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Wissenschaftliche E-Book-Reihe, Band 7

Vertrieb: www.jugendkulturen.de

Lektorat: Gabriele Vogel

Die Wissenschaftliche Reihe im Archiv der Jugendkulturen
Alljährlich entstehen an Universitäten und Fachhochschulen Hunderte von wissenschaftlichen Arbeiten, die zumeist nur von zwei Gutachtern gelesen werden und dann unbeachtet in den Asservatenkammern der Hochschulen verschwinden. Dabei enthalten viele dieser Arbeiten durchaus neues Wissen, interessante Denkmodelle, genaue Feldstudien. Das Archiv der Jugendkulturen, Fachbibliothek und Forschungsinstitut zugleich zu allen Fragen rund um Jugendkulturen, hat deshalb damit begonnen, wissenschaftliche Arbeiten zum Thema Jugend zu sammeln und öffentlich zugänglich zu machen. Mehr als 500 solcher Arbeiten enthält die Präsenzbibliothek des Archivs inzwischen – für jedermann kostenlos und frei zugänglich.

In der Wissenschaftlichen Reihe publiziert das Archiv der Jugendkulturen seit 2007 zudem qualitativ herausragende wissenschaftliche Arbeiten zu jugendkulturellen Zusammenhängen. Die Arbeiten werden von fachkundigen GutachterInnen gelesen und vor der Veröffentlichung professionell lektoriert. Da pro Jahr von 20 - 25 eingereichten Arbeiten nur zwei veröffentlicht werden, kann bereits die Aufnahme in den Verlagskatalog als Auszeichnung verstanden werden. Doch für die AutorInnen lohnt sich die Veröffentlichung auch materiell. Die Archiv der Jugendkulturen Verlag KG verlangt von ihren AutorInnen keinerlei Kostenbeteiligungen! Im Gegenteil: AutorInnen, deren Arbeiten wir in unserer Wissenschaftlichen Reihe veröffentlichen, erhalten bereits für die Erstauflage ein Garantiehonorar von 2.000 Euro!

Seit 2011 wird diese Reihe durch eine elektronische Schwester ergänzt. Denn immer wieder mussten wir hervorragende Manuskripte ablehnen, da ein kleiner Verlag wie der unsrige sich nicht mehr als zwei wissenschaftliche Titel mit den gesetzten Qualitätsstandards (großformatige Hardcover, alle Bände sind reichlich illustriert, oft in Farbe) und dem bewusst sehr niedrig angesetzten Ladenpreis (um möglichst viele Menschen zu erreichen) leisten kann. Die E-Book-Reihe soll dieses Manko nun ausgleichen. Was für die Printreihe gilt, gilt auch für unsere E-Books: Sie werden ebenfalls unter der Fülle eingereichter Arbeiten sorgfältig ausgewählt und lektoriert, die AutorInnen erhalten ein kleines Garantiehonorar und werden am Umsatz beteiligt.

Das Archiv der Jugendkulturen e.V.

Das Berliner Archiv der Jugendkulturen e. V. existiert seit 1998 und sammelt – als einzige Einrichtung dieser Art in Europa – authentische Zeugnisse aus den Jugendkulturen selbst (Fanzines, Flyer, Musik etc.), aber auch wissenschaftliche Arbeiten, Medienberichte etc., und stellt diese der Öffentlichkeit in seiner Bibliothek kostenfrei zur Verfügung. Darüber hinaus betreibt das Archiv der Jugendkulturen eine umfangreiche Jugendforschung, berät Kommunen, Institutionen, Vereine etc., bietet jährlich bundesweit rund 80 Schulprojekttage und Fortbildungen für Erwachsene an und publiziert eine eigene Zeitschrift – das Journal der Jugendkulturen – sowie eine Buchreihe mit ca. sechs Titeln jährlich. Das Archiv der Jugendkulturen e. V. hat derzeit 230 Mitglieder weltweit (darunter viele Institutionen). Die Mehrzahl der Archiv-MitarbeiterInnen arbeitet ehrenamtlich.

Schon mit einem Jahresbeitrag von 48 Euro können Sie die gemeinnützige Arbeit des Archiv der Jugendkulturen unterstützen, Teil eines kreativen Netzwerkes werden und sich zugleich eine umfassende Bibliothek zum Thema Jugendkulturen aufbauen. Denn als Vereinsmitglied erhalten Sie für Ihren Beitrag zwei Bücher Ihrer Wahl aus unserer Jahresproduktion kostenlos zugesandt.

Weitere Infos unter www.jugendkulturen.de

Stefanie Herrmann

50 Jahre BRAVO
Eine Jugendzeitschrift als Spiegel der Zeitgeschichte

Diplomarbeit

im Studiengang Germanistik
in der Fakultät Sprach- und Literaturwissenschaften
der Otto-Friedrich-Universität Bamberg

Februar 2006

INHALT

1 EINLEITUNG

2 JUGENDZEITSCHRIFTEN IN DEUTSCHLAND

2.1 ZUM BEGRIFF „JUGENDZEITSCHRIFT

2.2 DIFFERENZIERUNG DER JUGENDPRESSE

2.3 DER MARKT DER POPULÄREN JUGENDPRESSE

3 50 JAHRE BRAVO

3.1 DATEN UND FAKTENBRAVO IM ÜBERBLICK

3.2 GESCHICHTE UND ENTWICKLUNG

3.3 LESERSCHAFT UND ZIELGRUPPE

3.4 AUFMACHUNG UND INHALT

4 MYTHEN IN DER MODERNEN GESELLSCHAFT – THEORETISCHER HINTERGRUND

4.1 DIE KRITISCHE THEORIE VON THEODOR W. ADORNO UND MAX HORKHEIMER

4.1.1 Grundzüge der Kritischen Theorie

4.1.2 Mythenbildung und Kulturverfall durch die Kulturindustrie

4.2 MYTHEN DES ALLTAGS VON ROLAND BARTHES

4.2.1 Der Mythos als sekundäres semiologisches System

4.2.2 Analogien zur Kritischen Theorie

5 FALLSTUDIE – BRAVO ALS SPIEGEL DER ZEITGESCHICHTE

5.1 METHODIK DER STUDIE

5.2 DER TRAUM VON DEMOKRATIE – DIE 1950ER JAHRE

5.3 PROTEST UND FREIE LIEBE – DIE 1960ER JAHRE

5.4 ENTSTEHUNG DES MODERNEN TERRORISMUS – DIE 1970ER JAHRE

5.5 ZWISCHEN ANGST UND EUPHORIE – DIE 1980ER JAHRE

5.6 DER KAMPF UMS SCHWARZE GOLD – DIE 1990ER JAHRE

5.7 KAMPF DER KULTUREN – DIE 2000ER JAHRE

6 SYNTHESE UND RESÜMEE

7 LITERATUR-UND QUELLENVERZEICHNIS

8 ABBILDUNGSVERZEICHNIS

9 ANHANG

1 Einleitung

Jugendliche lesen kaum noch. Diese Behauptung ist heutzutage zu einem gängigen Vorurteil geworden. Computerspiele und das Fernsehen haben Bücher, Zeitungen und Zeitschriften als Freizeitbeschäftigung Jugendlicher längst verdrängt, so könnte man dieser Argumentation weiter folgen. Auf den ersten Blick scheint sich dies zu bewahrheiten: Rund 90 % der Jugendlichen sehen laut „Media Analyse (MA) 2005 Radio II“ mehrmals pro Woche fern, womit das Fernsehen unter den genutzten Medien der 14- bis 19-Jährigen am populärsten ist. Doch damit ist keinesfalls bewiesen, dass Jugendliche die Printmedien vollkommen aus ihrer Mediennutzung ausklammern. In der selben Studie gaben 52 % der Jugendlichen an, mehrmals in der Woche Zeitung zu lesen, rund ein Drittel der 14- bis 19-Jährigen nutzte im Jahr 2005 mehrmals in der Woche Zeitschriften.1 Man darf annehmen, dass die Mehrheit der Jugendlichen mit Jugendzeitschriften die ersten Erfahrungen mit Printmedien sammelt. Diese Publikationen stellen verschiedene Lebensbereiche dar und tragen damit durchaus zur Sozialisation der Jugendlichen bei. Als Beispiel sei hier nur der Bereich der Sexualität genannt. Der Fokus der Kommunikationswissenschaft scheint jedoch aufgrund der geschilderten Konkurrenz hauptsächlich auf den elektronischen Medien zu liegen. Nicht nur die Medienwirkungsforschung beschäftigt sich daher insbesondere mit den neuen Medien. Diesem Mangel an Aufmerksamkeit gilt es in dieser Arbeit entgegenzuwirken. Allein eine Zeitschrift wie BRAVO verzeichnet als weitesten Leserkreis (WLK) rund 50 Prozent unter den 14- bis 19-Jährigen und hat damit offensichtlich einen großen Einfluss auf die Meinungsbildung der relevanten Zielgruppe.2 Somit erscheint die BRAVO geradezu prädestiniert als Untersuchungsgegenstand und wurde daher für diese Studie ausgewählt.

Allerdings steht hier nicht die Frage im Mittelpunkt, ob und wie viel von Jugendlichen gelesen wird, sondern mit welchen Inhalten sie konfrontiert werden. Von besonderem Interesse ist hier, ob einzig die Unterhaltung der Leser intendiert ist, oder ob eine Wissens- und Wertevermittlung als Folge eines Aufklärungsimpetus stattfindet. Mit dieser Fragestellung gerät man unweigerlich in das Spannungsfeld der Auseinandersetzung um die Funktion von Medien. Hier stehen sich zwei Auffassungen gegenüber: zum einen die Erfüllung hedonistischer Bedürfnisse als Unterhaltungsangebot, zum anderen die ernsthafte Informationsvermittlung, die auf eine transparente Aufklärung bedacht ist. Die Diskussion um die Kulturindustrie bei Theodor W. Adorno und Max Horkheimer ist diesbezüglich paradigmatisch zu nennen und findet deshalb Eingang in den theoretischen Teil der Arbeit. Sie liefert das Begriffsinstrumentarium, um die BRAVO einer kritischen, qualitativen Analyse zu unterziehen. Die BRAVO bietet aufgrund ihres mittlerweile 50-jährigen Bestehens außerordentliche Vorteile für eine Untersuchung. So ist es möglich, zeitgeschichtlich relevante Ereignisse der Nachkriegszeit herauszugreifen und ihre journalistische Aufarbeitung aufzuzeigen. Diese diachrone Betrachtungsweise erlaubt zudem die Feststellung, ob sich die Strategien der Berichterstattung wesentlich verändert haben. Zielpunkt wird es sein, zu klären, ob BRAVO die Meinung der Jugendlichen beeinflusst und lenkt oder ob sie ein möglichst neutrales Bild der Lebenswirklichkeit wiedergibt. Die Gefahr der Manipulation ist bei zeitgeschichtlichen Ereignissen am größten, weil gerade in diesem Bereich Werte vermittelt werden und politische Orientierung gegeben wird. Als Beispiel sei hier die Jugendbewegung der 1968er Jahre genannt. Wie wird die Protesthaltung der Jugendlichen im Heft dargestellt? Thematisiert BRAVO die Rebellion der Jugendlichen oder steht sie hier für ein wertkonservatives, affirmatives Weltbild ein?

Die Auseinandersetzung, ob Jugendliche lesen, gewinnt vor diesem Hintergrund eine neue Dimension: Berücksichtigt wird hier nun nicht mehr die Quantität der Leseleistung, sondern die Qualität des Dargebotenen. Auf die Spitze getrieben könnte man vielleicht formulieren: Es kann unter Umständen besser sein, nicht zu lesen, als einer Verblendung auf den Leim zu gehen.

Im Folgenden sei der Gang der Untersuchung kurz skizziert. Zunächst wird ein Überblick über den Markt der Jugendzeitschriften in Deutschland gegeben. Dadurch soll deutlich gemacht werden, dass BRAVO seit Jahrzehnten die Marktführerschaft in dieser Sparte und eine daraus resultierende Sonderstellung hat. Anschließend wird genauer auf die Zeitschrift BRAVO eingegangen. Dies ist erforderlich, um die Bedeutung des Heftes für die Jugendlichen nachvollziehen zu können. In einem Überblick werden zunächst Auflagenzahlen und sonstige Daten dargestellt. Darüber hinaus erfolgt ein Abriss über die Geschichte dieses Jugendmagazins sowie dessen Leserschaft. Zudem wird auf Aufmachung und Inhalte der BRAVO eingegangen. Hierbei werden quantitative Studien herangezogen, die zum Beispiel Hinweise über das Themenspektrum der BRAVO geben.

Da in dieser Arbeit untersucht werden soll, ob BRAVO objektiv über zeitgeschichtliche Ereignisse berichtet, wird in einem theoretischen Teil die Kritische Theorie von Max Horkheimer und Theodor Adorno vorgestellt. Dabei soll insbesondere die Position der Kulturindustrie herausgearbeitet werden, um im praktischen Teil der Arbeit der Frage nachgehen zu können, ob BRAVO mit ihrer Berichterstattung die Meinung der Jugendlichen beeinflusst oder lenkt. Da sich die Kritische Theorie jedoch nicht als anwendbare Methode für die Analyse eignet, soll zudem Roland Barthes herangezogen werden, der sich den Mythen des Alltags semiologisch nähert. Barthes liefert ein gutes Instrumentarium, um konkrete Text- und Bildanalyse zu betreiben und etwaige manipulative Tendenzen aufzudecken.

Im praktischen Teil werden schließlich wichtige zeitgeschichtliche Ereignisse der letzten 50 Jahre näher untersucht. Dazu zählen zum Beispiel der Mauerfall und die Wiedervereinigung der Bundesrepublik Deutschland in den späten achtziger bzw. frühen neunziger Jahren. Die entsprechenden Hefte werden auf diese Themen hin geprüft und die Art und Weise der Berichterstattung analysiert.3

Am Ende der Arbeit soll in einer abschließenden Bewertung die Frage geklärt werden, ob es sich bei der BRAVO um eine ernstzunehmende Jugendzeitschrift handelt, die auch politische und gesellschaftsrelevante Themen aufarbeitet, oder ob man zu dem Schluss kommen muss, dass das Magazin nur Unterhaltungsthemen veröffentlicht. In letzterem Fall würde BRAVO eine Art Traumwelt, oder, um es mit den Worten Horkheimers und Adornos zu sagen, „Mythen“ für Jugendliche schaffen. Im anderen Fall muss untersucht werden, ob Jugendliche in ihrer Meinung beeinflusst werden.

1 Vgl. „MA 2005 Radio II“, in: Reitze, Helmut in Zusammenarbeit mit der ARD-Werbung (Hrsg.): Media Perspektiven Basisdaten. Daten zur Mediensituation in Deutschland 2005, Frankfurt a. M. 2005, S. 69.

2 Vgl. „Verbraucheranalyse (VA) Jugend 2005“, http://145.243.189.193/start/mp/start.asp?va <22.2.06>.

3 Eine genaue Darstellung der Methodik und Begründung der Heftauswahl findet sich in Kapitel 5.1.

2 Jugendzeitschriften in Deutschland

Der Markt der Jugendzeitschriften ist sehr schnelllebig. Was heute noch ‚in’ ist und von Hunderttausenden gelesen wird, kann kurze Zeit später schon wieder vom Kiosk verschwinden, wenn es die Jugendlichen für ‚uncool’ erachten. In den letzten drei Jahren mussten vier Jugendzeitschriften, wie zum Beispiel 16, eingestellt werden. Aber auch der Umkehrfall ist zu beobachten: Im selben Zeitraum wurden allein sieben neue Titel für Jugendliche auf den Markt gebracht.4 In Anbetracht dieser Sachlage erscheint es erstaunlich, dass sich ein Blatt bereits seit 50 Jahren auf dem deutschen Zeitschriftenmarkt behaupten kann: BRAVO, die sich selbst als „Europas größte Jugendzeitschrift“5 bezeichnet. Doch bevor näher auf einzelne Jugendzeitschriften eingegangen wird, muss zunächst eine Begriffsklärung erfolgen.

2.1 Zum Begriff „Jugendzeitschrift“

Bei dem Versuch, den Begriff „Jugendzeitschrift“ zu definieren, stößt man vor allem beim Begriff „Jugend“ auf Probleme. In der Forschung finden sich verschiedene Eingrenzungen des Jugendbegriffs. Es gibt dabei zwei Hauptgruppen von Definitionen: eine soziodemographische Eingrenzung durch das Alter, bei der man von der körperlich-biologischen Entwicklung ausgeht, sowie eine psychographische Eingrenzung, die Lebensphasen-Typologien mitberücksichtigt.6 In diesem Fall ist eine demographische Einschränkung jedoch am sinnvollsten, da für diese Arbeit die unterschiedlichen psychologischen Entwicklungsstadien einzelner Jugendlicher nicht relevant sind, sondern die Jugend ganz allgemein als Zielgruppe betrachtet werden soll.

Auch bei der Unterscheidung zwischen Zeitungen und Zeitschriften herrscht in der Kommunikationswissenschaft Uneinigkeit.7 Rudolf Stöber grenzt Zeitungen von Zeitschriften mit Hilfe von vier Kriterien voneinander ab: Aktualität, Periodizität, Publizität sowie Universalität.

Die Aktualität der Informationen ist so groß wie möglich, die Periodizität heute in der Regel der tägliche Erscheinungsabstand. Es wird ein breites Publikum angestrebt, und die Inhalte sind universal, d.h. alles, was beim Publikum Interesse findet oder finden mag, wird in der Zeitung behandelt.8

In anderen Worten heißt dies: Presseartikel, die diese Kriterien erfüllen, werden zu den Zeitungen gerechnet. Printmedien, die mindestens einem der Kriterien nicht Genüge leisten, zählen zu den Zeitschriften.

Auf der Grundlage dieses kurzen Exkurses soll nun der Begriff „Jugendzeitschrift“ definiert werden. Der Pädagoge Joachim H. Knoll gibt eine Definition, die aufgrund ihrer Allgemeingültigkeit als probat gelten kann:

Unter Jugendzeitschriften versteht man periodisch erscheinende Druckerzeugnisse, die sich mit jugendspezifischen Themen und in jugendgemäßer Aufmachung an Jugendliche (meist zwischen 12 und 18 Jahren) wenden.9

In der Forschungsliteratur finden sich selbstverständlich noch weitere Definitionen, die meisten unterscheiden jedoch zwischen kommerzieller und nicht-kommerzieller Jugendpresse. Meiner Meinung nach ist dies aber nicht sinnvoll, um dem Begriff „Jugendzeitschrift“ in seiner Gesamtheit und Vielfältigkeit gerecht zu werden. Denn sowohl Schülerzeitungen als auch die am Kiosk vertriebenen Zeitschriften wie BRAVO oder Popcorn fallen meines Erachtens in die Kategorie der Jugendpresse. Daher sollte eine weitere Differenzierung erst in einem nächsten Schritt erfolgen.

2.2 Differenzierung der Jugendpresse

Ende der 1970er Jahre unterschieden Manfred Knoche und Monika Lindgens im Rahmen ihrer Studie Analyse der Jugendpresse erstmalig zwischen kommerziellen und nicht-kommerziellen Jugendzeitschriften.

Als kommerziell gelten […] Jugendzeitschriften deshalb, weil sie als Verlagsobjekte primär unter dem Gesichtspunkt der Gewinnerzielung herausgebracht werden und demzufolge Marktmechanismen unterworfen sind, die in einer zwangsläufigen Orientierung an Anzeigenkunden und massenhaft verbreiteten Konsumgewohnheiten jugendlicher Leser ihren Ausdruck finden.10

Bei der nicht-kommerziellen Jugendpresse sind „nicht die ökonomischen Marktmechanismen, sondern die publizistischen Zielsetzungen der Herausgeber beziehungsweise der Redakteure für die inhaltliche Gestaltung der Zeitschriften bestimmend“11, pädagogische Aspekte und/oder politische Bildung stehen also im Vordergrund. Zu den nicht-kommerziellen Zeitschriften zählen die jugendeigene Presse, wie Schülerzeitungen, und Jugendzeitschriften von Verbänden, Parteien, konfessionellen oder beruflichen Organisationen.

Diese Einteilung stieß, wie bereits erwähnt, unter anderem bei Knoll auf Kritik, da er der Meinung ist, dass man nicht ausschließen kann, dass auch Verbände et cetera kommerzielle Absichten verfolgen.12 Auch Vogel spricht sich gegen diese Gliederung aus. Er differenziert in dieser Hinsicht noch stärker als Knoche, Lindgens und Meissner. Die kommerzielle Jugendpresse ist annähernd mit seinem Begriff der Publikums- beziehungsweise Populärpresse gleichzusetzen13: „Sie ist auf allen Produktions- und Distributionsstufen erwerbswirtschaftlich ausgerichtet; sie wird damit als Handelsgut produziert und verbreitet.“14

Darüber hinaus finden sich bei Vogel vier weitere Typen der Jugendpresse: die Mitgliedschaftspresse, zu der zum Beispiel die Jugendzeitschrift ran des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) zählt, die Kunden- beziehungsweise Kontaktpresse, Heftreihen sowie die nicht-kommerzielle Initiativpresse, bei der mindestens die redaktionelle Arbeit ehrenamtlich stattfindet. Zu dieser Gruppe zählt die jugendeigene Presse, wie beispielsweise Schülerzeitschriften.15

Innerhalb des Typus der kommerziellen beziehungsweise populären Jugendzeitschrift bietet sich zudem eine weitere Unterscheidung an. In dieser Gruppe finden sich zum einen Magazine des General-Interest, die den Jugendlichen ein breites Themenangebot offerieren, wie zum Beispiel BRAVO, und zum anderen Special-Interest-Titel, die sich „mit einem sachlichthematisch spezialisierten Angebot an Zielgruppen [richten], die durch bestimmte […] Interessen, aber auch durch Konsumverhalten oder Lebensstil gekennzeichnet sind“16. Letztere lassen sich noch einmal in verschiedene Sparten unterteilen. Zu den Segmenten der Jugendmagazine des Special-Interest zählen Mädchenzeitschriften, TV-begleitende Magazine, Sportzeitschriften sowie Computerzeitschriften. Im Folgenden sollen die wichtigsten Titel der populären Jugendpresse vorgestellt und ein Überblick über die aktuelle Marktsituation gegeben werden.

2.3 Der Markt der populären Jugendpresse

Betrachtet man den Jugendpressemarkt im Laufe der Zeit, so fallen besonders die extremen Schwankungen durch Markteintritte beziehungsweise Marktaustritte auf. Vor 1950 gab es kaum Zeitschriften, die sich speziell an Jugendliche richteten. Anders als beim Gesamtmarkt der Populärpresse, bei dem bis heute, abgesehen von einer Stagnation in den 1960er Jahren, eine stetige Titelzunahme zu verzeichnen ist, verläuft die Titelentwicklung der populären Jugendpresse in einer Wellenbewegung.17

Abbildung 1: Marktdynamik im Segment Jugendpresse

Quelle: Vogel, A.: Rekonstruktion der Pressemarktentwicklung, S. 81

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Neben Wirtschaftslage und Konzentrationsmaßnahmen von Verlagen lässt sich die Dynamik im Jugendpressemarkt vor allem durch Geburtenraten und die Dynamik der Jugendgenerationen erklären.

Die Generationenfolgen der Jugendkulturen verkürzten sich nach den Erkenntnissen der Soziologen in den letzten zwanzig Jahren immer schneller. Zudem wurden die Jugendkulturen selbst in sich immer heterogener.18

Allerdings muss hier erwähnt werden, dass sieben Titel, also ein Drittel des aktuellen Jugendpressemarktes, bereits seit dreißig Jahren oder länger bestehen. Dazu zählen Tierfreund, BRAVO, Stafette, ran, x-mag (Junge Zeit), Popcorn und Mädchen.19

Vogel belegt 1998 insgesamt 55 Kinder- und Jugendmagazine, von denen jedoch nur 22 Titel bei der Informationsgemeinschaft zur Feststellung der Verbreitung von Werbeträgern (IVW) gemeldet sind.20 Im dritten Quartal 2005 liegt die Zahl der, der IVW gemeldeten, Jugendzeitschriften innerhalb der Gattung der Publikumszeitschriften bei 16 Titeln.21 Eine Studie des Bauer Verlags über den Markt der Jugendzeitschriften, die die Zielgruppe der 10- bis 19Jährigen ansprechen, verzeichnet im Mai 2005 17 populäre Jugendzeitschriften, darunter sieben General-Interest-Magazine. Neben BRAVO zählen zu dieser Gruppe Yam!, Popcorn, Top of the Pops, Starflash, Stars Xtra und hey!.22

An dieser Stelle soll nun näher auf einzelne populäre Jugendzeitschriften eingegangen werden, wobei hier nur eine Auswahl aufgezeigt werden kann. Da die BRAVO im weiteren Verlauf der Arbeit noch detailliert dargestellt wird, soll sie hier nicht weiter behandelt werden. Der folgende Teil bezieht sich im Wesentlichen auf die Auflagenzahlen der IVW 3/2005, die „Media Analyse (MA) 2005 Presse II“23, die Studie des Bauer Verlags über den Markt der Jugendzeitschriften sowie auf die Analysen von Müller24 beziehungsweise von Baacke und Lauffer.25

Popcorn ist nach BRAVO mit rund 309.000 verkauften Exemplaren die Nummer zwei unter den populären Jugendzeitschriften. Laut der „MA 2005 Presse II“ besitzt Popcorn eine Reichweite von 0,8 %, beziehungsweise 540.000 Lesern26 unter der Gesamtbevölkerung ab 14 Jahren. Das Magazin erscheint monatlich bei AS Young Mediahouse und existiert seit 1978. Als General-Interest-Magazin weist es wie BRAVO ein breites Themenspektrum rund um Musik, Kino, Fernsehen, Liebe und Sexualität auf und richtet sich vor allem an 12- bis 17-Jährige. Das Hauptaugenmerk liegt allerdings auf den Stars, die Popcorn zu einem People-Magazin machen, das seinen Lesern ihre Lieblinge pro Ausgabe auf bis zu zehn Postern präsentiert.

Vom Bauer Verlag als direkte Konkurrenz angesehen wird Yam!. Diese Jugendzeitschrift erscheint wie BRAVO wöchentlich zum Preis von 1,30 € und zeichnet sich durch ähnliche Themeninhalte aus. Dazu gehören Klatsch und Tratsch aus dem Musik- und Showbusiness, Fotoroman, Reportagen und Lebensberatung für Jugendliche. Wie Popcorn gehört Yam! zum AS Mediahouse und erscheint dort seit dem Jahr 2000. Die verkaufte Auflage liegt bei 208.000 Exemplaren und damit besetzt Yam! Platz drei unter den Zeitschriften des General-Interest. Die Reichweite beträgt allerdings wie bei Popcorn 540.000 Leser innerhalb der Gesamtbevölkerung. Mit Yam! sollen ebenfalls vor allem die 12- bis 17-Jährigen angesprochen werden.

Neben diesen beiden Zeitschriften sollte man im General-Interest-Bereich noch hey! anführen, das erst seit September 2004 auf dem Markt ist. Dennoch werden mit 150.000 verkauften Zeitschriften doppelt so viele Exemplare abgesetzt wie bei Stafette, die bereits seit 1957 existiert und wie BRAVO fest am Markt etabliert ist. Beide Jugendzeitschriften erscheinen monatlich, hey! im Panini Verlag, Stafette im Sailer Verlag, wobei Stafette ausschließlich über ein Abonnement zu beziehen ist.

Betrachtet man die Zahlen der „MA 2005 Presse II“ näher, so fällt auf, dass unter den Lesern der General-Interest-Zeitschriften meist mehr Frauen beziehungsweise Mädchen zu finden sind. Bei Popcorn beispielsweise spaltet sich die Leserschaft laut „MA 2005 Presse II“ in 170.000 männliche und 370.000 weibliche Leser. Ähnliche Verhältnisse finden sich auch für die anderen Titel des General-Interest. Allgemein lässt sich feststellen, dass Mädchen eher General-Interest-Titel und Jungen vor allem Special-Interest-Magazine lesen.27 Doch selbstverständlich lesen Mädchen auch Special-InterestBRAVOComputer BILDComputer BILD SpieleBRAVOGeneral-InterestYam!Popcorn28SpecialInterest29BRAVOSpecial-InterestSpecial-Interest