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Titel

Katharina Vokurka




Felizitas Schattenmänner weinen






Leykam

VORSPIEL

„Carl, hey, Carl … schhhh …“, sie legte ihren Zeigefinger sanft auf seine Lippen, als wollte sie ihn, wie er vor ihr auf dem Rücken lag, liebevoll beruhigen. Dann stand sie auf. Bückte sich nach einem auf dem Boden liegenden Gegenstand.

„Wie viel weißt du über Angst, Carl?“

Carl lag mit weit aufgerissenen Augen auf dem Bett und versuchte sich zu bewegen. Es funktionierte nicht. Er war wie gelähmt. Sein Augenaufschlag langsam geworden. Sein Atem flach, leise, kaum vorhanden. Er fühlte, wie sein Speichel den Aggregatzustand verändert hatte. Von flüssig auf so etwas Ähnliches wie festes Gel. Verrückt, dachte er panisch, und suchte Antworten in der Viskosität von Motorölen, denn in seiner Mundhöhle schmeckte es chemisch, schwer, dunkel.

Er versuchte, zu schlucken oder zu sprechen, lag stattdessen jedoch machtlos da. Sie beugte sich über ihn. Kam ihm ganz nah. Berührte mit ihren Lippen fast seine Wangen und flüsterte ihm mit ihrem heißen Atem ins Ohr.

„Du bist bei mir safe, Carl, safe. Ist das gut?“

Er konnte nicht antworten, bezweifelte, was sie gesagt ­hatte, und kämpfte mit seinem Bewusstsein. Solange klare ­Gedanken da waren, würde er wach bleiben. Das erschien ihm zumindest plausibel, also strengte er sich an.

„Wir werden jetzt eine Reise antreten. Gemeinsam. Du wirst sie mögen.“

Carl spürte, wie sie sich auf seine Hüften setzte. Ihr langes Haar bedeckte Teile seines Gesichtes. Einen Moment später wurde es um ihn herum dunkel. Mit einem Tuch verband sie ihm die Augen, zog fest zu, so fest, dass sich der Stoff tief in seine Haut schnitt. Er konnte sie riechen, spüren, das gefiel ihm, aber er war verunsichert. Als er sie einatmen hörte, sah er in seiner Fantasie ihren leicht geöffneten Mund, die makellosen Zähne, von denen er kurz zuvor noch gedacht hatte, er würde sie später ablecken dürfen. Er war mitgegangen mit dieser aufregenden Frau, die ihn in der Bar seines Lieblingsrestaurants in ein Gespräch verwickelt hatte. Über Großwildjagd. Das hatte ihn angetörnt. Sie war stark und beeindruckend, er musste sie haben, er bekam immer, was er wollte.

„Hör zu“, flüsterte sie, „du bist schlecht gewesen. Hast ­etwas getan, das du nicht hättest tun dürfen.“

Carl verstand nicht. Wollte auch nicht verstehen. Er wollte sich nur ihre Haare aus dem Gesicht schleudern, sie mit beiden Händen an der Kehle packen und würgen. Fest würgen. Doch die Lähmung hatte längst seinen Köper durchdrungen, vollständig. Hatte ihn handlungsunfähig gemacht, schutzlos. Er bekam Panik und Atemnot. Eine Atemnot, die unsichtbar zu sein schien. Mit Gewalt versuchte er, seinen Körper zu sprengen, um sich zu befreien.

„Aber, Schatz, bevor wir weitermachen, spiel ich dir richtig schöne Musik vor. –

Magst du?“

Sie berührte mit ihren Lippen seine Nasenspitze, während sich Carls Angstschweiß unaufhaltsam einen Weg durch alle Poren verschaffte. Dann bewegte sie sich langsam und schlangenartig von seinem Körper, streifte dabei über Carls Nacktheit und stieg aus dem Bett. Bevor sie den Raum verließ, hatte Carl das Gefühl, sie am Ende des Bettes stehen zu sehen, wenn er nur hätte sehen können. Dort stand sie, glaubte er, und sah ihn lange an. Plötzlich steigerte sich Carls Panik und erreichte einen unkontrollierbaren Bereich. Wie kochend heißes Wasser kroch ihm das Blut durch die Adern und er erschrak. Was ist, wenn … Verdammt, die Alte will mich nicht ficken, die will mich vielleicht umbringen! Er ging seine letzten Fälle durch und konnte sich nicht an sie erinnern.

Dr. Carl Hohenwitz, Oberstaatsanwalt, 56 Jahre alt, verheiratet, Vater von zwei Töchtern im Teenager-Alter. Ein angesehener Mann, einflussreich, sein Netzwerk hochkarätig und weltweit gesponnen. Hohenwitz war längst mächtig genug, Gesetz und Recht selbst zu gestalten. Sein Werkzeug: geheime Absprachen, Vetternwirtschaft, Bestechung und Sex – abgesichert bis ins letzte Detail. Niemand hätte ihn je erpressen können. Carls Leben war ein Hochglanzmagazin. Er war sich seiner Position auf allen Ebenen sicher. Wenn er nachts nach einem „anstrengenden Tag“ nach Hause kam, wartete seine Frau auf ihn, verständnisvoll, ohne jemals Fragen zu stellen. Dann kroch er zu ihr ins Bett und sagte, dass er sie lieben würde. Doch jetzt gerade, jetzt, jetzt war Carl nichts und niemand.

Carl war nackt. Und gelähmt. Seine aktuellen Gesetze schrieb jemand anderer. Und Hohenwitz verstand die Spielregeln nicht.

Es war Sommer, heiß und Carl hatte jegliches Zeitgefühl verloren. Er konnte leise Windgeräusche hören und das Zirpen der Grillen, das aus dem Garten zu ihm drang. Ab und zu fühlte er das Kissen unter seinem Kopf, aber nur, wenn es seine Wahrnehmung zuließ, denn seine Haut schien taub und blutleer. Über ihm thronte ein wuchtiges Hirschgeweih, ein Vierzehnender, er hatte es gesehen, als sie ihn in dieses Schlafzimmer gelockt hatte, in dem er nun gefangen war. Das Geweih, mit purem Silber überzogen, reflektierte das wenige Licht, das sich im Raum befand. Ein übermächtiges Gebilde. Eine bedrohliche Gestalt. Normalerweise schoss er ein Wild dieser Größenordnung, tötete es unbeteiligt und emotionslos. Da war er stolz drauf. Und so sehr er sich in diesem Moment bemühte, die vergangenen Eindrücke der letzten Stunden zu rekapitulieren oder neue abzuspeichern, so sehr verschwanden alle Gedanken ins Nichts. Eine Illusion wirrer Bilder zog ihn in die Tiefe …

Irgendwo ließ ein starker Windstoß eine Tür knallen. Carl erschrak, ohne zucken zu können, was sich fremd und beklemmend anfühlte. Dabei wurde ihm bewusst, dass er noch nie zuvor erschrocken war, ohne es körperlich wahrnehmen zu können. Ihm wurde abermals heiß, sein Körper schleuderte einen Hormoncocktail durch die Blutbahn, der ihm Angst einjagte. Carls Gehirn schwoll an und er fühlte einen unkontrollierbaren Druck im Kopf, der sich bedrohlich gegen seine Schädeldecke presste. Kurz darauf verbreitete sich ein ohrenbetäubendes inneres Dröhnen. Er stöhnte laut auf. In seinem Mund wurde es staubtrocken. Was hatte sie ihn vorhin gefragt? Wie viel weißt du über Angst? Er versuchte zu schlucken und hätte lieber seinen eigenen Schweiß getrunken, als zu verdursten.

Das Knarren des alten Parkettbodens unterbrach seine Gedanken und ließ ihn den Atem anhalten. Sie kam zurück und Carl spürte, wie sie sich zu ihm ans Bett setzte. Was zur Hölle …?!

„Hey du … geht’s dir gut?“

Carl wollte hysterisch Nein! brüllen, doch an seiner fatalen Situation hatte sich nichts geändert. Entlang seiner Schläfen liefen Schweißperlen, langsam, kitzelten. Er empfand dieses Kitzeln als reinsten Hohn. Sie war ihm wieder nahegekommen, er roch ihren Atem, der sich mittlerweile kühl anfühlte. Minze und Weißwein, dachte er und sog die Mischung ein. Normalerweise hätte ihn die Idee dieses Geruches verrückt gemacht. Vor Leidenschaft. Jetzt machte sie ihn auch verrückt. Vor Angst.

„Du zitterst schon. Kannst du’s spüren?“

Nein, konnte er nicht.

Er zitterte?

Was zur Scheißhölle passiert mir …?

„Igor Strawinsky“, flüsterte sie und entfernte das Tuch von seinem Gesicht. „Strawinskys Psalmensinfonie entstand 1930. Hörst du sie? Was spürst du?“ –

Carl blinzelte. Seine Augen füllten sich mit Tränen, während Strawinskys erster von drei Sätzen schwer durch die Räume hallte.

„Die alten Russen sind dunkel, gewaltig, tief. Strawinskys Chor eindringlich. Er erschüttert mich. – Erschüttert er dich auch, Carl?“

Carls Tränenflüssigkeit machte sich Platz und strömte an beiden Seiten in kleinen Flüssen seine Schläfen entlang, bis sie das Genick erreichte und dort in den Polster sickerte.

„Na, na, na … Herr Oberstaatsanwalt, nicht weinen. Das, was wir hier hören, sind Gebete. Strawinskys erster Teil beginnt in meiner persönlichen Fassung, die sich auf das Alte Testament bezieht, mit der Klage des Leidenden, der um Hilfe bittet. – Ich werde dir auch helfen. Vertrau mir und hör zu.“

Die mir nach dem Leben trachten, stellen mir nach; und die mein Unglück suchen, bereden, wie sie mir schaden; sie sinnen auf Trug den ganzen Tag. Ich bin wie taub und höre nicht, und bin wie ein Stummer, der seinen Mund nicht auftut.

„Psalm 38, Vers 13–14. Fällt dir was auf?“

Ja, dass auch er wie ein Stummer war. Und dass „die mir nach dem Leben trachten“ nicht besonders gemütlich klang. Was für eine abgefuckte Pseudo-Sado-Maso-Nummer war das denn? Carl begann, sie mit Blicken anzuflehen, doch sie sah weg. Angestrengt überlegte er, wann und wo sie ihm diese seltsamen Drogen verpasst hatte, die ihn zu dem gemacht haben, was er jetzt war. Es konnten doch nur Drogen gewesen sein, oder? Oder was sonst? Verzweifelt bombardierte sich Carl mit Fragen, um sich mit logischen Antworten zu beruhigen. Doch er fand keine. Was war aus ihm geworden? Ein bewegungsloser Idiot, völlig zerfahren in seinem Gehirn und einem Monster ausgeliefert, das mit seinem Leben spielte. Oder mit seiner Männlichkeit. Oder womit? Was hatte sie mit ihm vor? Wie lange geht das hier noch? Sein Zeitgefühl war weg, er sah nur, dass es draußen stockdunkel war.

„Du, Carl“, sagte sie leise und strich ihm über die Brust. „Du … Carl …“, ganz nah rückte sie an ihn heran, sah ihm tief in die Augen und fixierte ihn. Beim Anblick ihrer stahlblauen, stechenden Augen lief es Carl eiskalt den Rücken hinunter und er schwor sich, diese Frau für immer verschwinden zu lassen, sobald er sich befreit hatte. Er dachte an seine Töchter, an seine Frau und bereute zutiefst, mit der Irren mitgegangen zu sein. Tränen sammelten sich ein weiteres Mal in seinen Augen und er wollte nur mehr nach Hause. Wie es ihm schien, hatten sich seine Körperfunktionen auf ein überlebensnotwendiges Minimum reduziert, doch sein Geist wurde immer klarer.

„Ich würde dir ja gerne ein Glas Wein anbieten, Oberstaatsanwalt, aber ich weiß, dass du jetzt in deinem Zustand nicht mehr richtig schlucken kannst. Könntest sogar dran ersticken.“

Während Carl mit seinem Augenaufschlag beschäftigt war, kehrte ein wenig Hoffnung in ihn zurück. Vielleicht würde er morgen seinen Freunden von einem noch nie dagewesenen Sex erzählen können, von einer abgedrehten Alten, einer Großwildjägerin, die ihm Gott präsentierte. Die Idee gefiel ihm und er begann, schneller zu atmen. Sein großer, gut trainierter Körper erwachte zunehmend aus seiner Lethargie. Die Bewegungslosigkeit schien sich langsam aufzulösen, er konnte seine Zehen wieder bewegen, seinen Kopf leicht drehen. Während Carl einen Blick auf seinen glänzenden Ehering erhaschte, spürte er, wie sie erneut auf ihn kletterte.

Ja, komm her da, küss mich, fick mich, und dann scher dich zur Hölle, du psychopathisches Scheißluder, dachte er und wollte es ihr ins Gesicht brüllen. Für Carl fühlte es sich an, als wäre er wieder voll da. Er war sich sicher, seine Macht zurückzugewinnen.

„Carl, wir machen jetzt einen kleinen Deal, okay?“

Carl riss den Mund auf, aus dem noch immer keine richtigen Worte kommen wollten. Er wollte protestieren. Den Terror endgültig beenden. Währenddessen schob sie ihr Kleid hoch und den BH zur Seite, zwang ihn, sie anzusehen. Carl bemerkte eine Tätowierung zwischen ihrer linken Brust und der Achselhöhle und starrte auf die Stelle. Merkwürdiger Ort für eine Tätowierung, dachte er noch und dann überkam ihn ein eigenartiges Gefühl.

„Und? Was siehst du da, Schlauberger, hm?“

Die Frage verwirrte Carl und er wusste nicht, worauf sie hinauswollte. Was er sah? Nun ja …

„S … Sph …“

„Jaa … ‚S … Sph …‘ klingt gut. Da kommen ja schon wieder richtige Töne aus dem Hirschjäger. Probier noch mal, komm.“

Hirschjäger? Wieso Hirschjäger? Carl zuckte ertappt zusammen.

„Sph …“, quälte er sich, sah das verfluchte Ding ganz deutlich vor sich, konnte es nur nicht aussprechen.

„Schau her. Ich helfe dir, weil du ein von mir Auserwählter bist.“

Sie zog ihr Kleid über die Schultern und berührte die Haut rund um ihr Tattoo.

„Das ist eine Sphinx, genau. Hast du gut erkannt. Kennst du diese griechische Sphinx-Story mit dem Berg, der Stadt Theben und dem ganzen Scheiß?“

Carl nickte.

„Okay, dann weißt du ja mit Sicherheit, dass sie die Tochter eines Ungeheuers war. Sie war ein Dämon. Ein grausamer. Steht für Zerstörung und Unheil. Nicht so toll, oder?“

Seine Augen füllten sich nun wieder mit Tränen. Er kam sich mittlerweile vor wie eine Heulsuse und versuchte, seine Arme zu bewegen, um sich von jenem Ungeheuer, das auf ihm saß, zu befreien, es zu töten.

„In der griechischen Mythologie trieb sich die Sphinx auf einem Berg in der Nähe von Theben herum. Wenn Reisende vorbeizogen, gab sie denen ein Rätsel auf. Wenn die das nicht lösen konnten, hat sie sie gekillt. Eiskalt. Verstehst du. Die hat sich nichts geschissen.“

Carl röchelte und bekam Todesangst.

„Nun denn, sei’s drum. Und jetzt zum Deal. Juristen machen doch ganz gern einen dreckigen Deal, oder nicht? Sollst auch deine Chance kriegen. Wenn du mein Rätsel löst, darfst du nach Hause gehen. Na? Wie hört sich das an …?“

Und wenn nicht? Was ist, wenn ich es nicht lösen kann?

Carl wartete auf einen nächsten Satz.

„Es gibt sogar einen Zusatzbonus, weil du es bist. Der beinhaltet, dass ich niemandem davon erzähle, was du in deiner Freizeit so machst … Nicht schlecht, ha? Kann’s losgehen? Bist du bereit?“

Der Oberstaatsanwalt nickte eingeschüchtert.

„Aufgepasst, hier kommt’s:

Was, mein lieber Carl, was verbindest du mit

Schloss Rechtshof?“

Schloss Rechtshof? Carls Puls schnellte auf über 180 und er wand sich wie ein Wurm, wimmerte. Woher weiß sie von Schoss Rechtshof? Er schluckte, schluckte immer wieder, immer schneller, hatte das Gefühl, es im Millisekundentakt zu tun, und suchte nach den passenden Sätzen, die er aus sich herauspressen wollte.

„Antwort?! – Na was ist?!“, stocherte sie.

Carls Mund blieb tonlos. Die Restlähmung ließ ihn nur seine Lippen bewegen.

„Okay, du perverses Arschloch. Das war nur die Einstiegsfrage.“

Sie knallte ihm eine, die seinen Kopf seitlich ins Kissen trieb und Blut aus seiner Nase schleuderte. Carl verspürte daraufhin einen stechenden Schmerz in der Brust und wurde von einer grausamen Übelkeit überfallen. Erneut schlug sie zu, mit einer Wucht, mit der er nicht gerechnet hatte. Atemlos inhalierte Carl den Geruch des Kissens und glaubte zu ersticken.

„Und jetzt bete und werde demütig. – Ich schenke dir Strawinsky, dazu meinen Psalm 39, Vers 2–4: Bittruf angesichts der menschlichen Vergänglichkeit.“

Ich habe mir vorgenommen: Ich will mich hüten, dass ich nicht sündige mit meiner Zunge; ich will meinem Mund einen Zaum anlegen, solange ich den Gottlosen vor mir sehen muss. Ich bin verstummt und still und schweige fern der Freude und muss mein Leid in mich fressen. Mein Herz ist entbrannt in meinem Leibe; wenn ich daran denke, brennt es wie Feuer. So rede ich denn mit meiner Zunge.

Carl schaffte es, ihr Handgelenk zu packen. Mit Gewalt drückte er zu. Doch sie sah ihn nur an und schüttelte den Kopf. Die tätowierte Sphinx auf ihrer Haut schien zu leuchten, eine bizarre Halluzination, die sich auf Carls Netzhaut einbrannte. Er wollte verhandeln, doch sie war tief über ihn gebeugt und flüsterte.

„Rätsel, Rätsel“, wisperte sie, stand auf und zog sich das Kleid wieder zurecht. Carls Körper war jetzt nichts mehr. Nichts mehr als ein kleines, geschundenes Nichts. „Oh, Carl, Carl, Carl, du siehst echt schlecht aus.“

Er ahnte, dass er dieses Spiel verlieren würde, und wusste nicht mehr, ob es sich lohnte zu kämpfen.

„Schön, dass du mein Gast warst und so unkompliziert mitgekommen bist“, sagte sie und es klang nach einem Ende. „Wir kommen nun zum finalen, man könnte auch sagen, zum fundamentalen Teil des Rätsels. Ich, Carl, ich will jetzt von dir wissen: Wie oft ist genug?

Er verstand nicht. Er verstand kein Rätsel. Er verstand keine Frage. Er verstand nichts mehr.

„Wenn du das beantworten kannst, bist du frei.“

Des Oberstaatsanwalts Zunge war zu schwer. Er war leer.

„Wusste ich es doch. Oh Gott, oh Gott … Carl, Carl …“

Sie schüttelte den Kopf, kam zu ihm und blieb ruhig vor ihm stehen. Carls Herzfrequenz hatte jeglichen Rhythmus verloren. Er rechnete mit einem Kollaps, der ihn wenigstens erlösen würde. Das Hirschgeweih oberhalb des Bettes ließ einen breiten Schatten auf ihn fallen. Und er, er darunter, er kämpfte um sein Leben.

„Sag Adieu, Carl Hohenwitz. Ich werde dir jetzt dein Herz nehmen, deine Seele ausbluten lassen. Ab heute wirst du ein neues Zuhause beziehen, wirst in Prismen denken und die Sprache eines Neugeborenen sprechen. Deine Welt wird bunt sein und dich tief in ihr Inneres zerren. Dort wirst du auf jede Seele treffen, die du lustvoll konsumiert hast, und jede wird dich finden, dich zerlegen und dein Selbst langsam auffressen. Du wirst nicht mehr am Du werden. – Du wirst dich nicht töten können. – Du wirst nie wieder gehört werden.

Wenn du an jedem neuen Morgen deine Augen für einen weiteren Tag öffnest und auf Frieden hoffst, wirst du rund um dich herum alles wie durch ein Kaleidoskop sehen. – Ein Kaleidoskop des Wahnsinns.“

Dann wurde es finster um Carl Hohenwitz.

EINS

Als Felizitas um 15 Uhr 45 vom Tod ihrer Großmutter erfuhr, stand sie auf, um Kaffee zu machen. Durch das kleine Holzfenster der Küche konnte sie Eulalia sehen, die im Garten frisch gewaschene Bettwäsche mit alten Kluppen an Wäscheleinen fixierte. Sie hatte seit zwei Tagen nichts gegessen, obwohl Eulalia ihr in regelmäßigen Abständen etwas vor die Zimmertür stellte und vorsichtig anklopfte.

Felizitas stützte ihren Kopf auf eine Hand und beobachtete die betagte Frau, die so schön und voller Liebe war. Um ihren Hals trug Eulalia einen alten Anhänger, die Mutter Gottes. Er baumelte wie ein Pendel hin und her, während Eulalia die Laken durch die Luft wirbelte und die Augen zusammenkniff, weil die Sonne ungewöhnlich hell schien. Felizitas öffnete das Fenster.

„Kaffee! Und hör doch bitte endlich mal auf zu arbeiten.“

Eulalia lächelte ihr zu und schob mit dem Fuß den Wäschekorb zur Seite. Als sie die Küche betrat, sah sie Felizitas an den Herd gelehnt mit zwei Kaffeetassen in der Hand. Viel zu schmal sah die junge Frau aus, ihr dunkles Haar straff zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden.

„Weißt du was? Ich hab einen Riesenhunger“, Felizitas streckte einen Arm aus und hielt der alten Frau eine Tasse entgegen. Eulalia grinste erleichtert und gab ihr einen lauten Kuss auf die Wange. Dann machte sie einen großen Schluck aus ihrer Tasse und verzog das Gesicht: „Du wirst noch einen Herzinfarkt bekommen, meine Kleine.“ Felizitas schnupperte an ihrem Kaffee und zuckte unschuldig mit den Achseln. Tod. Tod, dachte sie und starrte die schwarze Brühe an, die kleine hellbraune Blasen geworfen hatte. Eulalia schubste sie vom Herd weg und hob eine schwere, gusseiserne Pfanne aus der Backröhre: „Pa amb tomàquet?“

Felizitas nickte. Eulalias pa amb tomàquet war fantastisch. Das katalanische Tomatenbrot mit Knoblauch, Meersalz und Olivenöl lag ex aequo mit Javiers Tortilla mit Speck. Aber kein Wunder, er hatte die Zubereitung ja von ihr gelernt.

Eulalia begann, Olivenöl zu erhitzen und ein paar Tomaten zu waschen. Dabei summte sie eine katalanische Melodie. Sie war eine fröhliche, vitale Katalanin Ende 80, warmherzig, schlagfertig und entwaffnend weise. Nachdem ihr Mann früh gestorben war, hatte sie viele Jahre in Barcelona an einer deutschen Schule Literatur und Kunst unterrichtet. Erst spät ging sie in Pension, vermisste ihren Beruf lange Zeit und bekam nach wie vor Besuch oder Post von ehemaligen Schülern. ­Felizitas bewunderte und liebte sie und betrachtete Eulalia als ihre Großmutter.

Großmutter.

Felizitas kramte einen zusammengefalteten Brief aus der Hosentasche ihrer verwaschenen Jeans. Er war ganz warm, sah aus, als ob sie ihn bereits seit Tagen dort drin verstaut gehabt hatte.

„Meine Großmutter in Wien ist gestorben.“

Eulalia wendete mit einer alten Gabel das Weißbrot in der Pfanne und drehte sich um: „El meu petit, meine Kleine …“ Sie sah Felizitas betroffen an, doch Felizitas schüttelte nur den Kopf und küsste Eulalia auf die Stirn: „Ich hab dich lieb. Du bist alles, was mir geblieben ist.“

Felizitas verließ die Küche und ging ins obere Stockwerk in ihr Zimmer. Wie jeden Tag setzte sie sich an den Laptop, um zu recherchieren. Das tat sie seit fast zwei Jahren. Manchmal über zehn Stunden am Tag. Auf ihrem Schreibtisch lagen stapelweise Bücher, Zeitungsartikel und ausgedruckte A4-Blätter. Manche waren mit, manche ohne handschriftliche Notizen darauf. Eulalia hatte ihr auch an diesem Morgen eine Vase mit bunten Blumen auf das Fensterbrett gestellt, ihren Wasserkrug aufgefüllt und ein frisches Glas verkehrt auf eine weiße Stoffserviette platziert. Dicht an den Computer gerückt stand ein Bilderrahmen. Felizitas betrachtete das Foto, den attraktiven, dunkelhaarigen Mann mit dem überwältigenden Lächeln. Seinen glücklichen Gesichtsausdruck. Auf seinem Schoß saß ein kleines, brünettes Mädchen, Marienkäferspangen im Haar, lachend seinen Zeigefinger umklammernd.

Felizitas berührte das Glas, das das Foto schützte, und wischte ein paar Staubkörner von dem alten Holzrahmen. Ihre Lippen bewegten sich und sie flüsterte ihnen etwas zu, das nur die beiden hören konnten. Dann holte sie ihren Laptop aus dem Ruhezustand und klickte ihr zuletzt geöffnetes Dokument an.

Aus der Küche hörte sie vertraute Geräusche. Eulalia, die mit dem Geschirr klapperte und den Tisch deckte. Felizitas’ Hungergefühl war zwar wieder weg, aber sie würde trotzdem essen. Eulalia zuliebe.

–––

„Wir haben Ihre Großmutter sehr geschätzt, Frau Hessreich“, der Notar Dr. Arno Zifkow tätschelte ungeschickt Felizitas’ Hand und wollte sie trösten. Felizitas verzog ihr Gesicht zu einem Lächeln, das täuschend echt aussah und erwiderte emotionslos:

„Ich heiße Escribano Sebastián.“

„Ach so, natürlich, gnädiges Fräulein. Bitte entschuldigen Sie. Macht der Gewohnheit … nun ja, Sie wissen schon. – Schönes Wetter heute, nicht wahr?“, Zifkow blickte kurz über seinen Brillenrand und kritzelte irgendwelche Worte auf ein Dokument, setzte das Datum 22. März 2010 darunter und unterschrieb mit schwarzer, auffallend nasser Tinte. Felizitas sah der Tinte beim Trocknen zu und suchte den Schreibtisch des Notars nach einem Tintenfass ab. Die alte Kanzlei roch uralt. Er roch uralt. Felizitas rümpfte die Nase und sah zu den dicken Vorhängen, die mögliches Licht einfach wegsperrten. Die Schreibtischlampe war angeknipst, die Atmosphäre düster und trüb.

Zifkows Kanzlei befand sich direkt zwischen dem Wiener Rathaus und der Universität. Betrat man das beeindruckende Zinshaus, verrenkten sich die vergoldeten Engelsstatuen und mythischen Figuren an der Decke der Eingangshalle die Hälse. Vorbei an einem Steinbrunnen gelangte man über eine ovale, ausladende Treppe zu einem Lift, der in seiner ursprünglichen Art erhalten und nur nach den aktuellen gesetzlichen Sicherheitsanforderungen adaptiert worden war. Eine in sich scheußliche Idee, wie Felizitas fand. Sie hatte die Treppe genommen und jede einzelne Stufe davon abgezählt.

„Spanien ist herrlich“, versuchte Zifkow ein Gespräch, „aber die Arbeitslosigkeit der jungen Leute ein Problem, nicht wahr? Oder wie bekommen Sie das so mit? Das wird sicherlich noch weitreichende Auswirkungen haben. Kann ich Ihnen jetzt schon prophezeien. Der Euro, ich sag’s Ihnen. Seit der EU …“

Felizitas antwortete nicht und war gelangweilt.

Der Notar räusperte sich verunsichert. Als sein altmodisches Handy mit dem zweifärbigen Display zu läuten begann, wühlte er nervös in seiner Sakkotasche. Felizitas sah es am Ende des Tisches liegen, aber sie sagte nichts. Jetzt entdeckte auch er es, wobei es noch immer läutete, und drückte den Anrufer mit zittrigen Händen weg. Auf seinem Schreibtisch lagen haufenweise graue und blassgrüne Dokumentenmappen, kreuz und quer durcheinander. Sie waren teilweise mit Gummibändern oder großen Büroklammern zusammengebunden, bunte Post-its lugten hervor. Unachtsam hatte er in der Früh seinen Schal auf einem der Stapel fallen lassen, den er abends sicherlich verwirrt würde suchen müssen. Sein zerzaustes, weißes Haar stand ihm seltsam zu Berge und gegen das bisschen Sonnenlicht betrachtet, warf es skurrile Figuren. Endlich fand er, wonach er gesucht hatte, und zog eine Schublade auf, um es darin zu verstauen. Felizitas konnte nicht sehen, was es war.

„Eine Unordnung ist das hier, verzeihen Sie. –

Wo zum Teufel ist meine Löschwiege?“

Felizitas vermutete, dass die Tinte längst getrocknet war, und tippte mit den Fingern gegen die Armlehne ihres Besuchersessels, um sich die Zeit zu vertreiben.

„Ihre Großmutter starb einsam. Sehr bedauerlich“, Zifkow senkte seinen Kopf und strich mit der Handfläche über das Dokument, das vor ihm lag. „Ich war Ihren Großeltern zutiefst verbunden. Mehr als ein halbes Jahrhundert lang. Aber das wissen Sie ja“, jetzt sah er Felizitas direkt an. „Mein aufrichtiges Beileid, gnädiges Fräulein. Sie waren nicht auf dem Begräbnis, nicht wahr?“

Felizitas starrte Zifkow an … Ich kann dir sagen, warum Menschen allein sterben. Ich kann dir sagen, warum die Sonne Schatten wirft. Ich kann dir auch sagen, wie dein Morgen aussieht …

Zifkow erschrak und er räusperte sich ein weiteres Mal.

„Die Sache mit Ihrem Mann ist übrigens entsetzlich tragisch. Wie konnte das nur passieren? Sie hatten eine gemeinsame Tochter, soweit ich weiß?“

„Hören Sie, Zifkow, wo soll ich unterschreiben?“

„Verzeihen Sie … nun, wir haben es ja gleich … einen kleinen Moment, bitte … ich suche eben noch das, ähm, nun ja, das Eröffnungsprotokoll des Nachlassgerichts. Wo hab ich es denn … verflixt … Sie haben es sicherlich eilig. Fliegen Sie heute wieder zurück nach Barcelona?“

Arno Zifkow, der eigentlich seit bald zwei Jahrzehnten im Ruhestand hätte sein sollen, sortierte nervös seine Papiere und rief nach der Sekretärin, die ihr aufdringliches Parfum in der ganzen Kanzlei verteilte. Nachdem sie nicht daherkam, machte der Notar eine genervte Handbewegung und lächelte verlegen. Während er langsam das Testament von Felizitas’ verstorbener Großmutter verlas, saß sie ihm unbeteiligt gegenüber und verschränkte die Arme. Wie viele Scheißtestamente hast du in deinem kleinen Leben wohl schon runtergebetet?, fragte sie sich und beobachte die Bewegungen seiner Lippen und seine feuchte Aussprache. Als er fertig war, griff er in seine Hosentasche und zog ein kariertes, fast farbloses Stofftaschentuch hervor. Es sah aus, als hätte er es schon einige Tage benutzt. Zerknüllt drückte er es mehrmals gegen seine Nase und richtete die verschmierte Brille, die dabei angelaufen war. Dann beendete er das notarielle Prozedere.

„Frau Dr. Felizitas Escribano Sebastián, nachdem ich Sie nun über den Inhalt des Nachlasses und zudem über sämtliche Rechte und Pflichten aufgeklärt habe, frage ich Sie, ob Sie als Alleinerbin die Verlassenschaft Ihrer Großmutter, Frau Ehrenfrieda Hessreich, geborene Bühler, annehmen möchten oder sich dessen entschlagen?“

„Betrachten Sie’s als angenommen“, antwortete Felizitas und stand auf. „War’s das jetzt?“

Zifkow sah sie verdattert an und griff wieder zu seinem Taschentuch. Er nickte und bat sie, noch einen Moment zu warten. Das alte Sternparkett knirschte unter seinen Füßen, als er sich erhob, um nach seiner Heftklammermaschine zu suchen. „Dann werden wir das Protokoll inklusive Vermögensverzeichnis, Erbantrittserklärung und Schlussantrag vorbereiten und alles zu Ihrer Zufriedenheit erledigen. Auch was die diversen Grundbucheintragungen anbelangt.“ Der alte Notar atmete tief durch, als wäre er erleichtert, diesen Akt bald schließen zu können, und verschwand durch eine kleine Nebentür. Dann brüllte er nach seiner Sekretärin. „Fräulein Bayerlein!“ Felizitas verdrehte die Augen, als sie den schwachsinnigen Namen der Sekretärin durch den Gang dröhnen hörte. Ich bin hier wirklich in der Verdammnis gelandet … Ihre alte Welt schien ihr plötzlich wieder lebendig, sie hielt für einen Moment den Atem an und umklammerte die Armbanduhr an ihrem Handgelenk.

Dreißig Minuten später saß sie in einem Taxi, das sie an den Stadtrand führte. Das hellbraune Luftpolsterkuvert, das sie in ihrer Hand hielt, war lieblos zugeklebt. Darauf stand in einer krakeligen Schrift eine Adresse notiert. Die Anschrift ihrer Großeltern. Als die Villen des grünen Cottageviertels an ihr vorbeizogen, erkannte sie, dass sich kaum etwas verändert hatte. Die Zäune, Fassaden, Straßen, als hätten sich die vergangenen zwanzig Jahre nicht abbilden wollen. Ab und zu stand ein moderner Neubau an einem Platz, an dem früher ein niedriges Haus gewesen war. Weiße Quader aus Glas und Aluminium wurden so zwischen alte Gebäude hi­neingequetscht, letzte Grünflächen vernichtet und um teures Geld verschachert. Das Immobiliengeschäft in den elitären Randbezirken Wiens war ein Haifischbecken geworden. Alte Villen standen leer und wurden mit hohen Kaufpreisen auf den Markt geworfen. Unter den Käufern fanden sich reiche Ausländer oder Botschaften, doch selbst die beklagten sich über die überbewertete Situation. Viele Objekte waren deswegen für längere Zeit unbewohnt und wirkten vernachlässigt und leblos.

Mit beiden Händen tastete Felizitas den Inhalt des Kuverts ab und schloss für einen Moment die Augen. Für einen Märztag war es viel zu heiß und sie blies sich ihr dunkles Haar aus dem Gesicht. Als sie die Augen wieder öffnete, bog der Fahrer in die enge Gasse, die zum Anwesen ihrer Großeltern führte. Sie sah die Sektkellerei des Nachbargrundstücks und erinnerte sich an ihre Kindheit. Heimlich war sie über die Apfelbäume zu den Lagerhallen gestiegen. Fasziniert vor den meterhoch gestapelten, leeren Sektflaschen gestanden und sich vorgestellt, sie wären ein zu Glas erstarrtes Gemälde. Ein Flaschenboden neben dem anderen. Ein monochromes Muster, taub und stumm, das hie und da Licht reflektierte und wortlos Geschichten erzählen wollte. Wenn sie deswegen zu spät nach Hause gekommen war, hatte ihr Großvater sie geohrfeigt und bestraft.

Das Taxi hielt an und riss Felizitas aus den Gedanken. Wortlos sah sie auf den Taxameter und bemühte sich, die angezeigten Ziffern zu erfassen

„Zweiundzwanzig Euro. Brauchen S’ eine Rechnung?“

Felizitas deutete ein Nein, bezahlte und schnappte ihre Tasche. Sie hatte nicht viel bei sich, gerade das Notwendigste, ausreichend für ein paar Stunden Wien. Ihr Rückflug war auf die Spätmaschine gebucht, die in Wien gegen halb neun abends abheben würde. Sie stieg aus und ließ den Wagen abfahren. Während sie das Kuvert aufriss, fühlte sie nichts. Auch nicht, als sie das auf der gegenüberliegenden Straßenseite überdimensional große Kupfereingangstor des Anwesens ansah. Die hellgrüne Patina, die den Eingang schon vor Jahrzehnten überzogen hatte, wirkte düster und rau. Felizitas hielt inne. Einige Minuten stand sie vollkommen allein und regungslos da. Kein Auto fuhr vorbei, kein Mensch war anwesend, keine Bewegung zu sehen, nicht einmal ein Luftzug zu spüren. Ein Nichts. Totenstill. –

Stillstand.

Erde steht

still

still …

wenn sie Villa Anmut sieht …

Felizitas steckte die Hand in den Umschlag. Neben dem Schlüssel zur Villa spürte sie außerdem einen Garagentorsender. Sie griff tief hinein, um beide Gegenstände hervorzuholen. Dann ging sie ein paar Meter den Gehsteig entlang. Die gewaltige Immobilie zog sich über einen halben Häuserblock und war von einer hohen Mauer umsäumt. Der Stacheldraht, der oberhalb der Mauer befestigt war, rostete, die Mauer selbst bröckelte stellenweise ab und zeigte unterschiedliche Farbtöne. Felizitas sah die breite Seitenstraße hoch, die links vom Haupttor wegging und etwas bergauf zu einigen Weinbergen führte. Hinter der Mauer konnte man die Glashäuser des Anwesens sehen, in denen ihre Großmutter Obst und Gemüse gezüchtet hatte. Sie waren verwahrlost, manche Scheiben hatten lange Sprünge, das Eisen der Rahmen war brüchig geworden. Im hintersten Teil des Grundstückes befand sich das Haupthaus – kaum zu sehen von außen – gut hundertfünfzig Meter weit entfernt. Der große Park verdeckte die riesige Fläche und hielt sie wie ein Geheimnis gefangen.

Felizitas ging wieder zurück und drückte den automatischen Öffner in ihrer Hand. Zwei mächtige Kakteen, rechts und links in Schalen aus Stein gepflanzt, thronten auf den Säulen, in denen das Tor verankert war. Langsam öffnete es sich zu beiden Seiten und machte die Sicht auf das Innere frei. Starr lag die lange Kieseinfahrt vor ihr, die in leichten Schlangenlinien bis zum Haupthaus führte. Felizitas setzte ihren Fuß über die Schwelle. Im gleichen Moment rasteten die Tore ein und kamen mit einem lauten Ächzen zum Stillstand. Rote Kastanien, dachte sie, blühen so schön, wenn sie blühen, blühen viel schöner als die weißen … Ihre Schritte knirschten auf dem weißen Kies und sie zerlegte das Geräusch in einzelne Nuancen. Ihren Blick hatte sie fest auf das Haus gerichtet, das tot und dunkel dalag. Als sie ein kleines Mädchen war, hatte es den anderen Kindern Angst eingeflößt. Keiner wollte zu ihr kommen, um mit ihr zu spielen. Nicht nur das hatte sie einsam gemacht.

Auf halber Strecke blieb sie stehen und drehte sich nach rechts, überlegte, ob sie an jenen Ort gehen sollte, der vor neunundzwanzig Jahren ihr Leben für immer verändert hatte. Knapp einhundert Meter weit entfernt war eine kleine, weiße Kapelle zu sehen, die ihre Großmutter gegen den Willen des Großvaters errichten hatte lassen. Es war das einzige Mal, dass sie sich ihrem Mann widersetzt hatte. Das kleine, sakrale Gebäude sah sauber aus, hell, rein, war genau das Gegenteil vom Rest des Anwesens. Felizitas starrte lange hin, bis ihr in der prallen Sonne zu heiß wurde. Verdammt, kein Scheißmineralwasser hier, dachte sie und ging wieder los, erreichte die große Freitreppe aus Stein, die zum Eingangstor der zweihundert Jahre alten Villa führte.

Das Schloss der Tür war schwer zu öffnen und Felizitas musste sich kräftig gegen das massive Holz werfen. Während sie gewaltsam mit dem Schlüssel fuhrwerkte und die Tür endlich aufsprang, drehte sie sich nochmal um. Es war ein Stechen, das sie in ihrer Brust, spürte, als sie an die Kapelle dachte. Felizitas stieß die drei Meter hohe Doppelflügeltür mit einem Schwung auf und betrat die Villa Anmut.

ZWEI

Als Dr. Paul Sommers kurz vor 18 Uhr erwachte, war er sofort da und klar. Für gewöhnlich döste er gern einige Minuten, um die Realität nicht sofort in seine Sinne zu lassen. Doch heute war es ein brutaler Schnitt und er wusste nicht, warum.

Angespannt setzte er sich auf und suchte nach seiner rahmenlose Brille, die er ein paar Stunden zuvor schläfrig auf einem der Kopfkissen deponiert hatte. Du unsichtbares Luder, wo steckst du …, fluchte er und kramte zwischen den Pölstern. Eigentlich hatte er beim Zubettgehen die Morgennachrichten verfolgen wollen, nachdem erneut ein junges Mädchen mit einem induzierten Dämmerzustand vor einer psychiatrischen Klinik abgesetzt worden war, aber er war erschöpft eingeschlafen. Sommers fischte Brille samt Blackberry unter der Bettdecke hervor und suchte mit einer Hand ein Stück Stoff, um die Gläser zu putzen. Mit der anderen überprüfte er gleichzeitig den SMS- und E-Mail-Eingang. Während das Handy die Daten abrief, starrte er auf seine ungebräunten Ober­arme und stellte frustriert fest, dass sich zwei trainingslose Tage sofort auswirkten. Er fuhr sich durch sein blondes, kurz geschnittenes Haar, das am Hinterkopf leichte Wellen schlug, und sprang auf. Auf dem Weg zur Küche machte er an einer Stange, die am Türstock der Badezimmertür fixiert war, zehn Klimmzüge. Danach fühlte er sich besser.

Während die Kaffeemaschine mit einem lauten Surren einen Espresso in die Tasse presste, vertiefte sich Paul in die ungeöffnete Post. Er durchforstete grob das unterschiedliche Papier der vergangenen Tage und sortierte es, indem er kleine Stapel anfertigte. Vier Häufchen hatte er bereits geschlichtet, als sein Handy läutete und er erschrocken zusammenfuhr.

„Sommers?“

„Herr Dr. Sommers, guten Abend. Ich hoffe, ich habe Sie nicht geweckt, aber wir haben schon wieder einen Neuzugang. Ich weiß, Sie haben heute frei, aber es ist wirklich wichtig …“

„Es war also wieder unsere Klinik“, sagte er und wartete auf eine Bestätigung, die er eigentlich nicht bekommen wollte.

„Stimmt genau. Sie haben es schon in den Nachrichten gehört? Ja, wir haben schon wieder ein Mädchen hier“, sagte die Stimme am anderen Ende der Leitung.

Sommers beendete das Gespräch und schloss deprimiert die Augen. Was für ein Horror! Warum kommen wir nicht weiter? … Im Geist ging er all die Mädchen durch, die er im Laufe seiner kurzen Karriere als junger Psychiater behandelt hatte. Sie waren ohne Ausnahme vor psychiatrischen Einrichtungen ausgesetzt worden, ohne Papiere, ohne persönliche Gegenstände, in einem Zustand, der katastrophal war. Eingeengtes Bewusstsein, der Kontakt zur Außenwelt abgebrochen, irgendwo zwischen Dämmerzustand und Delir. Nach langen Recherchen und polizeilichen Ermittlungen hatte sich jedes Mal herausgestellt, dass die jungen Frauen keine Angehörigen hatten, vollkommen allein und meistens seit mehreren Jahren drogenabhängig waren. Niemand vermisste sie.

Sommers grübelte. Die Gedanken quälten ihn. Seine Professionalität und antrainierte Distanz sollten ihn vor emotionalen Belastungen wie diesen schützen. Doch Paul war sensibel. Seine inneren Bilder wurden jetzt heftig durcheinandergeschleudert und es überfiel ihn ein starkes Gefühl der Wut und des Leides. Er hastete zurück zu seiner Stange und zog sich unaufhörlich hoch und hoch und hoch. Nach zwanzig Klimmzügen brannten seine Muskeln und er ließ sich keuchend und schweißnass zu Boden fallen. Den Kopf in seinen Händen vergraben saß er gegen den Türstock gelehnt und fühlte den Schmerz, der sich in seinem Körper ausbreitete.

Paul Sommers hatte noch nicht einmal die dreißig erreicht. Er war ein schlanker, hochgewachsener Mann, feingliedrig und durchtrainiert. Immun gegen jegliche Ablenkungen hatte er sein Medizinstudium in Mindestzeit absolviert und sub auspiciis promoviert. Sommers war ein sogenannter High Potential. Ehrgeizig und ununterbrochen auf seine Ziele fokussiert. Schon seit dem ersten Semester war ihm klar gewesen, dass er seine Spezialisierung auf den Bereich der klinischen Psychiatrie legen würde. Sommers Sichtweisen waren heterodox, er war kritisch gegenüber jeglichen Ideologien, womit er sich innerhalb seiner Community nicht unbedingt Freunde gemacht hatte. Neben seinem Job als Facharzt an einer Wiener Psychiatrie hielt er Vorlesungen an der Universität und beschäftigte sich mit Psychiatrie-Reformen und Anti-Stigma-Initiativen. Mit seinem Lächeln und seiner Intelligenz verzauberte er die Frauen. Doch das bedeutete ihm nichts. Für ihn zählte nur der Beruf.

Langsam rappelte sich Paul hoch und schlenderte zum Badezimmer. Noch bevor er den Wasserhahn der Dusche aufgedreht hatte, wurde ihm schlagartig klar, dass er bis jetzt an der falschen Stelle gesucht hatte. Der Verdacht, der ihm plötzlich eingeschossen war, verdichtete sich immer stärker.

–––

Felizitas ging ruhig durch das Erdgeschoß der Villa Anmut, um sich umzusehen. Kein Möbelstück hatte seinen Platz verlassen, kein Bild, kein Teppich, keine Vase, keine der unzähligen, im ganzen Haus verteilten Sitzmöglichkeiten. Nichts war anders. Nichts verändert. Nichts neu. In den Repräsentationsräumen fand sie die großen, schweren Samtvorhänge zugezogen vor. Sauerstoff und Gegenstände in einer dumpfen Dunkelheit eingesperrt. Sie überlegte, wer das nach dem Tod ihrer Großmutter gewesen sein musste, und tippte auf Zifkow. Er war es, der der Villa Anmut den letzten schwachen Pulsschlag zugedrückt hatte. Angewidert riss sie die dicken Stoffe zu Boden und blinzelte in das Licht, das sofort eindrang und tanzende Staubpartikel sichtbar machte. Es roch muffig und nach abgestandener Luft. Es roch nach alter Vergangenheit. Es roch nach ihren Großeltern. Felizitas wurde übel und sie wünschte sich ein Stück trockenes Brot. Als sie das Speisezimmer betrat und an der großen Tafel vorbeikam, an der sie immer artig hatte sitzen müssen, holten sie die letzten, fast vergessenen Bilder und Gerüche ihrer Kindheit ein. Sie hetzte zu einer der Terrassentüren, öffnete sie und trat hinaus ins Freie. Während sie draußen tief durchatmete und über den weiten Park und die nähere Umgebung blickte, realisierte sie, dass das nun alles ihr gehören würde. – Alles. – Das Anwesen der Villa Anmut inklusive aller Nebengebäude, die Weinberge in der Umgebung, mehrere Zinshäuser in Wien sowie Firmenbeteiligungen, Wertpapiere und eine beträchtliche Summe Bargeld. Der Notar hatte alles in allem von 880 Millionen Euro gesprochen, überschlagsweise, wie er es nannte. Felizitas war klar, dass das für ihren Großvater eine schauderhafte Vorstellung sein müsste. Sein Werk, sein Reichtum, seine Macht – alles – alles, was er erschaffen hatte, in der Hand einer einzigen „Frau“. Sie ging zurück ins Haus, verschloss die Terrassentür des Speisezimmers und riss auch hier alle Vorhänge zu Boden, ließ sie achtlos auf einem staubigen Haufen liegen.

Gerade als sie den Raum verlassen wollte, sah sie im Augenwinkel etwas, das sie festhielt. Sie blieb stehen und sah zu der langen Holztafel hinüber. Dort lagen ein Kugelschreiber und die Weitsichtgläser ihrer Großmutter. Felizitas ging ­näher ran und bemerkte einen kleinen Notizblock, der zu Boden gefallen war. Sie hob ihn auf und erkannte einen einzigen Satz, der nicht von ihrer Großmutter stammen konnte. Ihre Handschrift hätte sie auf einen Blick erkannt. Wessen idiotische Klaue ist das? … Angestrengt versuchte sie, das Gekritzel zu entziffern, und legte mehrmals den Kopf schief, um es aus ­unterschiedlichen Perspektiven zu sehen. Es gelang ihr nicht, den Satz zu lesen. Sie stopfte den Block in ihre Tasche und verließ das Zimmer.

Draußen, in der meterhohen Empfangshalle, blieb Felizitas für einen Moment stehen. Der Boden aus altem Stein war eiskalt, sie konnte die Kälte unter ihren Füßen spüren. Als zentrale Figur war bei der Erbauung der Villa ein farbiger Drache in den Boden eingearbeitet worden. Auf dem stand sie nun. Seine glänzende Oberfläche schien immerzu zu funkeln. Die starken Farben leuchteten, gleichgültig, wie viel Licht auf ihn fiel. Er war wie ein böser Dämon, der sich hinterhältig hinter der Schönheit der Farben versteckte, die ihn tarnten. Gold, Purpur und Lavendel. Es mussten tausende kleine Steinchen gewesen sein, die man per Hand wochenlang verlegt hatte. Zwei imposante Treppenaufgänge aus pechschwarzem Holz führten jeweils rechts und links von ihm ins obere Stockwerk. So, als wären sie seine verlängerten Fänge. Felizitas näherte sich einem der Treppenabsätze und hielt kurz inne. Sie sah hinauf zur Galerie und summte eine Melodie … dann zählte sie rückwärts und betrat die erste Stufe.

Während sie Schritt für Schritt den Aufgang zurücklegte, erinnerte sie sich, wie oft sie als kleines Mädchen versucht hatte, sich lautlos nach oben zu schleichen. Es war ihr nie gelungen. Das Holz war zu alt und hatte unbeeindruckt all ihrer Schweberaffinessen unter ihren Füßen geknarrt und sie verraten. Irgendwann hatte sie einen Geheimgang gefunden, der das Erdgeschoß mit dem Arbeitszimmer ihres Großvaters im ersten Stock verband. Dort war das Verstecken ein leichtes Spiel. Nicht selten hatte sie an diesem Platz im Finsteren gehockt und ihren Großvater und dessen geheimnisvolle Besucher belauscht. Verstanden hatte sie nicht viel von dem, was da gesprochen wurde. Wissenschaftliches Fachsimpeln, sonderbare Ausdrücke, rätselhafte Anweisungen. Nach einigen Wochen hatte er sie in ihrem Unterschlupf ertappt und sie grün und blau geschlagen. Danach waren Schlösser an den versteckten Türen.

Oben angekommen blieb Felizitas vor einer dunklen, doppelflügeligen Tür stehen, durch die niemand unaufgefordert hatte treten dürfen. Meistens war sie ohnehin verschlossen. Sie holte mit einem Fuß aus, trat mit aller Kraft dagegen und brüllte:

„Klopf, klopf! Na, Alter, wo bist du?!“

Ach, du bist ja tot …

Sie grinste zufrieden, als die Tür aufsprang, und fand, dass der Raum ohne ihn keinerlei Autorität mehr hatte. Zwar klopfte ihr Herz von dem Gebrüll, aber die Angst, die sie einst vor ihm gehabt hatte, von der war keine Spur mehr. Als sie sich umsah, schien alles so, wie ihr Großvater es zurückgelassen hatte. Auf dem alten, schweren Schreibtisch lagen zwei oder drei Bücher, geöffnet, in denen er vermutlich zuletzt gelesen hatte. Daneben waren Notizen verstreut und verschiedene Schreibgeräte. Sein brauner Kamm, den er oft, ja fast manisch benutzt hatte, lag wie gewohnt rechts neben der kleinen Messinglampe in einer zierlichen Schale aus Silber. Sie war mittlerweile schwarz angelaufen. Felizitas ging näher hin, knipste die Tischlampe an und prüfte, ob noch Überreste seiner Haare im Kamm zu sehen waren. Sie streckte ihre Hand aus, griff danach und entdeckte tatsächlich ein paar Fuseln zwischen den Zinken. Reflexartig ließ sie den Kamm fallen und schüttelte sich ab. Es fühlte sich an, als hätte er sie angefasst.

Ein paar Meter vom Schreibtisch entfernt stand eine alte, rotbraune Ledercouch, daneben ein kleiner Beistelltisch mit einer weiteren Lampe darauf. Jugendstil. Eine Wolldecke lag sorgfältig gefaltet über der Sofalehne und berührte das Kaminbesteck, das seit Jahrzehnten niemand ein Stück verrückt hatte. Den Alten hat sicher genau hier der Schlag getroffen, dachte Felizitas und inspizierte den Schreibtischsessel, als ob der vom letzten Atemzug seines Besitzers hätte erzählen können. Nachdem sie kein eindeutiges Indiz finden konnte, setzte sie sich hin und klappte die Bücher, die auf dem Schreibtisch offen lagen, ein Stück zu, um deren Titel zu lesen:

Tagebuch eines jungen Mädchens

Von Charlotte Bühler.

Jena 1922

Was hat er da gelesen?,

Die sexuelle Frage. Eine naturwissenschaftliche, ­psychologische, hygienische und soziologische Studie für Gebildete.

Von Dr. med. August Forel

1. Auflage, München 1905

Jetzt zuckte sie zusammen. Forels Schriften kannte sie aus ihrem Studium. Diese waren unter anderem für seine Einstellung zur Eugenik bekannt oder wie man es in nationalsozialistischer Diktion nannte: Rassenhygiene. Felizitas schlug das Buch auf, blätterte es bis etwa zur Mitte durch und ging noch mal zurück auf die erste Seite. Dort fand sie eine Widmung:

Für Prof. Curd Hessreich, den größten Psychiater aller Zeiten.

In ewiger Dankbarkeit und Verbundenheit,

Ihr stets treuer Freund H. von den H.

(Wien, im Juli 1942)

H. von den H.? Felizitas runzelte die Stirn und versuchte, den Zusammenhang zwischen den Werken herzustellen. Sie packte alle drei Bücher ein, schnappte auch die umliegenden Notizen und sah hastig auf die Uhr. In zwei Stunden würde ihr Flug gehen, sie musste sich beeilen.

Felizitas verließ das Arbeitszimmer und warf auf dem Weg zur Treppe einen flüchtigen Blick auf eine Tür, die am Ende des Gangs schemenhaft zu erkennen war. Dahinter lag ihr ehemaliges Zimmer. Sie hielt den Atem an, wusste nicht, ob es sie hinzog oder wegstieß. Für einen kurzen Moment lang zog es sie hin … sie machte ein paar unsichere Schritte, um einer Felizitas zu begegnen, die dort zehn Jahre lang ein Leben in Isolation und Zwang hatte leben müssen. Unterdrückt von den Großeltern, gefangen in einem Regime aus Kontrolle und Bestrafung, das so beschaffen war, eine kindliche Seele und heranwachsende Persönlichkeit zu brechen.

Sie blieb stehen.

Für einen Moment lang starrte sie die Tür an.

Dann schüttelte sie den Kopf und drehte sich abrupt um.

Sie musste los.

Es war Abend geworden und die Luft kalt. Im Park roch es nach feuchtem Holz und Veilchen. Felizitas nahm ihren Wollschal aus der Tasche und steckte Schlüssel und Garagenöffner zurück in den Umschlag. Als sie das Anwesen verließ und die schwere Kupfertür hinter ihr ins Schloss fiel, dachte sie an Javier und Elena. Sie zog den Schal tief in ihr Gesicht und kämpfte mit dem Schmerz, der ihr längst vertraut war.