Butter bei die Fische

Über Sophie Backsen & Silke Backsen

Foto: © Andreas Hornoff

SILKE BACKSEN, 52 Jahre, ist Biologin, Mutter (von Sophie und ihren drei Geschwistern), politisch aktiv und leidenschaftliche Naturschützerin. Auf der Insel ist sie auch für die Wiesenvögel zuständig. Da sie im Ruhrgebiet aufgewachsen ist, weiß sie aus erster Hand, wie verheerend Umweltverschmutzung ist.

 

SOPHIE BACKSEN ist 23 Jahre alt und Studentin der Agrarwissenschaft in Kiel. Aufgewachsen ist sie auf dem ökologischen Bauernhof ihrer Eltern auf der Insel Pellworm. Aufgrund der besonderen Lage Pellworms und den bereits spürbaren Auswirkungen des Klimawandels setzt sie sich sehr aktiv für den Klimaschutz der Region ein.

Endnoten

https://www.dw.com/de/reichen-deiche-angesichts-des-steigenden-meeresspiegels/av-51696934

https://wiki.bildungsserver.de/klimawandel/index.php/Meeresspiegelanstieg_in_der_Nordsee

https://www.klimareporter.de/protest/worauf-sollen-die-menschen-denn-sonst-noch-hoffen

https://klimakonferenz.org/wie-viel-co2-duerfen-wir-noch-ausstossen/

https://www.greenpeace.de/publikationen/2030_kohlefrei_fraunhofer_iee_greenpeace.pdf

https://www.klimareporter.de/protest/worauf-sollen-die-menschen-denn-sonst-noch-hoffen

https://www.deutschlandfunk.de/klagen-fuer-das-klima-wie-mehr-klimaschutz-vor-gericht-100.html

Siehe Anlage 14, Klageschrift, S. 11, https://act.greenpeace.de/klimaklage

https://act.greenpeace.de/klimaklage

Siehe Anlage 14, Klageschrift, S. 11, https://act.greenpeace.de/klimaklage

Alle Zahlen stammen aus Sebastian Friedrich, »Polit-Talkshows: Studie kritisiert mangelnde Vielfalt«, https://www.ndr.de/fernsehen/sendungen/zapp/medienpolitik/Polit-Talkshows-Studie-kritisiert-mangelnde-Vielfalt, talkshows110.html

Zitiert in https://www.greenpeace.de/ueber-uns/leitbild/klimaklaeger

https://blog.lebelieberlangsam.de/klage

https://www.ipcc.ch/srccl

https://www.deutschlandfunk.de/klagen-fuer-das-klima-wie-mehr-klimaschutz-vor-gericht-100.html

https://www.greenpeace.de/klimaschutz/klimakrise/teilerfolg-klimaklage

https://www.presseportal.de/pm/7666/4357526

https://www.duh.de/vbklima/

https://www.duh.de/presse/pressemitteilungen/pressemitteilung/klimaschutz-vor-dem-bundesverfassungsgericht-klaegerinnen-und-klaeger-fordern-klimaschutzgesetz-das/

https://www.deutschlandfunk.de/klagen-fuer-das-klima-wie-mehr-klimaschutz-vor-gericht-100.html sowie https://www.urgenda.nl/en/themas/climate-case und https://verfassungsblog.de/urgenda-iii-die-niederlande-als-modell-richterlichen-klimaschutzes

Verfassungsbeschwerde, Zusammenfassung, S. 5, https://www.greenpeace.de/klimaschutz/klimakrise/zweite-klimaklage-verfassungsbeschwerde

Ebenda, S. 8.

Ebenda, S. 59.

Ebenda, S. 33ff.

Zusammenfassung der PK von Phoenix: https://www.youtube.com/watch?v=3TYYhfRzaXo

Stellungnahme (S. 15) – aus der Erwiderung von Roda Verheyen, S. 8, https://www.greenpeace.de/klimaschutz/klimakrise/zweite-klimaklage-verfassungsbeschwerde

Erwiderung, S. 8, https://www.greenpeace.de/klimaschutz/klimakrise/zweite-klimaklage-verfassungsbeschwerde

https://www.greenpeace.de/klimaschutz/mobilitaet/klimaschaedliche-subventionen

https://www.tagesschau.de/inland/klimaziel-2020-101.html

https://www.tagesschau.de/ausland/europa/wmo-naturkatastrophen-101.html

Quelle: https://www.youtube.com/watch?v=uZz8Gtg208U

«Ebenda.

Ebenda.

https://twitter.com/OlafScholz/status/1387693093072277504

https://twitter.com/peteraltmaier/status/1387702594899005443

https://www.tagesschau.de/inland/klimaschutzgesetz-bundesverfassungsgericht-105.html

https://www.tagesschau.de/inland/klimaschutzgesetz-bundesverfassungsgericht-107.html

https://www.zdf.de/nachrichten/politik/klimaneutral-2045-klimaschutzgesetz-co-100.html

https://www.zeit.de/politik/deutschland/2021-05/klimagesetz-svenja-schulze-umsetzung-massnahmen-klimaschutz?page=12

https://www.greenpeace.de/sites/default/files/publications/20210512-greenpeace-kurzanalyse-klimaschutzgesetz.pdf

https://www.greenpeace.de/publikationen/20210512-greenpeace-kurzanalyse-klimaschutzgesetz_0.pdf

https://www.bild.de/politik/inland/politik-inland/aufs-fleisch-und-fliegen-verzichten-so-denken-die-deutschen-wirklich-ueber-klima-76329624.bild.html

https://www.tagesschau.de/inland/btw21/fdp-erstwaehler-101.html

https://www.tagesschau.de/investigativ/swr/studie-klimaziele-ampel-101.html

https://www.peta.de/themen/artensterben/

Weite Teile der Chronik stammen von Greenpeace: https://www.greenpeace.de/klimaschutz/klimakrise/teilerfolg-erster-instanz

Wie alles begann

Sophie Ich hatte eine glückliche, unbeschwerte Kindheit. Meine drei Brüder und ich wuchsen auf einem Biobauernhof auf Pellworm auf, einer nordfriesischen Insel im schleswig-holsteinischen Wattenmeer. Gerade einmal sechs Kilometer lang und sieben breit. Unser Leben war so behütet und frei, wie sich das viele Kinder aus Städten vermutlich kaum vorstellen können. Wir waren so gut wie immer draußen. Die ganze Insel war unser Zuhause. Doch allein schon unser Hof bot jede Menge Platz zum Spielen. Biegt man von der Hauptstraße aus in unsere Auffahrt, so liegt auf der rechten Seite, etwas versteckt hinter Eschen, Pappeln und Weiden, ein Obstgarten. Hier steht man am Fuß unserer Warft, also einer der für Pellworm typischen aufgeschütteten, runden Erdhügel, auf denen die alten Höfe stehen. Von dort läuft man über einen kleinen Weg auf ein großes L-förmiges Haupthaus aus rotem Backstein zu. Zwischen dem Obstgarten und den landwirtschaftlichen Gebäuden befindet sich ein winziges Waldstück, das wir »unseren Wald« nennen. Für uns Kinder war das der schönste Ort, um jedes Jahr immer wieder von Neuem unsere eigene kleine Spielewelt zu entdecken. Aus alten Brettern und Planen, Kisten und Kartons, die wir auf dem Hof fanden,

Wer vom Obstgarten aus unseren »Wald« durchquert und über den großen Hofplatz geht, gelangt geradewegs zu den Ställen. Früher hatten wir hier noch Milchvieh. Doch seit 2004 stehen dort rund 200 Mastrinder, etwa 100 Schafe und zwei Pferde. Wir Kinder hatten im Stall unsere eigenen Aufgaben: Tiere füttern, Pferde striegeln und Stroh einstreuen. Aber auch hier fanden wir regelmäßig eine kleine, sichere Ecke zum Spielen. Wenn im Frühjahr die Lämmer geboren wurden, war das jedes Mal ein besonderer Höhepunkt für uns. Immer gab es dann auch welche, die von ihren Müttern nicht genug Milch bekamen und deshalb von uns mit der Flasche zugefüttert werden mussten. Und jedes Jahr war es das Gleiche: Zunächst rissen meine Brüder und ich uns geradezu darum, den süßen, kleinen Lämmern etwa alle vier Stunden ihr Fläschchen mit warmer Milch zu geben. Doch nach einer Weile wurde uns die Aufgabe zunehmend lästig. Zu unserem Glück gab es dann meistens Feriengäste, die begeistert bei der Fütterung der Lämmer halfen. Mit einer Miene, deren Ernsthaftigkeit dieser wichtigen Angelegenheit angemessen war, erklärten wir ihnen, wie sie die Flasche richtig halten mussten, damit das Lamm im Stehen saugen und dabei den Kopf nach oben heben konnte. Das ist für Anfänger*innen nicht so einfach und bedarf einiger Übung und Erfahrung.

Hatten wir selbst mal einen Rat oder Hilfe nötig, so reichte es, ein Stück die Straße runterzugehen. Nicht weit vom Haupthaus entfernt steht das Haus unserer Großeltern. Für uns Kinder war es toll, in einer Großfamilie aufzuwachsen. Denn so war eigentlich immer jemand da, wenn wir etwas

Um unseren Hof herum liegen Wiesen und Felder, also die für Pellworm typische Kulturlandschaft. Von oben betrachtet sieht die Insel dadurch aus wie ein Teppich aus grünen und braunen Flicken. Hier und dort sind ein paar einzelne Höfe oder andere Gebäude eingesprengselt. Kleinere Baumgruppen oder Tränkekuhlen erzeugen ein weiteres Muster. Ein grüner Deich rahmt sie rundherum ein, in Schuss gehalten von über dreitausend Schafen, die damit im Vergleich zu den gut 1200 Insulaner*innen deutlich in der Überzahl sind. Sobald meine Brüder und ich alt genug waren, mit dem Fahrrad unterwegs zu sein, wurde die ganze Insel zu unserem Reich. Als Kind auf Pellworm aufzuwachsen bedeutet vor allem, frei zu sein – und trotzdem behütet. Wir konnten den ganzen Tag unterwegs sein, ohne dass sich unsere Eltern große Sorgen machen mussten. Niemand kommt schließlich unbemerkt auf die

Für die Kinder auf Pellworm endet die Freiheit des Insellebens mit der zehnten Klasse. Danach beginnt eine andere: Mit sechzehn Jahren ziehen die meisten Jugendlichen von Pellworm aufs Festland nach Husum, um dort eine Lehre zu beginnen oder ihr Abitur zu machen. Gemeinsam mit ihren Geschwistern oder Freund*innen wohnen sie von montags bis freitags in einer Wohnung oder in einem Haus und lernen dort, die Verantwortung für ihren Alltag selbst zu übernehmen. Wäsche waschen? Nicht mehr bei Mama! Kochen und die Wohnung in Ordnung halten, Hausaufgaben machen und einkaufen? Dafür ist man nun alleine zuständig. Jeden Freitagnachmittag geht es zwar nach Hause, und wenn man auf der Fähre in bekannte Gesichter blickt, fühlt man sich auch gleich wieder aufgehoben. Doch jeden Sonntagabend heißt es dann: zurück nach Husum. Als die Älteste von uns vier Geschwistern war ich auch die Erste, die auf diese Weise die Geborgenheit unseres Hofes hinter sich lassen musste. Das fiel mir anfangs ziemlich schwer. Doch schon nach wenigen Monaten fangen wir Pellwormer Jugendliche an, diese neue Freiheit zu genießen und zu nutzen. Über den Inselrand hinauszugucken, hat uns Lust auf mehr gemacht. So ist es vielleicht kein Zufall, dass es mich und meine Brüder noch während der Schulzeit weiter in die Welt hinauszog. Ich verbrachte das

Dennoch fühle ich mich Pellworm zutiefst verbunden. Die Insel ist meine Heimat. Mein Zuhause. Mein Ankerplatz. Auch jetzt, wo ich in Kiel Landwirtschaft studiere, kehre ich fast jedes Wochenende zurück. Schon wenn ich die Fähre betrete, fällt bei mir der Stress ab. Wenn ich dann auf dem Hof helfe oder einen langen Spaziergang mit unserem Hund Mio über den Deich mache, wenn der Himmel grau ist, der Wind weht und ich umgeben von Schafen so richtig abschalten kann, dann weiß ich, dass es für mich nichts Schöneres gibt als ein Leben auf Pellworm.

Und so träume ich davon, nach meinem Studium auf die Insel zurückzukehren. Hier gehören Leben und Arbeiten noch untrennbar zusammen, und das hat für mich einen großen Reiz. Vielleicht kann ich sogar irgendwann den Hof übernehmen, der bereits seit 1703 im Besitz der Familie ist. Ich wäre stolz, wenn ich diese Tradition fortführen könnte. Vielleicht werde ich ja dann wie mein Vater jeden Morgen in die Küche kommen und das Barometer studieren. Vielleicht werde ich wie er jedes Mal über das Wetter schimpfen, das entweder zu kalt oder zu warm, zu nass oder zu trocken ist für das, was ich mir an dem Tag vorgenommen habe. Vielleicht wird mein Vater dann in dem Haus wohnen, in dem bis vor wenigen Jahren noch die Großeltern lebten. Und vielleicht werden es dann irgendwann später meine Kinder sein, die in unserem Wald Bretterburgen bauen, im Frühjahr die Lämmer füttern oder zu Opa rüberlaufen, weil uns Butter fehlt oder Mehl oder Zucker. Vielleicht. Denn die Zukunft unseres Betriebs auf der Insel ist mehr als ungewiss.

Die Klimakrise erreicht Pellworm

Silke Es war ein wunderschöner Tag Mitte Juni 2018. Monatelang hatte es bei uns auf Pellworm geschüttet wie aus Kübeln. Nun sah es so aus, als ob wir alle endlich ein wenig durchatmen könnten. Langsam, aber sicher trockneten die überschwemmten Wiesen und Felder. Unsere Rinder konnten wieder auf die Weide, die Schafe auf den Deich.

Ich hatte mein Auto am Straßenrand abgestellt. Die Sonne schien, ich saß im Wagen und hielt mit dem Fernglas Ausschau nach Wiesenvögeln. Wie die meisten Bewohner*innen von Pellworm habe auch ich mehrere Berufe. Damals war ich nicht nur Mutter von vier Kindern, kümmerte mich um die Schafe und betreute die fünf Ferienwohnungen auf unserem Biobauernhof auf der Edenswarf im Süden Pellworms. Seit 2012 war ich auch für den Naturschutzbund (NABU) als Biologin im Wiesenvogelschutz unterwegs. Die Inseln Föhr und Pellworm haben hier eine besondere Bedeutung, ja Verantwortung, weil es auf ihnen keine für die Vögel gefährlichen Kleinsäuger wie Füchse oder Hermeline gibt. Und so halte ich im Frühjahr tagelang Ausschau nach Kiebitzen, Uferschnepfen, Austernfischern und anderen geschützten Wiesenvögeln.

Die Regenmassen der zurückliegenden Monate waren nicht nur ungewöhnlich gewesen, sondern besorgniserregend. Natürlich ist Wetter nicht gleich Klima. Schon immer hat es besonders nasse, verregnete Winter gegeben. Dennoch war mir als Biologin klar, dass derart extreme Wetterereignisse inzwischen immer deutlicher auf einen Zusammenhang mit der Klimakrise hinwiesen: Weil die Erwärmung durch den Klimawandel sich auch besonders stark auf die Arktis auswirkt, wird der Temperaturunterschied zum Äquator kleiner und das vermindert die Stärke der Jetstreams. Das sind starke Windbänder, die in Schlangenlinien rund um die Erde wehen und auf diese Weise Hoch- und Tiefdruckgebiete erzeugen. Lässt ihre Dynamik nach, bleiben zum Beispiel Tiefdruckgebiete wesentlich länger hängen, als wir das bislang gewohnt sind. Bereits in den Jahren zuvor hatte ich beobachtet, dass die Stürme, die uns früher stets im Herbst getroffen hatten, das Meer nun immer öfter schon im späten Frühjahr oder im Frühsommer an die Deiche peitschten. Mit fatalen Folgen für Vögel wie die Austernfischer, die vor den Deichen im Vorland – also zur Meerseite hin – brüten. Ihre Gelege wurden von dem unerwartet hohen Wasserstand dieser Sommerhochwasser einfach fortgespült. Da halfen auch keine Extraschichten und Sondereinsätze, bei denen ich versuchte, die Eier irgendwie abzufangen und zu retten. Doch in diesem Jahr war es noch mal anders. Es war schlimmer. Vom Herbst 2017 bis zum Frühling 2018 regnete es auf der Insel so unvorstellbar heftig und anhaltend, wie wir es alle bisher noch nicht erlebt hatten.

Doch auch das konnte sie nicht vor der zweiten Groten Mandränke im Oktober 1634 bewahren. Diese war noch schrecklicher als die erste und verwüstete die Küste bis hinunter zur Elbmündung. Das Wasser soll damals rund vier Meter über dem Tidehochwasser gestanden haben. Das entspricht in etwa dem Stand der Flut von 1976, die als eine der größten Sturmfluten in der Geschichte der deutschen Nordseeküste gilt.

Die ganze Landschaft veränderte sich grundlegend: Husum lag auf einmal nicht mehr im Landesinneren, sondern an der Küste. Die Menschen bauten einen Hafen, und die Siedlung entwickelte sich innerhalb kurzer Zeit zu einer bedeutenden Handelsstadt. Außerdem zerrissen die Wassermassen die Insel Strand in die Halbinsel Nordstrand, die Hallig Nordstrandischmoor und die Insel Pellworm. Dazwischen fließt seitdem der Priel Norderhever, also ein Wattstrom, der sich bis zu 30 Meter tief ins Watt eingegraben hat. Viele verließen damals ihre Heimat. Doch es gab auch welche, die blieben und sich daranmachten, das Stück Land dem Meer auf Dauer abzutrotzen. Drei Jahre später, 1637, hatten sie es mit Hilfe niederländischer Siedler*innen geschafft: Ein knapp 30 Kilometer langer Deich schützt bis heute das trockengelegte Marschland, die sogenannten Köge, vor Überflutungen. Unser Hof steht auf der Edenswarf und liegt im Großen Koog der Insel. Heute ist Pellworm die drittgrößte nordfriesische Insel mitten im Nationalpark Wattenmeer und im Biosphärenreservat Schleswig-Holsteinisches Wattenmeer.

Im Laufe des 20. Jahrhunderts wurde der Deich um Pellworm bereits mehrmals erhöht – auf heute acht bis neun Meter.[1] Durch die Klimakrise dürfte der Meeresspiegel bei uns an der Küste Schleswig-Holsteins nach derzeitigen Schätzungen bis Ende dieses Jahrhunderts um rund 0,75 bis 0,8 Meter steigen, sodass wir die Deiche in Zukunft noch weiter erhöhen müssen. Das alleine ist aber vermutlich nicht die größte Gefahr. Das Problem ist vielmehr, dass durch die Erderwärmung auch die Zahl großer Sturmfluten zunimmt. Der steigende

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Dass der Meeresspiegel als Folge der Klimakrise steigt, ist ein eingängiges Bild, das sich in Kinofilmen actionreich inszenieren lässt. Man kann sich die Konsequenzen gut ausmalen: Zahlreiche Großstädte weltweit liegen an Küsten und sehen sich von dem steigenden Meeresspiegel bedroht. Viele Menschen sind in Gefahr. Solche Szenarien können einem schon Angst machen.

Was das bedeutet, konnten meine Familie und ich zwischen Herbst 2017 und Frühsommer 2018 gewissermaßen im Zeitraffer beobachten. Dazu mussten wir nur in unserer Küche aus den Fenstern blicken: Seit Wochen regnete es bei uns auf der Insel – und zwar heftig. Nach vorne raus standen die alten Obstbäume komplett unter Wasser. Zur anderen Seite hin sah die Lage auf den Wiesen und Äckern unseres Hofes noch schlechter aus. Dort war nur noch nasser Matsch. Wir konnten förmlich dabei zugucken, wie das Wasser in den Gräben stieg und stieg und stieg. Mein Mann Jörg hatte noch versucht, das Wasser auf den Feldern und Weiden zusätzlich abzugraben, aber vergeblich.

Dazu muss man wissen, dass weite Teile von Pellworm unter dem Meeresspiegel liegen. Der Deich, der die Insel komplett umgibt, schützt uns zwar vor der Überflutung durch das Meer. Er macht Pellworm aber gleichzeitig auch zu einer Art Wanne. Fällt starker Regen, kann das Wasser nicht einfach so ablaufen. Es folgt normalerweise dem Gefälle der Insel über ein Netz aus Gräben und Sielzügen. So gelangt es von

Bei weiter steigenden Durchschnittstemperaturen werden so extreme Niederschläge wie 2017 und Anfang 2018 in Zukunft noch häufiger und noch heftiger auftreten. Ich weiß noch, wie wir damals über den Regen schimpften. Wir machten uns Sorgen um die Staunässe auf den Feldern. Große Sorgen. Denn wenn das Wasser wie 2017 und 2018 auf den Feldern steht, können wir auf der Edenswarf weniger Futter für unsere Tiere anbauen und ernten. Es wird schwierig, solche Extremwetter mit hohen wirtschaftlichen Einbußen über einen längeren Zeitraum auszuhalten. Was wir nicht ahnten, war, dass die folgende Dürre noch viel schlimmer für unser Land und für unsere Tiere sein würde.

Ein Anruf verändert alles

Silke Das Thema Umweltschutz spielte bei uns zu Hause eigentlich immer schon eine Rolle: Es war mein Mann, der den Betrieb auf ökologischen Landbau umstellte. Auf den Dächern unseres Stalls erzeugen wir Sonnenstrom, wir versuchen Plastik zu vermeiden und konsumieren generell wenig. Dennoch gehören wir zu den ganz normalen Bürger*innen dieses Landes. Wir essen Fleisch, haben einen alten Diesel-VW-Bus im Hof stehen und sind auch mal in den Urlaub geflogen.

Wir könnten und müssten eigentlich noch viel mehr tun, überlegte ich, während ich an jenem Tag im Juni 2018 im Auto saß und mit dem Fernglas zwei Austernfischer beobachtete. Aber wie sollte das aussehen? Und was konnte ich alleine schon ausrichten? Ich erinnerte mich an die Vorlesungen des Klimaforschers Mojib Latif, die ich während meines Biologiestudiums in Kiel besucht hatte. Schon damals, vor über dreißig Jahren, war es längst keine neue Erkenntnis mehr, dass wir etwas gegen die Erderwärmung tun müssen. Auch wenn wir die Klimaveränderungen nicht mehr komplett würden verhindern können, so müssten wir doch alles daransetzen, ihre Auswirkungen so weit wie möglich einzudämmen. Geschehen ist seither dennoch viel zu wenig. Mich machte und macht