Behandlungspfade für die ambulante Integrierte Versorgung von psychisch erkrankten Menschen
Evidenzbasiert – leitlinienorientiert – sektorenübergreifend – interdisziplinär
Herausgegeben von Wulf Rössler und Jörn Moock
Übersicht über die Bände:
• Dorothea Büchtemann, Denise Kästner, Christian Koch, Kirsten Kopke, Jeanett Radisch, Wolfram Kawohl, Jörn Moock, Wulf Rössler:
Mittelschwere und schwere unipolare Depression
ISBN: 978-3-17-024846-5
• Denise Kästner, Dorothea Büchtemann, Steffi Giersberg, Christian Koch, Anke Bramesfeld, Jörn Moock, Wolfram Kawohl, Wulf Rössler:
Bipolare Störungen
ISBN: 978-3-17-024826-7
• Jeanett Radisch, Johanna Baumgardt, Elina Touil, Jörn Moock, Wolfram Kawohl, Wulf Rössler:
Demenz
ISBN: 978-3-17-024830-4
• Jeanett Radisch, Katja Kleine-Budde, Johanna Baumgardt, Jörn Moock, Wolfram Kawohl, Wulf Rössler:
Schizophrenie
ISBN: 978-3-17-026076-4
• Steffi Giersberg, Elina Touil, Denise Kästner, Dorothea Büchtemann, Jörn Moock, Wolfram Kawohl, Wulf Rössler:
Alkoholabhängigkeit
ISBN: 978-3-17-029164-5
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Finanzierung: Innovations-Inkubator der Leuphana Universität Lüneburg aus Mitteln des Landes Niedersachsen und der Europäischen Union
1. Auflage 2015
Alle Rechte vorbehalten
© W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart
Gesamtherstellung: W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart
Print:
ISBN 978-3-17-024830-4
E-Book-Formate:
pdf: ISBN 978-3-17-024831-1
epub: ISBN 978-3-17-024832-8
mobi: ISBN 978-3-17-024833-5
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Wir möchten uns bei allen herzlich bedanken, die durch das Bereitstellen ihres Wissens und ihrer Erfahrung zur Erstellung des Behandlungspfades beigetragen haben.
Insbesondere danken wir den Teilnehmern der Arbeitsgruppe, die die Leuphana Universität Lüneburg bei der Entwicklung des Behandlungspfades unterstützt hat: Brigitte Harnau, Matthias Hamann-Roth, Marianne Miemietz-Schmolke und Wolfram Beins.
Ausdrücklich bedanken wir uns auch bei Inge Bartholomäus, Prof. Dr. Sabine Bartholomeyczik, Dr. Frank Bergmann, Prof. Dr. Hans Gutzmann, Dr. Bernhard Holle, Dr. Michael Pentzek, Frank Zerschke, Dr. Jochen René Thyrian, Theresa Urbons, Dr. Horst Christian Vollmar, Dr. Volker von Damerau-Dambrowski und Regina Wilgeroth.
Abb. 1: Versorgungsalgorithmus im IV-System
Abb. 2: Diagnostik- und Aufnahmealgorithmus
Abb. 3: Algorithmus zum Ablauf der IV-Versorgung anhand der A-, I- und K-Module
Abb. 4: Therapie der Demenz mit den jeweiligen Evidenzvermerken
Alle Algorithmen aus dem Buch können auch als Pdf-Dateien kostenfrei im Internet heruntergeladen werden1:
http://downloads.kohlhammer.de/?isbn=978-3-17-024830-4 (Passwort: 000s4i0f)
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A | Aufnahme |
AK | Aufklärung |
AP | Ambulante Pflege (nach SGB XI, im Rahmen der Pflegeversicherung) |
APP | Ambulanter psychiatrischer Pflegedienst (nach SGB V) |
B | Basismodul |
DemTect | Demenz-Detektionstest |
E | Ergänzungsmodul |
FA/FÄ | Facharzt/Fachärzte |
HA/HÄ | Hausarzt/Hausärzte |
HKP | Häusliche Krankenpflege (nach §132a Abs. 2 SGB V) |
I | Intervention |
ICD-10 | International Statistical Classification of Diseases and Related Health Problems, 10. Revision |
IV | Integrierte Versorgung |
K | Krisenintervention |
KH | Krankenhaus |
KK | Krankenkasse(n) |
KKP | Klinischer Konsenspunkt |
KQ | Kooperation und Qualitätssicherung |
LL | Leitlinie(n) |
LLFA | S3-Leitlinie Demenz der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie und Nervenheilkunde (DGPPN) und der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN) |
LLHA | Leitlinie Demenz der Deutschen Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin (DEGAM) |
LLS | Leitliniensynopse |
MMST | Mini-Mental-Status-Test |
NVL | Nationale Versorgungsleitlinie |
p-BP | (Geronto-)psychiatrische Bezugspflegekraft (ausführende Pflegekraft der APP) |
PEI | Psychoedukative Intervention |
p-FA | (geronto-)psychiatrisch tätiger Facharzt |
Psy | Psychologe |
PT | Psychotherapeut |
QI | Qualitätsindikatoren |
SAPV | Spezialisierte ambulante Palliativversorgung |
SGB V | 5. Sozialgesetzbuch (Gesetzliche Krankenversicherung) |
SGB XI | 11. Sozialgesetzbuch (Soziale Pflegeversicherung) |
SGB XII | 12. Sozialgesetzbuch (Sozialhilfe) |
SpDi | Sozialpsychiatrischer Dienst |
TDFF | Test zur Früherkennung von Demenzen mit Depressionsabgrenzung |
UAW | Unerwünschte Arzneimittelwirkung |
UZT | Uhrentest (Uhrzeit-Zeichnen-Test) |
V | Vermittlung |
AE | Angehörige-Experte |
APPP | Ambulante psychiatrische Pflege-Praktiker |
BSt | Beratungsstelle-Praktiker |
FAE | Facharzt-Experte |
FAP | Facharzt-Praktiker |
HAE I | Hausarzt-Experte 1 |
HAE II | Hausarzt-Experte 2 |
HAP | Hausarzt-Praktiker |
PfE | Pflege-Experte |
PfP | Pflege-Praktiker |
PsyE | Psychologen-Experte |
Im Folgenden wird ein Behandlungspfad für die ambulante, ärztlich geleitete Integrierte Versorgung (IV) von Menschen mit Demenz vorgelegt. Er ist anwendbar bei den Diagnosen F00-F03 nach ICD-10 sowie allen F00-Diagnosen, die eine Demenz nicht ausschließen, wie F05 und F07. Im Mittelpunkt des Behandlungspfads steht die Behandlung in einer Arztpraxis in enger Zusammenarbeit mit ambulanten Akteuren der Demenzversorgung. Es obliegt dabei dem behandelnden Arzt sowie den weiteren an der Behandlung beteiligten Akteuren, die beschriebenen Abläufe den individuellen Bedürfnissen und Notwendigkeiten des Einzelfalls anzupassen2.
Behandlungspfad: Ziel und Aufgabe
Behandlungspfade »beschreiben den idealen Versorgungsverlauf, die optimale Abfolge und Terminierung der wichtigsten Interventionen, die von allen Berufsgruppen und Disziplinen bei der Versorgung eines Patienten mit einer bestimmten Diagnose oder Behandlung durchgeführt werden« (Dick et al. 2006). Im Gegensatz zu Leitlinien fokussieren sie organisatorische Aspekte, also das »Wer?« und »Wann?« anstelle des »Was?« und »Wie?« einer Behandlung. Sie verfolgen das Ziel, Abläufe zu standardisieren, eine interdisziplinäre und schnittstellenübergreifende Koordination zu leisten sowie Transparenz für Leistugserbringer, Kostenträger, Patienten und deren Angehörige zu schaffen. Behandlungspfade können eine wichtige Orientierung für sich neu etablierende Leistungsanbieter darstellen, aber auch die Handlungssicherheit erfahrener Akteure erhöhen. Häufig werden Behandlungspfade in ihrer Funktion als Implementierungshilfe für Leitlinien erwähnt. Hierbei geht es vor allem darum, Inhalte der Leitlinie regionalen Gegebenheiten entsprechend anzupassen und umzusetzen. Dadurch soll u. a. die aktive Verbreitung der in der Leitlinie festgeschriebenen evidenzbasierten Interventionen gefördert werden. Darüber hinaus können Behandlungspfade aufgrund der ihnen immanenten Dokumentation als Instrumente der Qualitätssicherung sowie der Kostenerfassung und -kontrolle genutzt werden (Dick et al. 2006; Koitka 2010; Lelgemann und Ollenschläger 2006).
Demenzerkrankungen verzeichnen stetig steigende Prävalenz- und Inzidenzraten. Sie gehören zu den kostenintensivsten Erkrankungen im hohen Alter
Die Entwicklung und Implementierung von Behandlungspfaden lohnt sich vor allem bei Krankheitsbildern mit hoher Prävalenz sowie innerhalb von Versorgungsbereichen, in die viele Disziplinen und Schnittstellen involviert sind. Im Jahre 2009 wurde die weltweite Anzahl von Menschen mit Demenz auf 36 Millionen geschätzt (Alzheimer’s Disease International (ADI) 2011). Demzufolge kann bei der Entwicklung und Implementierung eines Behandlungspfades für dieses Erkrankungsbild von einem hohen potenziellen Nutzen ausgegangen werden. In Deutschland waren nach Angaben der Deutschen Alzheimer Gesellschaft (2008) im Jahre 2007 ca. 1,2 Millionen Personen an einer Demenz erkrankt. Dies entspricht einer Gesamtprävalenz von 6,5 bis 7,3%3. Zudem wird in Deutschland bis zum Jahr 2020 mit 1,4 Millionen und bis zum Jahr 2050 mit 2,6 Millionen Demenzerkrankten gerechnet. Durch die steigende Zahl der Betroffenen kann davon ausgegangen werden, dass die Inanspruchnahme von Haus- und Fachärzten, ambulanten Angeboten sowie stationären Einrichtungen deutlich ansteigen wird. Da Demenzerkrankungen zu den kostenintensivsten Erkrankungen im hohen Alter4 gehören, kann das bundesdeutsche Gesundheitssystem nach gegenwärtigen Einschätzungen in seiner jetzigen Form die erwarteten Mehrbelastungen nicht auffangen. So wurden bereits im Jahr 2002 in Deutschland insgesamt 22,4 Milliarden Euro für psychische und Verhaltensstörungen aufgebracht, wovon 5,6 Milliarden auf die Behandlungen von Demenzerkrankungen entfielen5 (Robert Koch Institut (RKI) 2005). Relativ betrachtet übersteigen die Kosten der stationären die der ambulanten Pflege dabei um ein Vielfaches (Steckmaier 2010). Nicht erfasst werden in den Statistiken zumeist jene Kosten, die durch in Privathaushalten lebende und dort überwiegend von Familienmitgliedern betreute Patienten entstehen. Danach Naumann et al. (2011) in Deutschland ca. 80% der Menschen mit Demenz zu Hause von einem Familienmitglied betreut werden6, welches z. T. mit Belastungserscheinungen und gesundheitlichen Beeinträchtigungen auf die Pflegesituation reagieren, sind die realen Kosten der Erkrankung noch höher zu verorten.
Versorgungsdefizite
Bereits heute besteht in Deutschland trotz vielfältiger Diagnostik-, Behandlungs- und Unterstützungsoptionen eine mangelhafte Versorgungssituation bzgl. dementieller Erkrankungen (Bohlken 2007; Schencking und Keyser 2007). So wird eine Demenz häufig (zu) spät oder gar nicht erkannt, mit unzulänglichen sowie falschen Maßnahmen behandelt und ihre Implikationen unzureichend an Betroffene und Angehörige kommuniziert (DGPPN 2006). Als eine Barriere wird hierbei das sektorisierte Versorgungssystem diskutiert, das von Schnittstellenproblematiken, Informationsdefiziten über Angebote außerhalb des eigenen Sektors sowie kaum standardisierten Kommunikationswegen geprägt ist (Fendrich, Berg, Siewert und Hoffmann 2010). Der Mangel an spezialisierten Facharztpraxen und Gedächtniskliniken (Bohlken 2005), die zudem das empfohlene Leistungsspektrum häufig nicht erfüllen, uneinheitlich sind bezüglich ihrer Schwerpunkte bzw. Ausrichtung und ihr therapeutisches Potenzial nicht ausschöpfen, verstärken diese Situation (Buschert 2006).
Integrierte Versorgungskonzepte folgen dem Prinzip »ambulant vor stationär«