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Jakobswege

in Franken

Unterwegs auf alten Pilgerpfaden

ars vivendi

Lichtenfels–Nürnberg

Nürnberg–Rothenburg

Würzburg–Rothenburg

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Sigrun Arenz, Nikola Stadelmann, Reinhard Weirauch

Jakobswege

in Franken

Unterwegs auf alten Pilgerpfaden

Ein ars vivendi Freizeitführer

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Bei der Realisierung dieses Buches ließen wir größtmögliche Sorgfalt walten.

Falls dennochInformationen falsch oder inzwischen überholt sein sollten, be

-

dauern wir dies, können aber auf keinen Fall eine Haftung übernehmen.

Bildnachweis:

Sigrun Arenz: S. 160, 161; Kurt Dießl: S. 169, 172; Gemeinde Gaukönigsho

-

fen: S. 149, 151; Gemeinde Frensdorf: S. 43, 44; Gemeinde Kalchreuth: S. 61,

62; Kunstreferat Diözese Würzburg: S. 148; mauritius images/imageBROKER/

hwo: S. 15; mauritius images/Lou Avers: S. 67, 133; mauritius images/Westend

61/Albrecht Weißer: S. 157; Markt Lehrberg: S. 112; Markt Rattelsdorf: S. 31;

Markt Zapfendorf: S. 24; Fotolia/18mm: S. 139; Fotolia/Otto Durst: S. 92; Foto

-

lia/fotografci: S. 33; Fotolia/Frank: S. 34; Fotolia/Franz: S. 138; Fotolia/mojolo:

S. 181; Fotolia/schulzfoto: S. 55; iStockphoto/AlbertPego: S. 176; Presse- und

Informationsamt Stadt Nürnberg: S. 70, 71, 72, 74; Rothenburg Tourismus Ser

-

vice: S. 129; Rothenburg Tourismus Service/W.Pfitzinger:S. 182, 183; Schmau

-

senkeller:S. 41; StadtForchheim: S. 52, 53; Nikola Stadelmann: S. 80, 81, 82,

87, 90, 91, 98, 101, 102, 104, 109, 110, 115, 120, 126, 128, 190; Stadt Lichten

-

fels/Tourismus- und Kulturamt:S. 20, 23, 28; Stadt Ochsenfurt: S. 140; Stadt

Uffenheim: S. 163, 170; Heiko Thies: S. 188; Tourismusverband Romantisches

Franken: S. 118, 119; Reinhard Weirauch: S. 60

Aktualisierte 8. Auflage 2019

© 2017, 2005 by ars vivendi verlag GmbH & Co. KG, Bauhof 1,

90556 Cadolzburg

Alle Rechte vorbehalten

www.arsvivendi.com

Umschlag: ars vivendi verlag

Umschlagfotografie: © shutterstock/Gena Melendrez (vorne);

Tourismusverband Romantisches Franken (hinten)

Satz: Christine Richert, www.typoholica.de

Karten: Ingenieurbüro Dieter Ohnmacht, Frittlingen

Druck: GPS Group GmbH, Velden

Printed in Europe

ISBN 978-3-86913-775-9

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Inhalt

Vorwort zur Neuausgabe 8

Über dieses Buch 10

Informationen zum Weg 12

Denn wir haben hier keine bleibende Statt

14

Von Lichtenfels nach Nürnberg

1 Ich wollt’, mir wüchsen Flügel 18

Lichtenfels–Zapfendorf (ca. 25 km)

Romantisches Franken

27

2 Das fränkische Rom 29

Zapfendorf–Bamberg (ca. 24,5 km)

3 Die kulinarische Etappe 38

Bamberg–Hallerndorf (ca. 23 km)

Pilgern 2.0

48

Ein Kulturgut im Wandel

4 Vom Aischgrund zur Hauptstadt der Trachten 50

Hallerndorf–Effeltrich (ca. 21 km)

5 Wie Perlen einer Kette 58

Effeltrich–Kalchreuth (ca. 16,5 km)

Bahn frei für den Homo peregrinus

66

6 Durch den Sebalder Forst 68

Kalchreuth–Nürnberg (ca. 18,5 km)

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Von Nürnberg nach Rothenburg o. d. Tauber

7 Raus aus der Stadt, hinaus aufs Land 78

Stein/OT Deutenbach–Roßtal (ca. 12 km)

Es tut sich was am Jakobsweg

86

8 Wo die Hasen sonnenbaden 88

Roßtal–Heilsbronn (ca. 16 km)

Historische Schweinerei

97

Das sogenannte »Judensau-Motiv«

9 Dunkle Wälder, kühles Nass 99

Heilsbronn–Weihenzell (ca. 16 km)

10 Zu Lehrbergs »Kappl« 107

Weihenzell–Lehrberg (ca. 12 km)

Jakobs Muschel

115

11 Durch den Naturpark Frankenhöhe 116

Lehrberg–Binzwangen (ca. 16 km)

12 Froschkonzert und Menschenmassen 124

Binzwangen–Rothenburg ob der Tauber (ca. 18 km)

Donnerbruder Jakob

132

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Von Würzburg nach Rothenburg o. d. Tauber

13 Gemütlich durchs Maintal 136

Würzburg–Ochsenfurt (ca. 21 km)

14 Schutzengel meets Streichelzoo 146

Ochsenfurt–Aub (ca. 19,5 km)

Was wiegt die Welt?

155

15 Von Bildstöcken und Kartoffeläckern 158

Aub–Uffenheim (ca. 17 km)

16 Wie herrlich leuchtet mir die Natur 167

Uffenheim–Steinsfeld (ca. 18,5 km)

Die Granola-Mafia

175

oder: Was wirklich zählt

17 Naturidylle und Mittelalterromantik 179

Steinsfeld–Rothenburg ob der Tauber (ca. 8 km)

Wandernotizen

187

Die Autorinnen und Autoren

189

Ortsregister

191

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8

Vorwortzur Neuausgabe

Martin Luther ist nie auf dem Jakobsweg gewandert. Der Refor

-

mator unternahm allerdings als etwa Dreißigjähriger eine Pil

-

gerreise nach Rom – im Jahr 1510 (oder es mag 1511 gewesen

sein; so ganz einig sind sich die Forscher da nicht). Er betrat die

Stadt durch die Porta del Popolo und stieg im dahinterliegenden

Augustinerkloster ab, ein frommer Mönch wie Tausende andere

auch. ImRückblick aber sah Luther in Rom nur Verderbtheit,

Sünde und Heuchelei. »Wenn es eine Hölle gibt, so steht Rom

darauf«,urteilte er über die Zustände in der Stadt, in der er den

Antichristen selbst am Werk sah (unter der Papstkrone und den

prunkvollen Gewändern des angeblichen Stellvertreters Christi

auf dem Heiligen Stuhl nämlich).

Ob er über Santiago de Compostela freundlichereWorte gefun

-

den hätte? Wahrscheinlich nicht. Aber auch wennLuther nie vom

Monte de Gozo auf Santiago herabgesehen und die Kathe

drale mit

den Gebeinen des heiligen Jakobus nie durch den Pórtico de la Glo

-

ria betreten hat: Lutherbestimmte die Geschichte des Jakobswegs

mit. Es war sein reformatorisches Erbe, das in der Frühen Neuzeit

für einen starken Rückgang der Pilgerzahlen sorgte. Die Idee, sich

durch eine Wanderung, durch die Berührung vonReliquien oder

einen speziellen Ablass in einem »Heiligen Jahr« gewissermaßen

einen Bonus bei Gott zu erkaufen und seine Sünden so loszuwer

-

den, war – mit gutem Recht – aus der Mode gekommen.

Im 20. Jahrhundertfreilich setzte langsam eine Reaktionein,

und die Menschen begannen sich auf die Tradition des Pilgerns

zurückzubesinnen. 1987 erhob der Europaratdie Wege der Ja

-

kobspilgerin ganz Europa zur europäischen Kulturroute. Ineiner

immer lauter und schneller werdenden Welt gewann der Gedan

-

ke an eine Pilgerreise plötzlich wieder an Bedeutung, wenn auch

nicht dieselbe Bedeutung wie ehedem. Immer mehr Menschen

suchten die Begegnung mit der Natur und mit sich selbst, woll

-

ten den Ausbruch aus einem oft als oberflächlich und zusehends

von äußeren Zwängen bestimmten Alltag finden. Seither ist die

Anzahl an Pilgernnach Santiago vonunter 6000 im Jahr 1989

auf 278000 im Jahr 2016 angestiegen.

Als Bußübung, die mit einem Erlass der Sündenstrafen

einhergeht, als Möglichkeit, Gott gnädig zu stimmen, dürften die

meisten Leute die Pilgerreiseheute wohl nicht mehr sehen. In

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9

der Tatmachen sich viele Menschen auch ohne besondere reli-

giöse Motivation auf den Weg Richtung Santiago de Compostela.

Pilgern bedeutet heute oft Rückbesinnung auf das Wesentliche,

eine Auszeit vomAlltagstrott, eineHerausforderung, einen Neu

-

anfang.

Die erste Frage, die sich Novizen zu diesem Weg oft stellen, ist

die, wo denn »der Jakobsweg« eigentlich verläuft. Die Antwort

scheintmanchmal zu lauten: überall. Schließlich kamen die Pil

-

ger im Mittelalter auch von überall her in Europa, selbst aus dem

südlichen Teil Englands oder aus Skandinavien. Undso überzie

-

hen die Pfade, die vonden Wallfahrern begangen wurden, Eu

-

ropa denn auch wie ein Netz von Wasseradern und Flüssen. In

Franken gibt es verschiedene Strecken des Jakobswegs; die wich

-

tigsten drei sind in diesem Buch beschrieben. Denn wer sich auf

den Weg machen will, der muss nicht bis nach Spanien reisen. Es

kann schonreichen, aus der eigenen Haustür zu treten, um einen

der vielen »Zu- und Nebenflüsse« des Jakobswegs zu finden.

Wenn Sie lange genug dabeibleiben, wird die Strömung Sie

forttragen, nach Ulm etwa, wo sich verschiedene Wege verei

-

nen, um dann in einem größeren Strom durch die Schweiz und

Frankreich zu gelangen, während unbekannte Uferan Ihnen

vorbeiziehen und fremde Landschaften sowie Begegnungen mit

anderen Menschen, Gebräuchen und Herausforderungen auf Sie

zukommen …

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10

Über diesesBuch

Seit der ersten Auflage von

Jakobswege in Franken

im Jahr 2005

ist über ein Jahrzehnt verstrichen, und in Sachen Jakobswege hat

sich in dieser Zeitallerhand getan. Neue Strecken sind hinzu

-

gekommen, Markierungen neu gestaltet worden. Das Interesse

am Pilgern ist gewachsen, immer mehr Menschen machen sich

auf den Weg – mit ganz unterschiedlichen Ansprüchen und Vo

-

raussetzungen. Die einen wollen möglichst günstig reisen und

sind dafür bereit, auch mal ein Zimmer zu teilen und auf einem

Matratzenlagerzu schlafen, andere wandern zwar gerne, wün

-

schen sich aber amEnde des Tages ein schönes Hotelzimmer mit

eigener Dusche und einem guten Restaurant, wieder andere sind

an möglichst »authentischen« oder ausgefallenen Übernach

-

tungsmöglichkeiten interessiert.

Natürlich ist auch das Angebotan Büchern und Informati

-

onen ausdem Internet beständig größer geworden, und es gibt

Wanderapps fürs Handy, die theoretisch jeden Wanderführer

ersetzen können.

Trotzdem erfreut sich

Jakobswege in Franken

auch im Zeital

-

ter von ViewRanger,Scout und GPS-Tracking großer Beliebtheit

und erscheintdeshalb jetzt in einer Neuauflage,die den aktu

-

elleren Entwicklungen Rechnung tragen soll, dabei aber dem

Grundgedanken des Bandes treu bleibt:

Egal, ob Sie eine Tagestour oder eine mehrtägigeWanderung

planen – dieses Buch enthält alle nötigen Informationen für un

-

terwegs aus einer Hand, außerdemZwischentexte, die Unter

-

haltsames, Informatives und Nachdenkliches zum Wandern auf

dem Jakobsweg bieten.

Jedes Kapitel ist deshalb folgendermaßen aufgebaut:

Unter der Überschrift »

Das liegt vor uns«

erhalten Sie allgemeine

Informationen über die Tagesetappe: landschaftliche Besonder

-

heiten, Schwierigkeitsgrad und Hinweise zu Besonderheiten

des Weges oder der Markierung. Bei den hier beschriebenen

Streckenhandelt es sichum den »Fränkischen Jakobsweg« zwi

-

schen Lichtenfels und Nürnberg, den »Fränkisch-Schwäbischen

Jakobsweg«

von Würzburg nach Rothenburg ob der Tauber und

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den ersten überhaupt vom

Fränkischen Albverein

markierten

»Jakobsweg von Nürnberg nach Rothenburg ob der Tauber«

.

Sie

sind alle mit dem Zeichen der Jakobsmuschelmarkiert und las

-

sen sich meist auch ohne weitere Hilfen gut finden.

Trotzdem ist es oftnützlich, genauer zu wissen, wo mansich

gerade befindet und wann manauf die nächste Abzweigung ach

-

ten sollte. Deshalb folgt mit

»Hier geht’s lang«

eine Streckenbe

-

schreibung, die so detailliert wie nötig,dabei aber solesbar und

unkompliziert wie möglich gehalten ist. Gemeinsam mit den

Ausschnittskarten, auf denen die Strecke eingezeichnet ist, will

dieser Abschnitt dafür sorgen, dass SieIhr Etappenziel ohne un

-

nötige Umwege und Unsicherheiten erreichen.

Das Herzstück jedes Kapitelsist die Beschreibung von Sehens

-

würdigkeiten auf dem Weg und am Zielort, die unter der Über

-

schrift

»Das gibt’s zu sehen«

ausgeführt wird. Die Zeiten, in denen

so mancher missmutigbehauptet hätte, es gäbe hier in Franken,

direkt vor der Haustür, doch eigentlich nichts Sehenswertes, sind

zum Glück vorbei. Die Regionhat ein neues Selbstbewusstsein

gewonnen und präsentiert stolz ihreSchmuckstücke und Be

-

sonderheiten. Dazu gehören natürlich – immerhin befinden wir

uns auf einem alten Pilgerpfad – jede Menge Kirchen und Kapel

-

len. Insbesondere Gotteshäuser, die dem Pilgerpatron Jakobus

gewidmet sind, wurden in den Streckenverlauf der Jakobswege

einbezogen. Sobeginntund endet etwa die älteste markierte

Strecke in Nürnberg und in Rothenburg an einer Jakobskirche.

Aberauch besondere Rastplätze, schöne Gasthäuser, touristische

Attraktionen sowie typische Feste und Veranstaltungen sind hier

mit aufgenommen.

Abgeschlossen wird jede Etappe mit ausgewählten Daten zu

Einkehr, Übernachtung, Sehenswürdigkeiten und Tourist-Informatio

-

nen

. Dabei haben wir versucht, nach Möglichkeit eine gewisse

Bandbreite an Angeboten für den kleineren und den größeren

Geldbeutel aufzulisten. Allerdings gibt es Wegabschnitte, auf de

-

nen der Jakobsweg durch winzige Dörfer und dünn besiedelte,

ländliche Gegenden führt, in denen Einkehrmöglichkeiten rar

sind. Auch deshalb empfiehlt sich, obgleich wir hier größtmög

-

liche Sorgfalt haben walten lassen, vor allem an den kleineren

Orten ein Anruf im Vorhinein, weil sich die Öffnungszeiten

manchmal ändern, Gasthäuser schließen, aber auch neue Über

-

nachtungsmöglichkeiten entstehen.

11

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12

Da bloße Streckenbeschreibungen manchmal doch etwas

eintönig werden können, haben wir auch noch ein paar

unter-

haltsame, nachdenkliche und informative Kurztexte

zwischen die

Tourenkapitel gesetzt, sodass Sie sich am Zielort nicht langwei

-

len müssen, wenn das Gasthaus zu früh schließt oder der Regen

Sie im Hotelzimmer festhält.

Informationen zum Weg

Etwa 85 Kilometer lang ist die älteste der drei hier beschriebenen

Strecken, die

von Nürnberg nach Rothenburgob der Tauber

führt. Im

Jahr 1995 wurde sie vom

Fränkischen Albverein

mit einer

weißen

Muschel auf blauem Grund

markiert. Sie beginnt an der Jakobskir

-

che in der ehemaligen Freien Reichsstadt Nürnberg und führt

durch idyllische, teils verschlafene Landschaften mit ein paar

Steigungen und durch hügeligePassagenüber den alten Markt

Roßtal, dessen Laurentiuskirche über eine im fränkischen Raum

einzigartigeKrypta verfügt, ins mittelalterlicheRothenburg ob

der Tauber, wo sich Jakobspilger,Schulklassen sowie amerika

-

nische und japanische Touristen aufden kopfsteingepflasterten

Straßen der Innenstadt untereinander mischen.

Der sogenannte »

Fränkische Jakobsweg«

beginnteigentlich

schon in Tillyschanz nahe der tschechischen Grenze; in diesem

Buch wird die Streckeaber erst abder fränkischen Kleinstadt

Lichtenfels

beschrieben.Ausgangspunkt des mit einer

gelben Mu

-

schel auf blauem Grund

gekennzeichneten Wegabschnitts ist – wie

könnte es anders sein? – natürlich eine Jakobskapelle, aber der

Weg führt auchüber die berühmte Wallfahrtsstätte Vierzehnhei

-

ligen, bringt uns ins wunderschöne Bamberg, weiter durch das

Waldidyll südlich davon unddurch den Aischgrund, um nach

fast 130 Kilometern an der Jakobskirche in

Nürnberg

zu enden.

Einzelne Streckenabschnitte dieses Wegs führen über asphaltier

-

te Straßen und eignen sich deshalb besser für Radpilger als die

anderen Jakobswege, bei denen Radfahrer oft auf Landstraßen

ausweichen müssen, weil die Wege zu unbefestigt sind.

In der Residenzstadt Würzburg beginnt der »

Fränkisch-Schwä-

bische Jakobsweg«

.

Wie sein Name schon andeutet, endet er nicht

etwa in Rothenburg ob der Tauber, auch wenndie Beschreibun

-

gen dieses Buches das tun, sondern führt aus der

mittelalterlichen

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Stadtmauer wieder hinaus in Richtung Ulm. Diese Strecke ist mit

einer

weißen Muschel auf blauem Grund

markiert und führtuns von

Würzburg

aus am Mainuferentlang, durch idyllische und einsa

-

me Dörfer und offene Kulturlandschaften, in denen Einkehr-

und Einkaufsmöglichkeiten nicht überall gegeben sind. Auch

Rückfahrten an den Ausgangsortgestalten sich für Pilger und

Pilgerinnen, die nur eine Tagesetappe im Sinn haben, oft sehr

schwierig. Allerdingsgibt es Wirte, die bereitsind, Wanderer mit

dem Auto abzuholenoder zu einem Bahnhof zu bringen, sodass

mit etwas guter Planung eben auch Tagestouren möglich sind.

In

Rothenburg

treffen wir wieder auf die von Osten kommende

Strecke Nürnberg–Rothenburg.

Anders als der spanische Jakobsweg, der Camino,sind die Ja

-

kobswege in Franken zwar manchmal anstrengend, aber durch

-

aus auch für relativ unerfahrene Wandersleutegut zu schaffen.

Es gibt hier keine Berge zu übersteigen, und wo immer möglich

haben die Wandervereine die Streckenso angelegt, dass sie land

-

schaftlich schöne Pfade bevorzugen undgrößere asphaltierte

Straßen meiden.

Was sollten Sie also dabeihaben auf Ihrem Weg? (Außer die

-

sem Wanderführer natürlich, der Ihnen hoffentlich ein guter

Wegbegleiter sein wird.) Gute Wanderschuhe und ein Rucksack

sind natürlich ein Muss, ebenso Sonnenschutz und Getränke für

die »Durststrecken«, aufdenen es kaum Einkehrmöglichkei

-

ten gibt. Wenn Sie in Pfarrämternoder Pilgerherbergen über

-

nachten wollen, sollten Sie sich einen »Credencial«, also eine

Pilgerurkunde ausstellen lassen. In Pfarrämtern und Kirchen be

-

kommen Sie damit unterwegs auch Stempel, die Ihre Strecke do

-

kumentieren – selbst wenn Sie nicht bisSantiago wandern, kann

das später eine schöne Erinnerung an die Wanderung sein. Die

Beschreibungen und Kartenausschnitte in diesem Buch sollen

weitere Karten und Navigationsapps eigentlich unnötig machen,

allerdings kann beides im Zweifelsfall durchaus nützlich sein …

Undnun bleibt uns nur noch, Ihnen »Buen camino«– einen gu

-

ten Weg – zu wünschen!

13

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14

Denn wir haben hier keine bleibende Statt

»Quo vadis«, wird der auferstandene Jesus im gleichnamigen Buch von Petrus

gefragt: Wohin gehst du? Für Pilger ist die Frage einfach zu beantworten: Ich

gehe nach Rom, nach Jerusalem, nach Santiago. Oder nach Vierzehnheiligen,

zur Wieskirche, nach St. Veit. Oder nach Mekka in Saudi-Arabien, zum Berg

Tài Sha¯n in China, nach Kandy auf Sri Lanka.

Wallfahrten zu heiligen Stätten kennen alle Religionen, zu allen Zeiten. Grün

-

de für die Pilgerschaft gab und gibt es viele. Im Mittelalter war das Grab des

Apos tels Jakobus in Santiago neben Rom und Jerusalem eines der bedeu

-

tendsten Wallfahrtsziele des christlichen Abendlandes. Pilgerfahrt konnte

Sühne für ein Vergehen sein, konnte von der Hoffnung auf Heilung geleitet

sein oder der Erfüllung eines Gelübdes. Nicht zuletzt war eine Wallfahrt auch

die einzige Möglichkeit, aus einem fest gefügten Gesellschaftssystem aus

-

zubrechen, das sonst kein Ausbrechen erlaubte – eine Gelegenheit, ansons

-

ten unveränderliche Lebensumstände eine Zeit lang hinter sich zu lassen.

Ein Mensch konnte so Neues sehen, Abenteuer erleben, als ein Pilger unter

vielen mit demselben Ziel einer anderen, besonderen Art von Gemeinschaft

angehören.

All diesen Gründen begegnet man bei den modernen Pilgern auch, allerdings

oft unter anderen Namen: Abenteuerlust, Selbstfindung, Neuorientierung, Be

-

sinnung. Auch heute noch kann Pilgerschaft Ausbruch aus einem Leben sein,

das zunehmend von Äußerlichkeiten, von wirtschaftlichen Zwängen oder ge

-

sellschaftlicher Erstarrung bestimmt ist.

Der Pilger, die Pilgerin auf dem Jakobsweg entzieht sich den Ansprüchen un

-

serer Zeit auf größtmögliche Effektivität, auf Tempo und Zweckmäßigkeit. Ent

-

fernungen und Geschwindigkeiten bekommen ein neues Gesicht, wenn man zu

Fuß ans Ziel kommen muss. Ein Pilger lernt, seine Umgebung langsamer und

gründlicher zu betrachten, beginnt sogar, sich selbst neu wahrzunehmen – zu

-

rückgeworfen auf die eigenen Füße, die Kraft der eigenen Schultern, den be

-

grenzten Besitz dessen, was er in seinem Rucksack tragen kann. Auf unberühr

-

ten Waldwegen, im Takt der Wanderstöcke, in der Kühle einer Kirche oder auf

dem Weg durch eine Stadt: Irgendwann unterwegs erschließt sich vielleicht ein

tieferer Sinn der Wanderschaft.

»Die gegenwärtige Welt ist Pilgerschaft; Heimat ist erst die kommende«,

formulierte Augustinus die grundlegende Erkenntnis, dass der Mensch in

seinem ganzen Leben im Grunde immer ein Wanderer zu einem anderen Ort

und einer anderen Bestimmung ist –zu einem Ziel, das sich selbst im besten

irdischen Leben niemals ganz erfüllen kann.

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15

»Wohin gehst du?«, wird sich der Pilger auf seinem Weg fragen oder fragen

lassen, und vielleicht eine Ahnung davon spüren, was es bedeutet, unterwegs

zu sein – nicht nur zu einem sichtbaren Ziel in der Welt, sondern zu einem

unsichtbaren Jenseits der menschlichen Bedingungen und Grenzen; alle

Pilgerschaft auf Erden ist dafür nur ein Symbol, und doch mehr als ein Symbol:

eine fühlbare, erlebbare Umsetzung.

Sigrun Arenz

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V

on Lichtenfels nach Nürnberg

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18

1

Ich wollt’, mir wüchsen Flügel

Lichtenfels–Zapfendorf (ca. 25 km)

Das liegt v

or uns

Von Lichtenfels aus beginnen wir unsere Pilgerwanderung über die barocke Wall

-

fahrtskirche Vierzehnheiligen und den Staffelberg mit der Adelgundiskapelle, bis

wir, durch die Dörfer Loffeld, Sträublingshof, Dittersbrunn, Prächting und Ober-

leiterbach, schließlich zu unserem Etappenziel Zapfendorf gelangen. Die vielen

Sehenswürdigkeiten auf dieser relativ langen Etappe legen unter Umständen die

Anreise am Vortag nahe; Vierzehnheiligen und der Staffelberg, aber auch Lichten

-

fels lohnen einen ausführlicheren Besuch.

H

ier geht’s lang

Lichtenfels

empfängtuns mit dem stillen Charme einer typisch frän

-

kischen Kleinstadt. Dieses Flair nehmen wir nur zu gerne mit auf

unsere urfränkische Etappedurch die Landschaft des Obermains.

Startpunkt des Jakobsweges muss natürlich die Lichtenfelser Ja

-

kobskapelle sein, wo man auch die Markierung mit der Jakobs

-

muschel findet. VomMarktplatz stadtauswärts folgen wir einige

Hundert Meter der Bamberger Straße, ehe ein schmaler Fußweg an

der Kreuzung zur Conrad-Wagner-Straße links hinauf zur Kapelle

führt (»Kapellenweg«). An der Kapelle vorbei gelangen wir dann

über einige Treppenstufen zur Langen Straße, die uns nach rechts

zurück zur Bamberger Straße bringt. Wir folgen ihr nach links

stadtauswärts. (Wer die Tour am Bahnhof beginnt, biegt vordem

Bahnhofsgelände gleich rechts in die Conrad-Wagner-Straße ein,

überquert die Bamberger Straße und kommt so direkt an der Kreu

-

zung der beiden Straßen ebenso zum Kapellenweg und St. Jakob.)

Voruns liegen die einzigen weniger schönen Meter des heu

-

tigen Tages, parallel zu den Gleisen, entlang der Bamberger

Straße, hinaus aus Lichtenfels. Hinter der Tankstelle schließlich

finden wir unsereMarkierung und ein Hinweisschild, die uns

nach links führen und als letzte urbane Pilgerprüfung die Bun

-

desstraße unterqueren lassen.

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19

D

ann gehtes entlang einer Halballee hinaus aufs freie Feld,

vor uns liegt der Staffelberg, links sehen wir schon bald Vier

-

zehnheiligen und rechter Hand dasKloster Banz – die soge

-

nannte »Goldene Pforte« Frankens und Vorgeschmack auf einen

herrlichen Wandertag.

An einer Kreuzung halten wir unsgeradeausund passieren

ein Rasthäuschen mit ein paarBänken, die zu einer ersten Ver

-

schnaufpause einladen. Bergan durch den Wald erreichen wir

schnell den Besucherparkplatz von

Vierzehnheiligen

und wandern

nach links auf die berühmte Wallfahrtsstätte zu. Der Besuch die

-

ses Glanzpunktes Fränkischen Barocks ist ebensoobligatorisch

wie eindrucksvoll.

Vorbei an der

Brauerei Trunk

, der alten Klosterbrauerei, führt

uns die Jakobsweg-Markierung (vereinigt mit dem blauen »M«

des Maintalweges) nach wenigen Metern rechts hinauf in Rich

-

tung des Staffelberges. An einer Gabelung ignorieren wir den