- 8 -

Auf dem Freeway herrschte weniger Verkehr, als ich erwartet hatte. Ein paar Autos verstopften die Zufahrten, aber der Hummer konnte sie ohne Probleme aus dem Weg räumen.

Ich hatte nur eine kurze Strecke zurückgelegt, als mir klar wurde, dass es ein Fehler gewesen war, schon so früh auf den Freeway aufzufahren. Es hatte keinen Sinn, erst die Stadt zu verlassen und dann zurückzufahren, um Frank zu suchen. Die Untoten dürften sich jetzt zunehmend in der Umgebung meiner Wohnung sammeln, weil der Krawall mit Larry und Tyler sie angelockt hatte. Je länger ich wartete, umso mehr von ihnen kamen. Ich musste zunächst das Gebiet um meine Wohnung absuchen. Auf den Freeway konnte ich später immer noch.

Als ich wendete, kroch Pickle aus dem Rucksack und setzte sich auf den Beifahrersitz. Sie wollte sich offenbar eine Pause von der engen Tasche und den traumatischen Erlebnissen des Tages gönnen. Was für eine tapfere kleine Soldatin.

Gehirnmasse war mir über das ganze Gesicht bis in den Mund getropft. Der Geschmack war nicht wirklich widerlich. Der Gedanke, dass sie von einem fetten Spinner stammte, schon eher. Tja … mal gewinnt man, mal gewinnen die anderen.

Nachdem ich die 180-Grad-Wendung vollzogen hatte, parkte ich den Wagen. Ich hielt einfach mitten auf der Straße an und schaltete den Motor aus, um mich neben Gabe auf den Rücksitz zu setzen. Es wurde Zeit, in die Stadt zurückzukehren, aber zuerst musste sie aufwachen.

Sie hockte zusammengesunken auf dem Sitz, das Kinn auf die Brust gestützt. Sie dürfte höllische Nackenschmerzen haben, wenn sie aufwachte. Und vermutlich ebenso scheußliche Kopfschmerzen.

Ich tätschelte ein paarmal ihre Wange, um sie ins Bewusstsein zurückzuholen. Nichts. Ich tätschelte ein bisschen fester. Sie blinzelte und stöhnte.

»Verdammt, Cyrus! Warum musstest du mich schlagen?«

»Ich hatte keine Lust, mir dein weibisches Geflenne anzuhören. Männerarbeit musste erledigt werden.«

Sie rollte mit dem Kopf, was von deutlichem Knirschen und Knacken begleitet wurde. Sie rieb sich die Schläfen.

»Männerarbeit?«

»Männerarbeit. Und … Gabe?«

»Ja?«

»Es tut mir leid, dass ich dich geschlagen habe.«

Gabe starrte mich unter vor lauter Schmerz zusammengezogenen Brauen an. Sie öffnete den Mund und schloss ihn, während sie weiter ihre Schläfen massierte. Pickle trippelte die Lehne des Beifahrersitzes hinauf und postierte sich auf der Kopfstütze, um uns zu beobachten.

»Okay. Was jetzt?«

»Du weißt, was ansteht. Wir suchen nach ihm.«

»Klar. Wie konnte ich das nur vergessen?«

Ich dachte nicht darüber nach, wo ich suchen wollte. Als wir die Nähe meiner Wohnung erreicht hatten, fuhr ich einfach ziellos einige nicht blockierte Straßen ab. Eine ganze Weile waren wir so unterwegs und fanden nichts außer Trümmern und dem einen oder anderen Zombie. Meine Bemühungen trugen keine Früchte und ich hatte kein Problem damit, es zuzugeben. Ich hielt es für äußerst unwahrscheinlich, Frank auf diese Weise zu entdecken. Aber eins wollte ich noch versuchen, bevor ich das Vorhaben aufgab.

»Wir fahren zurück zu meiner Wohnung. Eventuell hat er ja die Schüsse gehört und nach dem Rechten gesehen. Wenn er nicht da ist, verlassen wir die Stadt. Versprochen.«

»Okay. Ich habe ja ohnehin keine Wahl.« Sie schob sich an mir vorbei auf den Beifahrersitz. Pickle quiekte und verschwand unter der Rückbank.

Ich gewann all meine Schlachten. Cyrus V. Sinclair. Das V stand eindeutig für Victor – der Siegreiche.

Auf dem Weg zurück zu meiner Bleibe legten wir – besser gesagt: ich – uns einen Plan zurecht. Gabe sollte im Wagen warten und sich unauffällig verhalten, während ich zurück in die Wohnung ging und die Umgebung absuchte. Ich wusste, dass ich mit etwas Mühe das Seil hinaufklettern konnte. Und wenn ich erst die Zimmer, den Hausflur und das Treppenhaus überprüft hatte, würde ich beruhigt sein. Ich bezweifelte, dass er irgendwo anders steckte.

»Also, wer sind diese Typen gewesen?«, erkundigte ich mich beiläufig, während ich mal wieder ein paar besonders lästige Zombies überfuhr. Einige gerieten unter die Räder, andere wurden auf die Motorhaube geschleudert und hinterließen einen schleimigen Glibber auf der Windschutzscheibe. Aber damit wurden die Scheibenwischer schon fertig.

»Ein paar Leute, mit denen ich gearbeitet habe.«

»Was wollten die von dir?«

Sie atmete dramatisch aus. »Hast du nicht zugehört? Mein Boss ist durchgedreht und hat mir seine beiden Schoßhunde hinterhergejagt, um mich zurückzubringen.«

Gabes Stimme zitterte und sie hatte die Augen eine Spur zu weit aufgerissen. Lügen ließen sich leicht erkennen, wenn man darauf achtete. Sie wusste, dass ich nicht zugehört hatte, aber warum log sie mich an?

Ich pfiff durch die Zähne. »Das hört sich ziemlich verrückt an. Mitten im Weltuntergang schickt irgendein Manager zwei Typen los, um dich zu holen?«

»Es ist kompliziert. Das verstehst du sowieso nicht.«

»Lass es drauf ankommen.«

»Na ja, er hat so eine Art Gang. Hardcoremäßig. Leute umbringen, Drogen verticken – das volle Programm. Als ich einmal in der Klemme gesessen habe, fing ich an, für ihn zu arbeiten. Aus Versehen habe ich einige seiner Leute umgelegt, die ihre Finger nicht bei sich behalten konnten. Er wurde ziemlich sauer. Als die Scheiße tief flog, hab ich einigen Wettbewerbern ein paar Interna der Gang gesteckt und mich vom Acker gemacht. Ich bin durchs ganze Land geflüchtet, aber er hat mich trotzdem gefunden. Ich bin ein Glückspilz, was?«

Ein kleines Mädchen in einer Killergang? Die Sache mit der Bande konnte ich gerade noch glauben. Seattle hatte vor der Apokalypse ein großes Problem mit Gewalt und organisierter Kriminalität gehabt. Aber mir wollte nicht in den Kopf, dass sie die Leute ihres Chefs umgelegt haben soll. Nur weil sich die Welt auf kritische Weise verändert und sie einiges hinter sich hatte, bedeutete das noch lange nicht, dass sie mir eine solche Lüge auftischen konnte und ich sie einfach schluckte. Wie auch immer – irgendwie ergab das Ganze sogar einen Sinn. Sie konnte einigermaßen mit Waffen umgehen und da sie so lange überlebt hatte, schien es zumindest denkbar, dass sie etwas mit Gangs zu tun hatte. Sicher wusste sie auch, wie man Kehlen durchschnitt.

Warum dachte ich überhaupt über so einen Quatsch nach?

»Was genau hast du für ihn gemacht?«

Sie verzog das Gesicht und rollte mit den Augen. »Was glaubst du wohl? Wo habe ich wohl schießen gelernt? Sie haben mich benutzt, um an Leute ranzukommen und sie umzulegen.«

Ich lachte. »Eine Killerin.«

Sie funkelte mich an. Die kleine Gabriella, eine Auftragsmörderin.

»Warum hätte er zulassen sollen, dass du andere Leute umlegst?«, provozierte ich sie. »Sicher wärst du in einer anderen Stellung viel nützlicher gewesen, wenn du mir das Wortspiel erlaubst.«

»Fick dich selbst, Cyrus. Nur weil ich gut aussehe, muss ich noch lange keine Hure sein.«

»Wer sagt, dass du gut aussiehst?« Ich inhalierte den kupfernen Geruch von Blut, der den Truck ausfüllte, und machte mir eine geistige Notiz, später ein bisschen sauber zu machen. Man musste auf einen Wagen aufpassen, damit er funktionierte. Unsere mobile Festung zu verlieren, hätte ich als großen Verlust empfunden.

Meine Finger fühlten sich eiskalt auf dem Lenkrad an. Ich schaltete die Heizung ein und staunte über das Blut, das in jede Spalte des Armaturenbretts eingedrungen war. Als die Wärme aus der Lüftung strömte, erzeugte sie kleine Wellen in der zähen, roten Flüssigkeit.

Wir schwiegen, bis ich einen Block von meiner Wohnung entfernt anhielt. Ich schaltete den Motor aus und schaute mich um. Kein Untoter weit und breit. Nach einer Zombieapokalypse in einer Millionenstadt kam mir das nicht gerade wie eine Herausforderung vor.

Pickle kletterte die Rückenlehne meines Sitzes hinauf und nahm auf meiner Schulter Platz. Ich streichelte ihr durchs Fell, während ich überlegte, wie ich am schnellsten in meine Wohnung kam. Ich hob das Frettchen von der Schulter und setzte es auf das Armaturenbrett. Dann schaute ich mich im Fond um, was ich auf meine Mission mitnehmen konnte. Nachdem ich mir einen Überblick verschafft hatte, ließ ich meinen Karabiner zurück und entschied mich für etwas mehr Flexibilität. Um nicht zu viel mit mir herumzuschleppen, verzichtete ich auf den Rucksack und nahm nur die 9-Millimeter-Waffe mit. Bevor ich die Autotür öffnete, zog ich noch ein Funkgerät aus dem Rucksack und warf es Gabe zu.

Noch auf dem Rücksitz hockend, aber stets auf dem Sprung, sah ich Pickle das Blut von den Armaturen lecken. Zu meiner Rechten starrte Gabe mit dem Funkgerät in der Hand aus dem Fenster.

»Ich denke mal, es ist besser, wenn du dich flach auf den Rücksitz legst, damit die Zs dich nicht sehen«, riet ich, während ich den Munitionsclip überprüfte und einrasten ließ. Ich zog den Schlagbolzen zurück und stellte sicher, dass die Waffe durchgeladen war.

»Es ist ja nicht so, als kämen sie nicht herein, wenn nur genügend von ihnen da sind.«

»Das muss nicht sein. Möglicherweise ist das Glas kugelsicher. Ich glaube nicht, dass dein Zuhälter halbe Sachen macht.«

»Hör zu, du Ars…«

Bevor sie den Satz beenden konnte, hatte ich den Wagen verlassen und joggte die Straße entlang. Es fühlte sich gut an, wieder ganz allein zu sein. Ohne eine moralisch verwirrte Frau an meiner Seite.

- 9 -

Ich fand die Wohnung exakt so vor, wie ich sie hinterlassen hatte. Das Einwickelpapier der Süßigkeiten lag noch auf dem Esstisch verstreut, eine Kerze stand auf dem Wohnzimmerboden. Warum blieb ich nicht einfach hier? Gabe stand ein ganzes Arsenal zur Verfügung und sie saß in einem vollgetankten Hummer. Ich ließ sie also nicht gerade zum Sterben zurück. Ich konnte hier auf Frank warten, ohne dass mich jemand davon abbringen wollte.

Doch dann dachte ich an Pickle, die allein mit einer Verrückten in einem blutverschmierten Fahrzeug saß. So viel zu der Idee, hierzubleiben.

Francis hatte ich weder in der Gasse noch auf dem Dach angetroffen. Es gab auch keine Spur von ihm in meiner Wohnung, aber ich wusste, dass ich auch einen Blick in den Hausflur werfen musste. Es dauerte länger als erwartet, die Haustür zu entriegeln, aber ich hatte es nicht eilig. Im Flur hielt sich niemand auf. Das Pochen aus Wohnung 8 hallte nach wie vor durch den Gang.

Ich hielt mich in der Mitte des Gangs und schlich die Treppen hinunter, bis ich eine Gestalt in der Lobby bemerkte. Aber es war nicht Francis. Ein dünner, regloser Körper. Die Untoten standen oft wie Statuen da, solange sie nicht von den Lebenden aufgescheucht wurden. Ich kehrte leise in mein Apartment zurück und schloss hinter mir ab. Nein, Frank war nicht hier gewesen.

Um den Ausflug nicht in einen kompletten Fehlschlag ausarten zu lassen, schnappte ich mir eine Campingtasche aus dem Gästezimmer und füllte sie mit einigen der verbliebenen Feldrationen und etwas Munition, die wir bei unserem Aufbruch zurückgelassen hatten. Es dauerte nur ein paar Minuten, doch ich hielt es für gut investierte Zeit. Ich schleifte die Tasche nach draußen und knotete sie an das Seilende, bevor ich aufs Dach kletterte. Nachdem ich mein Gepäck heraufgezogen hatte, schleppte ich mich damit ab.

Schwer atmend von der Anstrengung des Suchens und Zusammenpackens verschnaufte ich für einen Moment und holte das Funkgerät heraus.

»Lebst du?«

»Ja, ich bin hier. Die Küste ist sauber, Captain.« Gabe gab sich streitlustig wie eh und je.

»Okay. Komm und hol mich.«

»Warte mal. Ich glaube, ich sehe …«

Das Funkgerät verstummte und ich starrte es an. Hatte ich Gabe bereits verloren? War jemand aus dem Nichts gekommen und hatte sie und den Truck gekidnappt? Ich beugte mich über die Dachkante und suchte konzentriert die Gasse in alle Richtungen ab – nichts zu sehen.

Wenige Augenblicke später näherte sich das brummende Geräusch eines Motors.

»Ich habe jemanden bei mir. Bin ziemlich sicher, dass es dein Freund Frank ist«, erklang Gabes Stimme. »Ich bin unterwegs. Seil dich schon mal ab. Das Schiebedach ist offen.«

Ich hatte die Ausrüstung halb hinuntergelassen, als der schwarz lackierte Hummer auftauchte. Erst sah ich nichts weiter, aber dann folgten eine Handvoll Zombies in ihrer dumpfen, unermüdlichen Art. Ich konnte Gabe nicht einmal wütende Zeichen wegen ihrer Unvorsichtigkeit geben, weil meine Hände zu sehr mit dem Seil beschäftigt waren. Ich dachte darüber nach, dass Frank uns offenbar gefunden hatte. Ich konnte es kaum glauben. Aber wer sollte es sonst sein? Es musste sich um Frank handeln.

Mit quietschenden Reifen kam das Fahrzeug zum Stehen. Das gleiche Kampfanzug-Mädchen, das ich ein paar Tage zuvor getroffen hatte, streckte den Oberkörper aus dem Schiebedach und sah zu mir hoch. Eine Sekunde später tauchte Francis neben ihr auf. »Los, hör auf zu wichsen, Cyrus! Komm endlich runter!«

Vor Begeisterung rutschte mir das Seil förmlich durch die Finger und ließ die Tasche mit hoher Geschwindigkeit auf den Hummer zurasen. Im letzten Moment packte ich zu und verhinderte so, dass sie mit voller Wucht auf das Autodach schlug. Ein heftiger Ruck zerrte an meinen Armen und ließ mich kurz um mein Gleichgewicht kämpfen. Ein glühender Schmerz breitete sich über meinen Rücken aus.

Gabe und Francis packten die Tasche und verfrachteten sie auf den Rücksitz. Sie nahm sich ein Gewehr und versuchte ein paar Zs auszuknipsen, die zu dicht herangekommen waren. Der Lärm lockte sicher noch weitere von ihnen an, aber gar nichts zu tun, erschien mir ebenso riskant.

Während ich mich abseilte, erkannte ich, dass sämtliche Untote in der Umgebung Wind von der Sache bekommen hatten und Jagd auf uns machen wollten. An beiden Seiten drängten sich die Körper der Untoten in die Gasse herein und trotteten mit glückseligen Mienen auf uns zu.

Meine Stiefel touchierten das Autodach. Francis saß am Steuer, Gabe schoss nach wie vor. Sie blies einer nackten Frau, der ein Arm fehlte, sauber den Kopf vom Hals.

»Was ist der Plan, Cyrus? Rückwärts oder vorwärts?«

»Vorwärts«, antwortete ich Frank. »Gib ordentlich Gas, damit du sie überfahren kannst.«

»Geht klar, Junge.«

Ich tauchte ins Fahrzeug und zog Gabe auf ihren Sitz.

»Sie werden über den Truck hinwegsegeln«, erklärte ich. Nur um sie zu verunsichern, fügte ich noch eine Lüge hinzu: »Ich will nicht, dass sie dich dabei erwischen.«

Die Beschleunigung warf mich etwas zurück, als Frank das Pedal bis zum Bodenblech durchdrückte. Körper schlugen mit sattem Klatschen gegen den Kühler und flogen über das Dach. Sie stellten den gestohlenen Hummer vor keine größere Herausforderung.

Vor uns tauchten Barrikaden auf, die man wohl aufgestellt hatte, als die Armee noch versuchte, für Ordnung zu sorgen. Das führte dazu, dass einige Straßen wie ausgestorben dalagen, während auf anderen nichts mehr möglich war, was auch nur im Entferntesten an Verkehr erinnerte. Frank schien einen Plan zu haben, also stellte ich keine weiteren Fragen, obwohl ich nicht verstand, warum wir nicht auf den Freeway fuhren.

Ich schielte in den Rückspiegel und registrierte, dass uns eine immer größere Horde folgte. Ein Zombie mit Micky-Maus-Ohren führte sie an.

»Mensch, Cyrus. Ich bin echt erstaunt, dich vor dem Loch zu treffen, das du als dein Zuhause bezeichnest. Hat diese Schnecke hier dich eingefangen oder was?«

Jedem anderen hätte ich für diesen Spruch die Zähne eingeschlagen. Nicht Francis Bordeaux. Er war der Vater, den ich mir immer gewünscht hatte. Das lang ersehnte Vorbild, das viel zu spät in mein Leben getreten war. Ich erinnerte mich an die Reue, die ich nach unserem letzten Gespräch verspürt hatte, und beschloss, mich nie wieder mit ihm streiten zu wollen.

Statt also eine spitze Bemerkung zu machen, lachte ich gemeinsam mit ihm und klopfte ihm auf die Schulter.

Gabe warf das Magazin ihrer Waffe aus und überprüfte, wie viele Kugeln sie noch hatte. Nachdem sie es wieder hineingerammt hatte, bedachte sie erst mich und dann Frank, der immer noch über seinen eigenen Gag lachte, mit einem skeptischen Blick.

»Das ist also Frank? Er lief mit einem Rucksack und einer Schrotflinte durch die Gegend, als ob das niemanden was angeht.«

»Ja, das ist Frank. Nichts, was er tut, geht irgendwen etwas an.« Ich grinste.

Frank johlte, als der Wagen einen Teenager ohne Gesicht erwischte und ihn über die Kühlerhaube und gegen eine Straßenlaterne schleuderte.

»Okay. Wie geht’s jetzt weiter, Leute? Vergraben wir uns in den Bergen? Fahren wir in die Hütte?«

Gabe vermied jeglichen Augenkontakt. Franks Anwesenheit schien sie aus dem Gleichgewicht gebracht zu haben. Sie hatte nicht daran geglaubt, dass wir ihn je finden, und jetzt, wo wir ihn gefunden hatten, fühlte sie sich vermutlich wie das fünfte Rad am Wagen. Nicht ganz zu Unrecht. Ich hatte zwar mehr Kontrolle über unsere Pläne als sie, aber ich war bereit, Frank für eine Weile das Kommando zu überlassen.

»Im Osten werden wir bei jedem Schritt auf Tonnen von Untoten treffen«, meinte Gabe. Sie wollte offenbar besonders selbstbewusst wirken. »Ich bin sicher, dass sie deine Hütte bereits überrannt haben.«

»Es gibt nur eine Straße, die dorthin führt. Außerdem ist es ein ganzer Tagesmarsch zur Hütte. Wir müssen nur ein paar Ortschaften umfahren und alles ist gut.«

»Was ist mit Essen? Wasser?« Gabe bemühte sich, die Lücken in seiner Planung zu finden. »Was ist, wenn wir dort sind und uns nach ein paar Wochen die Vorräte ausgehen?«

Ich musste an sein Quartier in den Ozark Mountains denken. Mit einem Wort: Autark.

Er kicherte nur.

»Ich glaube nicht, dass das eine Antwort ist«, bohrte sie nach.

Ich musterte sie mit einem finsteren Blick. »Wenn Frank meint, dass die Hütte eine gute Idee ist, ist sie das auch. Hör endlich auf, ständig rumzuzicken.«

Vielleicht schwang da etwas in meiner Stimme mit. Jedenfalls hörte sie tatsächlich auf.

- 10 -

Es war lange her, dass ich Seattle verlassen hatte, und so dauerte es eine Weile, bis ich mich an die Strecke erinnerte. Obwohl ich ein Auto hatte, lag es so lange zurück, dass ich gar nicht mehr sagen konnte, wann ich das letzte Mal hier vorbeigekommen war. Ein paar Erinnerungen an Fahrten zu Army-Läden mit anschließenden Trips zum Hafen, um Waffen abzuholen, zogen vor meinem inneren Auge vorbei. Alltag für den guten alten Cyrus V. Sinclair. Mit Hilfe der Autobahnschilder kehrte die Erinnerung langsam zurück.

Wir konnten noch etwa 20 Minuten auf der 1-5 North fahren, bis die Straßen zunehmend verstopften. Die Autos standen Stoßstange an Stoßstange an Wrack, was uns zwang, auf Nebenstrecken auszuweichen. Wir schafften es bis zur SR 522 East. Nach drei Stunden erreichten wir unsere erste Zwischenstation: ein kleines Kaff namens Monroe. Ich schätze, dass die Fahrt vor der Apokalypse kaum länger als eine Dreiviertelstunde gedauert hätte.

Der Hummer hatte nicht mehr viel Sprit im Tank, als wir den Ort erreichten. Ungehindert konnten wir die Ausfahrt verlassen. Es war später Nachmittag, aber noch warm bei guter Sicht. Weit und breit keine Zombies. Aus diesem Grund gingen wir das Risiko ein, kurz anzuhalten.

Frank fuhr zur Tankstelle, ohne unterwegs allzu viele Autos zu rammen. Je mehr Lärm, desto mehr Zombies. Die Logik war unbestechlich. Frank betankte den Truck, während Gabe und ich Wache standen.

»Die Zapfsäule braucht Strom«, flüsterte Gabe mir zu. »Wie will er …«

»Er wird saugen. Halt einfach die Klappe, schieß nicht, wenn es nicht unbedingt sein muss, und pass auf.«

Ein fettes Kind mit riesigen Kopfhörern kam aus dem Mini-Markt neben der Tankstelle geschlurft. Etwas hatte ihm die Wangen abgenagt. Unglaublich, dass er trotzdem noch seine Kopfhörer trug. Ich fragte mich, wie lange er wohl herumlaufen und Musik hören konnte, bis ihm der Saft ausging. Da es mich aber nicht ernsthaft interessierte, erschoss ich ihn kurzerhand. Von ihm abgesehen schien die Luft rein zu sein. Endlich hörte ich den Sprit in den Tank gurgeln.

»Hey, Leute. Wir sollten uns nach etwas umschauen, womit wir noch etwas mehr Sprit als Reserve für unterwegs mitnehmen können. Wer weiß, wann wir das nächste Mal so viel Glück mit einer Tankstelle haben.«

»Bestimmt gibt es etwas Brauchbares im Laden. Gabe, du bleibst am Eingang. Frank und ich gehen rein. Ist das in Ordnung für dich?«

Frank nickte. Als der Tank gefüllt war, näherten wir uns dem kleinen Container. Im vorderen Teil konnte man aufgrund der Fenster einigermaßen etwas erkennen, aber im hinteren Teil herrschte ziemliche Dunkelheit. Ich schielte zu Frank hinüber und bemerkte, dass er weder eine Pistole noch eine Taschenlampe dabeihatte.

Er bemerkte meinen Blick und schwang eine Machete. »In Vietnam hatten wir keine Lampen, und als uns die Munition ausging …« Er zuckte mit den Schultern.

Die Stille klingelte in meinen Ohren. Es roch erstaunlich angenehm in dem Laden. In Seattle hatte ich den Geruch nach Fäulnis und Verwesung als allgegenwärtig empfunden. In einer Tankstelle hätte ich das Gleiche erwartet. Aber es roch nur nach schal gewordenen Brezeln und vergammelter Pizza. Die Kühlabteilung machte gar keinen so schlechten Eindruck. Niemand hatte sich an den Metallregalen zu schaffen gemacht oder hatte sich wie in Seattle darüber hergemacht. Interessant.

Wir durchsuchten die kleine Abteilung mit Autozubehör, fanden aber weder einen Benzinkanister noch sonst etwas Brauchbares. Die einzige Möglichkeit bestand darin, Getränkeflaschen zu leeren und mit Sprit zu füllen. Als Frank und ich die sprudelnden Softdrinks auf den Boden gossen, bemerkte ich das Hinterzimmer.

»Vielleicht gibt es dort etwas. Gewerbliche Behälter oder so. Ich schau mal nach.«

Frank nickte, während er beobachtete, wie irgendeine rote Limonade auf den Boden lief. Ich konnte mir vorstellen, woran er gerade dachte.

Ich zog die Waffe, drückte die Tür einen Spaltbreit auf und lauschte. Kein Geräusch. Aber auch kein Licht. Ich holte die Taschenlampe aus meinem Seitenholster und ließ den Lichtstrahl durch den Raum gleiten. Tatsächlich entdeckte ich große, mit Deckeln verschlossene Eimer, die sich an der Wand stapelten. Ich senkte die Waffe und betrat siegessicher den Raum.

Das Licht flackerte auf.

Geblendet von der grellen Lampe wirbelte ich herum. Ein schmieriger, halb verwester Mann mit Bart erwartete mich.

Er erwischte mich auf dem falschen Fuß, stieß mich zu Boden und warf sich auf mich. Ich stürzte rücklings in die Eimer, die daraufhin laut scheppernd durcheinander polterten. Abgestandenes Putzwasser spritzte durch den Raum.

Schmierbart hatte keine linke Hand, aber er hatte noch immer einen Mund und eine rechte Hand, die auf mich gefährlich genug wirkten. Ich versuchte, ihn abzuwehren, während ich nach meiner Knarre griff. Er fiel auf die Knie und kam näher. Die Pistole landete im Putzwasser, zu weit entfernt, als dass ich sie erreichen konnte.

Fauliger Atem umfing mein Gesicht, als der Zombie mit schnappenden Kiefern aufstöhnte. Der Stumpf seiner linken Hand schmierte altes, dunkles Blut auf meinen Hals, während er mich zu packen versuchte.

Die 9-Millimeter war keine Option mehr. Unter keinen Umständen konnte ich gleichzeitig Schmierbart von mir fernhalten und die Waffe erreichen. Ich griff nach meiner anderen Pistole, einer Kaliber 40, aber die hatte ich an meinem anderen Bein befestigt, an dem sich der Zombie festklammerte. Ich nahm alle Kraft zusammen und stieß ihn zur Seite. Er landete einen knappen Meter entfernt auf der halb verwesten Leiche.

Ich griff nach meiner Waffe und …

Eine Machete steckte plötzlich in seinem Scheitel. Sein Mund bewegte sich erst langsamer und dann überhaupt nicht mehr.

Frank stieß Schmierbart den Fuß in den Rücken und schleuderte den Zombie quer durch den Raum.

Altes Blut sickerte aus der Kopfwunde. Frank wischte seine Machete an der Jacke des Untoten ab und steckte sie ein.

»Tja, ziemlich schlampig, mein Lieber. Du solltest wissen, dass man erst alle Ecken checkt, bevor man eintritt.«

Ich grunzte und versetzte dem nun wirklich toten Untoten auf dem Boden einen Tritt. Anschließend schnappte ich mir so viele Eimer, wie ich tragen konnte.

»Woher kommt das Licht?«, fragte ich. »Hast du einen Generator oder so was gesehen?«

Die Tankstelle war hell erleuchtet. Die Displays der Getränke- und Losverkaufsautomaten strahlten. Irgendwo drang aus Lautsprechern das statische Rauschen eines Radiosenders, der den Betrieb eingestellt hatte.

»Nein. Die Lichter sind von allein angegangen«, antwortete Frank.

Bis auf ein vor sich hin schwelendes Auto auf der Kreuzung gegenüber und ein paar Leichen sah draußen alles ganz normal aus. Gabe lehnte am Hummer und begutachtete die hell erleuchteten Zapfsäulen.

Auch wenn es hier Strom gab, ließ sich schwer einschätzen, ob das auch für andere Teile des Ortes galt.

»Alternierende Verteilung«, mutmaßte Gabe, als wir die Eimer mit Treibstoff füllten. »Wenn es einen Fehler im System gibt, schalten die Versorgungsanlagen manchmal in einen automatischen Sparmodus. Vermutlich rotiert die Stromversorgung alle paar Stunden oder so zwischen verschiedenen Straßenzügen.«

Falls das stimmte, erklärte es zumindest die Frische der meisten Lebensmittel im Laden der Tankstelle. Stromversorgung in Monroe brachte jedoch auch eine Gefahr mit sich. Die Leute blieben sicher um einiges lieber dort, wenn ihnen noch die Annehmlichkeiten der Moderne zur Verfügung standen. Das bedeutete, dass wir im Ortszentrum wahrscheinlich eine Menge Menschen antrafen.

Ich teilte den anderen meine Überlegungen mit. Gabe schien von der Vorstellung begeistert zu sein, Frank wirkte eher beunruhigt.

»Was ist das Problem?«, protestierte sie. »Mehr Leute bedeutet Hilfe, Vorräte und Schutz!«

»Wie lange ist es her, dass das Ganze angefangen hat, Mädchen?«, fragte Frank langsam, als sei sie schwachsinnig (was ich zum Teil unterschreiben konnte).

»Knapp drei Monate vielleicht. Es hat im April angefangen, also müssten wir jetzt Juli haben.«

»Hast du schon mal von Menschen gehört, die ganz allein in den Wäldern leben und langsam austicken, weil ihr Körper auf Überlebensmodus umschaltet?«

Ich führte Franks Gedankengang zu Ende. »In einer solchen Situation werden die Menschen entweder zu primitiven Tieren oder Lasst-uns-alle-retten-Gutmenschen.«

»Wie du schon sagst: Es gibt auch Gutmenschen, Cyrus.« Sie sprang in den Wagen und schlug die Tür hinter sich zu.

Frank warf mir einen gequälten Was-hast-du-dir-nur-dabei-gedacht?-Blick zu. »Wie bist du nur damit klargekommen?«

»Keine Ahnung. Irgendwie ging es.«

Nachdem wir die Karte im Handschuhfach studiert hatten, beschlossen wir, eine Nebenstraße durch Monroe zu benutzen. Es schien uns weniger wahrscheinlich, dass sie verstopft oder von Zombies bevölkert war. Hier und da trafen wir auf einige herumstreifende Gestalten, aber wir rollten einfach an ihnen vorbei und fuhren die über den Haufen, die sich uns in den Weg stellten. Wir passierten eine Straßenüberführung und wurden langsam zuversichtlich, als mit einem Mal alles den Bach hinunterging. Wir stießen auf eine Straßensperre. Sie bestand aus zwei Polizeiwagen, die einen Kreisverkehr blockierten. Wenn wir unseren Weg fortsetzen wollten, mussten wir hier durch. Tja, es konnte eben nicht immer alles wie am Schnürchen laufen.

Frank und ich verließen den Truck und ließen Gabe hinter dem Steuer zurück. Dann bemerkte ich eine Gruppe von Zombies etwa einen Block hinter uns. Bis wir einen der Streifenwagen erreicht hatten, um den Gang herauszunehmen und den Wagen beiseitezuschieben, dürften die Zs längst hier sein.

Ich wollte gerade die Seitenscheibe mit dem Knauf meiner Waffe einschlagen, als Frank mir eine Hand auf die Schulter legte.

»Mach’s dir nicht so schwer, wenn du eine einfache Lösung direkt vor der Nase hast.«

Mit einem hintergründigen Grinsen öffnete er die unverschlossene Tür. Wir rollten den Wagen über einen Bordstein in einen schmalen Grünstreifen, als wir einen Schrei aus dem Hummer hörten.

»Raus hier, du Ar…«

Ich riss die Handbremse hoch und spähte über das Autodach. Irgendein Typ saß auf einmal hinter dem Steuer des Trucks und bretterte schnurstracks durch den von uns geräumten Weg. Gabe war nirgendwo zu sehen. Ich ging davon aus, dass sie bewusstlos auf der Rückbank lag.

Der blutverschmierte Truck raste an uns vorbei. Ein großer bärtiger Mann warf uns im Vorbeifahren einen finsteren Blick zu. Ich fletschte wütend die Zähne und griff nach meinem Oberschenkelholster, als Frank mir die Hand auf die Schulter legte.

»Was ist los, Cyrus? Wir können uns einfach etwas anderes suchen. Ich habe meinen Rucksack und du hast, was immer du gerade am Körper trägst. Was brauchen wir mehr? Ganz davon abgesehen hat es nicht so ausgesehen, als hättest du das Mädchen gevögelt.«

»In dem Hummer ist mein Frettchen.«

Seine Miene verdüsterte sich und er nickte verständnisvoll. Damals, 1999, hatte Frank eine wertvolle Weisheit mit mir geteilt. »Du glaubst, dass du alles durchstehen kannst, aber das kannst du nicht. Du musst etwas lieben und dich daran festhalten. Auf diese Weise verlierst du nicht den Verstand, selbst wenn du es dir eigentlich wünschst.«

Die Lektion bestand darin, dass du, selbst wenn du dich für einen harten Kerl hältst, etwas besitzen musst, das dir nahesteht; etwas, um das du dich kümmern kannst. Das hält dich geistig fit und gesund. Ich hatte das Prinzip noch nicht ganz verinnerlicht. Aber jetzt zählte nur, dass Pickle in diesem bescheuerten Truck hockte und ich sie mir zurückholen musste.

Das Glück glich einer Achterbahnfahrt. Nur Sekunden zuvor waren wir nach allen Regeln der Kunst am Arsch gewesen, und schon wandte sich das Schicksal zu unseren Gunsten. Der Hummer vollzog eine harte Rechtskurve und fuhr nicht zu weit von uns entfernt eine Böschung hinauf. Die Straße verschwand zwischen ein paar Hügeln, die ich nicht überblicken konnte. Aber ich sah zwei Turmspitzen.

Der Truck passierte ein großes hölzernes Schild. Es bestätigte meinen Verdacht, um was für ein Gebäude es sich handelte. In geschnitzten Blockbuchstaben stand dort: MONROE-BESSERUNGSANSTALT. Daneben hatte jemand das Wort ›Überlebende‹ gesprayt. Mir schien es eher wie ein Zeichen, dass ein Haufen Verrückter das Gefängnis übernommen hatte. Das Motorengeräusch des Hummer verschwand außer Hörweite und ließ Frank und mich allein zurück.

Die gute Nachricht: Wir wussten, wohin der Hummer fuhr. Die schlechte Nachricht: ›Überlebende‹ ließ auf mehrere Gegner schließen.

Ich sah, wie sich die Untoten am Kreisverkehr immer näher in unsere Richtung schoben. Nichts konnte jemals einfach sein, oder? So viele Zombies auf den Straßen ließen sich wirklich schwer verkraften.

»Lass uns los. Das könnte eine Weile dauern.«

»Du sagst, wo es langgeht«, antwortete Frank.

Ich dachte darüber nach, wie wir am besten auf das Gefängnisgelände kamen. Ich spekulierte wild drauflos, dass wir es mit mindestens zehn und höchstens 30 Bewohnern zu tun bekamen. Wie sollte ich so viele von ihnen ohne Planung aus dem Handgelenk töten? Und selbst wenn ich mich bis zum Hummer durchschlagen konnte und Pickle darin fand, was konnte ich dann wegen Gabe unternehmen? Nach ihr suchen?

Ich drängte meine Zweifel in den Hintergrund und fasste einen Plan. Schritt eins bestand darin, den Hummer zu finden – wobei ich die Suche nach den Schlüsseln als Zwischenschritt einfügen musste, falls sie nicht steckten. Trotz der vielen Filme, die ich gesehen hatte, wusste ich nicht, wie man ein Auto kurzschloss. Ich bereute das, aber wie hieß es so schön? Hätte, hätte, Fahrradkette. Wenn ich die Schlüssel tatsächlich fand, konnte ich mir immer noch Gedanken darüber machen, ob ich Gabe retten wollte. Nachdem ich Frank den Schlachtplan erklärt hatte, näherten wir uns dem Gefängnis.

Die Besserungsanstalt war nichts Besonderes – riesige Mauern, hohe Zäune, Türme. Es schien mir eine gute Idee zu sein, sich dort zu sammeln, während Untote die Erde beherrschten. Zeug heranzuschaffen, dürfte sich jedoch als ziemlich schwierig erweisen. Und sobald auch nur ein einziger Zombie auf das Gelände kam, wurde die gute Idee im Handumdrehen zu einer schlechten.

Wir schauten uns um. Glücklicherweise entdeckte Frank den Truck schon nach wenigen Minuten auf der Westseite der Anlage. Eine Frau, der der größte Teil ihres Oberkörpers fehlte, wurde auf uns aufmerksam, aber ich erledigte sie ohne größere Schwierigkeiten.

Es war noch hell, aber die Dämmerung musste bald hereinbrechen. Die Farben des Sonnenuntergangs ließen den Himmel wärmer erscheinen und versprachen eine klare Nacht. Das ideale Wetter für eine Zurückentführung. Ich fischte den Schalldämpfer heraus, drehte ihn auf meine 9-Millimeter und schlich zum Zaun.

Ich wollte die Aktion so lange wie möglich geräuschlos über die Bühne bringen. Frank hatte seit dem Einbruch kaum ein Wort gesprochen. Wir wussten beide, dass unsere Mission in dem Moment, wo man uns entdeckte, deutlich kniffliger wurde. Wie stets auf alles vorbereitet, holte ich eine Drahtzange aus meiner Westentasche und machte mich an die Arbeit. Werkzeuge wie diese hielt ich für unverzichtbar – man konnte sie nicht nur bei Drähten anwenden.

Ich machte weiter, bis ich genug Platz hatte, um mich hindurchzuquetschen. Nachdem ich den Zaun so weit wie möglich aufgebogen hatte, schoben wir uns durch die entstandene Lücke. Obwohl wir extrem vorsichtig vorgingen, ließ sich ein metallisches Klappern nicht vermeiden. Nicht sehr laut, aber falls es jemand hörte … nun, dann waren wir am Arsch. Drinnen erwies sich das Gelände als übersichtlich und unproblematisch. Überall braunes, verdorrtes Gras und graue Steingebäude. Die Wachtürme fanden wir ebenso leer vor wie die Fenster, die den offenen Bereich überblickten. Hielten sich alle im Haus auf? Vermutlich wähnten sie sich wegen der geschlossenen Zäune in Sicherheit?

Schlecht für sie, dass es doch eine Gefahr gab. Mich und Frank nämlich.

Immer noch auf der Hut, aber deutlich zuversichtlicher ging ich zu unserem Truck. Er bot einen beruhigenden Anblick, noch immer randvoll mit Munition, Vorräten und den Schlüsseln. Was immer der Kidnapper plante, er hatte zunächst darauf verzichtet, den Wagen auszuräumen. Mit zwei kleinen Ausnahmen fand ich ihn so vor, wie ich ihn verlassen hatte.

Erstens: Gabe saß nicht drin. Zweitens: Keine Spur von Pickle.

Ich schaute missbilligend zu den erleuchteten Gefängnisfenstern hinauf. Ständig diese Holpersteine. Ich durchsuchte das Fahrzeug noch ein zweites Mal, aber das Ergebnis blieb dasselbe.

»Ohne Schweiß kein Preis«, orakelte Frank. Unbeeindruckt von unserem Pech ging er auf das Gefängnisgebäude zu. Er erreichte den Abladeplatz auf der Rückseite, während ich verdrossen hinterherjoggte, um zu ihm aufzuschließen.

Es gab zwei Laderampen, die beide über zusätzliche Türen verfügten. Vor der weiter entfernten Rampe parkte ein kirschroter Mustang, der nicht recht in den Hinterhof eines Gefängnisses zu passen schien. Wir näherten uns der ersten Tür und betraten die Monroe-Besserungsanstalt der Überlebenden.