Cover

Über dieses Buch:

Iris ist das alles zu viel! Dieses ewige Hin und Her mit ihrem Exfreund und Kollegen Christian in der Leitung des Grand Hansson Hotels kostet ihr den letzten Nerv. Der Druck auf ihren Schultern lastet schwer – kann sie den Erwartungen gerecht werden? Nach einem Schwächeanfall will sie auf der Insel Guernsey neue Energie tanken. Christian wird sich unterdessen bewusst, dass seine Gefühle zu Iris stärker sind, als er es zulassen wollte, und reist ihr hinterher. Doch als er ankommt scheint es, als hätte sich seine große Liebe bereits für einen anderen entschieden …

„Das 1x1 zum großen Glück“ ist der sechste Teil einer Serie voller Gefühle: Liebe, Pech, Verrat und Glück – die perfekte Mischung zum Mitfiebern!

Über den Autor:

Christian Pfannenschmidt, geboren 1953, war Journalist und Reporter für die Abendzeitung, München, den Stern, Capital und das Zeit-Magazin. Heute lebt er als Autor in Köln und Berlin. Von ihm stammen unter anderem die Drehbücher der ZDF-Erfolgsserie Girlfriends. Der Seerosenteich wurde in mehrere Sprachen übersetzt und in der Verfilmung, als ARD-Zweiteiler, verfolgten über 6 Mio. Menschen die Karriere von Isabelle, dem Mädchen vom Lande, das zur Chefin eines Modeimperiums aufsteigt. 2003 gründete er eine eigene Fernsehproduktion und setzte seine persönliche Erfolgsgeschichte mit TV-Serien wie u.a. Die Albertis und Herzensbrecher – Vater von vier Söhnen fort.

Christian Pfannenschmidt veröffentlichte bei dotbooks bereits Die Albertis und Der Seerosenteich.

Die Website des Autors: www.christianpfannenschmidt.de

Die Charaktere der Girlfriends-Serie haben den Autor nicht mehr losgelassen. Und so hat er – basierend auf den Drehbüchern – sieben Romane über die Freundinnen Marie, Ilka und Elfie geschrieben:

Band 1: Fünf Sterne für Marie

Band 2: Freundschaft auf den dritten Blick

Band 3: Zehn Etagen bis zum Glück

Band 4: Demnächst auf Wolke sieben

Band 5: Kurz vor zwölf im Paradies

Band 6: Das 1x1 zum großen Glück

Band 7: Frühstück für zwei

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Neuausgabe März 2015

Copyright © der Originalausgabe 2005 Rowohlt Verlag GmbH, Reinbek bei Hamburg

Copyright © der Neuausgabe 2015 dotbooks GmbH, München

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Titelbildgestaltung: Maria Seidel, atelier-seidel.de

Titelabbildung: Thinkstockphoto/istock

ISBN 978-3-95824-102-2

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Christian Pfannenschmidt

Das 1x1 zum großen Glück

Roman

dotbooks.

TEIL 1
Ich kämpfe um dich

Kapitel 1

»Schade, sie hätten so gut zusammengepasst!« Während Elfriede Johanna Gerdes, die dienstälteste Sekretärin des Hamburger Luxushotels Townhouse, über die schrägen Wege der Liebe sinnierte, deckte sie im Konferenzsaal den Tisch mit kleinen Arrangements von Mineralwasser- und Orangensaftflaschen ein, verteilte Kaffeetassen und Thermoskannen und stellte hübsch angerichtetes Gebäck bereit. Hin und wieder warf sie einen Blick zu ihrer neuen Kollegin Britt Schmitt, die, anstatt sich nützlich zu machen, lieber ihre dunkelrot geschminkten Lippen im Widerglanz eines Kaffeelöffels überprüfte.

Elfie mochte Liebesgeschichten mit Happy End. Die beiden Direktoren des Hotels Townhouse Am Alten Wall Hamburg – Iris Sandberg und Christian Dolbien – waren für sie ein Traumpaar. Leider sahen die beiden das anders. Sie gingen so distanziert miteinander um, dass es Elfie fröstelte.

»Also ist er noch zu haben, der süße Dolbien«, sagte Britt. Auch sie mochte Liebesgeschichten, aber am liebsten solche, in denen die Helden eine Menge wilden Spaß hatten.

»Na ja, unsereiner«, Elfie tippte sich auf ihre linke Brustseite, »ist ja Realist und würde doch eher sagen: Er ist blockiert! Aber der Dolbien wird nicht müde, immer und immer wieder zu erklären, dass das Thema Liebe für ihn erledigt ist.«

Britt zog eine ihrer sorgfältig gezupften Augenbrauen hoch. »In seinem Alter, bei dem Aussehen? Das glaube ich nicht. Für mich klingt das wie das Pfeifen im Walde.« Ihre Augen funkelten, während sie sich ausmalte, wie sie dem Hoteldirektor beweisen könnte, dass es definitiv Befriedigenderes gab als die Karriere.

»Bei dem hat keine Frau mehr eine Chance!« Elfie deutete mit dem Kopf auf den Rollwagen, auf dem immer noch mehrere Kannen standen. »Selbst du nicht, Britt Schmitt!«

Im nächsten Moment wurde die Tür aufgestoßen. Brownie, ein pfiffiger weiß und rotbraun gefleckter Mischlingshund mit keckem Näschen und kariertem Halstuch, stolzierte herein. Die Zeitung, die er im Maul trug, legte er brav am Kopfende des Tisches ab.

Mit heraushängender Zunge blickte er abwechselnd von Elfie zu Britt. Er hatte seinen Job erledigt – war das nicht ein paar Streicheleinheiten wert?

Elfie deckte die letzte Tasse ein, beugte sich zu dem Vierbeiner hinunter und klatschte in die Hände. »Na, so was! Du bist ja ein Feiner!« Ihr Gesicht strahlte, als sie auf den Hund zuging und über seinen Kopf wuschelte. Brownie wedelte mit dem Schwanz und leckte dankend Elfies Hand. Nun ging Elfie auf die Knie, und während Britt ihre Fingernägel betrachtete, tollte Elfie mit Brownie auf dem Boden herum. Das erfreute Bellen und Elfies Lachen erfüllten den Raum.

Britt beschlich das Gefühl, fehl am Platz zu sein. Und vielleicht erging es Rufus Hartmann, der in diesem Moment den Konferenzsaal betrat, ähnlich. Als Europachef der Townhouse-Gruppe hatte er die Belegschaft des Hamburger Hotels zur Vollversammlung geladen.

Britt erstarrte, als sie den Big Boss in seinem eleganten Anzug, den Timer in der Hand, erblickte. »Äh … Elfie?« Sie zauberte ein Lächeln auf ihr Gesicht, während sie gleichzeitig mit der Spitze ihres Pumps versuchte, die auf dem Boden herumkullernde Kollegin darauf aufmerksam zu machen, dass sie beobachtet wurde.

Elfie sah auf. Ups! Hastig erhob sie sich, richtete ihre Anzugjacke und fuhr sich mit den Fingern ordnend durch die Haare, während Brownie spielerisch an ihrem Hosenbein zog. Das war ein Frauchen nach seinem Geschmack!

Hartmann grinste, legte den Timer an seinem Platz am Kopfende des Tisches ab und klopfte auf die Sitzfläche eines Stuhls, um den Hund anzulocken. Brownie bewohnte mit ihm die Präsidentensuite des Hauses und war sein treuester Freund. »Sie mögen Hunde, was?«

»Ich habe eine Katze.« Elfie rang um ihre Fassung. Ging es noch peinlicher? »Also, genau genommen, hatte ich eine Katze. Sie ist vor ein paar Jahren gestorben.« Was redete sie für einen Unsinn? Hartmann hatte aber auch eine Art an sich, die einen schier in die Knie zwang. Selten erlebte jemand Elfie sprachlos. Aber in dieser Situation war sie erleichtert, als Christian Dolbien den Konferenzsaal betrat und der Big Boss ihm seine ganze Aufmerksamkeit schenkte.

Elfie strich sich die Kleidung glatt und straffte ihre Schultern. Britts Grinsen erwiderte sie mit einem schelmischen Zwinkern. Alles wieder im grünen Bereich.

Das dichte Laubwerk der alten Eichen beschattete den Kiesweg des alten Friedhofs. Sauber abgesteckte Grabstätten, liebevoll bepflanzt und mit Kerzen verziert, ein Ort der Melancholie, der Erinnerung daran, wie vergänglich alles war, und ein Ort, um Ruhe zu finden, losgelöst von den kleinen und größeren Sorgen des Alltags.

Die halb hohen Absätze ihrer Schuhe verursachten kleine klackende Geräusche, als Iris Sandberg mit gesenktem Kopf zügig den Weg nach links einschlug. Der Terminkalender der Hoteldirektorin war an diesem Freitag dicht gefüllt. Bereits um zehn musste sie im Konferenzsaal sein, aber diese halbe Stunde sollte Gudrun Hansson gehören. Heute war ihr Geburtstag.

Iris hatte sie als liebe ältere Freundin sehr geschätzt.

Am Ende hatte jedoch der Krebs den Kampf gewonnen. Wer hätte das für möglich gehalten? Eine so starke Frau, ein Vorbild für jeden, der an seiner Krankheit zu zerbrechen drohte, und dann war sie regelrecht dahingesiecht und hatte alle fassungslos zurückgelassen.

Als es ihr noch gut gegangen war, hatte sie das Grand Hansson an den erfolgreichsten und stärksten Konzern, den es zurzeit in der Branche gab, verkauft: an die Townhouse-Gruppe. Manch einer verübelte ihr diesen Schritt, bangte um die hanseatische Gemütlichkeit, die den Charme des Hotels ausmachte, befürchtete, die menschliche und herzliche Atmosphäre würde im Zuge der Internationalisierung verloren gehen. Aber hatte sie im Grunde nicht sehr vorausschauend gehandelt und die Arbeitsplätze der kompletten Belegschaft gesichert, indem sie ihr »Baby« in die Hände eines solventen und erfolgreichen Konzerns gelegt hatte?

Als Iris sich dem Grab näherte, fiel ihr Blick auf den groß gewachsenen Mann, der mit auf dem Rücken verschränkten Armen vor dem Grab stand. Conrad Jäger hatte Gudrun Hansson geliebt. Ihre Beziehung war lange Zeit Gesprächsstoff unter den Mitarbeitern gewesen. Keiner von ihnen verstand, was den zehn Jahre jüngeren Mann mit der Geschäftsfrau verbunden hatte. Oder doch, manche glaubten es zu wissen: Seiner Karriere war es mit Sicherheit förderlich.

Damals, als die Wellen hoch schlugen und sich Conrad Jäger als Personalchef mit dem Misstrauen der anderen konfrontiert sah, hatte er seine Konsequenzen gezogen und gekündigt.

Viele Wochen lang hatte Iris vergeblich versucht, ihn zum Bleiben zu überreden. Einen kompetenteren, diplomatischeren und klügeren Personalchef konnte sie sich nicht vorstellen.

Wie er da mit seiner khakifarbenen Hose und dem hellen Blazer stand, wirkte er nicht wie ein Mann, den der Kummer gebrochen hatte, sondern traurig über den Verlust und dankbar für die guten Momente.

Ein Lächeln glitt über Iris’ Gesicht, als sie auf ihn zuging.

»Ach nee«, sagte er zur Begrüßung, »die Frau Exkollegin.«

Iris reichte ihm die Hand und erwiderte seinen Blick lächelnd. Kleine Fältchen bildeten sich um ihre Augen. Sie deutete auf den Strauß in ihrer Hand. »Ich dachte, an ihrem Geburtstag würde sich Gudrun über ein paar Blumen freuen.«

Er nahm ihr das Gebinde ab und arrangierte es in einer Steckvase, die er hinter dem Grabstein hervorholte. »Ihre Lieblingsblumen, schön.«

Eine Weile standen sie schweigend vor dem Grab, hingen ihren Gedanken nach.

Als er sich, mit einer Hand über die Nase wischte, zog sie wortlos ein Taschentuch aus ihrer Handtasche und reichte es ihm.

»Sie denken, ich heule.« Conrad nahm das weiße Tuch. »Sie werden es nicht glauben, aber ich weine nicht. Ich habe mich letzte Woche beim Segeln erkältet.«

Iris musterte ihn skeptisch von der Seite.

»Worüber vergießt man denn Tränen, wenn ein Mensch diese Welt verlässt? Doch nur über sich selbst. Gudrun hatte ein schönes Leben. Für sie war der Tod eine Befreiung. Ihr geht es jetzt besser, glauben Sie mir.«

Obwohl – oder vielleicht: weil – Conrad sich so cool und rational gab, fühlte sich Iris auf seltsame Art berührt. Als sie nebeneinander zum Parkplatz gingen, gab sie einem plötzlichen Impuls nach und streichelte ihm über den Arm. »Ich würde jetzt gerne mit Ihnen einen Kaffee trinken. Aber …« Sie lächelte schief.

Conrad nickte. »Ohne Arbeit geht es wohl nicht bei Ihnen, was?«

Iris hob die Schultern. In den letzten Monaten erledigte sie quasi drei Jobs, Entlastung war nicht in Sicht. »Wir suchen immer noch einen Personalchef. Auf Dauer kann ich das nicht auch noch mitmachen.«

Conrad presste einen Moment die Lippen aufeinander. »Ich gehe ins Ausland. Ich fliege nach Guernsey. Meine Tante hat dort eine Pension und einen sehr schönen Besitz mit viel Land.«

Iris verbarg ihre Enttäuschung. Sie verstand, dass Conrad Abstand brauchte – von Gudrun, von seiner Hotelkarriere, von Hamburg. »Dann wünsche ich Ihnen viel Glück«, sagte sie leise, als sie bei ihrem Wagen angekommen waren. Die Schlüssel klimperten in ihrer Hand.

»Und alles Gute für die Zukunft?« Conrad lächelte traurig.

Sie sah in seine Augen, die im Schatten zu liegen schienen. »Ich muss Sie jetzt einfach umarmen.« Sie stellte sich auf die Zehenspitzen und schlang die Arme um ihn.

Conrad erwiderte ihre zärtliche, freundschaftliche Geste. Einen Moment lang hielt er sie ganz fest.

Etwas später steuerte Iris ihren Wagen an der Binnenalster vorbei zum Hotel Am Alten Wall. Um diese Uhrzeit herrschte an diesem milden Frühsommertag auf Hamburgs Straßen ein reger Verkehr. Berufstätige und Lieferanten, Taxis und Touristenbusse, die ganze Horden von Schaulustigen zu den Ausflugsdampfern brachten, waren in der Stadt unterwegs. Sie würde zu spät zur Konferenz kommen; andererseits – was würde sie schon verpassen? Sie wusste, was Hartmann der Belegschaft mitzuteilen gedachte: Das Townhouse Hamburg wurde von der Londoner Konzernspitze als Pilotprojekt gehandelt; man strebte eine neue Position an, und dazu war der unbedingte Einsatzwille aller Mitarbeiter gefordert.

Hartmann stand einundvierzig Häusern in Europa vor, konnte nur die Richtung vorgeben und überwachen, dass alle sie einhielten. Dass er im Haus sein Büro unterhielt, hatte eher praktische Gründe.

Christian und Iris genossen das volle Vertrauen der Konzernleitung. Eine hohe Verantwortung – genau nach Iris’ Geschmack. Und Christian war der beste Partner, den sie sich wünschen konnte. Zumindest im Business. Sie schätzte seine organisatorischen Fähigkeiten, sein Fachwissen, seine Personalführung. Die Zeiten, in denen sie ihn für andere Qualitäten geschätzt hatte, waren vorbei – als seine Liebe sie noch trunken machte vor Glück, sie am Morgen bereits den Abend herbeisehnte, um endlich in seinen Armen zu liegen. Alles nur Gefühlsduselei.

Sie strich sich über die Stirn, spürte wieder diesen stechenden Kopfschmerz, der sie seit einigen Wochen in immer kürzeren Abständen überfiel. Er ging mit einem Schwindelgefühl einher, das zu stark war, um es zu ignorieren. In den nächsten Tagen würde sie einen Arzt aufsuchen. Diesen Termin schob sie schon viel zu lange vor sich her.

Sie setzte den Blinker und fuhr die Einfahrt zum Hotel hinauf. Ihr Blick glitt über die Fassade und zu dem neuen Schriftzug der Townhouse-Gruppe.

Das Grand Hansson schien einer vergangenen Epoche anzugehören. Immer schon war das Hotel besonders gewesen – geheimnisvoll, spannend und verführerisch – und mit einem edlen Ambiente, das Mitarbeiter und Gäste gleichermaßen begeisterte. Doch heute, unter den Flaggen von Townhouse, strahlte es auch nach außen hin weltstädtisches Flair aus. Ein Schmelztiegel der Nationen in Hamburg, dem Tor zur Welt, ein Parkett der Reichen und Schönen, unaufdringlich gepflegt und in Betrieb gehalten von einer Vielzahl verschiedener Menschen, für die ihr Beruf im Hotelbusiness viel mehr als bloße Pflichterfüllung war.

Lächelnd grüßte Iris die Gäste, die durch die gläserne Drehtür kamen und gingen. Eine der hauseigenen Limousinen mit dem Schriftzug des Konzerns fuhr vor. Empfangschef Hieronymus Schmollke trat auf die ihm eigene würdevolle Art vor, um den Herrschaften die Wagentür zu öffnen. Iris nickte ihm im Vorbeigehen zu und drückte ihm ihre Wagenschlüssel in die Hand. Schmollis Uniform war neu, doch er trug sie mit großer Selbstverständlichkeit, während man den jungen Pagen, wenn sie linkisch mit einer Schulter zuckten oder unauffällig den Sitz der Knöpfe überprüften, anmerkte, dass sie sich erst noch an das neue Outfit gewöhnen mussten.

Routiniert nickte Iris in Hartmanns Richtung, als sie den Konferenzsaal betrat, strich den kniekurzen Rock glatt und nahm neben Christian Platz.

Wenige Minuten später begann die Versammlung.

»… Prototyp. Ganz hoch gehängt, was Sie alle stolz machen dürfte. Ich sage mal: fünf Sterne plus. Das verlangt den besonderen Einsatz aller.«

Hartmanns eindringliche Rede an die Mitarbeiter flog an Iris vorbei. Der Schmerz in ihrem Kopf schwoll an. Sie versuchte, ihn zu bezwingen, indem sie die Fingerspitzen fest gegen die Schläfen presste. Eine steile Falte hatte sich zwischen ihren Brauen gebildet, als sie sich auf Hartmanns Worte konzentrieren wollte. Er klärte die vollzählig versammelten Angestellten über die neue Philosophie des Hauses auf.

»Ich plane – im Vorstandsauftrag – dies und das zu ändern. Das verlangt, dass wir uns einer strengen Überprüfung unterziehen. Deshalb wird ab morgen ein Wirtschaftsprüfer-Unternehmen unseren Betrieb unter die Lupe nehmen.«

Ein Raunen ging durch die Zuhörerschaft. Was hatte das zu bedeuten? Würde es unangenehme Konsequenzen für die Angestellten geben? Hartmann sprach die Befürchtung der Mitarbeiter aus: »Jeder Arbeitsplatz wird überprüft. Ich will, dass Sie das von Anfang an wissen. Was wir einsparen können, wird eingespart. Jede Position, die überflüssig ist, wird gestrichen. Kurz und unsentimental gesagt: Jede Stelle steht zur Disposition. So Leid es mir tut.«

Als der Konzernchef kurz darauf die Versammlung für beendet erklärte und den Saal verließ, brach ein tumultartiges Durcheinander aus. Alle redeten gleichzeitig und machten ihren Ängsten und ihrem Ärger je nach Temperament mehr oder weniger lautstark Luft. Im Nu hatte sich ein Pulk hektischer Sekretärinnen und Pagen, Zimmermädchen und Küchenhilfen um Iris versammelt und stürmte mit Fragen auf sie ein.

Abwehrend hob sie beide Hände, der rasende Schmerz gleißte wie ein Blitzgewitter in ihrem Kopf. Aber sie ließ sich nichts anmerken. Diese Menschen zählten auf sie. »Also, Herr Dolbien und ich wissen zu diesem Zeitpunkt auch nicht mehr. Wir müssen abwarten. Aber was auch immer passiert … Wir sind ja auch noch da.«

»Noch!«, stieß Elfie ketzerisch hervor. Alle starrten sie erschrocken an, sodass sie eine Erklärung nachschob. »Na, bei solchen Wirtschaftsprüfern weiß man doch nie! Die sind so was von brutal. Menschen interessieren die doch gar nicht, nur Zahlen. Und plötzlich haben wir keine Chefs mehr.«

Iris hörte noch wie aus weiter Ferne die Erwiderungen der anderen, Elfie solle den Teufel nicht an die Wand malen, dann legte sich schwarzer Nebel über ihren Blick, ihre Knie gaben nach. Den Aufschlag auf den Teppich fühlte sie schon nicht mehr.

Die Nachricht von Iris’ Zusammenbruch verbreitete sich zügig im Hotel. Diejenigen, die Zeugen des Vorfalls geworden waren, erzählten den anderen, wie die Hoteldirektorin scheinbar aus heiterem Himmel einen Schwächeanfall erlitten, dass Schmolli sie aufgehoben und behutsam zum Eingangsportal getragen hatte. Das Martinshorn des herbeigerufenen Rettungswagens zerriss die Stille, die sich über die Flure des Townhouse-Hotels gelegt hatte.

Christian hatte die Versammlung vor Iris verlassen und erfuhr erst von Alexa Hofer, der Teamleiterin des Schreibpools, dass Iris ins Krankenhaus eingeliefert worden war. Sofort griff er zum Telefon und ließ sich mit der Ambulanz verbinden. Man informierte ihn, dass es ihr den Umständen entsprechend gut ginge, aber dass man ansonsten keine Auskünfte erteilen könne.

Einen Moment lang starrte er schweigend vor sich hin. Dann schlug er energisch den Ordner mit den Spesenabrechnungen auf, die bis morgen überprüft werden mussten. Bevor die Wirtschaftsprüfer die Akten des Hotelbetriebs unter die Lupe nahmen, gab es noch diverse Posten zu präzisieren, zu ordnen und mit Rufus Hartmann abzustimmen.

Am Abend legte er dem Konzernchef, der die luxuriös ausgestattete Präsidentensuite zu seinem Büro erklärt hatte, einen ganzen Stapel von Papieren zum Durcharbeiten und Abzeichnen vor.

Im Schein einer einzelnen Lampe, die den Raum in ein warmes Licht tauchte und sich auf dem gläsernen Schreibtisch spiegelte, saß Hartmann in seinem ledernen Sessel und betrachtete einen Hotelflyer, den ein Graphiker zur Begutachtung hereingereicht hatte. Sein persönlicher Sekretär Siegfried Begemann hatte pünktlich Feierabend gemacht. Durch die Gardinen fielen die abendlichen Lichter der Großstadt.

Hartmann runzelte die Stirn, als Christian ihm den Stapel Abrechnungen und diverse Inventarlisten präsentierte. »Ja, denken Sie, ich wühle mich da jetzt die ganze Nacht durch?«

Christian klappte den ersten Ordner auf. »Frau Hofer hat vorne immer zu jedem der Bereiche eine Zusammenfassung gemacht.« Er deutete auf die Absätze. »Da sind die wichtigsten Zahlen, Fakten und so weiter.«

Hartmann schlug die Mappe wieder zu. »Sie können doch nicht vierundzwanzig Stunden am Tag immer nur so förmlich sein, Herr Dolbien!«

Erstaunt hielt Christian inne und strich sich eine Haarsträhne aus der Stirn. »Was meinen Sie damit?«

Rufus Hartmann stand auf und zog einen Stuhl heran. Mit einer Geste bedeutete er seinem Mitarbeiter, Platz zu nehmen. »Meine Güte! Die Sandberg ist heute in der Halle zusammengebrochen. Das geht ja sogar mir an die Nieren.« Er musterte Christian, der keine Miene verzog, nachdenklich von der Seite. »Was bedeutet das für Sie? Wie gehen Sie damit um? Wie geht es Ihnen?«, fragte er eindringlich und fügte dann noch energisch hinzu: »Und vor allem: Wie geht es ihr?«

Unbehaglich räusperte sich Christian. »Um mit Frau Sandberg zu beginnen: Das Krankenhaus gibt mir als Fremdem natürlich keine nähere Auskunft. Sie schläft wohl im Moment, hieß es.«

Hartmann breitete die Arme aus. »Hinfahren? Sie besuchen? Wie wäre das?«

»Abgesehen davon, dass ich heute absolut keine Zeit hatte: Frau Sandberg würde das als aufdringlich empfinden. Ich respektiere das. Wir sind – egal, was Sie sonst so im Hause hören an Gerüchten – nur noch Kollegen.«

»Auch für Kollegen gibt es eine Fürsorgepflicht«, widersprach Hartmann. »Ich mag Ihnen manchmal etwas pragmatisch und kühl erscheinen, aber in so einer Situation … Ich weiß ja, dass Sie und Frau Sandberg einmal gute Freunde waren, und ich fände es fabelhaft, wenn Sie ihr jetzt zur Seite stehen würden.«

Christian schlug die Beine übereinander, verschränkte die Finger ineinander und blickte sein Gegenüber mit undurchschaubarer Miene an. »Das ist nett, dass Sie das sagen, Herr Hartmann. Ich helfe, wo ich kann. Aber diese Hilfe muss auch erwünscht sein.«

»Vielleicht ist Frau Sandberg gesundheitlich aber nicht in der Lage, Wünsche zu äußern.«

Christian erhob sich. »Lassen Sie es gut sein. Genauso könnte ich Sie ja auch fragen, warum Sie nicht ins Krankenhaus fahren. Ich werde mich morgen selbstverständlich nach Iris’ Befinden erkundigen und versuchen, mit ihr zu telefonieren. Wenn ich etwas Neues weiß, gebe ich Ihnen Bescheid. Ansonsten sollten wir uns den Kopf klar halten für morgen, Herr Hartmann. Gute Nacht.«

»Ja, gute Nacht, Herr Dolbien.« Hartmann versuchte ein Lächeln. »Und entschuldigen Sie, dass ich mich da einmische.«

Weiße Sandstrände, zerklüftete Klippen, gewundene Straßen an riesigen Kornfeldern, versteckten Tälern mit üppigem Grünbewuchs und traumhaft schönen Blumengärten vorbei … Schon nach der kurzen Strecke mit dem schwarzen englischen Taxi vom Hafen zur Pension seiner Tante war Conrad Jäger überwältigt von der Schönheit der Kanalinsel Guernsey. Nur wenige Meilen vor der französischen Küste der Normandie gelegen, schien hier eine Atmosphäre von französischem Savoir-vivre und britischem Lifestyle in der Luft zu liegen.

Das Taxi hielt in der Einfahrt zur Pension Winston. Conrad bezahlte und nahm seine Reisetasche aus dem Kofferraum. Als sich der Wagen entfernt hatte, schaute sich Conrad um. Ihm gefiel, was er sah. Ein Traum von einem liebevoll restaurierten britischen Herrenhaus in freundlichen warmen Tönen, mit unzähligen Erkern, Türmen, Balkonen, Fenstern und verzierten Winkeln. Die Sonne stand an einem wolkenlosen, tiefblauen Himmel und beschien den gepflegten, mit exotischen Pflanzen dekorierten Park, der die Pension umgab.

»Conny!«

Er grinste, als seine Tante Amanda mit ausgebreiteten Armen durch die von Säulen flankierte Eingangstür auf ihn zustürmte. Sie musste an einem der Fenster seine Ankunft beobachtet haben.

»Connylein!« Amanda Miller war schier aus dem Häuschen vor Freude darüber, ihren Neffen auf ihrer Insel begrüßen zu können.

Als die Tante vor ihm stand, ließ Conrad lachend seine Reisetasche fallen. Er strahlte übers ganze Gesicht, fasste seine Tante um die nicht mehr ganz schlanke Taille, hob sie hoch und wirbelte sie übermütig im Kreis herum. Ihr langer honigblonder Haarzopf wehte im Wind. Sie jauchzte vor Vergnügen und rief: »Lass mich … Meine Güte! Lass mich runter!«

Als er sie wieder absetzte, blitzte der Schalk aus seinen Augen. »Tante Amanda.«

Verächtlich schnaufte sie. »Sag bitte nicht Tante zu mir! Schlimm genug, dass ich diesen altmodischen Namen mit mir herumschleppen muss. Damit machst du mich älter und dich jünger. Das geht nicht! Schon gar nicht hier vor den Gästen und meinem Personal. Die sollen doch denken, du bist …«

Er nahm seine Tasche wieder auf. »… dein Sohn?«

Sie lachte, während sie Conrad in den Eingangsbereich der Pension führte. »Besser noch: mein Lover.«

Er legte den Arm um sie, drückte sie kurz an sich. »Aber nur, wenn du mich nicht mehr Connylein nennst!«

Die gemütliche Halle war mit antiken Möbeln ausgestattet, ein imposanter Kronleuchter sorgte für milde Helligkeit, eine Treppe mit holzgeschnitztem Geländer führte in die oberen Etagen der Pension.

»Ganz so, wie ich es mir vorgestellt habe«, murmelte er anerkennend. »Klasse, wirklich klasse.«

Amanda zuckte mit den Schultern. »Das hättest du früher haben können.«

»Früher hatte ich keine Zeit«, erwiderte Conrad ernst und folgte ihr die Stufen hinauf. »Aber nun bin ich ja da.«

»Ich zeige dir dein Zimmer. Du erfrischst dich etwas, dann trinken wir Tee, und du erzählst mir alles über dein Leben, ja?« Sie warf ihm einen Blick über die Schulter zu.

Sein Gesichtsausdruck verdüsterte sich. Das war das Letzte, was er wollte. Er brauchte Ablenkung, Entspannung, wollte die Schönheit dieser Insel genießen, unbekümmert mit seiner Tante plaudern … Nicht in die Vergangenheit blicken. Nur nach vorn.

Als sie eine halbe Stunde später auf der Terrasse saßen, den frischen Duft der Limonensträucher einatmeten und englischen Tee tranken, schaffte es die resolute Amanda natürlich, trotzdem die Sprache auf Gudrun zu bringen. Sie schien anzunehmen, dass es Conrad gut tun würde, über seine Liebe zu der älteren Frau zu reden, die so jäh aus seinem Leben gerissen worden war. Doch Conrad hatte seine Seele längst gereinigt von all der Trauer, die sich in ihm festgesetzt hatte wie ein Krebsgeschwür.

Jetzt wollte er leben. Er fühlte sich wieder jung und optimistisch, und er brauchte neue Perspektiven.

Seine Tante biss an diesem Nachmittag auf Granit, als sie versuchte, seine innere Verfassung zu ergründen. Schließlich gab sie es auf.

Amanda war eine herzliche Person, aber ihre Gesprächigkeit überforderte Conrad an diesem ersten Tag auf der Insel. Er wollte allein sein, nachdenken, Stille spüren.

Der Weg hinab zum Meer verlief gleich hinter der Pension durch die Klippen. Eine von Felsen begrenzte Bucht mit weißem Sand und vereinzelten Steinbrocken, gegen die die sanften Wellen klatschten, lag vor Conrad. Am Horizont versank die Sonne in einem satten Rot und von einem Farbenspektakel in Orange und Gelb umgeben in der Nordsee. Der feine, von der Hitze des Tages gewärmte Sand fühlte sich trocken an, als Conrad sich setzte und die nackten Füße in die sanft plätschernden Wellen streckte. Ah, so ließ es sich leben … Er lehnte sich zurück, verschränkte die Arme hinter dem Kopf und starrte in den dunkelblauen Himmel. Nur nach vorn, dachte er und schloss die Augen. Ich muss Sie jetzt einfach umarmen, hörte er Iris Sandberg noch einmal sagen. Er merkte nicht, dass er lächelte.

Kapitel 2

Nichts war mehr sicher. Die komplette Belegschaft des Hotels war nach Hartmanns Ankündigung, dass jeder einzelne Job zur Disposition stand, und nach dem Eintreffen der hoch motivierten Wirtschaftsprüfer der Firma Kienhoff, Kremer und Kunz in Verwirrung gestürzt.

Für jeden einzelnen Angestellten bedeutete eine Entlassung eine ganz persönliche Tragödie: Die einen bangten um ihre Existenz, die anderen um ihren Lebensinhalt, die einen mussten eine Familie ernähren, den anderen würde ein Karriereknick die Lebensplanung über den Haufen werfen.

Auch für die Girlfriends aus dem Businesscenter gab es in diesen Tagen kein heißeres Thema als die Umstrukturierung ihres Arbeitsplatzes. Elfie zog nervös an ihrer Zigarette, während sie mit Britt Schmitt und Katrin Hollinger zur Bar Pepita marschierte, um nach Feierabend noch einen Absacker zu trinken.

»Ich weiß gar nicht, warum alle so zittern!«, proklamierte Katrin obercool. Sie hatte Mühe, mit den anderen beiden Schritt zu halten. Britt tänzelte geradezu über den Bürgersteig, und Elfie schritt beherzt aus, während Katrin mit ihren überzähligen Pfunden ins Schnaufen geriet. »Die Roxy ist gestern gleich mit Migräne nach Hause, und Schmolli hat heute in der Mittagspause fast geheult, als er mitgekriegt hat, dass ihn die Wirtschaftsprüfer mit Namen begrüßt haben. Jetzt glaubt er, er wäre auf der Abschussliste. Also …«

»Ja, das ist klar, dass du das mal wieder nicht verstehst, Karin«, zickte Elfie sie an.

Britt legte eine Hand auf Katrins Schulter. »Mausi, es sind böse Onkels in unserem feinen Hotel«, spottete sie. »Und die checken mit äußerst unfeinen Methoden, wen sie rausschmeißen können.«

Katrin schüttelte die Hand ihrer Kollegin ab. »Aber das betrifft doch nicht uns!«

»Das sagt jeder«, erwiderte Elfie. »Betrifft mich doch nicht. Und bums, haste Krebs.« Sie warf ihre Zigarette in den nächsten Gully.

»Was hat denn das damit zu tun?«, beharrte Katrin. »Wir machen unsere Arbeit gut, und die können null auf uns verzichten. Außerdem sind wir viel zu lange dabei …«

Die Bar Pepita, die die Girlfriends als neues Stammlokal erkoren hatten, war modern eingerichtet, mit hellem Holzinterieur und unaufdringlicher Loungemusik. Um diese Uhrzeit nahmen viele Angestellte aus den umliegenden Firmen an der Theke einen Drink oder aßen eine Kleinigkeit. Die Wirtin und ihre Kellnerinnen trugen lange weißen Schürzen mit dem Schriftzug der Bar. Die Mädels aus dem Townhouse kannte man hier bestens – gern gesehene Gäste, die es auch mal krachen ließen, wenn es einen Anlass zum Feiern gab. Britt brauchte nur drei Finger hoch zu halten, und Pepita mixte nach ein paar routinierten Griffen ins Zutatenregal drei Cocktails mit Blue Curaçao.

»Die Hartmänner dieser Welt, die in den Konzernen wirklich das Sagen haben, lassen den Menschen und das Menschliche ganz und gar außer Acht«, murmelte Elfie, während sie sich mit einem Lächeln bei Pepita für den prompten Service bedankte und am Strohhalm sog. »Nur Fakten und Zahlen gelten, Umsätze, Renditen, Kurse, Dividenden, Gewinne … Maximieren auf dem Buckel von unsereins. Dass man Angst bekommt, ist denen doch wurschtpiepegal.« Sie hob den Kopf und sah die allseits unbeliebte Teamchefin Alexa Hofer die Bar betreten. Sofort beugte sie sich wieder über ihren Cocktail. »Wenn ich die sehe, kriege ich Zahnfleischbluten.«

Katrin wandte sich in Richtung Tür.

»Guck da jetzt nicht hin!«, zischte Elfie ihr zu.

Doch zu spät. Die Hofer hatte das Dreiergrüppchen bereits entdeckt. Sie winkte und schlug zielstrebig die Richtung zum Stammplatz der Girlfriends ein.

Elfie stöhnte auf. »Also nee! Nu kommt die auch noch her!« Dann aber lächelte sie aufgesetzt und begrüßte die Frau, die schon so manch einem im Hotel mit ihrer intriganten, bösen Art das Leben zur Hölle gemacht hatte. Ein Menschenschlag, der ein rotes Tuch für die offenherzige Elfie war.

Zuvorkommend wandte sich Katrin an Alexa. Es konnte wohl nie schaden, für einen guten Eindruck bei der Teamchefin zu sorgen – auch wenn sie eine falsche Schlange war. »Wollen Sie sich nicht zu uns setzen?«

Sie schrie unterdrückt auf, als Elfie ihr unter dem Tisch gegen das Schienbein trat.

Die Hofer war in Plauderlaune. »Heute bin ich wirklich fertig und kann ein bisschen Entspannung gebrauchen. Was trinken Sie da Interessantes?«

Zu Elfies Entsetzen griff sie nach dem Cocktail, der vor Elfie stand, und nuckelte an dem Strohhalm. Gab es etwas Dreisteres als diese Frau?

Angewidert schob Alexa den Drink von sich. »Zu süß! Ich brauche etwas Stärkeres.« Sie rief Pepita und bestellte sich einen Gin Tonic.

»Wir reden gerade über die Schlägertruppe, die heute Einzug gehalten hat«, informierte Britt sie.

Alexa nickte, während sie ihre Handtasche über die Stuhllehne hängte. »Ja, da haben Sie Angst. Das verstehe ich gut.«

Demonstrativ wischte Elfie den Strohhalm ab. »Na ja, Angst ist übertrieben. Alles lassen wir nicht mit uns machen.«

Britt und Katrin wechselten einen Blick.

»Die reißen uns schon nicht die Köpfe ab«, meinte Alexa. »Wissen Sie, meine Großmutter, bei der ich quasi aufgewachsen bin, die sagte immer: Sei wie ein Weidenbaum. Biegsam, aber nicht brechen lassen.«

Es durchkreuzte Iris’ Pläne, dass man sie auf der Privatstation der Klinik festhielt. Sie wurde im Hotel gebraucht, aber ihr behandelnder Arzt – Dr. Möller – gab ihr kompromisslos zu verstehen, dass in ihrem Zustand nur die Termine mit ihm zählten. Umfangreiche Untersuchungen standen auf dem Plan: Blutproben, EKG, Computertomographie … aber es würde ein paar Tage dauern, bis alle Ergebnisse ausgewertet waren. Bis dahin ging er als Verantwortlicher kein Risiko ein und hielt sie unter Beobachtung.

Der Kopfschmerz trat immer noch auf, in Wellen, mal stärker, mal schwächer. Schwindel fühlte sie nicht mehr, seit sie im Bett lag.

Obwohl sie noch keinen Besuch empfing, trug Iris ihr Make-up so sorgfältig auf wie jeden Tag, betonte mit Mascara ihre großen grauen Augen, strich einen Hauch von Puder über ihre bleichen Wangen. In ihrem eleganten Seidenpyjama hätte man sie jederzeit als Vorzeigepatientin für die renommierte Privatstation des Hamburger Krankenhauses fotografieren können.

Dr. Möller hatte ihr mitgeteilt, dass sich ein Herr Dolbien bereits zweimal nach ihr erkundigt habe.

Natürlich, dachte Iris mit einem Anflug von Bitterkeit. Christian fühlte sich verpflichtet, die Angestellten über ihren Zustand zu informieren. Oder machte er sich Sorgen?

Sie legte sich auf das Federbett, blickte versonnen aus dem offen stehenden Fenster. Die würzig frische Luft des Frühsommers erfüllte das Zimmer, aus dem Klinikpark drangen vereinzelte Stimmen, weiter entfernt waren Hupen, quietschende Bremsen, brummende Motoren zu hören. Das tägliche Konzert der Großstadt. Die Sonne verbarg sich noch hinter den riesigen Kastanien, die das Klinikgelände säumten, brach ihre Strahlen durch das zart begrünte Geäst.

Ein zauberhafter Frühsommertag wie damals … Wie im letzten Jahr, als sie vor der mit Backsteinen gemauerten Kirche stand und Christian angesehen hatte. Ein Bräutigam, dem die Braut vor dem Altar entführt worden war – von einem Mann, der sie mehr liebte. Ob Christian mit Barbara glücklich geworden wäre? Sie hatten niemals mehr wieder Kontakt zu ihr aufgenommen, erfuhren nur aus zweiter Hand, dass sie mit ihrem Raffael nach Berlin gegangen war. Als wäre es gestern gewesen, erinnerte sich Iris, wie sie den fassungslosen Christian getröstet hatte. »Alles wird gut«, hatte sie gesagt.

Und war es das nicht? Sie arbeiteten gemeinsam extrem effektiv, hatten eine gute Art des Umgangs miteinander gefunden, die Leidenschaft zwischen ihnen auf Eis gelegt. Alles wird gut …

Wenn sie nur wüsste, woher diese verdammten Kopfschmerzen kamen! Morgen sollte sie die ersten Ergebnisse erfahren. Sie fürchtete sich davor. Es traf immer nur andere … Krebs, Tumore. Was, wenn sie morgen erfuhr, dass sie nur noch wenige Wochen zu leben habe?

Rasch schob sie die Gedanken beiseite, rieb sich die Schläfen. Sicher hingen der Schmerz in ihrem Kopf und ihr Ohnmachtsanfall nur mit einer besonders üblen Sorte von Migräne zusammen.

Das Klingeln des Telefons riss sie aus ihren Gedanken. »Guten Abend, Iris«, hörte sie die vertraute Stimme.

»Christian! Das ist eine Überraschung!«, rief sie betont munter.

»Wie geht es dir?«

»Besser. Wie läuft es im Hotel?«

»Schön. Ja, ich wollte dich auch nur kurz über die Situation hier informieren.«

»Sind die Wirtschaftsprüfer angetreten?«

»Wie erwartet«, antwortete er. »Unangenehme Typen. Knallhart, ohne jegliche Gefühle. Wir bekriegen uns schon den ganzen Tag.«

»Ich hoffe, ich kann so schnell wie möglich dazustoßen. Der behandelnde Arzt will mir morgen früh die ersten Ergebnisse mitteilen.«

»Aha.«

»Ja.«

»Und?«

»Was und

»Hast du Angst?«, fragte er leise.

Iris zögerte nur kurz. »Nein.«

»Gut. Dann mache ich mal weiter.«

»Viel Erfolg.«

»Danke. Und für dich gute Besserung!«

»Wird schon wieder«, erwiderte Iris.

»Wenn du willst, rufst du mich an, okay?«

»Okay, tschüss.«

Langsam legte sie den Hörer auf die Gabel zurück.

Christian stand noch eine Weile nachdenklich auf dem Flur vor seiner Suite, nachdem er das Handy ausgeschaltet hatte.

Alles war anstrengend zurzeit. Die Wirtschaftsprüfer steckten ihre Nasen in sämtliche Papiere und stellten neugierige Fragen. Die Hotelangestellten wirkten unzufrieden, Hartmann ließ den eiskalten Boss heraushängen. Erst vor wenigen Stunden war er in der Präsidentensuite mit ihm aneinander gerasselt.

Christian hatte ihm nach seiner Rede vor den Angestellten vorgeworfen, unverantwortlich zu handeln, wenn er in solch einer Umbruchphase dermaßen schwere Geschütze gegenüber der Belegschaft auffuhr. »Damit demotivieren Sie meine Mitarbeiter!«, hatte er ihm erbost vorgehalten.

»Unsere.«

»Hören Sie auf mit Ihren feinsinnigen Unterscheidungen. Sie wissen haargenau, was ich meine.« Christian wäre beinahe aus der Haut gefahren vor Wut.

»Dass Sie ständig ›ich‹ sagen statt ›wir‹ und auch ›meine‹ statt ›unsere‹, daran habe ich mich in der kurzen Zeit unserer Zusammenarbeit bereits gewöhnt, Herr Dolbien. Aber dass Sie so aggressiv sind, gefällt mir überhaupt nicht.«

»Und mir gefällt nicht, dass hier so getan wird, als müssten wir die Schlacht unseres Lebens schlagen und als wären alle Mitarbeiter Soldaten, die man – wie üblich in Kriegen – mit leichter Hand opfern kann für ein vermeintlich höheres Ziel«, hatte Christian eine Spur zu laut erwidert.

»Aber wir sind im Krieg! Es gab eine Übernahmeschlacht wegen des Grand Hansson, das wissen Sie. Townhouse hat gesiegt, alle Konkurrenten aus dem Feld geschlagen, um im Bild zu bleiben. Und nun gilt es, das Terrain abzustecken, zu sichern, aufzubauen. Dieses Gemütliche hier, Herr Dolbien, für das Sie und Frau Sandberg stehen – das ist einfach vorbei.«

Christian hatte sich zur Ruhe zwingen müssen. »Was Sie gemütlich nennen, ist in Wahrheit harte Arbeit. Das Gemütliche in der Hotellerie heißt nichts anders als eine Wohlfühlatmosphäre, in der Erfolg maximal wächst.«

Er sah noch einmal Hartmann vor sich, wie er energisch den Kopf schüttelte.

»Wir leben in anderen Zeiten, Herr Dolbien. Wir müssen dem Konzern sehr bald vermitteln, dass wir alle in der Lage sind, den Standort Hamburg zu sichern. Wir brauchen höhere Umsätze, größere Gewinne, das Gesamtniveau muss sich steigern.«

»Wir sind erfolgreich«, hatte Christian ihm entgegengehalten. »Wir haben bereits in den vergangenen Jahren Einsparungen vorgenommen, wo immer es ging. Mehr geht nicht.« Und während er den Hotelchef fixiert hatte, war dieser fortgefahren: »Wir haben die besten Leute, die es gibt in unserer Branche. Und ich werde dafür kämpfen, dass von denen niemand entlassen wird. Und dass keiner Angst haben muss.«

Hartmanns letzter Satz – »Wollen Sie mir sagen, dass wir in verschiedenen Booten sitzen?« – machte Christian klar, dass verdammt harte Zeiten angebrochen waren. Auch für ihn.

Mit klopfendem Herzen saß Iris in Freizeithosen und einem Lambswoolpulli am nächsten Morgen Dr. Möller im Besprechungszimmer gegenüber. Konzentriert hörte sie zu, während er diverse Laborwerte von einem Blatt ablas. Leukozyten, Erythrozyten, Hämoglobin, Hämatokrit …

Endlich klappte der Arzt die Akten zu, nahm die Brille ab und sah Iris offen an. »Sie sind dem Anschein nach gesund«, brachte er seine Ausführungen auf den Punkt.

Vor Erleichterung schloss Iris die Augen und atmete tief durch.

»Und eben auch wieder nicht«, fügte er hinzu.

Iris blickte ihn an. »Das hätte ich mir ja auch denken können. Man bricht ja nicht mal eben so zusammen.«

Möller nickte. »Dafür war Ihr Kreislauf verantwortlich. Ihr Blutdruck ist massiv abgefallen. Und das lag an einer Verlangsamung des Herzrhythmus. Sie leiden unter massiven Herzrhythmusstörungen. Und zwar nicht, wie allgemein üblich, von der schnellen Form, sondern unter einer Verlangsamung des Pulses. Ihr Herz setzt einfach für ein paar Schläge aus.«

Einen Moment lang dachte Iris über diese Diagnose nach. Schlimm oder nicht schlimm? »Kann das wieder passieren?«, erkundigte sie sich.

Möller nickte. »Ja, natürlich.«

»Was kann ich dagegen tun?«

»Wir geben Ihnen zunächst Medikamente, um die Pulsfrequenz anzuheben. Und wenn das nicht funktioniert, brauchen Sie leider einen Schrittmacher.«

Iris sackte auf ihrem Stuhl zusammen. »Sie verstehen es, den Menschen Mut zu machen«, bemerkte sie mit Galgenhumor.

Zwei Tage später, als auch die letzten Ergebnisse vorlagen, ließ man sie gehen. Iris war die Krankenhausluft nach Desinfektionsmitteln, Scheuermitteln und Kantinengulasch so leid. Sie sehnte sich nach ihrer Wohnung, dem Hotel, nach Normalität … Aber arbeiten durfte sie in den nächsten vier Wochen nicht. Dr. Müller hatte ihr das Versprechen abgenommen, dass sie mindestens einen Monat lang kürzer trat. Ihre Gesundheit würde es ihr danken, behauptete er. Iris wollte es ihm zu gern glauben.

Während sie vor dem Krankenhausgebäude saß und auf ihr Taxi wartete, dachte sie darüber nach, wie sie die nächsten Wochen überstehen sollte. Konnte man auch vor Langeweile sterben? Ein Leben ohne ihre Arbeit im Hotel konnte sie sich nicht vorstellen. Andererseits – wem nützte es, wenn sie sich überforderte und in der Folge für noch längere Zeit ausfiel?

Sie seufzte und warf einen Blick auf die Uhr. Kurz vor drei. Auf Guernsey war es eine Stunde früher. Ob Conrad Jäger wohl gerade in der Sonne lag und das Nordseeklima genoss?

Sie schaute verwundert auf, als sie Christians Auto erkannte, das direkt vor ihr hielt.

Christian stieg aus und kam auf sie zu, eine Hand lässig in der Anzughose, das Gesicht zu einem leichten Grinsen verzogen. »Ich wollte dich abholen«, verkündete er, als wäre dies das Selbstverständlichste der Welt.

Iris warf einen Blick zu dem Taxi hinüber, das ebenfalls in die Einfahrt des Krankenhauses gefahren war. »Aber ich habe …«

Christian hob eine Hand, ging auf den beigefarbenen Mercedes zu und drückte dem Fahrer einen Schein in die Hand.

»Ich habe dir ein paar Lebensmittel eingekauft«, erzählte er, als er Iris’ Reisetasche im Kofferraum seines Wagens verstaute.

»Das wäre nicht nötig gewesen.«

Er hielt ihr die Tür zum Einsteigen auf, und Iris nahm auf dem Beifahrersitz Platz.

»Wie geht es jetzt weiter mit dir?«, fragte er, als er kurz darauf den Gang einlegte.

Iris richtete ihren Rock. »Ich muss dich enttäuschen, aber die nächsten vier Wochen bin ich noch krank geschrieben. Ich soll mich schonen. Bewegung und Schonung zugleich.«

Mit angespannter Miene konzentrierte er sich auf den dichten Verkehr. »Gesundheit ist nun einmal das Wichtigste. Warum machst du keine Kur?«

Sie blickte ihn von der Seite an, betrachtete sein gut geschnittenes Profil. »Ich und eine Kur? Nein, nichts für mich.« Der melodische Rufton ihres Handys erklang. Sie nahm es aus ihrer Handtasche und meldete sich. Das Display hatte keine Nummer angezeigt.

»Conrad Jäger, hallo.«

Erfreut richtete sie sich auf dem Beifahrersitz auf. »Heute ist irgendwie der Tag der Überraschungen«, sagte sie leise lächelnd. Ihre halb langen blonden Haare verbargen den Hörer an ihrem Ohr.

»Ich hatte Sehnsucht nach Ihnen«, gestand Conrad. »Wie geht’s Ihnen?«

Die Ampel vor ihnen wechselte auf Grün, aber Christian entging das, weil er Iris wie ein Luchs beobachtete. Ungeduldig wedelte sie mit der Hand, doch Christian fuhr erst an, als hinter ihm ein Auto hupte.

»So lala«, sagte sie in den Hörer. »Na ja … um ganz ehrlich zu sein: hundsmiserabel.« Ihr Lachen klang freudlos.

»Wieso? Ärger mit dem Townhouse-Hartmann?«

»Nun … Ich hatte eine Art Zusammenbruch. Ich sitze gerade in Herrn Dolbiens Auto. Er holt mich aus dem Krankenhaus ab.«

Sie hatte keinen Blick für das hanseatisch-idyllische Treiben an der Binnenalster, die Christian in weitem Bogen umfuhr. Ihre ganze Aufmerksamkeit galt dem Gespräch mit Conrad. »Ich denke, ich werde in der nächsten Zeit ein bisschen kürzer treten müssen. Etwas Urlaub machen …«

»Warum kommen Sie nicht her?«, rief Conrad, begeistert von seiner eigenen Idee. »Es ist wunderbar hier. Eine Pension wie aus dem Bilderbuch. Und meine Tante ist die perfekte Krankenschwester. Viel gute Luft und wenig schlechte Menschen. Ja … Wenn ich es mir recht überlege: Das ist genau das, was Sie jetzt wahrscheinlich brauchen!«

Christian drohte mit seiner indiskreten Neugier zum Verkehrshindernis zu werden. Sie legte zwei Finger an sein Kinn und schob sein Gesicht zurück in Richtung Fahrbahn.

»Das ist eine hübsche Idee, Herr Jäger«, sprach sie dann wieder in das Handy. »Aber nein.«

»Warum nicht?«

Iris zögerte. »Weil es nicht geht. So holterdiepolter.«

Conrad ließ nicht locker. »Es muss ja auch nicht holterdiepolter sein. Kommen Sie übermorgen, von mir aus, nächste Woche … aber kommen Sie!«

»Nettes Angebot. Aber ich kann nicht.«

Konnte sie wirklich nicht?

Christian neben ihr schien sich zu entspannen.

»Trotzdem vielen Dank«, sagte sie. »Ich kann ein bisschen Fürsorge und Ermutigung im Moment ganz gut gebrauchen.«

»Schade. Aber wann immer Sie wollen, Iris, rufen Sie mich an. Und wenn Sie es sich anders überlegen, sowieso.«

»Sie sind sehr nett«, sagte sie leise und verabschiedete sich.

Kurz darauf erreichten sie ihre Wohnung. Christian lenkte den schweren Wagen in eine Parklücke und bestand darauf, sie noch nach oben zu begleiten. »Ich habe beim Holthusen für dich ein Mittagessen bestellt. Kommt per Kurier«, erklärte er, während er ihr Gepäck aus dem Kofferraum zog.

Sie stutzte. Ein ironisches Lächeln umspielte ihre Augen. »Und das würdest du auch bei jedem Kollegen so machen?«

Er schüttelte verärgert über ihren Spott den Kopf. »O Gott, gibt es jetzt ein Freundlichkeitsverbot für mich dir gegenüber, oder was?«

»Ich will nur nicht schon wieder irgendwelche Missverständnisse, falsche Erwartungen, all dieses Zeug …«

»Danke, gleichfalls.« Er sah sie an, und nachdem sie die Tür zu dem Wohnhaus aufgeschlossen hatte, folgte er ihr mit der Reisetasche.

Iris’ Tonfall wurde weicher, als sie sich verabschiedeten. »Es war sehr lieb von dir, mich aus dem Krankenhaus abzuholen. Man fühlt sich ja doch in solchen Augenblicken ein bisschen einsam.«

Als sie für einen Moment den Blick senkte, strich Christian ihr mit einem Finger über die Wange. Sie wich zurück, als hätte sie sich verbrannt.

»Und der Jäger wollte tatsächlich, dass du mit ihm Ferien auf Guernsey machst?«

Sie stieß die Tür auf und trat in den Hausflur. »Das Angebot ist doch lieb von ihm.«

»Wenn, dann eine richtige Kur, wie ich gesagt habe, und nicht so ein … ein …« Christian wusste offenbar selbst nicht so genau, warum er auf dem Thema so herumritt. Iris war frei. Sie konnte tun und lassen, was sie wollte. Er hatte kein Recht, ihre Pläne in Frage zu stellen.

An der Treppe blieb Iris stehen. Wieder lag feine Ironie in ihrem Blick. »Keine Sorge«, sagte sie.

»Ich mache mir keine Sorgen!«, widersprach Christian irgendwie verstimmt.

»Ich fahre natürlich nicht.«

Er grinste. »Dann ist es ja gut.«

Gar nichts war gut. Denn drei Tage später änderte Iris – völlig überraschend für Christian – ihre Meinung, rief im Hotel an und teilte knapp mit, dass sie sich auf Guernsey zu erholen gedachte. Christian setzte noch zu einer Erwiderung an, bremste sich dann aber selbst. Es ging ihn nichts an, und dass sich sein Magen bei der Vorstellung verkrampfte, wie sich Iris auf der Insel mit diesem Jäger amüsieren würde … Nun, das musste er allein überwinden.

Iris brauchte Ruhe, Abwechslung, Abstand von dem Stress im Hotelbetrieb –