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Seit den siebziger Jahren haben sich weitreichende Veränderungen in den Geschlechterverhältnissen vollzogen: Frauen sind heute autonomer, besser ausgebildet, häufiger erwerbstätig und sie erobern immer mehr Führungspositionen. Umgekehrt möchten viele Männer engagierte Väter sein, und es wird für sie wichtiger, »weiche« Seiten unter Beweis zu stellen – im Beruf und im Privatleben.

 Aus diesen Fortschritten ergeben sich neue Konflikte, schließlich passen Realität und tradierte Rollenbilder in vielen Familien nicht mehr zusammen: Macht er die Hausarbeit, wenn sie die Miete zahlt? In ihrer großangelegten Studie untersuchen die Autorinnen, wie Paare aus unterschiedlichen sozialen Milieus damit umgehen, wenn der Mann kein Ernährer mehr ist.

 Cornelia Koppetsch, geboren 1967, ist Professorin für Geschlechterverhältnisse, Bildung und Lebensführung an der TU Darmstadt.

 Sarah Speck, geboren 1981, ist Mitarbeiterin am Institut für Sozialforschung in Frankfurt und an der Universität Osnabrück. Zurzeit vertritt sie die Professur für Mikrosoziologie mit dem Schwerpunkt Geschlechterverhältnisse an der Universität Tübingen.

 

 

Cornelia Koppetsch/Sarah Speck

Wenn der Mann kein Ernährer mehr ist

Geschlechterkonflikte in Krisenzeiten

Unter Mitarbeit von Alice Jockel

Suhrkamp

 

 

eBook Suhrkamp Verlag Berlin 2015

Der vorliegende Text folgt der 1. Auflage der Ausgabe der edition suhrkamp 2701.

© Suhrkamp Verlag Berlin 2015

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Satz: Satz-Offizin Hümmer GmbH, Waldbüttelbrunn

Umschlag gestaltet nach einem Konzept von Willy Fleckhaus: Rolf Staudt

 

eISBN 978-3-518-74251-8

www.suhrkamp.de

Inhalt

Einleitung: Geschlechterverhältnisse im Umbruch?

 

Kapitel 1: Familienernährerinnen

1.1 Klasse und Geschlecht: Die Herausbildung neuer Geschlechterarrangements seit den neunziger Jahren

1.2 Höhere Erwerbspositionen der Frau und ein Trend zur Höherqualifizierung im Arbeitermilieu

1.3 Die Milieus und ihre Leitvorstellungen

1.4 Kode und Praxis

1.5 Soziale Lage und Herkunftsmilieu

1.6 Bewältigungsstrategien

1.7 Zum Status der Fallgeschichten

 

Kapitel 2: Das individualisierte Milieu

2.1 Ein unorthodoxes Paar

2.2 Die individualisierte Partnerschaft

2.3 Die heimliche Familienernährerin

2.4 Statuskonkurrenz und Bindungsmacht

2.5 Das Scheitern alternativer Männlichkeit

2.6 Individualisierte Werdegänge

2.7 Partnerschaftlichkeit ohne Gleichheit?

 

Kapitel 3: Das traditionale Milieu

3.1 Ein respektables Paar

3.2 Ehe und Verwandtschaft

3.3 Männliche Trotzreaktionen

3.4 Urbaner Patriarchalismus

3.5 Traditionale Werdegänge

3.6 Modernisierung wider Willen

 

Kapitel 4: Das familistische Milieu

4.1 Eine gut geplante Familie

4.2 Die Familie als arbeitsteilige Gemeinschaft

4.3 Ein kaum verhülltes Machtgefälle

4.4 Aktive Väter und überzeugte Familienernährerinnen

4.5 Familistische Werdegänge

4.6 Partnerwahl und Kinderwunsch

 

Kapitel 5: Der Einsatz des Geldes

5.1 Ökonomische Überlegenheit in der Solidargemeinschaft

5.2 Das Modell der getrennten Kassen

5.3 Familienernährerinnen mit männlichem Zuverdiener

5.4 Zur Diskrepanz zwischen Leitbildern und Geschlechterarrangements im Milieuvergleich

 

Kapitel 6: Rollenkonflikte, Sexualität und Weiblichkeit

6.1 Paarsexualität

6.2 Das erotische Spiel mit der hegemonialen Männlichkeit

6.3 Sexualität und essenzielle Weiblichkeit

6.4 Weiblichkeit als außeralltäglicher Erfahrungsraum

6.5 Sexualität und Romantik

 

Kapitel 7: Prekäre Solo-Selbstständigkeit und sozialer Rückzug

7.1 Die Welt als Bühne

7.2 Fatalismus und sozialer Rückzug

7.3 Fremdbestimmung und Wut

7.4 Allmähliche Hinwendung zum häuslichen Leben

7.5 Solo-Selbstständigkeit und erwerbsgesellschaftliche Problemlagen

 

Kapitel 8: Zur Zukunft der Geschlechterverhältnisse

8.1 Rollenbilder im Wandel?

8.2 Zwischen Modernisierung und Restaurierung

 

Anhang

Die empirische Untersuchung

Tabellen

Literaturverzeichnis

Einleitung
Geschlechterverhältnisse im Umbruch?

Seit den siebziger Jahren haben sich in den Geschlechterverhältnissen moderner Gesellschaften weitreichende Veränderungen vollzogen. Weniger denn je scheint das klassische Arrangement Gültigkeit zu besitzen, in dem der Mann das Haupteinkommen verdient und sich vorrangig als Familienernährer versteht, während die Frau primär für Hausarbeit und Kindererziehung zuständig ist. Die meisten Paare wünschen sich heute einvernehmlich ein egalitäres Modell: Beide Partner wollen erwerbstätig sein und sich die Familien- und Hausarbeit teilen. Auch Männer distanzieren sich von klassischen Rollenmustern: Sie möchten aktive Väter sein und sich in der Familie nicht mehr auf die Figur des Ernährers beschränken, sondern auch Zeit mit den Kindern verbringen und Erziehungsaufgaben wahrnehmen. Insbesondere in den Medien und der Öffentlichkeit scheint man sich darüber einig zu sein, dass die Zeit der Hausfrauenehe endgültig abgelaufen ist. Vonseiten der Unternehmen besteht große Nachfrage nach weiblicher »Emanzipation«: Frauen sollen auch nach der Geburt eines Kindes dem Unternehmen so schnell wie möglich wieder zur Verfügung stehen oder ihren Kinderwunsch aufschieben. Die globale Marktgesellschaft benötige schließlich Männer und Frauen.

Auch die Bedingungen für egalitäre Arrangements scheinen heute besser zu sein als jemals zuvor: Frauen sind nicht nur autonomer und selbstbewusster als vor dreißig Jahren, sie sind häufiger erwerbstätig und haben in wachsendem Maße auch qualifizierte Berufsfelder erschlossen und Führungspositionen erobert.[1] Die Familienpolitik hat ihre Leitlinien ebenfalls neu ausgerichtet und orientiert sich nun weniger an einem Ernährer, sondern am Modell zweier Verdiener (Lewis 2004; Leitner/Ostner/ Schratzenstaller 2004). Angestrebt wird auch eine stärkere Einbindung der Väter in die Familie.

In einigen Bereichen gibt es sogar Hinweise auf eine Umkehrung der traditionellen Geschlechterasymmetrie. Bekanntlich haben von der Bildungsexpansion seit den siebziger Jahren besonders Frauen aus den Mittelschichten profitiert. Inzwischen haben sie die Männer auf den Gymnasien und an den Universitäten teilweise überholt.[2] Frauen machen nicht nur häufiger Abitur, sie haben auch die besseren Noten. Schließlich profitieren sie vom Übergang zur Dienstleistungsgesellschaft. Im Zuge des Sektorenwandels von der Industrie- zur Wissensgesellschaft wird die Zahl der Arbeitsplätze in der Fertigung, die traditionell überwiegend von Männern eingenommen wurden, geringer, wohingegen in den Dienstleistungsberufen, in denen mehrheitlich Frauen tätig sind, in größerem Umfang neue Jobs entstehen. Die Arbeitslosenrate unter Frauen ist daher etwas geringer als die unter Männern (Meuser 2012: 18). Dabei darf allerdings nicht unterschlagen werden, dass es sich bei den Arbeitsplätzen weiblicher Beschäftigter im Dienstleistungssektor häufig um schlechter bezahlte Teilzeitstellen oder Minijobs handelt.

In populären Debatten wird die Umkehrung der Machtverhältnisse zwischen den Geschlechtern gelegentlich bereits als Faktum ausgegeben, so zum Beispiel bei der Amerikanerin Hanna Rosin (2013), die in ihrem gleichnamigen Bestseller »Das Ende der Männer« bevorstehen sieht. Rosin dokumentiert, dass der Zusammenbruch der verarbeitenden Industrien und die Bankenkrise infolge des Platzens der Immobilienblase in vielen Regionen der USA Lebensräume bis in die Mittelschicht zerstört haben. Betroffen waren vor allem Jobs in männlich dominierten Branchen, weshalb viele Familienväter von einem Tag auf den anderen arbeitslos wurden, keine adäquate Beschäftigung mehr finden konnten und in einer Art Schockzustand verharrten. In dieser Situation seien es die Frauen gewesen, die eine erstaunliche Durchhaltekraft bewiesen hätten, indem sie die Scherben zusammengekehrt, die Kinder versorgt, das Einkommen verdient hätten – wenn nötig, mit drei Jobs –, während die Haltung der Männer von einer verblüffenden Unfähigkeit zur Anpassung im beruflichen wie auch im häuslichen Leben gekennzeichnet gewesen sei.[3] Rosin leitet aus ihren Beobachtungen eine zukünftige Vorrangstellung der Frau in globalisierten Gesellschaften ab. Frauen seien aufgrund ihres Bildungsvorsprungs und ihrer Adaptationsfähigkeit für die neuen Wirtschaftsbereiche besser geeignet. Rosins Vision, die angesichts der fortbestehenden Ungleichheiten im Geschlechterverhältnis mehr als fragwürdig erscheint, beruht jedoch weitgehend darauf, dass sie Evidenzen ausblendet, die ihrer Diagnose widersprechen. Die Beharrungskraft männlich dominierter Strukturen in Familie, Beruf und Öffentlichkeit spricht eindeutig gegen eine baldige Umkehrung bestehender Herrschaftsstrukturen. Darüber hinaus haben sich in den letzten Jahrzehnten sogar restaurative Entwicklungen im Geschlechterverhältnis gezeigt. So sind Tendenzen zu beobachten, Geschlechterdifferenzen in Alltag und Kultur wieder stärker zu betonen und biologisch zu begründen (Mahs/Rendtorff/Warmuth 2015).

Richtig ist allerdings, dass es infolge des Wandels moderner Erwerbsgesellschaften in den letzten beiden Jahrzehnten tatsächlich zu gravierenden Erschütterungen im Geschlechterverhältnis kam. Angesichts der zunehmenden Flexibilisierung der Märkte und der gesetzlichen Deregulierung des Arbeitsmarktes löste sich das Normalarbeitsverhältnis sukzessive auf. Erwerbsunsicherheit, prekäre Beschäftigungssituationen und Phasen der Arbeitslosigkeit, aber auch Befristungen oder Minijobs werden für immer mehr Menschen zu einem realistischen Szenario (Castel/Dörre 2009). Ein großer Teil der weiblichen Arbeitsplätze war immer schon durch ungesicherte Beschäftigungsverhältnisse gekennzeichnet (Nickel 2009; Aulenbacher 2009; Völker 2009). Neu ist jedoch, dass prekäre Erwerbssituationen heute auch qualifizierte Berufe sowie männlich geprägte Beschäftigungsfelder in Industrie und Dienstleistungsunternehmen erfasst haben. Auch Hochschulabsolventen sind davon immer häufiger betroffen (Tölke 2005).[4] Vor allem in jüngeren Kohorten haben unsichere Beschäftigungsverhältnisse und Phasen der Arbeitslosigkeit, insbesondere in den ersten Berufsjahren, zugenommen (Dörre 2009).

Im Zuge der Globalisierung der Märkte ist es vielen Firmen gelungen, ökonomische Risiken auf die Arbeitnehmer abzuwälzen (Blossfeld et al. 2007; Castel 2000). Befristete und atypische Jobs sind zentrale Aspekte neoliberaler Beschäftigungspolitik. Durch den Abbau kollektiver Schutzrechte und Sicherungssysteme (Dörre 2005, 2007, 2009; Brinkmann et al. 2006) entstehen neue Formen der Verwundbarkeit und eine neue soziale Frage (Castel 2000, 2009; Lessenich 2008; Kronauer 2002; Motakef 2015). Auch betriebliche Herrschaftssysteme sind für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter vielfach problematisch geworden.[5] Doch während die sozialpolitischen und ökonomischen Fragen[6] in Medien und Öffentlichkeit heftig diskutiert werden, wurden die Auswirkungen der Prekarität auf die Betroffenen bislang wenig untersucht.

Die Situation prekär Beschäftigter unterscheidet sich in Abhängigkeit von der Berufs- und Milieuzugehörigkeit.[7] So sind Erwerbstätige in den Kultur- und Medienberufen stärker als etwa Schweißer oder Elektrotechniker darauf eingestellt, ein »Leben jenseits der Festanstellung« zu führen (Friebe/Lobo 2006). Und während im traditionalen Facharbeitermilieu die Erwartung an den Mann besteht, der Familienernährer zu bleiben, hat sich diese Erwartung im akademischen Milieu vielerorts aufgeweicht. Vor allem in den Wissens- und Kulturberufen, aus denen sich das individualisierte Milieu rekrutiert, dominieren das Gebot der Flexibilität und das Arbeiten und Leben in Projekten (Boltanski/Chiapello 2003). Männer wie Frauen scheinen sich dadurch stärker aus traditionellen Rollenvorgaben herausgelöst zu haben und glauben nun, familiäre und berufliche Anforderungen flexibler gestalten zu können: Wenn einer mehr Aufträge hat, kümmert sich der andere mehr um die Kinder – so jedenfalls die erklärte Absicht.

Doch wie sieht es wirklich aus? Die Auswirkungen der Erwerbsunsicherheit auf das Geschlechterverhältnis und die männliche Identität sind bislang kaum erforscht worden. Die Erwerbsrolle ist in modernen Industriegesellschaften nach wie vor ein zentraler Baustein der männlichen Identität (Meuser 2012: 20). Bis heute sind Erwartungen an die Rolle des Mannes in Familie und Paarbeziehung durch dessen Verankerung in einem dauerhaften Erwerbsverhältnis geprägt. Bricht diese weg, kommt es zu einer Krise, die sich in verschiedenen Soziallagen und Berufsmilieus allerdings ganz unterschiedlich manifestiert. Während zu Leiharbeitern herabgestufte Fachkräfte, das hat Klaus Dörre (2005) in einer Studie zur Automobilindustrie gezeigt, sich in ihrer männlichen Ehre gekränkt sehen und mit forcierter Abwertung sozial Schwächerer reagieren, wird die Erwerbskrise bei Universitätsabsolventen meist weniger nach außen getragen, sondern eher auf die eigene Persönlichkeit bezogen. Insbesondere Führungskräfte, deren Selbstbild in starkem Maße von der eingenommenen beruflichen Position gespeist wurde, erleben deren Verlust als tiefe Verunsicherung.[8]

Die vorliegende Studie untersucht, was es für Weiblichkeit und Männlichkeit sowie für das Geschlechterarrangement in Paarbeziehungen bedeutet, wenn der Mann kein Ernährer mehr ist – differenziert nach sozialen Milieus.[9] Kommt es zu einer Krise in der Paargemeinschaft? Werden Geschlechterarrangements neu ausgehandelt, und welche Rolle spielen dabei milieuspezifische Leitbilder sowie Muster der Lebensführung? Die gesellschaftliche Bedeutung dieser Fragen ist evident: Aller Voraussicht nach werden in Zukunft immer weniger Paare bzw. Familien durch einen männlichen Haushaltsvorstand abgesichert sein, sie werden vielmehr zweier gleichwertig am Arbeitsmarkt verankerter Personen bedürfen. Dieser Trend wird durch eine Reihe neuerer Untersuchungen bestätigt: So ist der Anteil der Haushalte mit männlichem Haupternährer in Westdeutschland von 64 (1991) auf 55 Prozent (2006) und in Ostdeutschland im gleichen Zeitraum von 42 auf 36 Prozent gesunken. Gestiegen ist somit der Anteil der Haushalte, die von zwei Einkommen oder in erster Linie vom Einkommen der Frau leben. Familienernährerinnen, also Frauen, die über 60 Prozent zum Haushaltseinkommen beisteuern, machen im Osten immerhin 13 Prozent und in Westdeutschland 9,5 Prozent der Paarhaushalte aus (BMFSFJ 2006: 79f.).[10]

Doch gelingt den betroffenen Paaren dann auch die Loslösung von traditionellen Rollen? Oberflächlich betrachtet, deutet vieles auf eine Modernisierung im Geschlechterverhältnis hin: Fast 70 Prozent der westdeutschen und 88 Prozent der ostdeutschen Frauen und Männer stimmen einer egalitären Rollenaufteilung zu (Meuser 2012: 17). Die Gestaltung der Partnerschaft, die Bewältigung der häuslichen Pflichten und die Betreuung von Kindern werden von vielen Paaren als eine Angelegenheit persönlicher Absprachen betrachtet (König 2012: 92). Das beißt sich jedoch mit der erstaunlichen Persistenz traditioneller Rollenmuster, die in empirischen Untersuchungen immer wieder festgestellt wird: Die Haus- und Sorgearbeit bleibt überwiegend Frauensache. Der Unterschied ist lediglich, dass Paare diesen Sachverhalt heute meist nicht mehr im Kontext gesellschaftlicher Prozesse deuten oder auf traditionelle Rollenmuster zurückführen, sondern als Resultat je individueller Vorlieben und persönlicher Eigenarten begreifen – oder schlicht ausblenden (Koppetsch/Burkart 1999).

Viele Paare begründen die Rückkehr zu traditionellen Mustern der Arbeitsteilung auch damit, dass in ihrer Beziehung eben zufällig der Mann mehr verdiene, weshalb die Frau nun ihre Berufstätigkeit reduziere, um mehr Zeit für die Familie zu haben. Die Frage ist dann aber, was hier »zufällig« bedeutet. Zwar hat sich die weibliche Erwerbsbeteiligung seit den siebziger Jahren deutlich erhöht – allerdings arbeiten Frauen nach wie vor überwiegend in Teilzeit.[11] Das typische Geschlechterarrangement in westdeutschen Haushalten ist das Eineinhalb-Verdiener-Modell: Den Familienunterhalt verdient der Mann, und die Frau erwirbt einen Zuverdienst (Lewis 2004). Der Mann ist bei den meisten Paaren also nach wie vor der Ernährer.[12]

Bei etwa einem Zehntel der zusammenlebenden deutschen Paare verdient allerdings die Frau das Haupteinkommen – wenn auch in der Regel nicht freiwillig: Nicht das höhere Gehalt der Frau, sondern die Tatsache, dass der Mann infolge von Erwerbseinbrüchen seine Rolle als Hauptverdiener nicht mehr einnehmen kann, ist in der überwiegenden Mehrzahl der Fälle Auslöser der Familienernährerinnen-Konstellation (Klammer et al. 2012: 59). Was passiert nun im Geschlechterverhältnis dieser Paare? Übernimmt der Mann Verantwortung für Haushalt und Familie? Vor dem Hintergrund egalitärer Rollenvorstellungen sollte dies eigentlich kein Problem darstellen – oder? Für eine Neuorientierung von Rollenbildern sprechen in solchen Situationen Veränderungen des partnerschaftlichen Arrangements und der häuslichen Arbeitsteilung bei Männern, die einen Lebensentwurf jenseits der klassisch männlichen Erwerbsbiografie verfolgen (Meuser 2006; Jürgens/Reinecke 1998; Kassner/Rüling 2005). So zeigt sich bei Männern mit reduzierter Stundenzahl im Beruf eine größere Selbstverständlichkeit der Beteiligung an der Haus- und Familienarbeit als bei Vollzeitbeschäftigten.[13]

Gegen eine solche Neuorientierung sprechen Resultate zweier größerer Studien zu Familienernährerinnen.[14] Zwar übernehmen Männer, die mit einer Familienernährerin zusammenleben, mehr Hausarbeit, Kinderbetreuung und Pflege als in klassischen oder egalitären Einkommenskonstellationen (Klenner et al. 2012: 105). Nur in wenigen Fällen übernimmt der Mann jedoch die Gesamtverantwortung für die Gestaltung dieser Bereiche (Klammer et al. 2012: 179f.). Die Autorinnen zeigen, dass die Stabilisierung eines traditionellen Rollenarrangements in nicht unbeträchtlichem Maße durch die Frauen selbst vorgenommen wird (ebd.: 183). Klenner et al. gehen ebenfalls von einem Geschlechtsrollenansatz aus und lasten diese Veränderungsresistenz auch dem Modernisierungsrückstand der Männer an. Frauen hätten eine Erweiterung ihrer Rolle vorgenommen und seien in qualifizierte Berufsfelder und führende Positionen vorgedrungen, wohingegen »ein grundsätzliches Infragestellen der männlichen Geschlechtsrolle« bislang ausgeblieben sei (Klenner et al. 2012: 125f.).

Damit folgen die Forscherinnen einem differenzierten Erklärungsansatz. Dagegen erscheint uns das sehr gängige Erklärungsmuster, das in erster Linie die »weibliche Emanzipation« als Motor des Wandels privater Lebensformen begreift, als verkürzend.[15] Demnach seien es die Frauen gewesen, die sich gegen den Widerstand patriarchaler Strukturen neue Freiräume erkämpft hätten und zu treibenden Kräften des Wandels geworden seien. Vor allem gebildete Frauen seien als Vorreiterinnen des Wandels im Geschlechterverhältnis anzusehen (Klammer et al. 2012: 340).

Doch stimmt das? Wir werden in unserer Studie zeigen, dass es gerade nicht die »fortschrittlichen« Hochschulabsolventinnen sind, die ein innovatives Geschlechterarrangement leben. Zudem erscheint es nicht richtig, die aktive Rolle des Mannes im Kontext des Wandels von Geschlechterverhältnissen zu unterschlagen. Männliche Lebenszusammenhänge unterliegen rasanten Veränderungen, die zu Anpassungen im Berufsleben wie auch in Familie und Paarbeziehungen geführt haben. Um beruflich erfolgreich zu sein, ist es für viele Männer zunehmend notwendig, »weiche« Seiten hervorzukehren, sich anzupassen, flexibel zu sein und Teamfähigkeit unter Beweis zu stellen. Allerdings darf nicht unberücksichtigt bleiben, dass derartige Innovationen im männlichen Habitus im Privaten oftmals auf weiblichen Widerstand stoßen. Deshalb empfiehlt sich eine ganzheitliche Perspektive auf die Arbeits- und Lebenssituation von Paaren.

Aus unserer Sicht sind die aktuell angebotenen Erklärungsversuche für die Aufrechterhaltung der Geschlechterungleichheit, etwa die Hartnäckigkeit patriarchaler Strukturen oder die »Verhaltensstarre der Männer bei verbaler Aufgeschlossenheit« (Beck 1986), unbefriedigend. Es gibt mehrere Gründe für deren Erklärungsschwäche. Zum einen wird der Geschlechterkonflikt in Intimbeziehungen oft nur als einseitiger Kampf von Frauen gegen traditionelle Strukturen interpretiert, ohne die soziale Funktionsweise des Geschlechterverhältnisses und den Anteil geteilter Erwartungen hinsichtlich Männlichkeit und Weiblichkeit bei der Aufrechterhaltung dieser Strukturen zu berücksichtigen. Beharrungskräfte in den Rollenbildern von Männern und Frauen resultieren häufig aus latenten Übereinkünften zwischen den Geschlechtern, man könnte auch sagen, aus einer »normativen Komplizenschaft«. Nur so ist es zu erklären, warum viele Frauen das Engagement des Mannes im Haushalt betonen und das tatsächlich vorhandene Ungleichgewicht verschweigen (Klammer et al. 2012: 179). Geschlechtsnormen sind in Emotionen und nicht in Überlegungen verankert.

Zum Zweiten werden Absichtserklärungen, Einstellungen und von Akteuren formulierte Ansprüche an Rollenbilder in vielen Untersuchungen als empirische Fakten behandelt, ohne dass genauer geprüft würde, ob es sich dabei vielleicht nur um Leitbilder handelt, von denen die Realität meist deutlich abweicht. So wird in vielen neueren Untersuchungen behauptet, junge Frauen seien moderner und »emanzipierter« als frühere Generationen, da sie die Vereinbarkeit von Familie und Beruf anstrebten. Doch selten wird detailliert ausgeführt, welche Art der Berufstätigkeit – eine Teilzeitbeschäftigung, eine wissenschaftliche oder juristische Laufbahn oder eine Gelegenheitstätigkeit? – vereinbart und wie Vereinbarkeit konkret bewerkstelligt werden soll.

Es reicht somit nicht aus, subjektive Absichten und Meinungen zu erheben und daraus einen Wandel der Geschlechtsrollen abzuleiten. Erfasst werden auf diese Weise lediglich Wertorientierungen und Leitbilder. Gleichwohl greifen diese Leitbilder und Ideale in die soziale Matrix des Geschlechterverhältnisses ein. Als Leitvorstellungen stiften sie eine symbolische Realität, eine Sinnstruktur, hinter die der Einzelne nicht mehr zurück kann. Je wichtiger Leitbilder von Autonomie und Gleichheit werden, desto größer wird der Druck zur Gestaltung der individuellen Biografie jenseits von »Einengungen« durch Geschlechtsrollen. Sie sind deshalb auch so etwas wie sozialer Ballast, weil sie dem Einzelnen zumuten, sich das Scheitern an den nach wie vor existierenden Strukturen selbst zuzurechnen. Gesellschaftliche Normen und Zwänge werden dadurch nicht aufgehoben, sondern unsichtbar gemacht. Auch Geschlechtsnormen werden aus dem alltäglichen Interpretationsvorrat verbannt und zu latenten Sinnstrukturen.

Ein drittes grundlegendes Problem der aktuellen Erklärungsansätze besteht darin, dass die Geschlechterforschung nach wie vor weitgehend abgekoppelt ist von der Forschung über soziale Differenzierung, Schichtung und Milieus. Dies führt zu einer falschen Universalisierung des Geschlechterkampfes – als ob es nur »die Männer« und »die Frauen« gäbe oder nur noch individualisierte Auseinandersetzungen. Ausgeblendet wird, dass längst nicht in allen Milieus Autonomie und Gleichheit im Geschlechterverhältnis angestrebt werden, sondern lediglich in den sozialen Milieus mit höherer Bildung. Nur eine Minderheit der Paare, die in Konstellationen mit Familienernährerin leben, hat dies frei gewählt, und vielfach geraten Paare in solchen Konstellationen aufgrund des meist niedrigeren und nicht auf den Unterhalt einer Familie ausgelegten Einkommens der Frauen auch ökonomisch in prekäre Situationen. Der Milieuvergleich dokumentiert, dass Geschlechterfragen nicht unabhängig von sozialstrukturellen Lagen und milieuspezifischen Distinktionsmustern erklärt werden können. Die Rollen von Mann und Frau in Familie und Paarbeziehung sind eingebettet in umfassendere Reproduktionsmuster von Klassenlagen. Ausgangspunkt der Untersuchung ist also die Überzeugung, dass der aktuell stattfindende Wandel im Geschlechterverhältnis schärfer gefasst werden kann, wenn Milieuunterschiede und verborgene Aspekte von Weiblichkeit und Männlichkeit stärker berücksichtigt werden. Wir wollen in diesem Buch klären, wie Paare unter Bedingungen prekärer Beschäftigung mit Umbrüchen in der männlichen Identität umgehen und was es für das Geschlechterarrangement bedeutet, wenn die Frau zur Ernährerin wird. Dabei stützen wir uns auf Ergebnisse einer empirischen Studie. Was passiert, wenn eine wichtige Säule männlicher Hegemonie – der Ernährerstatus des Mannes – wegbricht? Unter welchen Voraussetzungen gelingt dem Mann eine Re-Souveränisierung durch Privilegienerhalt, und wann gerät eher die Frau in eine dominante Rolle? Kommt es zur Aushandlung neuer partnerschaftlicher Arrangements, oder ist die Position der Frau als Familienernährerin ein Tabu innerhalb des Paares bzw. der Familie? Werden Rollenverpflichtungen in der Alltagspraxis neu verteilt, und welche Rolle spielt dabei die – möglicherweise – schwächere Verhandlungsposition und die größere zeitliche Verfügbarkeit des Mannes?

 

Wir möchten uns an dieser Stelle bei der Deutschen Forschungsgemeinschaft bedanken, die die Durchführung der Studie unter dem Titel »Prekäre Verhältnisse? Erwerbsunsicherheiten und der Wandel von Geschlechterarrangements in Paarbeziehungen im Milieuvergleich« von Juni 2012 bis Juni 2014 finanziert hat. Bedanken möchten wir uns außerdem bei Alice Jockel für ihre Mitarbeit im Projekt, bei Denis Hänzi für wertvolle Hinweise und bei Gloria Phillip und Bettina Schuster für die Unterstützung bei den Transkriptionen. Schließlich bedanken wir uns herzlich bei unseren Interviewpartnern und -partnerinnen, die bereit waren, Auskunft über ihr Leben und ihre Beziehung zu geben: Ohne sie hätten wir dieses Projekt nicht realisieren können.



[1] Der Anteil von Frauen in Führungspositionen und qualifizierten Berufsfeldern ist gestiegen. Im Bundestag etwa lag er bis 1983 unter 10 Prozent und stieg bis 2010 immerhin auf 33 Prozent; in mittleren Führungspositionen von Unternehmen ist der Frauenanteil auf 31 Prozent gewachsen; besonders sichtbar ist der Anstieg des Anteils der Frauen in der Wissenschaft und an den Hochschulen (hier vor allem in den Geisteswissenschaften), im Journalismus, in der Kreativbranche, in juristischen sowie Arztberufen und vor allem an den Schulen (Meuser 2012: 19).

[2] Betrug im Schuljahr 1960/61 der Jungenanteil im Gymnasium 60 Prozent, so war er im Schuljahr 2008/09 auf 47 Prozent gesunken, der Mädchenanteil hingegen auf 53 Prozent gestiegen. Die Hauptschule hat eine umgekehrte Entwicklung durchgemacht. Sie wurde seit Jahr 1960/61 von einer Schulform mit ausgeglichener Geschlechterrelation zu einer eher von Jungen (55,5 Prozent) besuchten Schule (Meuser 2012: 20). Und während 1967 der Anteil der Frauen an den Studierenden deutscher Universitäten bei 26 Prozent lag, studierten im Wintersemester 2008/2009 annähernd gleich viele Frauen und Männer (Statistisches Bundesamt 2010: 144).

[3] Auch Marie Jahoda, Paul Lazarsfeld und Hans Zeisel dokumentierten in ihrer vielbeachteten Studie Die Arbeitslosen von Marienthal (1975 [1933]) eine größere Anpassungsbereitschaft der Ehefrauen in ökonomischen Krisensituationen: Während bei den Männern ein »Zeitzerfall« (ebd.: 92) einsetzte, waren die Frauen unter Bedingungen des Mangels mit der Wirtschaftsführung beschäftigt. Aus unserer Sicht liegt dies nicht an den größeren Fähigkeiten von Frauen, vielmehr ist die Anpassungsleistung Bestandteil des traditionellen Geschlechtervertrags: Wenn der Mann seine Arbeit verliert, sich im Krieg oder in Gefangenschaft befindet, sind es die Frauen, die das Alltagsleben aufrechterhalten und Männeraufgaben mit übernehmen.

[4] Dies ist auf die Zunahme atypischer Beschäftigungsformen, wie etwa befristeter und geringfügiger Beschäftigung, Leiharbeit, Teilzeitbeschäftigungen, freier Mitarbeit in fast allen Beschäftigungsbereichen, vor allem aber in den Medien- und Kulturberufen und im öffentlichen Dienst, zurückzuführen. Zwar sind nach wie vor Personen ohne Ausbildungsabschluss am häufigsten betroffen, doch sind Beschäftigte mit Hochschulabschluss mit einem Anteil von 10 Prozent unsicherer Beschäftigung die am zweithäufigsten betroffene Gruppe, wobei Frauen weitaus stärker (14,3 Prozent) als Männer (7,2 Prozent) tangiert sind (Allmendinger/Schreyer 2005).

[5] Unsichere Beschäftigungsverhältnisse führen zu einem Machtzuwachs seitens der Arbeitgeber, zu Disziplinierungsgewinnen innerhalb der Stammbelegschaften und zu Loyalitätsverlusten der Beschäftigten gegenüber dem Unternehmen (Dörre 2009).

[6] In neueren Debatten stehen zumeist die arbeits- und sozialpolitischen Auswirkungen prekärer Beschäftigung im Vordergrund (Bourdieu 1998; Castel 2000; Kronauer 2002; Castel/Dörre 2009; Bude/Willisch 2008; Bude 2010).

[7] Dies wird in Studien zur Situation prekär Beschäftigter oft nicht ausreichend berücksichtigt (vgl. z. ‌B. Diewald 2003; Bescherer/Röbenack/Schierborn 2009; Sondermann/Ludwig-Mayerhofer/Behrend 2009; Völker 2009; Bohler 2009; Manske 2009; Langemeyer 2009; Schiek 2010). Die Tatsache, dass Lebenslagen von Migrantinnen und Migranten überproportional häufig prekär sind (Jungwirth/Scherschel 2010), zeigt darüber hinaus, dass auch Zugangsrestriktionen zum Arbeitsmarkt und die Aberkennung von Bildungstiteln, die nicht in Deutschland oder der EU erworben wurden (Gutiérrez-Rodríguez 1999), sowie rassistische Diskriminierungen Einfluss darauf haben, ob Menschen in prekären Beschäftigungsverhältnissen landen oder nicht (Motakef 2015: 9).

[8] Die in der therapeutischen Praxis von Martina Leibovici-Mühlberger (2012) behandelten Führungskräfte reagierten zunächst mit Realitätsleugnung, indem sie ihre Entlassung gegenüber der Ehefrau und den Angehörigen in dem Glauben geheim hielten, bald wieder eine gleichwertige Führungsposition zu erlangen. Erst nachdem alle Versuche fehlgeschlagen, finanzielle Rücklagen aufgebraucht waren oder die Ehefrau mit Scheidung drohte, wurde die berufliche Situation offengelegt und das Scheitern auch persönlich eingestanden.

[9] Wir beschränken uns dabei auf heterosexuelle Paare. Im Unterschied zu klassischen Studien zu dieser Thematik (Jahoda et al. 1975 [1933]; Conger/Elder1994) steht in unserer Untersuchung nicht die Bewältigung von ökonomischen Deprivationen, sondern die von Identitäts- bzw. Partnerschaftskrisen im Zentrum. In dieser Verlagerung des Untersuchungsinteresses spiegelt sich der Wandel der Erwerbsgesellschaft wider. Anders als in früheren Zeiten bzw. den von Conger/Elder untersuchten ländlichen Milieus können Erwerbseinbrüche des Mannes in der Mehrzahl deutscher Mittelschichthaushalte heute durch das Einkommen der Frau aufgefangen werden.

[10] Nach Berechnungen von Brehmer et al. (2010) waren in Ostdeutschland 15,2 Prozent, in Westdeutschland 9,3 Prozent der Paarhaushalte solche mit einer Frau als Familienernährerin (Klenner et al. 2012: 27). Verglichen mit anderen westlichen Industrieländern, ist deren Anteil in Deutschland eher gering. In den USA wird der Anteil der Paarhaushalte mit Familienernährerin für 2004 mit 25 Prozent, in Frankreich für 2007 mit 20 Prozent angegeben. In geschlechterpolitisch konservativen Ländern wie Großbritannien und Österreich ist deren Anteil auf einem vergleichbar niedrigen Niveau wie in Deutschland (ebd.: 27f.).

[11] Die Erwerbsbeteiligung von Frauen ist in den vergangenen Jahren auf ca. 65 Prozent gestiegen. Allerdings stellt man bei genauerem Hinsehen fest, dass dieser Anstieg in erster Linie auf gestiegene Teilzeitquoten zurückzuführen ist. Zwar hat sich die absolute Anzahl weiblicher Arbeitnehmerinnen erhöht, das tatsächlich von ihnen geleistete Arbeitsvolumen indes kaum. Die geschlechterbezogene Segregation der Arbeitsmärkte besteht weitgehend fort. Sie drückt sich aus in den unterschiedlichen Beschäftigungsfeldern von Frauen und Männern, in der niedrigeren Entlohnung der Frauen sowie in ihren geringeren Aufstiegs- und Karrieremöglichkeiten (Könekamp/Haffner 2005; Haffner/Krais/Schümann 2008: 12).

[12] Beinahe die Hälfte aller erwerbstätigen Mütter arbeitet in Teilzeit oder in geringfügiger Beschäftigung (Lengfeld/Kleiner 2007: 11). Frauen in Teilzeit sind öfter verheiratet und so häufiger über ihren Haushaltskontext/Partner abgesichert, weshalb ihr Erwerb als »Zuverdienst« zum Haupteinkommen des Mannes gewertet wird.

[13] Eine Betriebsfallstudie im Volkswagen-Konzern ergab, dass Männer nach einer Reduzierung von Arbeitszeiten eine stärkere Beteiligung an der Familienarbeit zeigten und diese auch nach erneuter Erhöhung der Arbeitszeit beibehalten haben (Jürgens/Reinecke 1998).

[14] Es handelt sich um die Studie Flexible Familienernährerinnen von Christina Klenner, Katrin Menke und Svenja Pfahl (2012), die sich auf Ostdeutschland konzentriert, sowie die Untersuchung Wenn Mama das Geld verdient von Ute Klammer, Sabine Neukirch und Dagmar Weßler-Poßberg (2012) zu westdeutschen Familienernährerinnen. Die Autorinnen haben sich auf der Basis quantitativer Daten und qualitativer Einzelfallstudien mit der Frage befasst, in welchen Lebenssituationen Familienernährerinnen sich befinden, welchen Belastungen sie dabei ausgesetzt sind und wie sich Geschlechtsrollenarrangements dadurch verändern.

[15] Besonders deutlich wird diese einseitige Auffassung in der Individualisierungstheorie, die den Wandel im Geschlechterverhältnis als »nachholende Individualisierung der Frau« begreift. Die modernisierte Marktgesellschaft benötige individualisierte Männer und Frauen (Beck 1986: 130ff.; Beck/Beck-Gernsheim 1990).