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Dr. Wort

Mich laust der Affe

Neues aus der Welt der Redewendungen

Rowohlt E-Book

Inhaltsübersicht

Über Dr. Wort

Jochen Krause, der als Dr. Wort täglich in der Sendung «Guten Morgen Niedersachsen» (radio ffn) Wörter und Redewendungen der deutschen Sprache erklärt, war seit Ende der achtziger Jahre Moderator, Redakteur und Unterhaltungschef bei radio ffn. Heute arbeitet er als Autor für diese Station. 2010 erschien bei Rowohlt sein Bestseller «Klappe zu, Affe tot».

Über dieses Buch

Jeden Morgen erklärt Dr. Wort auf radio ffn Formulierungen und Ausdrücke, die wir täglich benutzen, deren Herkunft uns aber meist gänzlich unbekannt ist. Oder wussten Sie, dass die Redewendung «Das ist doch Jacke wie Hose» für «Das ist doch gleich» vor rund 400 Jahren von Schneidern geprägt wurde, als es chic wurde, Jacken und Hosen aus dem gleichen Stoff zu tragen?

Über 200 neue Hörerfragen hat Dr. Wort wieder gesammelt und erläutert in seinem neuen Buch nicht nur Redewendungen, sondern auch regionale Formulierungen und etymologische Herleitungen von Wörtern – von «anschwärzen» bis «zappenduster».

Impressum

Veröffentlicht im Rowohlt Verlag, Reinbek bei Hamburg, Januar 2012

Copyright © 2012 by Rowohlt Verlag GmbH, Reinbek bei Hamburg

Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt, jede Verwertung bedarf der Genehmigung des Verlages

Redaktion Ana González y Fandiño

Umschlaggestaltung: ZERO Werbeagentur, München

(Umschlagabbildung: © FinePic, München)

Schrift DejaVu Copyright © 2003 by Bitstream, Inc. All Rights Reserved.

Bitstream Vera is a trademark of Bitstream, Inc.

ISBN Printausgabe 978-3-499-62808-5 (1. Auflage 2012)

ISBN E-Book 978-3-644-45561-0

www.rowohlt.de

 

Anmerkung: Die Seitenangaben im Text beziehen sich auf die Seitenzahlen der Printausgabe.

 

ISBN 978-3-644-45561-0

Vorwort

Seit Februar 2009 beantwortet Dr. Wort bei radio ffn täglich Fragen zur Herkunft deutscher Redewendungen, Formulierungen und Wörter. Im September 2010 erschien das Buch Klappe zu, Affe tot mit Antworten auf die 200 am häufigsten gestellten Fragen und hielt sich monatelang in den deutschen Bestsellerlisten.

Das Interesse an dieser Thematik ist bis heute ungebrochen, und so kam es zu den nächsten 200 Erklärungen. Alle eingesandten Fragen stammen von unseren Hörern, wurden also nicht von Redakteuren oder nach einem theoretischen oder didaktischen Konzept zusammengebastelt.

Auf diese Weise kam eine bunte Vielfalt an Fragen zusammen, bei der auch in dieser Auswahl ganz bewusst nicht streng zwischen Redewendungen, regionalen Formulierungen und etymologischen Herleitungen von Wörtern unterschieden wurde.

Zwei Tatsachen sollen in diesem Zusammenhang nicht unerwähnt bleiben: Oft haben Eltern Fragen ihrer Kinder gemailt, und viele Menschen mit Migrationshintergrund haben um Erläuterungen sprachlicher Phänomene gebeten. Auch aus diesen Gründen wird in diesem Band wieder jeder Redewendung zunächst eine kurze Erklärung der Bedeutung vorangestellt, bevor die eigentliche Herleitung erfolgt.

Wie schon beim ersten Buch gab es Fragen, die Dr. Wort nur mit linguistischer Akribie und etymologischem Spürsinn klären konnte, andere ließen sich hingegen schnell beantworten. Sie werden allerdings immer wieder gestellt, ganz einfach weil nicht jeder radio-ffn-Hörer an jedem Morgen die Sendung verfolgen kann. Hierzu zählen unter anderem die Redewendungen «Das ist doch Jacke wie Hose» sowie «Mich laust der Affe», dem der vorliegende zweite Band seinen Titel verdankt.

Für viele Redewendungen gibt es zwei oder mehr Herleitungen, in solchen Fällen wird hier im Allgemeinen die in der Fachliteratur am häufigsten genannte und plausibelste beschrieben, in einigen Fällen wurden aber auch «konkurrierende» Erklärungen einander gegenübergestellt.

Es ist immer wieder faszinierend und überraschend, zu erfahren, wie viele der Redewendungen, die wir tagtäglich benutzen, uralte Wurzeln haben. Sie sind vor Jahrhunderten entstanden, und die Welt, aus der sie kommen, ist längst untergegangen, doch in unserer Alltagssprache haben sie überlebt.

 

In diesem Sinne: Viel Spaß beim Stöbern in dieser neuen Sammlung!

 

Ihr Dr. Wort

A

Abergläubisch sein

Abergläubische Menschen verhalten sich irrational: Sie gehen zum Beispiel nicht unter angelehnten Leitern durch, haben Angst vor schwarzen Katzen oder fürchten sich unter anderem vor der Zahl «13».

Das Wort «aber» verwenden wir heute, wenn wir einer Aussage nicht zustimmen und Einwände dagegen haben. Aber – da war’s schon wieder – im Mittelalter bedeutete das Wort «aber» noch viel mehr, nämlich auch «nach etwas», «hinter etwas» oder auch «Gegenteil von etwas». Und in dieser Zeit ist der Begriff Aberglaube entstanden – es war ein Glaube, der nach dem echten Glauben kam, der hinter ihm steckte, der eigentlich das Gegenteil vom wirklichen Glauben war.

Es auf jemanden oder etwas abgesehen haben

Diese Redewendung hat kurioserweise mehrere, sich teils widersprechende Bedeutungen. Im Hinblick auf Personen heißt sie entweder, dass man jemanden ständig schikaniert und drangsaliert, oder aber, dass man jemanden begehrt und scharf auf ihn ist. In Bezug auf Dinge kann sie bedeuten, dass man etwas unbedingt haben oder erreichen will.

Wenn wir etwas vorhaben, dann verfolgen wir eine bestimmte Absicht, wir «haben es auf etwas abgesehen». Die Absicht bezeichnete ursprünglich das Visier eines Gewehrs, also eine Zielvorrichtung wie etwa Kimme und Korn. Wenn man jemanden damit anpeilte, dann hatte man ihn «in Absicht», also im Visier.

Heute ist diese ursprüngliche Bedeutung aus der Waffentechnik längst in Vergessenheit geraten, und wir gebrauchen die Redewendung häufig und in allen möglichen Zusammenhängen. Man kann sogar «von etwas absehen», also etwas nicht tun. Das ist zum Beispiel der Fall, wenn ein Richter von einer Bestrafung absieht. Damit legt er das imaginäre Gewehr zur Seite und verschont den Angeklagten, er hat es nicht länger auf ihn abgesehen.

Etwas abstauben

Wenn man etwas «abgestaubt» hat, dann ist unter Umständen die Rede davon, dass man irgendeinen Gegenstand von Staub befreit hat. Wesentlich häufiger ist mit dieser Redewendung allerdings gemeint, dass man etwas sehr günstig erworben, erbettelt, vielleicht sogar gestohlen hat.

Die Redensart stammt höchstwahrscheinlich aus dem traditionellen Müllerhandwerk, und zwar aus den Zeiten, als die Bauern ihr Getreide zu einer Mühle brachten, um es zu Mehl mahlen zu lassen. Es muss wohl etliche nicht ganz ehrliche Müller gegeben haben, die einen Teil des entstandenen Getreidepulvers für sich abgezweigt und nicht in die Säcke der Bauern abgefüllt haben. Diese Gauner haben die Bauern übervorteilt und etwas für sich selbst «abgestaubt».

Etwas abkupfern

Wenn etwas «abgekupfert» ist, dann ist es ein Plagiat, eine Fälschung oder eine illegale Kopie.

Diese Redewendung geht auf den Beruf der Kupferstecher zurück. Das waren Kunsthandwerker, die vor allem vom 15. bis ins frühe 19. Jahrhundert in Malerwerkstätten Gemälde kopiert oder druckfähig gemacht haben. Diese Tätigkeit verlangte großes handwerkliches Können und war für Außenstehende in ihrer Ausführung nicht ohne weiteres nachvollziehbar.

Besonders weil diese Kupferstecher theoretisch auch Papiergeld fälschen konnten, schlugen ihnen oft Misstrauen und Geringschätzung entgegen. Aus dieser Zeit stammt auch die spöttische Anrede «Mein lieber Freund und Kupferstecher».

Durch Abwesenheit glänzen

Die Redewendung ist eine ironische Kritik an jemandem, der eigentlich anwesend sein sollte, aber nicht erschienen ist.

Die Wurzeln dieser Formulierung liegen im antiken Rom: Hier war es Brauch, dass die Familienangehörigen eines Verstorbenen bei der Beerdigung den Trauerzug anführten und dabei Bilder der gemeinsamen Vorfahren vor sich hertrugen. Der im 19. Jahrhundert überaus beliebte französische Dramatiker Marie-Joseph Chénier hat die Formulierung von den auf diesen Bildern gerade durch ihre Abwesenheit glänzenden Ahnen dann in einem seiner Stücke verwendet, woraufhin sie recht schnell an Popularität gewann.

Ein weiterer Beleg findet sich beim römischen Geschichtsschreiber Tacitus: Bei der Beerdigung von Brutus’ Schwester Julia fehlten sowohl Brutus als auch Cassius (Gemahl der Julia), da sie sich als Mörder Caesars nicht blicken lassen konnten. In einer Quelle von Tacitus heißt es: «Aber Cassius und Brutus leuchteten gerade dadurch hervor, dass ihre Bilder nicht zu sehen waren.»

Ich glaub, mich laust der Affe

Diese Redewendung ist ein Ausdruck der Verblüffung und der Überraschung. Sie ist verwandt mit ähnlichen Formulierungen, in denen unmögliches oder zumindest extrem unwahrscheinliches Verhalten von Tieren vorkommt. (Vgl. Dr. Wort, Klappe zu, Affe tot, S. 165)

Jeder Zoobesucher kennt das gesellige Verhalten von Affen, die gegenseitige Fellpflege betreiben, indem sie abgestorbene Hautschuppen entfernen und häufig auch Salzkristalle knabbern, die sie im Fell des anderen gefunden haben. Läuse spielen bei diesen sozialen Ritualen im Übrigen kaum eine Rolle.

Schon vor Jahrhunderten haben Menschen in Deutschland dieses Ritual beobachten können, zum Beispiel bei den Affen umherziehender Schausteller oder auf Jahrmärkten. Es mag sein, dass der eine oder andere Affe auch mal einen der Zuschauer durch «Lausen» verwöhnt hat, aber auch wenn nicht, war es zumindest eine ungewöhnliche und bizarre Ansicht, und so ist die Redewendung in die Alltagssprache eingegangen und bis heute weit verbreitet.

Allerhand

«Das ist ja allerhand!», ruft man aus, wenn man seine Entrüstung über ein Verhalten oder einen Vorgang ausdrücken möchte, den man missbilligt. In einer zweiten Bedeutung wird das Wort «allerhand» auch als unbestimmtes Zahlwort benutzt, das eine Ansammlung verschiedener Dinge bezeichnet, so zum Beispiel: Auf dem Tisch lag allerhand Werkzeug herum.

Schon im 16. Jahrhundert ist eine Formulierung üblich gewesen, mit der man verschiedene Dinge unterschiedlicher Herkunft zusammengefasst hat: «Diese Dinge sind aller hande.» Damit wurde ausgedrückt, dass diese Dinge aus allerlei verschiedenen Händen stammten. Dieses «aller hande» ist dann später zusammengezogen worden zu dem uns heute geläufigen «allerhand». Und auch wir benutzen das Wort «allerhand» nicht, wenn zum Beispiel 20 völlig identische Tassen auf dem Tisch stehen, allerhand Tassen sind das nur, wenn es sich um ein buntes Durcheinander handelt.

Ganz ähnlich verhält es sich mit dem entrüsteten Ausruf «Das ist ja allerhand!». Hier hat jemand nicht nur etwas Unerhörtes getan, sondern sich gleich eine ganze Reihe verschiedener Frechheiten geleistet, quasi einen bunten Strauß an Unverschämtheiten.

Kurz angebunden sein

«Kurz angebunden» ist man, wenn man sich mürrisch, abweisend und unfreundlich verhält und im Gespräch nur das Allernötigste von sich gibt.

Schon Martin Luther hat diese Redewendung gebraucht, und sie ist auch heute noch üblich. Sie geht höchstwahrscheinlich zurück auf die früher weit verbreiteten Hofhunde der Bauern, die in der Regel relativ kurz angebunden oder angekettet wurden. Und solche Hunde reagieren besonders aggressiv und wütend auf Eindringlinge und sind in der Tat oft gefährlich und bissig.

Zwar nicht bissig, aber zumindest unfreundlich verhalten sich auch Menschen, die kurz angebunden sind.

Jemandem etwas anhängen

Wenn man jemandem «etwas anhängen» will, dann erzählt man Schlechtes über ihn, betreibt üble Nachrede oder bezichtigt ihn zu Unrecht.

Die Redewendung geht zurück auf den früheren Brauch, Straftätern Zettel anzuhängen, auf denen ihre Vergehen zu lesen waren. Zusätzlich oder anstelle dessen wurden auch oft Gegenstände benutzt, die symbolisch das Delikt darstellten, so zum Beispiel bei einem Dieb der gestohlene Gegenstand, bei Säufern eine Flasche und bei bösartigen Frauen ein Besen (als Anspielung auf einen Hexenbesen).