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STAR TREK

LEGACIES

BAND DREI

DER SCHLÜSSEL
ZUR HÖLLE

DAYTON WARD & KEVIN DILMORE

Based on
Star Trek
created by Gene Roddenberry

Ins Deutsche übertragen von
Helga Parmiter

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Die deutsche Ausgabe von STAR TREK – LEGACIES 3: DER SCHLÜSSEL ZUR HÖLLE

wird herausgegeben von Cross Cult / Andreas Mergenthaler, Teinacher Straße 72, 71634 Ludwigsburg.

Übersetzung: Helga Parmiter; verantwortlicher Redakteur und Lektorat: Markus Rohde;

Lektorat: Katrin Aust; Korrektorat: Peter Schild; Satz: Rowan Rüster;

Cover Artwork: Alan Dingman; Print-Ausgabe gedruckt
von CPI Moravia Books s.r.o., CZ-69123 Pohorelice. Printed in the EU.

Titel der Originalausgabe: STAR TREK – LEGACIES 3: PURGATORY’S KEY

German translation copyright © 2020 by Cross Cult.

Original English language edition copyright © 2016 by CBS Studios Inc.
All rights reserved.

™ & © 2021 CBS Studios Inc. STAR TREK and related marks and logos are trademarks of CBS Studios Inc. All Rights Reserved.

This book is published by arrangement with Pocket Books, a Division of Simon & Schuster, Inc., pursuant to an exclusive license from CBS Studios Inc.

Print ISBN 978-3-96658-329-9 (Januar 2021) · E-Book ISBN 978-3-96658-330-5 (Januar 2021)

WWW.CROSS-CULT.DE · WWW.STARTREKROMANE.DE · WWW.STARTREK.COM

Für Gene Roddenberry

Danke für die wunderbare Spielwiese,
auf der wir uns austoben dürfen
.

Inhalt

HISTORISCHE ANMERKUNG

EINS

ZWEI

DREI

VIER

FÜNF

SECHS

SIEBEN

ACHT

NEUN

ZEHN

ELF

ZWÖLF

DREIZEHN

VIERZEHN

FÜNFZEHN

SECHZEHN

SIEBZEHN

ACHTZEHN

NEUNZEHN

ZWANZIG

EINUNDZWANZIG

ZWEIUNDZWANZIG

DREIUNDZWANZIG

VIERUNDZWANZIG

FÜNFUNDZWANZIG

SECHSUNDZWANZIG

SIEBENUNDZWANZIG

ACHTUNDZWANZIG

NEUNUNDZWANZIG

DREISSIG

EINUNDDREISSIG

ZWEIUNDDREISSIG

DREIUNDDREISSIG

VIERUNDDREISSIG

FÜNFUNDDREISSIG

SECHSUNDDREISSIG

SIEBENUNDDREISSIG

DANKSAGUNGEN

HISTORISCHE
ANMERKUNG

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Diese Geschichte spielt zu Beginn des Jahres 2268, einige Monate nach der Mission der U.S.S. Enterprise, bei der sie Diplomaten der Föderation zur Konferenz auf den neutralen Planetoiden Babel (»Reise nach Babel«) brachte, und unmittelbar nach dem Angriff der Romulaner auf den Planeten Centaurus (STAR TREK – LEGACIES Buch 2: »Beste Verteidigung«).

EINS

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Visla drehte sich auf dem Absatz um die eigene Achse und brachte das hölzerne Trainings-bat’leth in die Horizontale, nachdem sie es von der linken Schulter genommen hatte. Dann holte sie mit dem Waffenarm aus und schwang die schwere Klinge über ihren Körper. Der Aufprall auf der Waffenattrappe ihres Gegners ließ ihren Arm erzittern, aber sie ignorierte es. Instinktiv bewegte sie sich nach links und duckte sich unter dem Gegenangriff ihres Kontrahenten weg. Dabei spürte sie den Luftzug, als die Trainingswaffe über ihrem Kopf durch die Luft schnitt. Sie nahm eine andere Haltung ein und hob ihr eigenes bat’leth als Vorbereitung auf einen weiteren Angriff. Dann erkannte Visla, dass etwas an den Bewegungen ihres Gegenübers nicht ganz stimmte.

»Mev!«

Ihr Gegner, Lieutenant Koveq, reagierte sofort auf ihren Befehl, indem er in seiner eigenen Bewegung innehielt und wieder Grundhaltung einnahm. Mit beiden Händen hielt er sein bat’leth vor sich, die Schneide zeigte nach unten. »Commander?«

Visla musterte ihn. »Sie greifen mich nicht mit voller Kraft an. Warum nicht?«

»Ich verstehe nicht«, antwortete Koveq und runzelte verwirrt die Stirn. »Dies sollte eine Trainingseinheit sein.«

»Ich möchte nicht wie ein Kind verhätschelt werden.« Die Hand an ihrer Waffe spannte sich an und sie genoss noch einen Moment länger die Wut, die sie durchströmte. »Greifen Sie mich an. Setzen Sie all Ihre Kraft und Können ein.«

Mit offensichtlichem Zweifel antwortete ihr Waffenoffizier: »Sind Sie sicher, Commander?«

Das war keine unvernünftige Frage, räumte Visla ein. Ihr Untergebener war im Nahkampf gut ausgebildet, sowohl mit Klingenwaffen als auch mit bloßen Händen. Er wog wesentlich mehr als sie und es war nicht zu leugnen, dass allein seine Körperkraft ihrer eigenen bei Weitem überlegen war. Hinzu kam die schlichte Tatsache, dass sie Koveq zu einem Trainingskampf aufgefordert hatte, für den es klare Regeln und Vorschriften gab, um die Zahl der vermeidbaren und oftmals dummen Verletzungen gering zu halten.

Das alles war ihr heute völlig egal. »Hören Sie auf, meine Befehle infrage zu stellen. Greifen Sie mich an!«

Auf ihren Befehl hin verstummte Koveq. Sein Gesichtsausdruck verdüsterte sich und Visla erkannte, dass er entschlossen das Kinn reckte. Er hob sein bat’leth und hielt die Waffe so, dass ihr linkes Ende höher und Visla zugeneigt war. Mit einem Geschick, das er in unzähligen Stunden Training und tatsächlichen Kämpfen erworben hatte, rückte er ohne überstürzte Bewegungen vor und ließ nicht erkennen, was er vorhatte. Visla fühlte, wie sich ihr Puls erwartungsvoll beschleunigte. Sie konnte sich ein kleines, zufriedenes Lächeln nicht verkneifen, hob ihre Klinge und machte ein paar Schritte nach rechts.

Sie erwartete, dass Koveq nach links antäuschen würde, bevor er einen Angriff auf ihre linke Flanke startete, aber der Waffenoffizier überraschte sie, indem er einen Ausfallschritt nach links machte, den Anstellwinkel seines bat’leth änderte und dann seinen ursprünglichen Angriff fortsetzte. Visla riss ihre Klinge gerade rechtzeitig hoch, um den Schlag abzufangen. Zu diesem Zeitpunkt wirbelte Koveq bereits herum und nutzte seinen Schwung, um seine Waffe mit einer Hand wieder in Richtung ihres Kopfes zu schwingen. Sie parierte auch diesen Angriff und wich zurück, um sich Handlungsspielraum zu verschaffen, aber ihr Untergebener hatte sich bereits gesammelt und griff erneut an. Sie wollte kontern, aber er drehte im letzten Augenblick ab und wich ihrer Klinge aus. Sie machte einen Schritt zu viel, sodass er außerhalb ihrer Reichweite war. Koveq schwang sein bat’leth über seinen Körper und Visla fühlte den Stachel der Trainingswaffe in ihrem Rücken. Die Wucht des Schlags stieß sie von den Füßen, sie stolperte, fing ihren Sturz mit der freien Hand ab und drückte sich wieder hoch.

»Mev«, sagte Koveq und brachte sein bat’leth in eine Trageposition, die deutlich machte, dass er weder angreifen noch verteidigen wollte.

Visla sah ihn mit finsterer Miene an. »Ich habe Ihnen nicht befohlen aufzuhören.«

»Ich weiß, Commander. Aber als Kampfausbildungsoffizier des Schiffs ist das mein Vorrecht. Diese Übung ist beendet.«

»Warum?« Sie wischte sich mit dem Unterarm den Schweiß von der Stirn. »Sie waren dabei, zu gewinnen.«

»Beim Training geht es nicht um Sieg oder Niederlage, Commander«, erklärte Koveq mit ruhiger Stimme. »Es geht ums Lernen.«

Visla knurrte verärgert und schüttelte den Kopf. »Sie klingen wie ein Vulkanier, wenn Sie so reden.«

»Trotz ihrer lästigen Neigung, unaufhörlich über Nichtigkeiten zu schwafeln, sind Vulkanier in den Kampfkünsten recht versiert.« Koveq durchquerte den Raum und hielt vor der Bank an, die im rechten Winkel zur schrägen Stirnwand des Trainingsraums stand. Er nahm sich ein Handtuch und begann, sein Trainings-bat’leth abzuwischen. »Ich habe einige ihrer waffenlosen Kampfdisziplinen studiert. Da gibt es einiges zu lernen und zu bewundern.«

Zorn wallte in Visla auf und sie hielt ihre Waffenattrappe hoch. »Bevor ich einen Weg finde, Sie mit diesem Spielzeug zu töten … Was hat dieser Unsinn, den Sie von sich geben, mit irgendetwas zu tun?«

Koveq legte das bat’leth auf die Bank und drehte sich zu ihr um. »Die Vulkanier sind Meister darin, ihren Geist neuen Ideen und neuen Vorgehensweisen gegenüber zu öffnen. Aus diesem Grund können sie sich fast jeder Situation anpassen, auch im Kampf. Diese Einstellung erleichtert ihnen das Lernen und verleiht ihnen die Fähigkeit, sich jeder Herausforderung zu stellen. Um zu lernen, muss man sich gedanklich auf die jeweilige Aufgabe einstellen. Sie sind mit den Gedanken woanders, Commander.«

Visla öffnete den Mund, um zu antworten, doch sie hielt sich zurück. Mehrere Herzschläge vergingen, dann trat sie einen Schritt zurück, atmete tief ein und ließ das hölzerne bat’leth aus der Hand fallen. Die Waffe schlug klappernd auf die Metallplatten des Decks. Zum ersten Mal, seit sie den Trainingsraum betreten hatte, lächelte sie und stieß dann sogar ein leises Lachen aus.

»Ihnen ist klar, dass nicht einmal mein Erster Offizier so mit mir reden darf, und ihn mag ich wenigstens.«

Der Waffenoffizier lachte schallend. »Ja, aber ich bin der Hüter Ihres Gewissens, Commander. Das ist eine Verantwortung, die ich nicht auf die leichte Schulter nehme. Sie sind offensichtlich beunruhigt und das beeinträchtigt Ihre Konzentration.«

Obwohl Visla seinen Rat schätzte, gab es Zeiten, da hätte sie Koveq wegen seines ruhigen, unerschütterlichen Auftretens am liebsten mit dem Gesicht gegen das nächste Schott gerammt oder ihn einfach aus einem der Torpedorohre des Schiffs gefeuert. Wenn er so mit ihr redete, wurde sie nur noch wütender, weil sie wusste, dass er die Quelle ihrer Wut ganz genau kannte.

»Sie wissen, dass ich es hasse, wenn Sie in Rätseln sprechen«, sagte sie und griff nach dem bat’leth, das sie fallen gelassen hatte. Dann brachte sie es an seinen Platz bei den anderen Trainingswaffen auf dem Lagergestell an der hinteren Wand zurück. »Sagen Sie, was Sie zu sagen haben, Lieutenant.«

Koveq stellte sich neben sie und legte seine Waffe ebenfalls auf das Gestell. »Sie sind hin- und hergerissen. Sie sind dankbar, dass Ihr Sohn lebt. Dennoch haben Sie das Gefühl, dass ihm, genau wie Ihnen selbst, durch Mächte, auf die er keinen Einfluss hatte, seine Ehre genommen wurde. Sie befürchten, dass er zu einem bloßen Diener des Reichs degradiert wird, der dazu bestimmt ist, im Verborgenen zu dienen, ohne Hoffnung auf einen Aufstieg, eine Belobigung, eine Belohnung oder auch nur ein bisschen Respekt.«

Visla spannte bei den Worten ihres treuen Freundes den Kiefer an, drehte sich um und schlug gegen die Wand. Natürlich richtete die Wucht des Schlags keinen Schaden an der Metallverkleidung an, aber sie spürte den befriedigenden Schmerz in ihrer Hand auch durch den schweren, schützenden Lederhandschuh hindurch. Trotzdem rief der Schlag ein dumpfes Echo in der Wand hervor und sie stellte sich vor, wie der Klang durch das gesamte Schiff hallte. Dann lachte sie über die Absurdität eines solchen Gedankens.

Du und ich, wir sind beide dickköpfig. Wir beugen uns nie. Wir kapitulieren nie.

Dieser alte Eimer mochte seine Glanzzeiten lange hinter sich haben, aber die I.K.S. Qo’Daqh besaß immer noch ein gewisses Maß an Schneid und Stolz. Der Schlachtkreuzer der D5-Klasse war ein Relikt, eine veraltete Todesfalle und hätte schon eine Generation vor Vislas Geburt verschrottet werden müssen, aber er besaß eine Geschichte voller Ruhm und Schande. Letzteres war natürlich alles, was zählte, zusammen mit der Schmach, die er und das Klingonische Reich während einer Jahrzehnte zuvor geführten und verlorenen Schlacht erlitten hatten. Wie die Schlacht war auch der Kommandant dieses unseligen Feldzugs, Vislas Großvater, aus den offiziellen Aufzeichnungen mehr oder weniger getilgt worden, und niemand, den sie kannte, hatte je laut über diesen schändlichen Tag gesprochen. Er selbst hatte nie ein Wort darüber verloren und es vorgezogen, die Last der Demütigung bis zu seinem Lebensende stillschweigend zu schultern.

Unter fast allen anderen Umständen hätte man die Qo’Daqh zerstört, aber irgendwo hatte jemand entschieden, dass sie noch einen gewissen Wert besaß. Sie war genau wie diejenigen, die sie bemannt hatten, in Ungnade gefallen. Sie durfte nie mehr etwas anderes als die niedersten Aufgaben verrichten und es war ihr verwehrt, irgendetwas zu vollbringen, um ihre Ehre und ihr Vermächtnis wiederzuherstellen. Alle, die an Bord dienen mussten, wussten, dass sie im Ansehen des Reichs ganz unten standen, und das galt besonders für den Klingonen, der dazu verdammt wurde, den Sessel des Captains einzunehmen. Dies war die Strafe für Vislas Unverfrorenheit, in ein Haus hineingeboren zu werden, das das Reich entehrt hatte.

»Mein Sohn war bereits dazu verdammt, mir auf dem Pfad der Schande zu folgen«, sagte sie und ging vom Waffenregal zu dem groben Leinentuch, das sie auf eine Bank in der Nähe gelegt hatte. »Es war sein Pech, mich als Mutter zu haben. Seine Schande hat sich jetzt nur vergrößert.«

Visla hatte nicht geschlafen, seit sie am Vorabend die Nachricht erhalten hatte, dass die I.K.S. HoS’leth – der Kreuzer, dem ihr Sohn K’tovel zugeteilt war – im Kampf gegen ein romulanisches Schiff in der Nähe des Planeten Centaurus zerstört worden war. Der Ort der Schlacht war interessant, da dort Friedensgespräche zwischen Gesandten der Föderation und des Klingonischen Rechs stattfanden. Die HoS’leth hatte unter dem Kommando des bekannten klingonischen Generals Kovor mit der unwahrscheinlichen Unterstützung eines Raumschiffs der Föderation, der U.S.S. Enterprise, gegen das romulanische Schiff gekämpft. Einzelheiten der Begegnung waren nicht bekannt gegeben worden. Doch Prang, der klingonische Attaché, der Ratsmitglied Gorkon während der Friedensgespräche in Centaurus zugeteilt war, hatte Visla erzählt, dass die Konfrontation die Folge einer wichtigen Entdeckung auf Usilde, einer abgelegenen Welt im Libros-Sternsystem, war. Mehr Informationen hatte Prang nicht preisgegeben. Visla mutmaßte aber, dass das, was man auf diesem Planeten gefunden hatte, wohl für die Romulaner, die Klingonen und die Föderation gleichermaßen von großem Interesse war.

Außerdem hatte jemand diese Entdeckung für wertvoll genug gehalten, um General Kovor dazu zu bewegen, sich mit James Kirk, dem Captain des Föderationsschiffs, zu verbünden. Nach dem, was Visla über die jüngsten Gefechte des Erdlings mit anderen klingonischen Schiffen gelesen hatte, konnte sie das kaum glauben. Diese Begegnungen hatten ihm sowohl die Verachtung als auch den widerwilligen Respekt des Hohen Rats eingebracht. Zahlreiche Schiffskommandanten hatten bereits den Wunsch geäußert, sich mit dem menschlichen Captain auf einen Kampf einzulassen, um zu sehen, ob die Berichte über seine taktischen Fähigkeiten und seine Listigkeit der Wahrheit entsprachen. Visla dagegen vermutete, dass die Berichte beschönigt worden waren, um die Inkompetenz der Klingonen zu verschleiern, die durch Kirk eine Niederlage erlitten hatten.

Was die HoS’leth anging, so wusste Visla zu diesem Zeitpunkt nur, dass eine Gruppe von Überlebenden des zerstörten Kreuzers auf dem Planeten Centaurus auf ihre Abholung wartete und dass K’tovel unter ihnen war. Wie ihr Sohn und seine Schiffskameraden der Zerstörung ihres Schiffs während der Schlacht entgangen waren, war ebenfalls eine Frage, die unbeantwortet blieb, bis die Qo’Daqh eintraf, um sie abzuholen. Visla wusste bereits, wie der klingonische Hohe Rat reagieren würde, wenn bekannt wurde, dass K’tovel unter den Überlebenden der HoS’leth war.

Noch mehr Schande über unser Haus.

»Ich habe den Bericht gelesen«, sagte Koveq. »Obwohl darin Einzelheiten fehlen, ist offensichtlich, dass der Sternenflottencaptain ohne Rücksicht auf unsere Traditionen gehandelt hat. Die HoS’leth-Besatzung, einschließlich Ihres Sohnes, war bereit, mit ihrem Schiff zu sterben, wurde dieser Ehre aber beraubt. Das sollte man berücksichtigen, wenn man über die Überlebenden urteilt.«

Visla wischte sich das Gesicht mit ihrem Handtuch ab und starrte finster vor sich hin. »Und wie wahrscheinlich ist es, dass das passiert?« Sie schüttelte den Kopf. »Nein. Der Hohe Rat hat nie eine Gelegenheit ausgelassen, meine Familie in ihre Schranken zu weisen. Das werden sie auch jetzt nicht tun und die Beleidigung wird nur noch schlimmer, weil ich geschickt wurde, um sie zurückzuholen. Es ist ein endloser Kreislauf, Koveq, und zwar einer, aus dem es kein Entrinnen gibt.« Sie hielt inne und betrachtete ihn einen Moment lang. »Wie kommt es, dass Sie Ihren Gefühlen nicht freien Lauf lassen? Man hat auch Ihnen Ihre Ehre genommen. Verärgert Sie das nicht?«

»Meine Schande habe ich mir selbst zuzuschreiben, Commander.« Der Waffenoffizier starrte auf die Metallplatten des Decks. »Ich habe im Kampf gezögert. Ich stand zum ersten Mal einem Feind gegenüber. Man könnte Jugend und Unerfahrenheit als Erklärung heranziehen, aber Tatsache ist, dass ich einfach Angst hatte. Diese Angst machte mich handlungsunfähig und dieses Versagen führte zum Tod von zwei Kriegern. Ich lebe mit diesem Wissen und mit jedem neuen Tag versuche ich, ein besserer Krieger zu sein als am Tag zuvor. Ich weiß aber, dass ich diesen Fehler nie wiedergutmachen kann. Ich kann nur dafür sorgen, dass so etwas nie wieder passiert.«

Visla nickte. Wie sie und Koveq hatte jedes Mitglied der Besatzung der Qo’Daqh solch eine Geschichte, irgendein Versagen oder Versäumnis, das als Schmach für das Reich angesehen wurde. Es gab noch andere Schiffe wie dieses, voll von Verstoßenen und Zurückgewiesenen, die letztlich nur ein Ziel hatten: zu sterben, damit andere Krieger, besser und ehrenhafter, leben und weiterkämpfen konnten.

Wir werden ja sehen.

»Wir beide sind uns sehr ähnlich, mein Freund«, sagte sie. »Ich mache mir keine Gedanken darum, meine persönliche Ehre wiederherzustellen, da das nicht in meiner Macht liegt. Das befreit uns jedoch nicht von unserer Pflicht als Krieger, und wenn das bedeutet, eine gegen das Reich gerichtete Beleidigung zu korrigieren, dann sollten wir das tun.«

Koveq sah sie verwirrt an. »Ich verstehe nicht, Commander.«

Das Interkom in der Nähe des Eingangs zum Trainingsraum gab einige Pieptöne von sich, bevor eine tiefe Männerstimme über den Lautsprecher sagte: »Brücke an Commander Visla.«

Visla lächelte ihren Vertrauten an und meinte: »Sie werden es zu gegebener Zeit verstehen, Lieutenant.« Sie bedeutete Koveq, ihr zum Interkom zu folgen, und drückte auf den Aktivierungsknopf. »Visla hier.«

»Entschuldigen Sie die Unterbrechung Ihrer persönlichen Trainingseinheit, Commander«, meldete sich Woveth, der Erste Offizier der Qo’Daqh, »aber wir haben eine Subraumnachricht vom klingonischen Hohen Rat erhalten. Sie wollen wissen, warum Sie den Befehl, Kurs auf Centaurus zu setzen, nicht bestätigt haben.«

Visla wechselte einen Blick mit Koveq, der seine Stirn erneut in Falten gelegt hatte.

»Das liegt daran, dass wir nicht nach Centaurus fliegen, Lieutenant«, erklärte sie. »Nehmen Sie mit Höchstgeschwindigkeit Kurs auf das Libros-System. Sobald wir unterwegs sind, teilen Sie mir unsere Ankunftszeit mit.«

Woveths erste Reaktion war Schweigen, und Visla meinte, ihn durch den offenen Kanal atmen zu hören. Dann sagte der Erste Offizier: »Commander, ich verstehe nicht. Habe ich eine Änderung unserer Befehle übersehen?«

»Nein, Lieutenant. Diese Entscheidung liegt in meinem Ermessen und ich übernehme die volle Verantwortung. Wir werden das im Detail besprechen, wenn ich wieder auf der Brücke bin. Ändern Sie erst einmal den Kurs.«

Der Erste Offizier war hörbar verwirrt, protestierte aber nicht. »Verstanden, Commander. Ich berechne den neuen Kurs.«

»Ausgezeichnet.« Visla trennte die Verbindung.

»Commander?« Koveq gab sich keine Mühe, seine Skepsis zu verbergen. »Eine unautorisierte Abweichung von unserem Kurs wird dem Hohen Rat nicht entgehen.«

Visla nickte. »Ganz recht. Ich hoffe doch, dass er unseren Versuch, die Besatzung der HoS’leth reinzuwaschen und die Ehre, die ihr genommen wurde, wiederherzustellen, bemerken wird.«

»Die Besatzung.« Koveqs Augen verengten sich. »Einschließlich Ihres Sohns.«

»Ja, einschließlich meines Sohns.« Visla drehte sich zu ihrem Waffenoffizier um. »Kann ich auf Ihre Loyalität vertrauen, Lieutenant?«

Koveq nickte. »Immer und bedingungslos, Commander.«

»Gut.«

Visla spürte das fast unmerkliche Beben in den Deckplatten unter ihren Füßen, das darauf hindeutete, dass die Qo’Daqh beschleunigte und mehr Energie aus ihren Triebwerken herausholte, und gestattete sich ein zufriedenes Lächeln. Sie, ihre Außenseiterbesatzung und ihr schrottreifes Schiff würden dem Reich und der HoS’leth zurückerobern, was ihnen von diesem törichten Erdling genommen worden war.

James Kirk würde für seine Unverschämtheit bezahlen.

ZWEI

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Zuerst flackerten die Lichter. Dann ließ die künstliche Schwerkraft so weit nach, dass Kirk aus dem Tritt geriet. Er fing sich am nächsten Schott ab, da veränderte sich das allgegenwärtige Brummen des Warpantriebs der Enterprise. Trotz der Trägheitsdämpfungssysteme spürte Kirk einen winzigen Moment lang, wie er zur Vorderseite des Schiffs gezogen wurde. Das Gefühl verschwand genauso schnell, wie es aufgekommen war. Zurück blieb nur ein flaues Gefühl im Magen.

Kirk war nicht allein im Korridor auf Deck fünf und wechselte verwirrte Blicke mit den etwa ein Dutzend Besatzungsmitgliedern, die in diesem Abschnitt des geschwungenen Gangs zu sehen waren. Er ging gerade zu einem Interkom, als der Pfiff des Systems ertönte, gefolgt von der Stimme des Ersten Offiziers der Enterprise, Commander Spock.

»Brücke an das gesamte Personal. Das Schiff ist unerwartet aus dem Warp gefallen. Die Ingenieure überprüfen die Situation bereits. Alle Schadenskontrollteams, übermitteln Sie Ihren Abteilungsleitern aktualisierte Berichte. Bereithalten für weitere Anweisungen.«

Kirk ließ ihn ausreden, bevor er mit dem Daumen den Schalter der Komm-Anlage betätigte. »Kirk hier. Was ist passiert, Spock?«

»Mister Scott meldet anhaltende Probleme mit dem Warpantrieb, Sir.« Wie immer waren Sprache und Ton des Vulkaniers förmlich, während er die Informationen übermittelte. »Außerdem hat er seine Warnung bezüglich anderer beschädigter Systeme erneut betont. Reparaturen in diesen Bereichen werden sich verzögern, während er sich mit dem Warpantrieb befasst.«

Kirk stieß einen Seufzer aus und rieb sich den Nasenrücken. Es war weniger als zwölf Stunden her, dass die Enterprise von einem romulanischen Kriegsschiff unter Beschuss genommen worden war, und Commander Scott und sein Ingenieurteam hatten seitdem fast jede Minute damit verbracht, die verschiedenen Wunden des Raumschiffs zu versorgen. In erster Linie hatte der Warpantrieb der Enterprise durch den langwierigen Kampf gelitten. Aber auch die Deflektorschildgeneratoren des Schiffs und eine Reihe anderer, kleiner, aber dennoch wichtiger Systeme waren durch die Disruptorwaffen des romulanischen Schiffs überlastet worden oder ausgebrannt. Selbst ein begnadeter Magier wie Montgomery Scott hatte es schwer, alle notwendigen Reparaturen durchzuführen.

»Wie ist unsere gegenwärtige Position?«, fragte Kirk.

Spock antwortete: »Wir fliegen immer noch mit voller Impulskraft und halten Kurs auf das Libros-System.«

Kirk wusste, was kommen würde, und sagte: »Sie können mir die Berechnungen ersparen, wie lange wir bei unserer derzeitigen Geschwindigkeit bis nach Usilde brauchen werden.«

»Wie Sie wünschen.«

Es entstand eine Pause und Kirk sah seinen Ersten Offizier förmlich vor sich, wie er mit hochgezogener rechter Augenbraue an seiner Station auf der Brücke der Enterprise stand und darüber brütete, dass man ihm die Chance verwehrt hatte, seine Berechnungen in allen Einzelheiten darzulegen. Das Schweigen dehnte sich so lange aus, dass Kirk anfing, seinen Versuch eines Scherzes zu bedauern. Obwohl sein Freund bei den meisten Gelegenheiten bereit war, der sehr menschlichen Neigung seines Captains, Witze zu reißen, nachzugeben, lastete der Stress der jüngsten Ereignisse sicherlich schwer auf ihm. Die Sorge um seinen Vater Sarek und seine ehemalige Schiffskameradin Captain Una musste für den Vulkanier zermürbend sein, obwohl niemand außer seinen engsten Freunden die Belastung auch nur bemerkt hätte. Die beiden waren weiterhin in dem mysteriösen Paralleluniversum gefangen, das dank einer auf dem Planeten Usilde entdeckten wundersamen Technologie mit ihrem eigenen verbunden war. Spock legte wie immer eine fast unerschütterliche Gelassenheit an den Tag, aber Kirk kannte ihn lange genug, um zu erkennen, wie sich winzige Risse in der Fassade seines Freundes bildeten.

»Tut mir leid, Spock. Ich wollte nur … Es tut mir leid.«

»Ihre Absicht ist mir nicht entgangen und sie wird gewürdigt, Sir.« Kirk wusste, dass eine solche Reaktion das Risiko in sich barg, als übermäßig emotional und vielleicht sogar als Zugeständnis an seine menschliche Hälfte wahrgenommen zu werden. Dass der Erste Offizier sie dennoch gezeigt hatte, war ein Zeichen für die emotionale Belastung, der er trotz seiner vulkanischen Selbstbeherrschung ausgesetzt war. »Soll Mr. Scott sich mit einer neuer Einschätzung des Reparaturaufwands bei Ihnen melden?«

»Nein. Ich glaube, ich gehe runter in den Maschinenraum und schaue mir das selbst an.«

»Bestätigt. Spock Ende.«

Kirk schloss den Kanal und seufzte erneut. Der Gedanke, auf der Brücke zu sitzen und auf die fernen Sterne zu starren, während die Enterprise durch die interstellare Leere kroch, war nicht gerade verlockend. Genauso wenig hatte er die Geduld, auf aktualisierte Reparaturschätzungen zu warten. Und er hatte ganz sicher nicht die Absicht, sich hinter seinem Schreibtisch zu verschanzen und sich mit Berichten oder dem anderen administrativen Müll herumzuschlagen, der dazugehörte, wenn man Captain eines Raumschiffs war. Außerdem wäre er dann dazu gezwungen, auf die zahllosen Kommuniqués des Sternenflottenkommandos zu antworten, die zweifellos eingegangen waren, weil sie wissen wollten, was zum Teufel er hier zu tun glaubte. Schließlich hatte er die Enterprise von Centaurus aus, ohne auf Erlaubnis zu warten, Kurs auf das Libros-System nehmen lassen. Er hatte sich an die Vorschriften gehalten, seine Vorgesetzten über seine Absichten informiert und den Ermessensspielraum genutzt, den die Sternenflotte ihren Schiffskommandanten bei einer Vielzahl von Entscheidungen zubilligte. Allerdings lag ein Vorstoß in einen möglichen interstellaren Zwischenfall für gewöhnlich nicht innerhalb dieser Grenzen.

Der Maschinenraum war ein einziges Chaos.

Kirk stand in der offenen Tür, die in das geräumige Herzstück des Schiffs führte, und betrachtete die Szene, die sich vor ihm abspielte. Wandpaneele lagen auf dem Deck herum, zusammen mit Werkzeugen und Komponenten oder Elementen größerer Bauteile. Männer und Frauen in Sternenflottenuniformen und Overalls kletterten Leitern hinauf, krochen in Zugangsschächte, zogen die Eingeweide aus den Konsolen oder saßen einfach mitten auf dem Boden und arbeiteten an einem Ausrüstungsteil. Kirk konnte sich nicht erinnern, den Maschinenraum jemals in einem so chaotischen Zustand gesehen zu haben.

Montgomery Scott stand im Zentrum des Mahlstroms und lenkte die Bemühungen aller um sich herum. Die Arme des Chefingenieurs wedelten in verschiedene Richtungen und schickten seine Untergebenen an diese Kontrolltafel oder jenen Zugang oder ließen sie ein bestimmtes Werkzeug holen. Hinter ihm und hinter dem Schutzgitter, das den Hauptbereich des Maschinenraums von den gewaltigen Plasmaleitungen trennte, die die Warpgondeln des Raumschiffs mit Energie versorgten, war alles dunkel und tot. Normalerweise pulsierte die Anlage mit gedämpfter Energie, aber jetzt war alles still und Kirk hatte das Gefühl, als sei das Schiff in einen tiefen Schlaf gefallen.

»Verdammt«, sagte er und versuchte, alles auf sich wirken zu lassen.

Scott bemerkte die Anwesenheit seines Captains und erteilte einem wartenden Junior-Ingenieur eine letzte Anweisung. Dann entfernte er sich von dem Durcheinander, das sich um ihn herum ausbreitete, und ging zu Kirk. »Captain, ich wusste nicht, dass Sie uns einen Besuch abstatten würden.«

»Mein Schiff funktioniert nicht, Scotty«, antwortete Kirk und trat in den Raum.

Der Ingenieur presste die Lippen zusammen und nickte. »Aye, Sir, im Moment ist es ein bisschen chaotisch, aber wir haben alles im Griff. Ich erwarte, dass wir innerhalb einer Stunde wieder Warpantrieb haben.«

Sie durchquerten den Hauptarbeitsbereich und gingen an den großen dualen Materie-Antimaterie-Integratoren vorbei. Kirk bemerkte, dass von den beiden überdimensionalen Bauteilen Abdeckplatten entfernt worden waren und Junior-Ingenieure in und um sie herum arbeiteten. Auf dem Deck in der Nähe eines der Integratoren war ein Paar Beine zu sehen, deren Besitzer auf dem Bauch lag und sich streckte, um in der Zwischendecke etwas zu greifen. Als die beiden Männer sich dem Schutzgitter näherten, deutete Scott auf die dunklen, inaktiven Plasmaleitungen.

»Wir werden natürlich einen Kaltstart machen müssen, und wenn das erledigt ist, wäre ich Ihnen dankbar, wenn Sie das Mädchen ein wenig schonen könnten.«

Kirk verzog das Gesicht. »Ich kann nichts versprechen, Scotty. Ich weiß nicht, was uns erwartet, wenn wir Usilde erreichen. Wir können uns keine Verzögerungen leisten. Die Klingonen werden bestimmt nicht untätig herumsitzen. Jede Minute, die wir hier draußen sind, arbeiten ihre Leute auf Usilde an der Zitadelle der Jatohr.«

»Aye, verstehe.« Scott sah sich in dem weitläufigen Raum seines Reichs um. »Ich kann nicht behaupten, dass ich mit der gegenwärtigen Situation glücklich bin, Sir. Einige der benötigten Reparaturen wären in einer Sternenbasis oder sogar in einem Trockendock besser durchzuführen.«

»Wir müssen mit dem arbeiten, was wir haben.« Kirk war sich der Probleme, mit denen sein Schiff zu kämpfen hatte, bewusst, wenn auch vielleicht nicht so detailliert wie sein Chefingenieur. Das Gefecht mit dem romulanischen Schiff in der Nähe von Centaurus war kurz, aber kostspielig gewesen, sowohl wegen des direkten Schadens, den das feindliche Schiff verursacht hatte, als auch wegen der Ausweichtaktiken, zu denen er gezwungen gewesen war. Die Liste der beschädigten oder beeinträchtigten Systeme war so lang wie vielfältig gewesen und es war ehrlich gesagt ein wahres Wunder, dass Montgomery Scott und sein Ingenieurteam die Enterprise während des Kampfes zusammengehalten hatten. Nun bat Kirk Scott und seine Leute, ein weiteres Wunder zu vollbringen und das verwundete Raumschiff zu heilen, bevor er gezwungen war, es erneut in Gefahr zu bringen.

»Abgesehen vom Warpantrieb«, fragte Kirk, »wie sieht es mit den restlichen Reparaturen aus?«

»Ich lasse Teams durch jede Jefferies-Röhre und jeden Wartungsschacht des Schiffs kriechen, Sir. Ich habe meinen Leuten befohlen, jedes System dreifach zu überprüfen, auch wenn kein Schaden gemeldet wurde, nur um sicherzugehen.« Scott hob den Arm und wischte sich die Stirn mit seinem Hemdsärmel ab. »Wir tun alles, was wir können, damit sie wieder in Schuss kommt, Captain. Trotzdem werden wir eine Sternenbasis anlaufen müssen, sobald das alles vorbei ist.«

»Versprochen. In der Zwischenzeit sprechen Sie sich mit Spock ab und ziehen Sie Leute von überall, wo es geht, ab, um zu helfen.«

Scott rang sich ein Lächeln ab. »Das tue ich bereits, Sir.« Er zeigte zur Mitte des Raums und auf das rege Treiben um sie herum. »Wenn Sie mich jetzt entschuldigen, Sir, ich würde gern weitermachen.«

»Lassen Sie sich nicht aufhalten, Scotty.« Kirk betrachtete den Raum und die Ingenieure. »Sagen Sie Ihren Leuten, ich weiß ihre harte Arbeit zu schätzen.«

»Aye, Sir. Das werde ich.«

Der Ingenieur verabschiedete sich und kehrte zu den zahlreichen Dingen zurück, die seine Aufmerksamkeit erforderten. Er ging zu einem seiner Untergebenen und zu der Konsole, an der der jüngere Mann arbeitete. Kirk beobachtete ihren Austausch noch einige Sekunden lang, bevor er sich umdrehte und auf den Ausgang zusteuerte. Er wusste, dass die Gruppe der talentierten Spezialisten mehr erreichen würde, wenn ihr Captain ihnen nicht im Nacken saß.

Steh ihnen nicht im Weg und lass sie ihre Arbeit machen.

DREI

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Schwarzer Rauch vermischte sich mit braunem Sand und leichtem Staub und wogte auf sie zu. Die Wolke ragte vor ihr auf, ein dunkler Vorhang, der die markante Architektur der Universität von New Athens immer mehr verhüllte. Studenten und Fakultätsmitglieder waren auf dem Campus mit seinen sorgfältig gepflegten Grünflächen und zweckmäßigen Gebäuden unterwegs und ahnten scheinbar nicht, was auf sie zukam.

Amanda Grayson beobachtete das Vordringen der seltsam vertrauten Wolke.

Tentakel, die immer dichter wurden, schwebten bedrohlich über ihr. Sie ragten aus der trüben Wolke und verdunkelten den klaren blauen Himmel. Amanda streckte ihre bloße Hand in die Wolke und starrte auf den Staub, der wie ein unwillkommener Handschuh ihren Arm hinaufkroch, obwohl sie sich nicht bewegte. Als die dichte Masse über sie wogte und sie einhüllte, bemerkte sie keine Rückstände und fühlte auch keine Staubkörner auf ihrem Arm. Sie konnte ohne Schwierigkeiten atmen und überließ sich der Undurchsichtigkeit der Wolke.

Dann waren da nur noch Stille und diffuses braunes Licht und Amanda nahm ihren ausgestreckten Arm wieder herunter. Obwohl sie mitten in der Wolke stand, existierte diese getrennt von ihr. Sie spürte nichts als das schwache Licht um sie herum. Dann schloss sie ihre Augen und verschloss sich sogar diesem gegenüber.

Meine Gemahlin.

Die Worte waren leise, aber sie zu hören erschreckte sie so sehr, dass sie die Augen aufschlug. Die Wolke umgab sie weiterhin ohne physische Auswirkungen. Amanda stand still, hielt den Atem an und bemühte sich, die Stimme – oder irgendetwas anderes – zu hören. Hatte sie sich das eingebildet? Sie machte einen Schritt vorwärts. Auf geistiger Ebene nahm sie die Bewegung wahr, obwohl sich an ihrer Umgebung nichts veränderte. Die Anwesenheit der Wolke verschluckte jeden Hinweis auf ihre Bewegung. Ein weiterer Schritt vorwärts bot keine neuen Anhaltspunkte.

»Sarek?«

Meine Gemahlin.

Ein bisschen lauter dieses Mal, gerade laut genug, um Amanda davon zu überzeugen, dass die Stimme keine Wunschvorstellung oder ein Trick des Windes war. Das waren Worte.

Seine Worte.

Hoffnung flammte in ihrem Herzen auf und Amanda machte noch einen Schritt vorwärts. Sie spürte, wie sie sich mit den Armen vortastete, obwohl ihr jetzt klar wurde, dass weder sie noch der Rest ihres Körpers sichtbar waren. Da war nur die Wolke. Ihre Versuche, diese zu zerstreuen oder sich aus ihr hinauszubewegen, waren vergeblich. Amandas Frustration nahm zu. Sie streckte ihre Arme gerade nach vorn und rannte. Sie spürte, wie sich ihre Füße schnell und anmutig über den unsichtbaren Boden bewegten, und stürzte sich in eine Richtung, die sie nicht bestimmen konnte.

»Sarek! Wo bist du?«

Amanda nahm tiefe Atemzüge, in denen kein Staub zu spüren war, und rannte. War sie von ihrem Kurs abgewichen, wohin auch immer die Stimme sie führte? Bei jedem Versuch, sich umzudrehen oder die Richtung zu ändern, wurde sie von der unaufhörlich um sie herumwirbelnden Wolke umfangen.

»Sarek! Ich bin hier!«

Meine Gemahlin.

Hilflosigkeit und Aussichtslosigkeit überwältigten sie und Amanda stürzte zu Boden. Sie hämmerte mit ihren Händen auf den Schmutz ein und weinte. Sie holte zum Schreien tief Luft – hielt sich aber zurück, bevor sie den Schrei ausstoßen konnte.

»Nein«, sagte sie. »Ich darf die Kontrolle nicht verlieren. Sarek wird mich finden.«

Amanda setzte sich hin, zog die Beine unter sich und ruhte sich auf dem Boden aus. Sie zwang sich, ihre Atmung zu verlangsamen und ihren Geist nach innen zu wenden, so wie ihr Mann es ihr unzählige Male vorgemacht hatte. Anstatt sich abzumühen, die unterschiedlichen Formen im Licht zu interpretieren, ließ sie Blick und Gedanken schweifen.

Und dann bemerkte sie es.

Überall um sie herum wich das dumpfe Braun des Staubs wärmeren Blau- und Violetttönen, die durch das triste Licht und seine kläglichen Versuche, die Wolke zu durchdringen, brachen. Amanda verspürte eine Welle der Erleichterung, aber sie tat ihr Bestes, um dieses Gefühl zu unterdrücken. Sie richtete ihr Bewusstsein weiter nach innen und weigerte sich, sich von der allgegenwärtigen Wolke überwältigen zu lassen. Langsam und gleichmäßig zog sich die Wolke von Amanda zurück, als ob eine neu entstandene Blase der Klarheit sie wie eine Kapsel umschloss. Zuerst konnte sie ihren ganzen Körper sehen, dann, als sich die Wolke aus dem Bereich um ihren Körper herum zurückzog, konnte sie einen ganzen Schritt sehen, während sie ging. Obwohl der Boden keine Merkmale aufwies, die ihre Bewegung bestätigten, wuchs in Amanda die Zuversicht, dass sie nun die Kontrolle über diesen Zustand des Seins erlangte. Sie blieb stehen und ließ die Kuppel sich noch weiter um sie herum ausdehnen. Schnell wuchs sie zur Größe eines Raums, dann eines Hauses, dann eines Innenhofs heran. Die Kuppel dehnte sich immer weiter aus, bis sie in der Ferne eine einsame reglose Gestalt in schwarzen Gewändern offenbarte. Die Gestalt hob eine Hand und winkte ihr zu. Sie keuchte und war sicher, wen sie gerade gesehen hatte.

»Sarek!«

Amanda zuckte aus dem Schlaf und ihr Atem ging schnell und flach, als sie sich in ihrem Bett aufsetzte. Es dauerte einen Moment, bis sie sich daran erinnerte, dass sie nicht in ihrem eigenen Schlafzimmer in dem Haus war, das sie mit ihrem Mann auf Vulkan teilte. Anstelle von vertrauten Einrichtungsgegenständen, Erinnerungsstücken und anderen Dekorationen sah sie schlichte graue Schotten und die Trennwand, die in ihrem Gästequartier den Schlafbereich vom Wohnzimmer trennte. Sie legte eine Hand auf ihr Herz und spürte, wie sich dessen schnelle Schläge bereits verlangsamten. Sie zwang sich, ihre Atmung zu kontrollieren.

Sie ließ sich noch einmal zurück auf ihr Bett fallen, schloss die Augen und suchte in ihrem Gedächtnis nach dem letzten Bild, an das sie sich aus ihrem lebhaften Traum erinnern konnte. Die Vision von Sarek, sein dunkles Gewand im Kontrast zu der trüben Wolke, in der er stand, lockte sie, aber sie konnte das Bild nicht vollständig fokussieren. Auf geistiger Ebene erkannte sie, dass der Traum eine unfreiwillige Mischung zufälliger Elemente aus ihrem Unterbewusstsein darstellte, aber ihr Herz sagte ihr, dass da noch mehr war.

Viel mehr.

Sie hatte nicht nur von ihrem Ehemann geträumt, sondern ihn gespürt, wie nur sie es dank ihrer einzigartigen intimen Bindung konnte. War Sarek am Leben? Hatte er es irgendwie geschafft, die seltsame Barriere oder Leere zu überwinden, die ihn von diesem Universum trennte, wie Spock erklärt hatte? So schnell, wie die Gedanken aufkamen, fühlte Amanda, wie Zweifel sich breitmachten. Vielleicht litt sie unter einer seltsamen Nebenwirkung der Beruhigungsmittel, die Dr. McCoy ihr verabreicht hatte. Sie würde ihn fragen müssen.

Amanda gab den Versuch auf, sich an ihre Traumbilder zu erinnern, stand auf und verließ den Schlafbereich. Bis auf das ständige Dröhnen der mächtigen Impulstriebwerke der Enterprise war es still im Raum und zum ersten Mal bereute sie es, darum gebeten zu haben, in Ruhe gelassen zu werden.

Als hätte er ihre Gedanken gelesen, ertönte der Türsummer.

»Herein«, rief Amanda. Die Tür glitt zur Seite und gab den Blick auf Dr. Leonard McCoy frei. Er trug eine weniger formelle, kurzärmelige Version der Sternenflottenuniform und hatte einen Trikorder dabei.

»Mrs. Sarek«, grüßte der leitende medizinische Offizier des Schiffs.

Lächelnd antwortete Amanda: »Hallo, Doktor. Ist das ein Hausbesuch?«

McCoys Gesichtsausdruck hellte sich auf, aber nur ein bisschen, und Amanda spürte, dass der Doktor nur eine höfliche Fassade zur Schau trug. »Ich dachte, ich sollte vorbeikommen und sehen, wie es Ihnen geht. In eine Sprechanlage zu jammern finde ich etwas unpersönlich. Ich hoffe, ich störe Sie nicht.«

Amanda trat von der Tür zurück und bat McCoy herein. »Überhaupt nicht. Ich kann ohnehin nicht schlafen.«

Der Arzt betrat den Raum und runzelte die Stirn. »Haben Sie Probleme? Ich kann Ihnen etwas anderes verschreiben.«

»Nein, das wird nicht nötig sein. Um genau zu sein, denke ich, dass ich von nun an ohne zusätzliche Hilfe auskommen werde.« Sie bedeutete ihm, in einem der Sessel Platz zu nehmen, die um einen kleinen Tisch in der Sitzecke ihres Zimmers standen. »Ich sollte mich wahrscheinlich anziehen, anstatt in meinem Schlafanzug rumzusitzen«, sagte sie und spielte mit den Falten ihres Morgenmantels.

McCoys Grinsen wurde breiter, als er sich neben den angebotenen Sessel stellte. »Um ehrlich zu sein, wenn es um vulkanische Mode geht, kann ich nicht zwischen einem zeremoniellen Gewand und einem Bademantel unterscheiden.« Dann änderte sich sein Gesichtsausdruck. »Was nicht heißt, dass Sie nicht salonfähig aussehen, Ma’am. Entschuldigen Sie meine Manieren.«

Der Kommentar brachte sie zum Lachen. Auf dieses Vergnügen verzichtete sie zu Hause oft, aber in der Gesellschaft ihrer Mitmenschen gönnte sie es sich. »Falls es Sie tröstet, ich kann die meiste Zeit auch keinen Unterschied feststellen.«

Zum ersten Mal schien McCoy seine erzwungene Fassade abzulegen und sich ein echtes Lachen zu gestatten. Nach einem Moment sagte er: »Wow, das habe ich gebraucht. Vielen Dank, Lady Amanda.«

»Bitte, nur Amanda. Ich versuche, nicht so förmlich zu sein, es sei denn, die Umstände erfordern es.« Sie erkannte, dass McCoy als wahrer Gentleman so lange stehen bleiben würde, bis sie Platz genommen hatte, ging zu einem Sessel ihm gegenüber und setzte sich hin.

»Nur wenn Sie mich Leonard nennen«, entgegnete der Arzt. Er setzte sich und legte den Trikorder auf seinen Schoß.

Amanda nickte. »Abgemacht.«

»Wie fühlen Sie sich?«

Sie hielt einen Moment inne, um über die Frage nachzudenken. Ihre Schnitt- und Schürfwunden waren behandelt und verheilt, und die Rippen-, Arm- und Beinfrakturen, die sie erlitten hatte, waren wieder zusammengewachsen. Die Verletzungen verursachten keine Schmerzen mehr. Die einzigen greifbaren Beweise für die Wunden, die sie während des heftigen Angriffs der Romulaner auf die Universität von New Athens erlitten hatte, waren versengte Strähnen ihres grauen Haars und ein dumpfer Schmerz von den zahlreichen Prellungen. Aber selbst dieser verblasste bereits und sie hatte weitere Medikamente gegen die Beschwerden abgelehnt.

Was jedoch blieb, waren ihre Erinnerungen.

»Ich kenne diesen Blick«, stellte McCoy fest. »Er kommt ziemlich häufig bei Menschen vor, die eine so traumatische Erfahrung durchlebt haben wie Sie auf Centaurus.«

»So etwas habe ich wahrlich noch nicht gesehen.« Jeder Erinnerungssplitter stach auf ihre Psyche ein und verursachte schmerzhafte Schocks oder Erkenntnisse, die sie mit derselben Wucht erschütterten und verwirrten wie die Bombardements, denen sie und so viele andere während des Angriffs ausgesetzt gewesen waren. Das Entsetzen hatte sie gepackt und weigerte sich, loszulassen. Unterstrichen wurde es durch wiederholte Plasmastöße, die ihr den Atem aus den Lungen trieben, während ihr Körper mit Granatsplittern und Steinen gespickt wurde. Die Geräusche von berstendem Glas, gequältem Metall und die Schreie der Verletzten drangen an ihre Ohren und in ihren Geist. Nicht einmal wenn sie die Augen schloss, konnte sie die Bilder der wogenden Trümmerwolken oder einstürzenden Gebäude fernhalten und auch die verstreut herumliegenden, geschundenen und blutenden Körper wurden nicht ausgeblendet. Zu diesen Opfern gehörte auch ihr geliebter Ehemann Sarek, der sein Leben riskiert hatte, um eine Delegation klingonischer Botschafter aus einem Studentenwohnheim der Universität zu retten, kurz bevor dieses in Schutt und Asche gelegt worden war.

Und dann wurde er mir weggenommen.

»Amanda?«, fragte McCoy.

Sie räusperte sich und sagte: »Ich kann immer noch alles hören und sehen. Ich erinnere mich, dass ich neben Sarek stand und mich umsah, weil ich wissen wollte, ob es Hilfe oder ein weiterer Angriff war, was da auf uns zukam.« Sie erinnerte sich, wie Sarek trotz seiner eigenen Verletzungen in bester vulkanischer Manier stoisch und stark geblieben war, während er sich um sie gekümmert hatte. Dann hatte die Bewusstlosigkeit ihn übermannt. Sogar ihre Kehle schien vom Staub ausgetrocknet zu sein und durch ihre wiederholten Hilferufe zu schmerzen. Sie sah immer noch Joanna McCoy, die gekommen war, um ihr mit Sarek zu helfen. Kurz darauf war das gleißende Licht aus dem Nichts erschienen, das ihren Mann und die junge Frau eingehüllt hatte, als ob es beide aus dem Leben ausradieren würde.

»Als ich Sarek und Ihre Tochter verschwinden sah«, erzählte Amanda, »war ich vollkommen überfordert. Der Gedanke, dass er mir ohne Vorwarnung weggenommen worden war, war zu viel für mich«. Sie war in Ohnmacht gefallen. Für diese Reaktion war sie jetzt dankbar. Vieles von ihrer restlichen Zeit auf Centaurus erschien ihr verschwommen, einschließlich der Erstbehandlung ihrer Wunden durch die Triageteams. Eine Erinnerung, an die sie sich klammerte, war das Bild, wie Spock aus der Menge der Verletzten und ihrer Versorger auf sie zukam. In diesem Moment hatten sich der Schock, die Trauer, der Schmerz und die Verzweiflung, die in ihr tobten, in einer ungehemmten Zurschaustellung roher Emotionen entladen. Spock hatte den Ausbruch auf eine Art und Weise gemeistert, die seinen Vater stolz gemacht hätte, vorausgesetzt, Sarek hätte so etwas je zugegeben. Doch es waren die nächsten Worte ihres Sohnes, so einfach und doch so kraftvoll, die ihr neue Hoffnung gegeben hatten.

Sarek könnte noch leben, Mutter.

Amanda verinnerlichte diese Worte und wiederholte sie immer wieder in ihren Gedanken. Spock hatte ihr erklärt, dass Sarek und Joanna sowie zahlreiche andere Personen dem gleichen Phänomen ausgesetzt worden waren und dass sie nicht tot seien. Sie wären in ein eigenständiges Paralleluniversum transportiert worden. Ob man sie zurückholen konnte, war unklar, aber die Enterprise hatte sich diesem Ziel verschrieben. Seit dem Abflug des Raumschiffs von Centaurus hatten ihr Sohn und andere Besatzungsmitglieder unermüdlich daran gearbeitet, einen Weg zu finden, ihren Mann und die anderen zu retten. Amanda konnte jetzt nur noch abwarten und hoffen.

»Wie kommen Sie mit all dem zurecht, Leonard?«

McCoy rutschte in seinem Sessel herum, als wäre er von ihrer Frage überrascht worden. Nach einem Moment antwortete er: »Um ehrlich zu sein, nicht so gut wie Ihr Sohn. Es gibt Zeiten, in denen ich wünschte, ich könnte mir etwas von dieser vulkanischen emotionalen Kontrolle aneignen. In meinem Beruf wäre das sicher nützlich.«

Amanda lachte wieder. »Spock hat mir gesagt, dass Sie ziemlich … leidenschaftlich werden, wenn es um das Praktizieren von Medizin geht.«

McCoy runzelte die Stirn. »Spock spricht mit Ihnen über mich?«

»Gelegentlich, während unserer unregelmäßigen Subraumnachrichten. Ich neige dazu, nachzubohren, und ab und zu wirft er mir kleine Informationsbrocken zu, damit ich ihn in Ruhe lasse.« Sie veränderte ihre Sitzposition und fuhr fort: »Normalerweise begnügt er sich damit, mir etwas über seine Mannschaftskameraden zu erzählen, statt über seine Arbeit zu sprechen. Das gefällt mir sogar, da ich gerne höre, wer mit ihm hier draußen ist. Es ist schön zu wissen, dass er so gute Freunde hat, die sich um ihn kümmern. Als Sie Ihren gemeinsamen Dienst antraten, hat er mir ein bisschen von Ihnen erzählt.«

»Ich traue nicht gar nicht zu fragen, was er gesagt hat.«

Mit einem verschmitzten Lächeln antwortete Amanda: »Wussten Sie, dass er die Datenbanken des Schiffscomputers zu Rate ziehen musste, um das Wort Mistkerl nachzuschlagen?«

McCoy wurde etwas blasser, schüttelte den Kopf und grinste dann verlegen. »Sie müssen mir verzeihen. Ich kann mit meiner Wortwahl ein wenig … extrem sein.«

»Ich hörte davon.« Amanda streckte ihren Arm über den Tisch hinweg aus und legte ihre Hand auf seinen Unterarm. »Keine Sorge. Sie haben ihn bestimmt nicht beleidigt und er weiß, dass Sie es tief im Inneren eigentlich nicht so meinen. Außerdem musste er sich Schlimmeres anhören, während er auf Vulkan mit einer menschlichen Mutter aufwuchs.«

»Das kann ich mir vorstellen«, sagte McCoy und ein mitfühlender Ausdruck huschte über sein Gesicht.

Amanda zog ihre Hand zurück. »Aber es steht mir nicht zu, diese Geschichten zu erzählen. Ich wäre Ihnen also sehr dankbar, wenn Sie das für sich behalten könnten.«

»Schon gut.« Er hielt seinen Trikorder hoch und sagte: »Wie dem auch sei, da ich hergekommen bin, um zu sehen, wie es Ihnen geht, sollte ich damit wohl mal loslegen.«

Der Arzt holte einen kleinen Scanner aus dem Aufbewahrungsfach des Trikorders, erhob sich aus seinem Sessel und stellte sich neben sie. Beide Geräte summten und sangen, während er den Scanner über ihren Arm, dann über ihr Bein und schließlich über ihren Oberkörper bewegte.

»Sind Sie sicher, dass es Ihnen gut geht?«

Amanda überdachte ihre Antwort. Auf Vulkan wurden solche Fragen nicht routinemäßig von vulkanischen Ärzten gestellt, auch nicht von solchen, die sich in der Behandlung von Menschen auskannten. Sie wusste aber von ihrem früheren Besuch auf der Enterprise und den Herzproblemen ihres Mannes, dass McCoy bei der Diagnose seiner Patienten einen informelleren, manchmal ganzheitlichen Ansatz bevorzugte. Statt sich auf die wundersamen Geräte zu verlassen, die ihm halfen, ergänzte er ihre Befunde mit altmodischen Beobachtungen von Geist und Körper und – gelegentlich – auch der Gemütslage.