax mit besorgter Miene:

Sie ist nicht da. Sie fehlt! Simi-Simini!“

Alle sahen sich um, ließen ihre Blicke entlang des großen Kreises gleiten und suchten ihn nach der Chamäleonfee ab.

„Was könnte sie anhaben? Sie ist oft nicht zu sehen, obwohl sie da ist, selbst für uns“, fragte Gänseblümchenfee.

„Geanu! Wenn sie ihre Augen schließt, ist sie ganz unsichtbar“, meinte ein Wurzelkobold.

„Simi-Simini! Bist du da? Öffne deine Augen, damit wir dich sehen können!

Alle waren still.

Sie horchten und versuchten scharf zu sehen, nach oben, nach unten, zu allen Seiten.

 

Das Lichtfest kann beginnen

In diesem Augenblick begann es in ihrer großen Mitte sanft zu leuchten, sanft-grün.

Die Schemen der Waldfee waren zu erkennen.

Ein erleichtertes Raunen ging durch die Wurzelgrubenhalle.

Da stand sie, groß, schön, mit dunkelgrünen langen Haaren und einem langen Kleid aus immergrünen Blättern und Nadeln und Flügeln so zart, aus unzähligen Spinnenfäden gesponnen.

Sie sprach… nicht.

Die Glühsteine dimmten ihr Licht bis sie völlig erloschen waren.

An der Wurzelgrubendecke schwebten im Kreis über dem Kreis des Frau Holle Volkes kleine Lichtchen. Zu jedem der Anwesenden gehörte eines dieser Lichtchen.

Auch in der Mitte schwebte ein kleines Licht. Die Älteste des Waldes führte mit ihrem Zeigefinger alle Lichtchen sanft zusammen zu einem einzigen kleinen intensiven Licht und lenkte es langsam nach unten, in die Schale aus immergrünen Blättern.

Der Erdhügel erhob sich langsam und trug diese Schale erhaben vor sich. Er setzte sich achtsam in Bewegung Richtung Wurzelgrubentor.

Da ging ein Flüstern durch die Hälfte des Kreises, die den Erdhügel und das Licht von vorn sehen konnten, was die andere Hälfte natürlich vor Neugier schier platzen ließ.

Der Erdhügel, er hatte seine Augen geöffnet, zwei himmelblaue Augen!

Unterhosen-Flax, auf den jener ätherische Erdhügel zuging, japste nach Luft und schien fast zu kollabieren, sodass die beiden Wichtel Fleißig und Emsig neben ihm wie mit einer Hand sofort unter die Arme griffen. Er sammelte sich sogleich wieder und starrte den Erdhügel mit weit aufgerissenen Augen an. Seine Blätterhose, die sonst nie hoch genug sitzen konnte, vergaß er völlig und rutschte auf normale Höhe.

Wie paralysiert ging er, mit Fleißig und Emsig links und rechts eingehakt, ein paar Schritte beiseite. Sie öffneten den Kreis, um für das vorbeischwehende junge Licht samt Erdhügel mit dem Namen Simi-Simini eine Passage zu bilden.

Als Simi-Simini an Unterhosen-Flax vorbeischwehte, zwinkerte sie ihm kurz zu und schwehte weiter, ohne ihre erhabene Erscheinung zu verändern, bis zum Wurzelgrubentor. Das kurze Zwinkern verwirrte Unterhosen-Flax zum zweiten Mal und damit endgültig. Dieses völlig unvorhersehbare Ereignis schleuderte ihn innerlich in einen zweiten bislang unbekannten Film.

Die beiden Wichtel tauschten ein vielsagendes Lächeln aus.

Simi-Simini stellte die Licht-Schale vor das noch geschlossene Wurzelgrubentor, drehte sich um und blieb daneben stehen.

Augenblicklich raunte auch die zweite Hälfte als sie die blauen Augen aus dem Erdhügel leuchten sah.

 

Nun endlich sprach die Waldfee.

Ihre Stimme klang klar und bestimmt und überaus liebevoll:

„Danke Simi-Simini. Du hast heute Abend die hochheilige Aufgabe übernommen, das junge Licht zu hüten bis wir es morgen früh zu Sonnenaufgang gemeinsam an die Erdoberfläche tragen.

Ich weiß nur zu gut, wie sehr ihr alle euch auf diesen Augenblick freut, denn dann beginnt ein neues Jahr des Wachsens oben auf der Erde.

Die Zeit des Ruhens wird dann auch dort vorüber sein. Jede Zeit hat ihren Sinn. Ohne die Ruhe wären die Energien bald verbraucht. So konnten alle wieder Kraft schöpfen. Vieles konnte dank eurer Hilfe für den neuen Zyklus des Wachsens neu geordnet und vorbereitet werden.

Der Ablauf des Lichtfestes wird also wie folgt lauten:

Der Zeitpunkt der Verschmelzung des jungen Lichts aus dem Innern der Erde, welches vorn am Wurzelgrubentor von Simi-Simini bewacht wird, mit den ersten Sonnenstrahlen des neuen Tages auf der Erde, wird von unserem Fest umrahmt.

Wir beginnen mit dem Fest hier im Innern.

Dem Fest des Dankes.

Es folgen Speis‘ und Trank.

Zur Morgendämmerung versammeln wir uns alle innen vor dem Wurzelgrubentor, welches sich durch die Berührung des ersten Strahls von Vater Sonne für uns öffnet.

Die gewohnte Reinigung unserer ätherischen Körper bei unseren Festen erfolgt heute kurz vor Öffnung des Tores.

Gemeinsam mit Simi-Simini tragen wir das Licht nach draußen auf die Erde.

Zum Ausklang bitten die Sonnenstrahlen um den ersten Tanz im Freien. Das ist dann Euer Tanz, liebes Frau Holle Volk!

Ist das so in eurem Sinne?“

 

Natürlich war es das. Die Kobolde klatschten ab, die Wichtel klopften mit ihren Spaten und die Feen plingten freudig und ließen ihre Flügel zittern.

Die Waldfee blickte zu Simi-Simini und diese antwortete ebenfalls mit einem sanften Pling.

Allein dieser Klang versetzte Unterhosen-Flax wieder weiche Knie. Wenn das so weiterging, konnten die beiden Wichtel den Blätterkobold den ganzen Abend über nicht aus den Händen lassen.

„Habt ihr noch Fragen zum Ablauf des Abends oder weitere Ideen?“, fragte die Waldfee und sah mit ihren weisen Augen einen jeden liebevoll an.

Als sie Unterhosen-Flax tief in die Augen blickte, wachte dieser plötzlich wieder aus seinem schwankenden und leicht benebelten Zustand auf. Er schüttelte sich kurz, schob die eingehakten Arme der Wichtel leicht irritiert aus seinen Armen, zog seinen Blätter-Shorty bis unter die Achseln und riss seine Hand hoch:

„Ja, ich habe noch eine Idee!“

Die Waldfee lächelte:

„Gern. Teile sie uns bitte mit, Unterhosen-Flax.“

„Wir, wir kennen doch diese Menschenkinder. Sie sind unsere Freunde. Jaskula und Choi und auch Kyr. Ja. Fleißig, Emsig, Sivoobal, Hee, Egal, ReimHein, Gänseblümchenfee, die…“

„Ja, ich weiß, wen du meinst und ich weiß wohlwollend, dass ihr gute Freunde seid“, hakte die weise Älteste des Waldes freundlich ein.

„Hm. Klaro. Jedenfalls wollten die drei auch schon immer gern einmal an einem unserer Feste teilnehmen. Das ist doch auch gut für sie, wenn sie direkt mitbekommen, was hier bei uns in der Natur so abgeht. Was meinst du, große Älteste des Waldes? Dürfen wir sie holen? Sie sind ja keine wirklichen Pluvos. Wenn du es erlaubst, dann frage ich natürlich alle in der Wurzelhöhle, ob ihr auch einverstanden seid“, fragte er mit einem entwaffnenden Blick in alle Richtungen. Außer nach hinten zu Simi-Simini. Pluvo bedeutete übrigens ‚plumpes Volk‘. So wurden die Menschen im Allgemeinen von vielen der Ätherischen bezeichnet, weil die Menschen sich ihrer Erfahrung nach gegenüber der Natur sehr plump verhielten.

Die Älteste des Waldes antwortete:

„Wie ich von allen wahrnehme, ist dies eine gute Idee, die von allen getragen wird. Der Zeitpunkt jetzt ist gerade noch passend. Daher reise du mit Fleißig umgehend über unseren Hollerbusch am Wald zum Hollerbusch im Garten der Familie Eisenschmidt-Huhn und überbringt folgende Einladung:

‚Morgen früh um 8.02 Uhr ist Sonnenaufgang. Wir laden euch ein, etwa eine halbe Stunde zuvor am Hollerbusch unseres Waldes einzutreffen. Eine viertel Stunde zuvor geht langsam bis zu sieben Schritte vor meinen Baum, der ältesten Eiche dieses Waldes. Wartet dort mit einer weißen Kerze in der Hand, bereit diese anzuzünden. Den Zeitpunkt werdet ihr erkennen. Wenn ihr mögt, zieht ein weißes Kleidungsstück an. Ein Tuch genügt auch. Wir freuen uns auf Euch.‘

Bei unseren Festen unter der Erde können sie naturgemäß nicht teilnehmen, aber ab morgen früh sind sie willkommene Gäste.

Sicher wird ihren Eltern diese spontane Idee nicht gefallen. So sollen sie doch Frau und Herrn Beifuß bitten, sie zu begleiten. Das werden ihre Eltern und auch Kyrs Vater gutheißen.

Das Tor ist verschlossen. Nutzt also die Grubenleiter durch die Wurzeln nach draußen.

So soll es geschehen und so ist es gut.“

„Das machen wir, klar, sofort. Komm‘ Fleißig!“, rief Unterhosen-Flax begeistert, hakte Fleißig ein und zog ihn mit sich.

„Ich komm‘ ja schon! So viele neue Ideen. Es ist einfach wunderbar! Wie sie sich freuen werden! Fangt ruhig schon an zu essen, wir kommen ja gleich wieder und ihr werdet uns sicher noch etwas vom Festessen übriglassen!“, rief Fleißig vorsorglich.

Und von der Grubenleiter herunter schallte es noch:

„Trinken könnt ihr auch schon, aber nicht so viel von der megasprudelnden blaugrünen Kobold-Brause…“

„Keine Sorge, Unterhosen-Flax“, kam es von Fleißig hinter ihm. „Heute Nacht trinken wir eine spezielle Lichtfest-Limo, die wir extra für euch alle erfunden haben, und die ist weiß. Weiß-leuchtend! Und die sprudelt auch ein gaaanz klein wenig! Lasst euch überraschen! Die ist guhut!“

„Oh!“, hörten sie noch und weg waren sie.

„Ach!“, schallte es darauf vom ganzen Kreis der Gäste, außer von den Wichteln.

„So!“, ging es weiter in der Einsilbigkeit, alle Blicke den Wichteln zugewandt.

„Genau!“, antworteten die Wichtel wie aus einem Bart.

Die Waldfee unterbrach dieses Gesilbe und erklärte:

„Die Wichtel haben im Hinblick auf euer aller Geschmacksvorlieben ein Getränk nur für diesen Lichtfest-Abend komponiert. Es vereint alle Geschmacksnerven. Die Wurzelkobolde haben wunderschöne und festliche Wurzel-Räume eingerichtet, wo sich sicher alle sehr wohlfühlen werden und ihr gemeinsam einen angemessenen letzten Abend in unserem unterirdischen Reich verbringen könnt.

Emsig, ReimHein, darf ich bitten!“, forderte sie die beiden mit einer eleganten Handbewegung auf.

 

Emsig stand auf und ging zu einer Wurzel an der Wand. Er kramte in seiner Gürteltasche, holte einen Kieselstein in Form einer Kugel heraus und zeigte diesen der Waldfee. Sie nickte. Daraufhin hauchte der Wichtel ihn drei Mal an und polierte ihn mit einem speziellen Tuch bis er weiß zu leuchten begann.

Die leuchtende Kugel legte er auf die Wurzel und zog an einer kleineren Wurzel daneben, drei Mal. Dadurch wurde die Wurzel mit der leuchtenden Kugel nach oben gezogen und rastete ein.

Er führte seinen Spaten nach oben und hielt ihn am flachen Spatenblatt fest. Mit dem Holzgriff verfehlte er zwei Mal den Riegel vor der leuchtenden Kugel und beim dritten Mal schob er den Riegel hoch. Die Kugel war frei und lief über eine Wurzelbahn einmal im Kreis über den Gästen und dann spiralförmig bis kurz über eine große, runde, dunkle Schale.

Genau in deren Mitte fiel sie mit einem Blubb in eine Flüssigkeit, die durch diesen Impuls hell weiß zu leuchten begann. Und sanft sprudelte. Ganz sanft.

„Ooh!“

Die Feen plingten entzückt und die Kobolde klopften den Wichteln anerkennend auf die Schultern.

Alle blickten jetzt zu ReimHein, der sich, seit er im Kreis mit allen stand, in einem angenehmen leicht entrückten Zustand befand. Jetzt aber wurde ihm seine zentrale Rolle wieder bewusst und das Kribbeln der letzten Tage setzte erneut ein, von den Spitzen seiner grünbraunen Schuhe bis zur Spitze seiner grünbraunen Zipfel-Mütze. So stotterte er sich in seinen Reim:

„Heute treute Freunde Freude…“ Er räusperte sich und bekam einen Klaps von Emsig auf die Schulter. Das half.

„Seid willkommen treue Freunde!

Freu mich heut ganz ungeheuer!

Feuer an für unsre Feier!“

Dann nahm er einen leuchtenden Pfeil aus seinem Köcher, spannte ihn ein und schoss ihn treffsicher an eine Stelle, von der aus sich das Licht über Millionen von Spinnfäden ausbreitete und viele gemütliche Sitz-, Steh-, Schweb- und Schweh-Höhlen und -Ecken in angenehm gedämpften Farben erscheinen ließ.

„Aah!“

„Schööön!“

Natürlich erhielten alle Wurzelkobolde die ihnen gebührende Anerkennung durch Plings in den höchsten Tönen und freundschaftliche Klapse und Schupse.

Die Waldfee sprach:

„Wie ihr seht, laden diese gemütlichen Räume euch alle ein, einen möglichst ruhigen Abend und eine möglichst ruhige Nacht zusammen zu verbringen.

Ruhe, ja, das ist noch immer unser Thema hier unter der Erde, auch wenn es so manchen sehr schwerfällt. Ihr wisst, die Ruhe hat uns drei ganze Monate begleitet. Deswegen werden wir sie gebührend verabschieden, damit nun etwas Neues daraus wachsen kann.

So lautet der Plan der Natur unserer geliebten Erde, seit Anbeginn. Frau Holle als unsere Erdmutter hütet diesen Plan. Und wir sind ihr Volk.

Zum Ahnenfest haben sich die meisten Kräfte der Natur in die Erde zurückgezogen,

um auszuruhen,

um Kräfte zu sammeln,

um neue Ideen zu entwickeln,

um sich vorzubereiten,

auf das Wachsen,

auf eine Fortsetzung des Kreislaufes in der Natur über der Erde.

Jetzt, als krönenden Abschluss dieser Ruhephase, bitte ich euch, eure Pläne, die ihr in dieser Zeit geschmiedet habt, untereinander auszutauschen. In aller Ruhe. Damit ihr voneinander wisst.

Wenn Unterhosen-Flax und Fleißig wiederkommen, werden wir gemeinsam auf die Zeit der Ruhe anstoßen und das Nuss-Buffet eröffnen.

Danach sind wir alle bereit und gestärkt für das Öffnen des Wurzelgrubentors zur Erdoberfläche hinauf.

Viel Freude bis dahin!“

Die Ätherischen schwirrten aus und erkundeten sogleich all die vielen gemütlichen Höhlen, die von der Wurzelgrubenhalle ausgingen.

Da war es wieder, das aufgeregte Summen. Das Kribbeln in allen ätherischen Nervenzellen.

Die Feen in höheren Frequenzen, die Kobolde in wilderen und die Wichtel naturgemäß in tieferen Tönen. Über neue Blumenstandorte wurde debattiert, über neue Baumsetzlinge zur Straße hin, ebenso mehr Brombeerranken an dieser oder jener Stelle. Über geplante Pilzstädte an alten Baumstümpfen, einen Erlebnispark im Buchenwald, natürlich nur im Blattwerk oben, was die Windfeen ebenso sehr begeisterte wie die Blatt- und Wipfelkobolde.

Auch über Stellen, an denen Bäume sich durch einen Sturm entwurzeln sollten, damit deren Stämme dem noch kargen Boden darunter als Nahrung dienen könnten, und junge Pflanzen dort mehr Halt und mehr Licht bekommen würden. Da im letzten Jahr die Vorräte für die Tiere schon recht knapp bemessen gewesen waren, würden die Rotbuchen in diesem Jahr mehr Bucheckern austragen. Ebenso mehr Tannenzapfen sollten an den Tannen wachsen. Das folgende Jahr sollte dann wieder ein Schonjahr für diese Bäume werden.

Sie überlegten und planten und eine Idee folgte der anderen. So wussten sie alle voneinander und konnten sich gegebenenfalls gegenseitig unterstützen.

Allein die Wichtel versanken rasch in Selbstgespräche und standen zumeist allein, was sie aber nicht sonderlich störte, sondern ihnen im Gegenteil noch mehr Klarheit brachte, weil sie ihre Gedanken einmal gebündelt aussprachen. Sie redeten sowieso oft mit sich selbst, weil es sich leichter lebte, wenn man so viele Aufgaben im Kopf mit sich herumtrug. Daher wunderte sich auch keiner oder fragte nach.

So verging die Zeit.

 

Die Einladung

Während sie also in der Wurzelgrubenhalle über all ihre Vorhaben fachsimpelten, waren Fleißig und Unterhosen-Flax im Garten der Kinder angekommen. Die beiden standen jetzt vor der verschlossenen Terrassentür und sahen ratlos nach innen. Wie nur konnten sie nach innen gelangen oder sich wenigstens bemerkbar machen? Sie sahen die Eltern und Choi unten fernsehen. Jaskula musste also oben sein.

„Über den Efeu kann ich mich von Blatt zu Blatt hinaufschwingen, aber dann stehe ich wieder vor einem verschlossenen Fenster. Ich brauche etwas, das ich gegen das Fenster schleudern kann, ohne dass es zerspringt. Ich sehe hier nur schöne Kieselsteine herumliegen. Die sind leider für unsere Sache nicht brauchbar, klar“, meinte Unterhosen-Flax und sah sich ratlos um.

Fleißig wusste natürlich gleich Abhilfe:

„Die Kunst liegt bekanntlich in der Improvisation. Kein Problem, ich bastele rasch etwas.“

Er kramte in seinem Koffer mit dem Notfall-Toolkit, also seinem Notfall-Werkzeug und fischte einen Korken heraus. Den schnitt er rund und umwickelte ihn mit einem Wollfaden.

„Gesagt, getan! Ein perfekter Ball für deine Schleuder, oder?“, freute sich Fleißig über seine gelungene Improvisation. Gesagt, getan war übrigens der Ehrenkodex aller Wichtel.

„Wunderbar, dann will ich gleich mal auf Jasis Fenster zielen“, freute sich Unterhosen-Flax. Im Nu schwang er sich hinauf bis zur Regenrinne und zielte von dort aus auf das Fenster des Mädchens.

Als hätte sie nur darauf gewartet, was ja auch der Wahrheit entsprach, riss sie umgehend das Fenster auf und rief himmelhoch jauchzend:

„Oh wie schön! Ihr seid endlich da! Wo wart ihr nur die letzten Tage? Wir haben so lange nichts von euch gehört und wollten schon den Wald nach euch absuchen. Heute ist euer nächstes Fest, stimmt‘s? Ihr wollt uns dazu einladen, stimmt‘s? Ich sage Choi gleich Bescheid und der schickt Kyr eine Nachricht. Soll ich was anderes anziehen? Wo ist Simi-Simini? Ich bin gleich wieder da“, schallte ein freudiger Redeschwall heraus und weg war sie.

Unterhosen-Flax stand verdattert mit offenem Mund auf der Regenrinne.

„Und, ist jemand da?“, rief Fleißig von unten.

„Ja, nein… Sie war da und hat so viel auf einmal geredet, dass ich vor Schwindel beinahe von der Rinne gefallen wäre. Sie ist wie wild aus dem Zimmer gerannt. Ich habe gar nichts getan! Nicht mal was gesagt. Dazu kam ich überhaupt nicht. Wie eine Windfee!“, rief er dem Wichtel ratlos zu.

„Hier! Sie ist hier unten!“, rief Fleißig aufgeregt hoch. „Sie flüstert ihrem Bruder was ins Ohr und fuchtelt wie wild mit ihren Armen. Ihre Mutter guckt ganz argwöhnisch. Oh, oh. Der Vater merkt nichts. Choi reißt die Arme hoch und springt auf. Sie reden beide auf ihre Mutter ein. Die sagt irgendwas. Sie lassen beide ihre Arme hängen. Ihre Mutter redet weiter und schüttelt dabei unablässig mit dem Kopf. Jasi stampft mit dem Fuß auf und sieht wütend aus. Choi greift ein Kissen und schmeißt es auf die Couch zurück. Oh, oh. Noch einmal. Die Mutter zeigt mit ausgestrecktem Finger zur Tür. Das ist deutlich. Die Kinder stapfen mit hängenden Schultern aus dem Zimmer. Ich glaube, sie kommen gleich hoch. Die haben gar nicht zu mir gesehen! Ich verstehe das nicht. Sie hätten doch mal in meine Richtung gucken können…“

„Da ist sie wieder!“, rief Unterhosen-Flax aufgeregt von oben.

„Sag‘ ihnen den Text, sag‘ ihnen den Text!“, rief Fleißig hoch. Das wollte etwas heißen! Wichtel übernahmen solch wichtige Aufgaben wie das Überbringen von Nachrichten stets und ausschließlich selbst. Kobolden überließen sie dies ansonsten nur aus erzieherischen Maßnahmen, wenn diese etwas von ihnen dadurch lernen sollten. Heute schien ein Super-Sonder-Ausnahmefall zu sein.

„Das ist ein Super-Sonder-Ausnahmefall. Das übernehme ich sonst immer lieber selbst“, brabbelte Fleißig also zu sich selbst.

„Hey ihr beiden! Was ist los im Busch?“, rief Unterhosen-Flax ganz locker und merkte, wie blöde das klang. Choi sprang sofort drauf an:

„Hey, nix ist los hier! Alles Zappen düster. Also ziemlich bescheuert. Wir dürfen nicht raus. Es ist dunkel und wir dürfen jetzt nicht in den Wald zu euch. Keine Chance. Ihr müsst ohne uns feiern, wie gemein!“ Er sah megaenttäuscht aus.

„Ja, wir haben gesagt, wir nehmen Taschenlampen mit und kennen uns doch so gut aus und das ist ja auch nicht so weit und sie könnte uns ja ein Stück fahren. Sie versteht gar nicht, wie wichtig dieser Tag ist! Sie hat überhaupt keine Ahnung von der Natur! Von wegen zu kalt und zu dunkel. Warme Klamotten und Taschenlampe, aber nee! Keine Chance“, pöbelte Jasi und schmiss sich auf ihr Bett.

„Halt, halt, nicht weinen! Es ist sowieso ganz anders geplant. Wir haben da eine Idee!“, hakte der Blätterkobold rasch ein, weil er das von den Feen schon kannte. Ihm graute davor, wenn sie sich in Wut redeten und nichts mehr um sich herum sahen und hörten. Irritiert guckte sie hoch.

„Wie meinst du das?“ Sie setzte sich auf.

„Nun sag ihr schon den Text! Sag ihr den Text! Wenn du es nicht gleich machst, dann klettre ich höchstpersönlich den Efeu hoch und mache es selbst!“, rief Fleißig drängelnd hoch.

„Drängele mich nicht so. Ich mache das schon, klaro!“, sagte Unterhosen-Flax gespielt entspannt.

„Hey, Fleißig! Du bist ja auch da, toll! Was meint ihr mit Text und Idee?“, sagte Choi und lehnte sich aus dem Fenster, um in der Dunkelheit unten den Wichtel zu erspähen.

„Wo ist Simi-Simini?“, fragte Jasi jetzt wieder.

„Sie…“ Unterhosen-Flax setzte umständlich zu einer Erklärung an, da kam es wieder von unten:

„Blätterkobold Unterhosen-Flax aus der Familie der Kobolde!“ Oh, oh. Das waren ganz scharfe Worte, die keine Verzögerung mehr duldeten.

„Also, die große Waldfee hat gesagt, dass ihr kommen könnt, mit einer Kerze und so. Weiß soll sie sein, glaube ich.“

„Das kann doch nicht wahr sein! Du weißt doch, dass wir die Texte von der Waldfee ganz genau wiedergeben sollen. Wort für Wort. Sonst haben sie keine Gültigkeit. Nun mach schon! Das ist doch zum Bart ausraufen!“, kreischte der Wichtel nach oben und raufte sich grummelnd den Bart. Es war sehr, sehr, wirklich sehr, sehr, sehr selten der Fall, dass ein Wichtel seine Fassung verlor. Wichtel Fleißig stand kurz davor.

„Ich weiß den Text nicht mehr…“, gestand Unterhosen-Flax daher rasch und ehrlich.

„Beim Barte meiner Großmutter! Wenn man nicht gleich alles selbst macht“, grummelte der Wichtel weiter und ging zurück auf den Rasen, um das Fenster oben sehen zu können, beziehungsweise, damit sie ihn sehen konnten, räusperte sich und begann:

„Die Waldfee lässt wie folgt übermitteln:

‚Morgen früh um 8.02 Uhr ist Sonnenaufgang. Wir laden euch ein, etwa eine halbe Stunde zuvor am Hollerbusch unseres Waldes einzutreffen. Eine viertel Stunde zuvor geht langsam bis zu sieben Schritte vor meinen Baum, der ältesten Eiche dieses Waldes. Wartet dort mit einer weißen Kerze in der Hand, bereit diese anzuzünden. Den Zeitpunkt werdet ihr erkennen. Wenn ihr mögt, zieht ein weißes Kleidungsstück an. Ein Tuch genügt auch. Wir freuen uns auf Euch.‘

Das sprach die Waldfee.

Bei unseren Festen unter der Erde könnt ihr nicht teilnehmen, weil ihr ja nicht ätherisch seid. Aber ab morgen früh werden wir aus dem Erdreich hochkommen und dann seid ihr bei uns willkommene Gäste!

Sicher wird euren Eltern diese spontane Idee nicht gefallen. So sollt ihr Frau und Herrn Beifuß bitten, euch zu begleiten. Das werden eure Eltern und auch Kyrs Vater sicher gutheißen.

So soll es geschehen und so ist es gut.“

Jetzt war ihm wohler. Denn gesagt war getan.

„Prima Idee! Aber warum habt ihr das denn nicht gleich gesagt? Choi, du meldest dich bei Kyr und ich rufe rasch die Beifußens an“, sagte Jaskula und wuselte auf ihrem Schreibtisch nach dem Handy. Dabei redete sie unablässig zu sich selbst:

„Was ziehe ich nur an? Ich habe nur weiße Sommerklamotten und die sind zu dünn. Es ist zu kalt. Ist zwar kein Schnee, aber kalt. Ach, die weiße Hose könnte ich vielleicht doch… Wo ist eigentlich Simi-Simini?“, fragte sie mitten in ihren Gedankengängen und sah Unterhosen-Flax fast vorwurfsvoll an.

„Sie, sie, Simi-Simini hat eine wichtige Aufgabe heute und konnte nicht mitkommen“, stotterte der Blätterkobold kurz bei der Erinnerung an die Chamäleonfee als Erdhügel.

„Okay, gut… Ein weißes T-Shirt bringt ja nichts. Oder ich ziehe ein XL-Shirt von Papa über meine Winterjacke. Nein, das ist doof. Und einen weißen Schal habe ich auch nicht, oder ein Tuch. Oje, hätte ich mir nur die weiße Winterjacke gekauft statt der roten! Am Ende muss ich mir ein Badehandtuch umhängen, wie doof ist das denn… Hätte ich das bloß früher gewusst, Manno! Und wo haben wir weiße Kerzen? Hoffentlich haben wir weiße Kerzen! Zu Weihnachten gab es nur rote überall. Ich muss Mama fragen. Aber erst, wenn die Beifußens mitkommen. Ach, da ist es ja!“, brabbelte sie zu sich in einem fort und schon tippte sie in ihr Handy.

Choi ging unterdessen in sein Zimmer nebenan, natürlich mit Unterhosen-Flax auf der Schulter. Sie waren da schon ein eingespieltes Team.

„Beim Barte meiner Urgroßmutter! Das kann doch wirklich nicht wahr sein! Erklärt mir vielleicht mal jemand, was da oben vor sich geht?“, rief der Wichtel nach oben und fuhrwerkte wieder wild in seinem Bart herum.

Schon hörte er Schritte. Von allen Seiten.

„Hallo Frau Eisenschmidt-Huhn. Anlässlich des Lichtfestes heute Abend, Nacht, morgen Früh, möchten wir mit Kyr und ihren beiden Kindern zum Waldrand gehen, morgen um 8.02 Uhr. Von dort werden wir einen wundervollen Sonnenaufgang sehen können. Dies tun wir in Gedenken daran, dass das Licht über der Erde von nun an deutlich mehr zu sehen sein wird. Es kündigt quasi den Frühling an. Wir möchten den Kindern gern die Feste des Jahreskreises näherbringen und ihre Verbindung zur Natur weiter stärken“, sprach Herr Beifuß Hanna Eisenschmidt-Huhn direkt mit seinem entwaffnenden Lächeln an.

„Mit Sicherheit. Sie haben ja schon einige Vertreter von Frau Holles Volk bei uns kennen gelernt. Es ist eine Ehre, wenn sie sich uns zeigen und wir sogar mit ihnen gemeinsam das junge Licht begrüßen dürfen“, unterstützte Frau Beifuß ihren Mann ehrlich.

„Wie kommt das Laub nur wieder auf die Beete? Ich hatte doch heute alle geputzt!“, sagte sie überrascht und wollte auch schon mit ihren spitzen Fingern direkt an dem überraschten Wichtel vorbei dem Laub an den Kragen.

„Ach was“, antwortete Frau Eisenschmidt-Huhn kurz.

die

„Wer, wie… Frostschutzmittel, natürlich“, die Einsilbigkeit kam wieder durch.

„Das klingt plausibel, Hanna“, meinte Papa, der sich neugierig zu ihnen gesellt hatte.

„Nein, wir wollen gleich wieder nach Hause, vielen Dank. Wir holen euch dann morgen früh um 7.20 Uhr ab“, sagten die Beifußens freundlich und verabschiedeten sich.

„Wir würden gern, müssen aber wieder zurück zu unserem Fest. Dann sehen wir uns morgen früh. Seid pünktlich vor Sonnenaufgang am Hollerbusch am Waldrand!“, sagte Fleißig mit einem strengen Blick zu Unterhosen-Flax, der auch flugs kam. Sie verabschiedeten sich ebenfalls und verschwanden Richtung Hollerbusch im Garten.

„Mama, wir brauchen noch eine weiße Kerze. Und, Mama, kann ich einen von deinen weißen Schals haben?“, fragte Jasi.

Ihre Mutter verschwand ebenfalls, kommentarlos.

„Zieht euch warm an und achtet darauf, dass keine trockenen Blätter oder Äste in der Nähe des Feuers sind.“

 

Jetzt konnte endlich mit dem neu gebrauten Lichtfest-Trunk in der Wurzelhöhle angestoßen werden. Alle hielten gefüllte Becher, Schalen, Blätter-Tüten festlich in die Höhe.

Festliche Stille.

Ihre Stimme klang klar und bestimmt und überaus liebevoll:

Wir erheben unsere Hände auf die Zeit der Ruhe, die hinter uns liegt.

Auf die Zeit der inneren Vorbereitung.

Möge diese Zeit die Basis für den kommenden Zyklus der Natur über der Erde sein.

Auf das Wohl der Erde!“

Alle tranken.