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Anna Martach

Alpendoktor Daniel Ingold #7: Eifersucht und 1000 Lügen

Cassiopeiapress Bergroman





BookRix GmbH & Co. KG
80331 München

Eifersucht und 1000 Lügen

Alpendoktor Daniel Ingold – Band 7

von Anna Martach

 

Der Umfang dieses Buchs entspricht 102 Taschenbuchseiten.

 

Während Daniel Ingold sich dem Rand der Erschöpfung nähert, hat seine treue Sprechstundenhilfe Hermine einigen Ärger am Hals. Oder ist alles anders als gedacht? Sabrina, die fesche neue Anwältin, soll ihr helfen. Die wiederum verguckt sich in ihren Chef, was die Rebecca gefährlich eifersüchtig macht. Am Ende stellt Doktor Ingold eine folgenschwere Diagnose …

 

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Ein CassiopeiaPress Buch: CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books und BEKKERpublishing sind Imprints von Alfred Bekker

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© dieser Ausgabe 2015 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen

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1

Müde legte Dr. Daniel Ingold das Stethoskop zurück in die Tasche und fuhr sich über die Stirn. Wann hatte er eigentlich zuletzt mehr als zwei Stunden am Stück geschlafen? Er konnte sich auf Anhieb nicht daran erinnern, und eigentlich spielte es auch keine Rolle. Er wurde gebraucht, überall und ständig, da blieb keine Zeit mehr für Schlaf. Seit mehr als einer Woche war der Arzt fast ununterbrochen auf den Beinen. Eine regelrechte Epidemie an Masern rief ihn von einem zum anderen Patienten. Trotz all seiner Mahnungen waren viele Kinder nicht dagegen geimpft worden, und auch ein großer Teil der Erwachsenen hatte die Krankheit noch nicht gehabt, somit auch keine Antikörper.

Wer die Masern eingeschleppt hatte, blieb ein Geheimnis, vielleicht waren sie auch durch die Luft geflogen. In rasender Schnelligkeit war jedenfalls die Krankheit reihum ausgebrochen, erfasste ganz Hindelfingen und die umliegenden Ortschaften und sorgte dafür, dass nicht nur Dr. Ingold, sondern auch sämtliche Ärzte im Hospital der nächsten Kreisstadt nicht mehr zur Ruhe kamen.

Hier hatte der Arzt einen besonders schweren Fall. Das Dirndl, die kleine Antonia, war sechs Jahre alt. Sie war eine der ersten gewesen, die es erwischt hatte. Und seit acht Tagen lag es nun schon hier, ohne dass das Fieber sich senkte. Der Körper war über und über bedeckt mit roten Flecken, die Augen waren entzündet und geschwollen, und der schmale zierliche Körper wirkte klein und verloren im Bett.

Die Mutter machte sich mittlerweile Vorwürfe, dass sie nicht früher auf die Ermahnungen des Arztes gehört hatte. Nun war es natürlich zu spät, und sie konnte eigentlich nur noch hoffen, dass ihre kleine Toni selbst genug Kraft aufbrachte, um der tückischen Krankheit zu widerstehen. Der Vater war weit entfernt, er arbeitete auf einer Bohrinsel in der Nordsee und kam nur alle sechs Monate nach Hause. Die Regina war also ganz allein mit ihren Sorgen.

Das Kind regte sich und streckte die Arme aus. „Mama“, kam es über die trockenen rissigen Lippen, und die Regina unterdrückte ein Schluchzen, bevor sie ihre Tochter sanft in die Arme nahm.

Beruhigend legte der Daniel eine Hand auf ihre Schulter. „Ich bin ziemlich sicher, dass sie es schaffen wird“, sagte er leise. „Da, schaun S’ nur, ich denk’, wir haben das Fieber jetzt besiegt. Es geht herunter, ein bisserl nur, aber immerhin. Bleiben S` dran mit Wadenwickeln, geben S` der Toni viel zu trinken, und öfter eine kräftige Hühnersuppe, dann sollt’ es bald wieder werden.“

Er hielt ihr das Thermometer vor die Augen. Tatsächlich, die Temperatur war gefallen. Die Regine schickte im Stillen ein Gebet zum Himmel, hatte der Herrgott doch ein Einsehen mit ihrer kleinen Tochter gehabt.

„Wenn die Toni diese Nacht so weiter übersteht, dann schaut’s morgen auf jeden Fall besser aus“, versprach der Doktor. Er sah Hoffnung in den Augen der Frau aufkeimen.

Das Dirndl schlug plötzlich die Augen auf, trüb und verschleiert waren sie, aber die Toni erkannte ihre Mutter und den Arzt.

„Wann kommt der Papa nach Hause?“, wollte die Kleine mit schwacher Stimme wissen.

„Bald, mein Engel, jetzt musst erst mal wieder gesund werden, und wenn der Papa dann kommt, dann fahren wir alle gemeinsam zum See.“ Die Regina gab ihrer Stimme einen fröhlichen zuversichtlichen Klang.

„In den Zoo will ich, und auf einem Elefanten reiten“, erklärte das Kind schläfrig.

„Dann geht’s halt eben in den Zoo“, stimmte die Mutter zu. „Und das mit dem Elefanten schaun wir dann mal.“

Ein leichtes Lächeln zeigte sich jetzt beim Daniel. „Ein Fortschritt“, stellte er zufrieden fest. „Die Toni ist zwar immer noch geschwächt durch das Fieber, aber sie ist voll bei Verstand. Geben S’ ihr viel zu trinken, mit dem Essen ein bisserl vorsichtig, nix was belastet, leichte Kost. Mehr kann der kleine Körper noch gar net wieder aufnehmen. Aber jetzt kann’s eigentlich nur besser werden.“

„Ich bin Ihnen ja so dankbar, Herr Doktor.“

„Schon gut, ist auch für mich ein schönes Gefühl, wenn’s den Patienten wieder besser geht.“ Er packte seine Tasche. Jetzt rasch heim und wenigstens ein bisserl schlafen, war sein einziger Gedanke. Vielleicht kam ja heute Nacht mal kein weiterer Notruf.

Dieser Wunschtraum zerplatzte wie eine Seifenblase, als das Handy des Arztes sich mit einem dezenten Summen und einem heftigen Vibrieren meldete, noch bevor er die Haustür seines eigenen Hauses erreicht hatte. Müde nahm er den Anruf an und machte sich gleich darauf auf den Weg zum nächsten Patienten.



2

Die gute Seele der Praxis, Hermine Walther, saß etwas ratlos mit einem Brief in der Hand da.

„Tut was net stimmen?“, fragte Maria Schwetzinger, die junge Kollegin, und schaute die ältere Frau fragend an.

Bisher hatte es nix gegeben, was Minchen erschüttern konnte, oder womit sie nicht fertig geworden wäre. Mit diesem Blatt Papier wirkte sie jetzt aber ausgesprochen hilflos.

„Da schreibt mir doch so ein Anwalt, na ja, eigentlich sind’s gleich drei, dass ich was geerbt hab – von irgendeinem Onkel, zu dem ich praktisch keinen Kontakt hatte. Ja mei, der muss ja schon uralt gewesen sein, und die Brüder meiner Mutter waren alle net so gesellig. Außerdem tat’s mehr davon geben, als ich jemals wirklich gewusst hab, sieben oder acht wenigstens. Tät’ aber auch nix zur Sach’. Nun scheint’s aber ein Problem zu geben, weil das Häuschen, was ich bekommen soll, von jemand bewohnt wird, der net ausziehen will und außerdem noch einiges umgebaut hat, was er wohl gar net durfte. Nun pocht er aber auf eine Art Gewohnheitsrecht und will, dass ich ihm einen Anteil am Haus zu einem Spottpreis überlassen tät’.“

„Geerbt hast was? Na, Glückwunsch. Aber ich tät’ doch denken, da ist dann alles gesetzlich geregelt? Wie tät’s dann trotzdem zu einem solchen Kuddelmuddel kommen? Lass dir ja nix einreden, Minchen, wennst was geerbt hast, ist’s deines. Ob da nun einer wohnt oder net.“

Die ältere Frau lachte trocken auf. „Bist immer so herzerfrischend direkt, mein Madl. Aber weißt, recht haben und recht kriegen ist oft net dasselbe. So in etwa schreiben diese Anwälte hier ja auch. Wo war’s denn? Ja, da, hör zu – empfehlen wir Ihnen, sich eines Rechtsbeistandes zu versichern. Selbstverständlich steht Ihnen unsere Kanzlei gern zur Verfügung, falls Sie bisher keinen Kollegen Ihres Vertrauens haben. – Hast gehört, wie die das ausdrücken täten? Warum sollt’ ich wohl zu denen Vertrauen haben, wenn ich hier auch was finden kann? Rechtsverdreher, allesamt. Natürlich tät’s hier den Dietrich Becker geben. Und ich denk’, ich werd’ den mal aufsuchen müssen. Schließlich sollt’ ich mit diesem hier mehr zu tun haben müssen, wenn ich das Erbe akzeptiert hab. Ich kann’s gar nimmer verstehen, warum das zuständige Gericht mir net eh selbst schreibt.“ Minchen seufzte.

Die Maria legte ihr mitfühlend eine Hand auf die Schulter. „Schad’. Da hätt’ ich doch gedacht, ich könnt mich für dich freuen, und dann scheint’s ja wohl nur ein großes Chaos zu sein. Aber bestimmt tät’ sich bald alles aufklären.“

„Haben wir heut’ eigentlich keine Patienten?“ Unbemerkt war Daniel Ingold hereingekommen und wunderte sich nicht wenig, dass „seine beiden Madln“ offensichtlich in eigene Probleme vertieft waren, während das Wartezimmer voller Patienten war.

Minchen fuhr sich schuldbewusst über die Stirn und lächelte den Doktor verlegen an, und die Maria sprang förmlich an den Computer, der an diesem Morgen allerdings auch mal wieder eine eigene Meinung hatte und sich beharrlich weigerte, die Patientenkartei aufzurufen. Das Madl schimpfte lautlos in sich hinein, aber der Hermine entging das natürlich nicht. Ein flüchtiges Lächeln zeigte sich auf ihrem Gesicht, verschwand jedoch gleich darauf wieder, als sie dem verehrten Doktor in die Augen schaute. Der tät’ dringend selbst Ruhe brauchen, sonst würde er bald sein eigener Patient sein. Aber es hatte wenig Zweck was zu sagen. Und schließlich waren alle Ärzte hier in der Umgebung von dieser Erschöpfung betroffen, selbst der alte Dr. Huber, der schon lang pensioniert war.

„Ich schick’ gleich wen rein, gehen S’ schon. Und ein Kaffee kommt auch sofort“, sagte sie und verdrängte die eigenen Sorgen. Wenn die Maria mit dem Blechkasten mal wieder nicht zurechtkam, dann würde sie es eben so machen wie schon viele Jahre vorher, da hatte es ja auch immer geklappt.

Sie griff nach der guten alten Kartei und öffnete die Tür zum Wartezimmer. „Franzl, kannst hereinkommen.“