Cover-EBook





Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Für die Inhalte ist der Autor verantwortlich. Jede Verwertung ist ohne seine Zustimmung unzulässig. Die Publikation und Verbreitung erfolgen im Auftrag der Autorin, zu erreichen unter: tredition GmbH, Abteilung „Impressumservice“, Halenreie 40–44, 22359 Hamburg, Deutschland.


© 2022 Helen Sonntag

Lektorat: Deborah Emrath · deborah-emrath.de

Satz & Layout / e-Book: Büchermacherei · buechermacherei.de

Covergestaltung: Ooografik · ooografik.de

Fotos: Privat

Illustrationen: Helen Sonntag

Bildquellen: #237155498, #193867027, #9209004, #24419299; #54127426, #84750503 | AdobeStock


2. komplett überarbeitete Auflage


Druck und Distribution im Auftrag der Autorin:

tredition GmbH, Halenreie 40–44, 22359 Hamburg, Germany



ISBN Softcover: 978-3-347-59931-4

ISBN Hardcover: 978-3-347-59932-1

ISBN E-Book: 978-3-347-59933-8

Vorwort

Unsere erste Reise in Südafrika unternahmen wir vor vielen Jahren als Teil einer Reisegruppe, die ein Pauschalangebot mit einer örtlichen deutschsprechenden Leitung gebucht hatte. Schon die zweite Nacht versprach Abenteuer, denn unser „Zimmer“ war ein geräumiges Wohnzelt mit Schlafzimmer, Badezimmer und einer Terrasse, aufgebaut auf einem Holzplateau, ein sogenanntes Tented Camp. Dort hing eine Trillerpfeife an einem Gummiband über dem Bett.

„Was soll das denn?“, fragte ich belustigt den Ranger, der uns zu unserem Zelt gebracht hatte.

„Damit könnt ihr Alarm schlagen, falls Schwierigkeiten auftreten. Wir Ranger patrouillieren die ganze Nacht. Jemand kommt dann zu euch.“ Er schaute mich an und fuhr nach einer kleinen Pause fort: „Falls ihr in akuter Gefahr seid, nehmt aber bitte die Druckluftfanfare. Dann eilen sofort alle Wildhüter herbei.“

In der festen Überzeugung, dass ein hoher, womöglich elektrischer Zaun das Camp beschützte, fragte ich immer noch heiter: „Und was wäre so eine Notlage?“

„Na, wenn ein Löwe neben dem Bett steht.“

Ich spürte deutlich, dass er nicht sicher war, ob ich ihn ernst nehme. Er gab dann noch die Anweisung, dass wir uns auf keinen Fall im Dunkeln allein außerhalb des Zeltes bewegen sollten. Nachdem er uns pünktlich, mit geschulterter Waffe, zum Abendessen abholte und andere Teilnehmende sich besorgt darüber unterhielten, dass nur ein dünner Draht das Camp umrundete, wurde mir bewusst, dass ich in der afrikanischen Wildnis angekommen und dies bei allem Komfort kein Hotel war.

Bereits die nächsten Reisen durch Südafrika und Namibia organisierten wir selbst. Begierig saugten wir die Informationen und Erzählungen der Guides auf, lernten immer Neues hinzu. Die Stationen, an denen wir nicht von einem Ranger in der Pirsch geführt wurden, mehrten sich mit jeder Tour. Jedes Erlebnis, sei es eine von Elefanten blockierte Straße oder ein faules Löwenrudel, das einen ganzen Tag unter einem schattenspendenden Baum lag, erweiterte unseren Erfahrungsschatz als Selbstfahrer in den Naturschutzgebieten und machte uns mutiger.

Dann ist es endlich so weit, uns einen Traum zu erfüllen: Eine Reise durch den Chobe Nationalpark, zu den Victoria-Wasserfällen und ins Okavango-Delta. In allen Beschreibungen stehen nur Superlative: einzigartiges Ökosystem, große Wildtierherden, eine der beeindruckendsten Landschaften der Welt, eine der letzten Wildnisse Afrikas.

Haben Sie eine Vorstellung von unberührter Wildnis? Mythos und Abenteuer. Herausforderung und Pirschglück. Eins sein mit der überwältigenden Natur.

So viele Eindrücke prallen gleichzeitig auf uns ein, dass wir mehrere Augenpaare, Ohren und Nasen besitzen müssten, um alles wahrnehmen zu können. Hier die Landschaft, dort die Elefanten, Giraffen, Löwen, Adler. Hinzu kommen die Erwartungen: Stellt sich das Pirschglück für die großen Tiere ein oder fokussieren wir uns ganz auf die kleinen Stars des Tierreichs? Welche Spuren erkennen wir, können wir ihnen folgen oder verlieren sie sich? Herrscht wirklich Stille oder gibt es außer dem leichten Blätterrauschen auch Tierstimmen? Hören wir normale Laute oder Warnrufe? Wonach riecht es hier? Ist das der Geruch eines Löwen? Hat die Sonne einen Tierkadaver getrocknet oder das, was davon übriggeblieben ist? Weht der Wind die Aromen des wilden Salbeis heran? Dort hat der von Elefanten umgestoßene Mopane-Baumstamm ausgeschlagen und wird so zum Lebensraum von Schlangen und Käfern. Alle Sinne sind geschärft.

Zusammen mit den Tieren wachen wir morgens lange vor Sonnenaufgang auf und können es kaum abwarten, nachzuschauen, was um uns herum in der Nacht passiert sein könnte. Gibt es Fußspuren neben unserer Leiter? Welche Erlebnisse wird der neue Tag bringen? Jede Stunde, jede Minute ist etwas Besonderes. Die Freude über außergewöhnlich schöne Begegnungen mit den freilebenden Tieren rollt wie eine heiße Welle durch den Körper und drückt Tränen in die Augen. Fortan existiert in mir ein inneres Leuchten, das mich diese Episoden nie vergessen lässt.

Manchmal ist es einfach nur das Verhalten eines Tieres, das mich tief beeindruckt. So werde ich nie vergessen, wie wir nur wenige Meter von einem Wasserloch entfernt saßen und eine Elefantenherde beim Trinken beobachteten. Was mich daran immer fasziniert, ist dieses sanfte Miteinander und wie sie deutlich erkennen lassen, dass sie uns Menschen beobachten und trotzdem ganz ruhig bleiben. Aber es gibt Situationen, die schwer zu ertragen sind. Wenn Löwen ein Büffelkalb gerissen haben und jede Katze aggressiv ihre Stelle, an der sie frisst, verteidigt. Schlimm, wenn der hohe Klagelaut des Opfers noch in der Luft hängt. Ich möchte einstimmen und ein lautes „Nein!“ rufen. Das Herz schmerzt. Doch für die Löwen ist es ein weiterer Tag, den sie in der Wildnis überleben.

Wir reisen mit einem gemieteten Geländewagen durch diese beeindruckende Landschaft, schlafen in einem Zelt auf dem Autodach, benutzen Gemeinschaftsduschen, bereiten unser Essen selbst zu und sind ohne Unterstützung auf unseren Pirschfahrten.

Ich war mir vor der Reise nicht sicher, ob ich mich mitten in der Wildnis ohne den Schutz von Zäunen und vor allem ganz auf uns allein gestellt wohl fühlen würde. Geraten wir in Schwierigkeiten? Und wenn ja, können wir sie bewältigen? Stundenlang keinem Menschen zu begegnen, sondern allein mit der Natur und den Tieren zu sein, das war unser Wunsch. Aber was, wenn etwas passiert? Immer wieder kreisten in der Vorbereitung die Gedanken um diese Frage.

Wenn wir morgens nach dem Frühstück zum nächsten Camp aufbrechen, dann kommen wir meist am späten Nachmittag an. Aber auch diese Camps sind eher klein. Sie verfügen über fünf bis vierzehn Stellplätze, die offen in der Landschaft liegen. Tiere besuchen diese Orte wie selbstverständlich – einige nachts, andere tagsüber. Unmittelbarer kann man Natur nicht erleben und von ihr auf immer eingefangen werden.

Ich wünsche Ihnen viel Vergnügen!

Ihre Helen Sonntag, April 2022

Karte_Botswana

Das Ziel

Warum ist Botswana eigentlich so ein Traumziel für Naturliebhabende?

Es gehört zu den am dünnsten besiedelten Ländern der Welt. Rund 70 % der Batswana leben in den Städten und deren Umland. Bei gut zwei Millionen Einwohnern auf 582 000 km2 bleibt viel Fläche für Natur übrig. Zum Vergleich: in Deutschland leben 233 Menschen auf 1 km2, in Botswana sind es nur vier Menschen.

Ein Großteil des Landes besteht aus der Halbwüste Kalahari. In den Dorn- und Grassavannen, Salzpfannen und Salzseen herrscht semiarides Klima. Das heißt, die Verdunstung übersteigt den Niederschlag in mindestens sechs und bis zu neun Monaten des Jahres. Temperaturunterschiede von über 20 °C zwischen Tag und Nacht sind normal. Die Pflanzenarten und die Tiere im südlichen Afrika passten sich an dieses trockene Klima an, so dass sie gute Lebensbedingungen vorfinden. Antilopen wie der Springbock können in der Wüste monatelang überleben, ohne etwas zu trinken. Flüssigkeit erhalten sie über das Gras, das sie fressen. Selbst Elefanten leben in der Wüste. Sie spüren Grundwasser auf, graben mit ihren Stoßzähnen danach und sorgen so für neue Quellen, die dann auch andere Tiere nutzen. Wegen der Trockenheit können viele Kalaharikäfer nicht mehr fliegen, da der Feuchtigkeitsverlust während des Fluges viel zu hoch wäre. Sie stellen in der Nahrungskette eine wertvolle, weil Feuchtigkeit spendende Nahrung für das Wüstenchamäleon dar.

Die Besonderheit in Botswana ist das berühmte Okavango-Delta im Nordwesten. Der Okavango entspringt im regenreichen Hochland von Angola und floss bis vor einigen tausend Jahren in den Sambesi und mit diesem weiter in den Indischen Ozean. Durch eine tektonische Verschiebung der Erdplatten ist diese Verbindung gekappt und der Okavango ergießt sich in die Kalahari und bildet das weltweit größte Inlandsflussdelta. Es umfasst bei Niedrigwasser rund 16 000 km2 und bei Hochwasser rund 20 000 km2. Das Delta bietet mit einem Labyrinth aus Inseln, Lagunen und Kanälen einen einzigartigen Lebensraum für fast 2 000 Arten von Pflanzen, Vögeln, Säugetieren, Fischen, Amphibien und Reptilien.

Diese Aufzählung mag für viele eher trocken anmuten; bei mir verursacht sie eine Gänsehaut, weil ich doch weiß, wie viele Schönheiten darin enthalten sind.

Botswana beteiligt sich an dem weltweit zweitgrößten, zusammenhängenden Schutzgebietsnetzwerk der Erde mit dem Namen Kavango Zambesi Transfrontier Conservation Area – kurz: KAZA. Es verbindet über Korridore einundzwanzig Nationalparks und Wildreservate auf rund 520 000 km2 in den Ländern Angola, Botswana, Namibia, Sambia und Simbabwe. Insbesondere soll es der größten afrikanischen Elefantenpopulation mit rund 250 000 Tieren ungehinderte Wanderungen ermöglichen. Für die Suche nach Nahrung aus Gras, Blättern, Baumrinde und Früchten ziehen sie nämlich ständig umher – man sagt, über das Jahr würden sie mehrere tausend Kilometer zurücklegen. Ihr Radius wird dabei stark vom jeweiligen Nahrungsangebot, von menschlichen Siedlungen und von staatlichen Grenzbefestigungen bestimmt. Das Projekt soll aber nicht nur den Tieren nutzen, sondern auch den dort lebenden Menschen, denn nichts ist für eine Elefantenherde leichter, als mal eben ein Getreidefeld zu plündern. Das wiederum führt dazu, dass die geschädigten Bauern den Wilderern einen geldwerten Tipp geben, wo sie gerade kapitale Bullen oder Kühe finden können. Damit der Elefant lebendig einen höheren Wert als sein gewildertes Elfenbein hat, sind die Gemeinden künftig an den Erträgen aus dem Tourismus beteiligt, sollen aber auch lernen, wie sie die Dickhäuter von ihren Feldern fernhalten.

Im Nordosten Botswanas sahen wir, wie viele Elefanten dort leben – sie treten wirklich überall auf, selbst direkt neben der Asphaltstraße laben sie sich an den Büschen. Ich hoffe sehr, dass sich die Situation für Mensch und Tier schnell entspannt.

Safari – Lodge oder Camping?

Mitten im deutschen Winter beginnen wir mit der konkreten Planung. Wir, das sind Sally, Wouter, Jack und ich. Gemeinsam besitzen wir viel Erfahrung mit Reisen im südlichen Afrika. Schon das Buchen der Flüge ist dieses Mal eine Herausforderung. Je näher wir an unseren Wunschtermin im September herankommen, umso teurer werden die Tickets. Also verschieben wir den Abflug nach Johannesburg auf Ende August.

Es soll eine individuelle und gleichzeitig bezahlbare Reise werden. Wir stecken die Urlaubskasse lieber in gute Unterkünfte, Erlebnisse vor Ort wie z. B. einen Helikopterrundflug oder einen Scenic Flight und gute Verpflegung.

Wenn es nach mir ginge, würden wir an den einzelnen Stationen in guten Lodges übernachten, die die Standardaktivitäten anbieten wie Pirschfahrten morgens und abends mit Begleitung durch einen erfahrenen Safari-Guide, der uns viel zu Flora und Fauna erzählt und den ich mit meinen Fragen löchern kann. Die Lodges bieten leckere Mahlzeiten aus regionalen Lebensmitteln. Ich liebe die Küche des südlichen Afrikas, insbesondere das Wildfleisch. Außerdem haben wir besondere Anlässe: Mein Mann Jack hat Geburtstag und wir wollen unseren Hochzeitstag im September in Afrika feiern.

Ein Blick in die Kataloge und auf die Homepages der infrage kommenden Lodges mit den wohlklingenden Namen beendet allerdings sehr schnell die Frage, ob wir in Lodges übernachten. Der Standardpreis pro Übernachtung, dann allerdings mit Vollpension einschließlich der Getränke und aller Aktivitäten, liegt bei deutlich über fünfhundert Euro pro Person und Nacht. Echt jetzt? Kann man da nicht mit preiswerten und teuren Lodges mischen? So, wie wir es sonst tun? Nein, da wir uns in einem Gebiet aufhalten, in dem es nur wenige Lodges gibt.

Die Entscheidung gegen Lodges hat große Auswirkungen auf die gesamte Reise. Wir müssen uns selbst versorgen mit Essen und Trinken – auch die für jeden Tag notwendige Menge an Trinkwasser, wofür man fünf Liter pro Person pro Tag kalkuliert. Auf unseren Pirschfahrten begleitet uns kein Guide, sondern wir müssen die Tiere selbst finden, selbst die Spuren lesen und an Wasserlöchern warten, ob sich Durstige nähern. Der zwischen den Rangern übliche Austausch zu den besten Hotspots über Funk ist für uns nicht verfügbar. Unsere Augen sind mittlerweile jedoch daran gewöhnt, die Gegend so zu scannen, dass möglichst jede Abweichung registriert wird. Ist es Sand unter dem Gebüsch dahinten oder liegt dort ein Löwe? Ist das Graue hinter den Bäumen ein großer Schatten oder ein Elefant? Im diffusen Licht mit etwas Entfernung nicht immer sofort erkennbar.

Sally und Wouter waren im letzten Januar mit einem Camper im Kgalagadi Transfrontier Park in Südafrika. Sie schwärmen von den Naturerlebnissen und der Ungebundenheit bei einem Campingurlaub. Da bin ich nun sehr skeptisch. Ich habe einmal in meinem Leben in einem Zelt übernachtet: in meiner frühen Jugend im Münsterland. Es war frisch und regnete. Meine größte Sorge ist, dass mir das Autodach zu hart wird. Außerdem lehne ich es rigoros ab, in einem Bodenzelt zu schlafen. Während der Vorbereitung habe ich von einem Paar gelesen, das nachts unsanft von Hyänen geweckt wurde, die an die vergrabenen Essensreste der vorherigen Gäste heranwollten. Das Bodenzelt war genau an dieser Stelle aufgestellt.

Zu den Campingplätzen sind schnell die wesentlichen Stationen ermittelt und die verfügbaren Plätze angefragt. Die Buchung in den Parks läuft manchmal kompliziert. Mal funktioniert vor Ort die Direktbankverbindung nicht, mal kommen keine Antworten auf die Mails. Afrikanisch halt. Wie war das? Europäer haben die Uhr, Afrikaner die Zeit.

Am Ende lässt sich mit einigen Anrufen dann doch alles regeln.

Welches Auto?

Jack hat sich zur Vorbereitung zu Offroad-Fahrtrainings angemeldet. In voller Safarimontur fährt er morgens los. Mir klingen noch die Worte im Ohr: „… die Fahranforderungen im Gelände üben und dabei authentisch sein.“ Dafür braucht man Trekkingschuhe, Safarihose und Dundee-Hut? Trainiert wird in Deutschland, nicht in Afrika! In den Gewässern hier leben keine Krokodile und in den Grasbüscheln verstecken sich keine giftigen Puffottern.

Er übt Jeep fahren im offenen Gelände, im tiefen Sand und auf Schotter. Er manövriert den Jeep extreme Steigungen rauf, runter und längs. Er soll lernen, wann er wie viel Reifendruck benötigt. Wie und wann er den Allradantrieb zuschaltet. Worauf er zu achten hat, wenn sich der Schwerpunkt des Autos durch eine hohe Last wie dem Zelt auf dem Dach verändert. Und vor allem, wie man durch tiefes Wasser fährt. Wasser, das bis zur Motorhaube reicht. Schließlich wollen wir in ein Gebiet, das oftmals überflutet wird und wo man auch auf den Hauptstraßen nicht davor geschützt ist, ein tiefes Gewässer ohne Brücke überwinden zu müssen.

Gegen Abend wird klar, warum er sich die Safarikleidung angezogen hat. Völlig verdreckt, verschwitzt und voller Begeisterung steht er mit einem breiten Lächeln vor mir. Das Training war ein großer Erfolg.

Als Nächstes schauen wir, welche Autos es überhaupt für unser Vorhaben gibt und stellen fest: jede Menge Campingfahrzeuge. Standardmäßig drängt sich gleich Toyota in den Vordergrund. Auf unseren bisherigen Touren haben wir bemerkt, wer in Afrika keinen Toyota fährt, hat sich für Nissan entschieden. Natürlich gibt es deutsche und andere Marken. Aber am häufigsten sieht man auf den Straßen Toyota. Das hat natürlich den Vorteil, dass bei einer Panne die nächste Werkstatt auf jeden Fall helfen kann. Und wenn es keine Werkstatt gibt, dann helfen Einheimische, die ja an den eigenen Wagen immer wieder selbst Hand anlegen müssen. Unsere Erinnerungen an verschiedene Situationen wie zum Beispiel den platten Reifen auf unserer Reise im Süden Namibias und den geplatzten Reifen in Windhoek sind auf der Stelle präsent. Damals waren ortsansässige Helfer da, die mit primitiven Mitteln alles reparieren konnten. Eindrucksvoll. Und ganz wichtig.

Wir diskutieren über die Vor- und Nachteile einzelner Modelle. Schließlich verabreden wir, dass jedes Paar sich unabhängig voneinander für ein Gefährt entscheidet. Dass es nur mit zwei Autos funktionieren kann, haben wir bereits zu Anfang geklärt. So können wir uns im Fall der Fälle gegenseitig abschleppen oder sogar auf einen Wagen umsteigen.

Jack und ich haben klare Vorstellungen von unserem Auto: Es soll rundum Scheiben aufweisen, damit man vom Vordersitz auch erleben kann, was hinter dem Auto passiert, es soll PS-stark sein, über Allradantrieb verfügen, damit es alle Hindernisse überwindet, Rücksitze wären gut, damit man mal zu viert darin Platz hat und es soll nachweislich geländeerprobt sein. Welches ist eigentlich das Standardauto der Südafrikaner? Der Toyota Land Cruiser!

Er gilt als eines der robustesten Offroad-Fahrzeuge. 4,2 Liter Dieselmotor und 140 Liter Tankinhalt versprechen Kraft und Reichweite, was wichtig ist, da es in den Wildgebieten nur an zwei Stellen Tankmöglichkeiten gibt. Außerdem besitzt der Land Cruiser ein Differentialgetriebe für die unwegsamen Streckenabschnitte, insbesondere, wenn der Untergrund aus losem Sand besteht.

Die wichtigen Offroad-Ausrüstungen an Bord sind eine Seilwinde, wenn wir uns festgefahren haben und mit eigener Kraft herausziehen müssen, einen Hi-Lift Jack, um das Auto zum Beispiel für einen Reifenwechsel sicher aufzubocken und ein Abschleppseil.

Bei der Größe von 4,70 m Länge, 1,80 m Breite und 1,90 m Höhe könnte ich quer auf den Rücksitzen schlafen, falls ich nicht ins Dachzelt mag.

Zur Campingausstattung gehören Matratze, Schlafsack, Kühlschrank, Tisch, Stühle, Geschirr und Besteck, Gasflasche, Töpfe, Pfannen und viele weitere Kleinigkeiten.

Packlisten

In den nächsten Wochen und Monaten tauschen wir mit Sally und Wouter regelmäßig Pack- und Einkaufslisten aus. So vieles will und muss bedacht werden. Dauernd kleben kleine gelbe Zettel mit Ideen und Fragen an der Pinnwand.

Neben Reisepass, aktualisiertem Impfpass, Bargeld in Euro und US-Dollar, Kreditkarten, Bestimmungsbüchern, Kladde und Stiften stehen auf der Packliste Taschenlampe, Stirnlampe, Fernglas, Fotoapparat, Taschenmesser, Hut, Kappe, Treckingschuhe, Schlafsack-Inlett, Inlett, Polo-Shirts, Safarihosen, Bikini, Badehose, Schal, Fleece-Jacke, Ersatzbrille, Sonnenbrille und Ladybags.

Handtaschen? Im Campingurlaub? Während der Vorbereitung habe ich zu vielen spannenden Fragen recherchiert, zum Beispiel: Was mache ich, wenn es dunkel ist, ich im Dachzelt liege, aber so dringend pinkeln muss, dass ich nicht warten kann, bis es hell wird? Da kommt die Ladybag ins Spiel, es handelt sich nämlich um ein Taschen-WC für Frauen.

Und wozu braucht man eine Stirnlampe, wenn man eine Taschenlampe hat? Sie ist ganz wichtig, wenn man im Dunkeln das Lagerfeuer aufschichten und anzünden will. Oder Kartoffeln schält oder das Fleisch auf den Grill legt oder das Dachzelt auf- oder abbaut. Also immer dann, wenn man im Dunkeln beide Hände benötigt, ist die Stirnlampe der Taschenlampe um Längen voraus.

Das umfasst aber noch lange nicht die gesamte Ausrüstung. Echte Outdoor-Freaks haben natürlich einen Leatherman bei sich. Das ist ein Multifunktionswerkzeug, das nicht nur aus Taschenmesser, sondern auch aus zusammenfaltbarer Kombinationszange und vielen weiteren Utensilien besteht.

Hinzu kommen Adapter, Tischleuchte, Feuerzeug, Sparschäler, Geschirrtücher, Wäscheleine, Klammern, ein gutes Küchenmesser, Reiseapotheke, Nobite, Nachtsichtgerät, portables Navigationsgerät, Ladegeräte, 12-Volt-Verteiler, Gummispanner, Kabelbinder, das immer einsetzbare Panzerband und die Walkie-Talkies zur Verständigung von Auto zu Auto.

Ich bin ehrlich: Es hat noch keinen Abflug gegeben, bei dem wir nicht während der Sicherheitskontrolle am Flughafen ausführlich überprüft wurden. Mit diesem technischen Equipment im Handgepäck mussten wir regelmäßig den Rucksack öffnen und zur Sprengstoffkontrolle.

Da wir unsere Treckingschuhe zum Flug tragen, müssen wir diese jedes Mal ausziehen.

Wir sind der Horror für jeden Businessflieger, der mit kleinem Handgepäck reist und sich unvorsichtig hinter uns in die Sicherheitskontrolle einreiht.

Auch die Liste für den ersten Einkauf nach der Auto-Übernahme ist lang, da wir möglichst erst in Kasane erneut einkaufen wollen und das Angebot in Johannesburg um ein Vielfaches umfangreicher ist. Das Wichtigste: Für jede Person kaufen wir einen Fünf-Liter-Kanister Wasser für jeden Tag der Reise. Dazu noch ein paar Flaschen mit 1 l und 500 ml Fassungsvermögen, die regelmäßig aus den Kanistern aufgefüllt werden und während der Fahrt einfacher zu handhaben sind. Im Liquor Store kommen dann noch Wein im Container und Bier in Dosen hinzu.

Ansonsten steht alles auf dem Zettel, was man braucht, um satt zu werden und was sich hält: Müsli, Cornflakes, Trockenobst, Marmelade, Nutella, Nüsse, Kekse, Fruchtsäfte, Softdrinks, Joghurt, Äpfel, Gemüse, Kürbisse, Kartoffeln, Zwiebeln, vakuumverpacktes Grillfleisch, Kaffee, Tee, Grillgewürz, Pfeffer, Salz, Dosenobst, -würstchen und -gemüse, Margarine, abgepackter Käse und Dauerwurst, Eier, Grillsaucen, Senf, Essig, Öl, Biltong, Nudeln, Reis, Zucker, Mehl, Trockenhefe, Knäckebrot, Brot und Chips. Wobei wir das Grillfleisch und die Äpfel erst in Kasane kaufen können.

Biltong? Das kannte ich vor meiner ersten Reise auch nicht. Im siebzehnten Jahrhundert wurde von den Siedlern – den Vortrekkern – im südlichen Afrika Wildfleisch wie Springbock, Strauß oder Kudu in lange dünne Streifen geschnitten, insbesondere mit Salz, aber auch mit Pfeffer und Koriander gewürzt und an der Luft getrocknet. So wurde es haltbar und sicherte auf den langen Trecks durch das Land nicht nur die Fleischversorgung, sondern bei der Hitze auch den hohen Salzbedarf. Heute machen verschiedene Fleischsorten, vielfältige Gewürze und eine gute Handwerkskunst das Trockenfleisch zur Delikatesse, zur einfachen Wegzehrung, zum schnellen Snack oder zur Knabberei beim Bier.

Hinzu kommen auf die Liste: Filtertüten, Kerzen, Streichhölzer, Alufolie, Mülltüten, Küchenrollen, Toilettenpapier, Spülmittel, Spültuch, Grillanzünder, Grillkohle, Batterien und Feuerzeuggas.

Und natürlich bereiten wir uns auf Ernstfälle vor. So haben wir ein Satellitentelefon dabei für die Gegenden, in denen es kein Handynetz gibt. Nach ärztlicher Beratung umfasst die Reiseapotheke Breitbandantibiotika, Malariamittel, Verbandsmaterial, Spritzen, ein Schlangenbiss-Kit für die Erstversorgung und vieles mehr. Die Rufnummer der botswanischen Luftrettung und natürlich die Mitgliedsnummer des ADAC, der weltweit kooperiert, sind griffbereit.

In den Monaten vor der Reise beschäftigt uns wiederholt die Frage des Essens, vor allem die Zubereitung der Mahlzeiten, denn es steht jeden Abend nur der Grill auf der Feuerstelle und ein Gaskocher zur Verfügung. Doch das letzte, was wir wollen, ist, schlecht zu essen. Also backen wir im Frühsommer bei jeder Gelegenheit Pizza auf dem Grill, um zu testen, wie der Hefeteig beschaffen sein muss und auf welcher Unterlage der Teig am besten backt. Benötigen wir einen Pizzastein oder reicht eine eingefettete Pfanne? Warum wir so einen Aufwand betreiben? Ganz einfach: Wir können in Botswana nur an wenigen Stellen Brot kaufen und müssten es eigentlich im Kühlschrank lagern, damit es nicht schimmelt. Der wird aber mit anderen leckeren Sachen wie Fleisch, Wurst, Butter, Obst etc. voll sein. Falls das Brot also ungenießbar wird, benötigen wir einen Ersatz fürs Frühstück. Da sich Mehl und Trockenhefe ohne Kühlung längere Zeit halten und eine Feuerstelle an jedem Campingplatz dazugehört, wäre es das Einfachste, das Brot selbst zu backen.

Die Hinreise

Es ist Ende August, ein sonniger, warmer Freitag, elf Uhr. Der lang ersehnte Tag. Meine Schwiegereltern stehen vor der Tür, sie werden uns zum Flughafen bringen. Unser Gepäck steht bereit: die beiden großen Hartschalenkoffer, der Rucksack mit den technischen Geräten wie den Kameras, den Taschenlampen und diversem Zubehör, meine Tasche mit der Reiseliteratur, die zwei Ferngläser. Jedes Gepäckstück ist genau überlegt, verstaut und muss in den Kofferraum.

In so einen Urlaub zu starten ist anders als an die Nordsee zu fahren oder nach Mallorca zu fliegen. Es birgt etwas Ungewisses. Ich kann mir nur theoretisch vorstellen, was alles passieren könnte, aber ob es so eintritt oder uns ganz andere Herausforderungen erwarten, das wissen wir nicht. Ich schaue zurück. Dieser Blick ist eine letzte Versicherung, was ich zurücklasse. Ich werde weit weg sein von zu Hause, nicht nur in Kilometern, sondern auch im Herzen und im Kopf. Ich werde mich einlassen auf eine fremde Welt. Eine Welt, in der ich mich nur bewähre, wenn ich mit allen Sinnen dort bin. Angst habe ich nicht, aber ich spüre eine angenehme Aufgeregtheit, endlich geht es los und ich sehne mich nach dem Gefühl, in Afrika zu sein – diese innere Ruhe, die sich bei jedem Aufenthalt in mir ausbreitet.

Als wir den heimischen Regionalflughafen erreichen, spulen wir die Routine ab. An unserem Check-in-Schalter ist so gut wie nichts los. Wir sind für beide Flüge registriert, also den Inlandsflug nach Frankfurt und den Interkontinentalflug nach Johannesburg. Die Koffer wiegen gerade unter 23 kg. Wir gehen direkt zum Sicherheitscheck, damit meine Schwiegereltern eventuell nicht erlaubte Dinge mit nach Hause nehmen können. Der Rucksack wird gründlich untersucht. Und tatsächlich, das Spiralschloss darf nicht in das Handgepäck und muss zurückbleiben. Gut, dass die beiden gewartet haben.

Ich bin dann doch etwas überrascht, was Jack an kleinen Dingen eingepackt hat. Unser technisches Equipment liegt in seiner Verantwortung. Ich muss meine Schuhe ausziehen und meine Fußsohlen werden kontrolliert. Das große Fernglas muss zum Sprengstofftest. Eine freundliche Dame nimmt uns mit in einen separaten Raum. Das Fernglas wird mit einem Einwegtuch abgewischt. Dann wird das Tuch elektronisch auf bestimmte Partikel untersucht, die üblicherweise bei der Benutzung von Sprengstoff haften bleiben. Sie finden nichts – was wir natürlich so angenommen hatten, trotzdem ist so eine Prozedur spannend.

In Frankfurt gehen wir direkt zu unserem Gate. Die Sicherheitskontrolle passiere ich ohne Probleme. Der Rucksack wird geöffnet und durchsucht, weil auf dem Röntgenbild nur eine einzige schwarze Fläche zu sehen ist. Von den technischen Geräten muss die Campingleuchte zum Sprengstofftest. Der „Wischtest“ wird auch hier vorgenommen und ist, wie zu erwarten, negativ.