Inhalt

Vorwort

1.Höhenflüge und Bodenhaftung

Wie alles begann

2.Träume und Schäume

Wie ich vom Hobbymusiker zum Showbiz-Profi wurde

3.Musiker und Mädels

Wie wichtig die richtige Frau an der Seite ist

4.Innovation und Nostalgie

Wie ich mit dem Zeitgeist spielte

5.Licht und Ton

Wie mein Bruder Roland mit mir den Zeitgeist perfekt in Szene setzte

6.Oldies und Goldies

Wie wir die Retro-Welle lostraten

7.Sternstunden und die drei großen „B“

Wie die Memories die Revival-Welle anführten

8.Schlag auf Schlag

Wie in den 90ern ein Projekt das nächste jagte

9.Film und Buch

Wie ich im neuen Jahrtausend zu neuen Ufern aufbrach

10.Alt und Jung

Wie die Postmoderne einen Klassiker aufpeppt

Epilog

Vorwort

Schon als kleiner Junge, als viele damals Lokomotivführer werden wollten, war für mich klar: Mein Traumberuf ist Musiker. Als dieses Ziel erreicht war, wollte ich nicht mehr von Agenturen und Gastspieldirektionen abhängig sein und gründete trotz vieler Hindernisse eine eigene Konzert- und Gastspieldirektion, wie man in den 1970er-Jahren solche Unternehmen bezeichnete. Mit Fleiß und sehr viel Leidenschaft schaffte ich jede Hürde, und mit jeder geschafften Hürde erreichte ich ein höheres Niveau, was zugleich mein Standing in der für mich bis heute immer noch faszinierenden Event-Branche verbesserte.

Mir wurde nichts geschenkt, aber ich hatte auch Glück. Vielleicht war es das Glück des Tüchtigen. Ich habe tatsächlich stets so viel Energie aufgewendet, dass ich mir niemals den Vorwurf machen musste, nicht alles Mögliche getan zu haben, um das jeweilige Ziel zu erreichen. Nur so hätte ich auch damit klarkommen können, wenn es denn mal nicht gelaufen wäre. Mit dieser Einstellung habe ich persönlich die allerbesten Erfahrungen gemacht, und bis heute bin ich dieser treu geblieben.

Aus heutiger Sicht würde ich mir allerdings wünschen, die vielen kuriosen Erlebnisse und schönen Seiten dieser Branche etwas entspannter erlebt zu haben. Ich weiß natürlich nicht, ob sich dann alles genauso entwickelt hätte. „Von nichts kommt nichts“, hat mein Vater mir schon in jungen Jahren immer wieder gesagt. Erst viel später wurde mir die Bedeutung dieses Leitspruchs bewusst. Oft genug lastete die Verantwortung, für meine Kunden einen perfekten Abend zu gestalten, schwer auf mir.

Natürlich musste ich mich im Laufe der Jahre immer wieder neu erfinden, aber meine Grundprinzipien sind meiner Überzeugung nach heute noch genauso entscheidend wie damals.

Meine 10 wichtigsten Erkenntnisse

In diesem Sinne wünsche ich auch Ihnen, liebe Leserinnen und Leser, viele interessante Erkenntnisse und genauso viel Spaß – beim Lesen wie im Leben.

1.Höhenflüge und Bodenhaftung

Wie alles begann

Bumm tschack. Bumm bumm tschack. Voller Leidenschaft trommelte ich los, passend zur Musik von der Schallplatte, die ich vorher aufgelegt hatte. Ich brannte für die Sache. Bis ins Detail kopierte ich die Bewegungen und Gestik meines Vorbilds. Dass ich statt Bassdrum, Snare und Becken nur die Töpfe meiner Mutter vor mir aufgebaut und Kochlöffel zu Drumsticks umfunktioniert hatte, störte mich kaum. Sogar die Zigarette, die jener Schlagzeuger an der seitlichen Halterung einer Trommel zu deponieren und in mehreren Etappen mit vorgehaltener Hand zu rauchen pflegte, fehlte in meiner Küchenshow daheim nicht. Ich nahm als Ersatz die Kinderzigaretten aus Schokolade, die es damals im Süßwarenregal jedes Dorfladens gab, und tat so, als würde ich sie paffen.

Ich war fünf Jahre alt – und ich hatte meine Berufung gefunden: Ich wollte Musiker werden. Ich weiß heute nicht mehr, wie jene Band hieß, die mich auf dem Kinderfasching am 1. März 1960 so fasziniert hatte. Aber ich erinnere mich noch gut an den Drummer und seinen Stil zu trommeln. Während die anderen Jungs im Cowboykostüm herumtollten, ohne auf die Musik zu achten, und mit Schießplättchen in ihren Spielzeug-Revolvern wild herumballerten, saß ich stundenlang vor der Bühne und studierte die Szenerie. Zu Hause ahmte ich dann den Drummer detailverliebt nach, was mit den Küchenutensilien am einfachsten zu bewerkstelligen war.

Meine Mutter Amanda schüttelte darüber den Kopf: „Die Töpfe machst du nachher aber wieder sauber“, war alles, was ihr zu meiner Show einfiel. Sie missbilligte meinen neuen Spleen. Sie war eine einfache Frau, die hart arbeiten musste und wenig Sinn für die Höhenflüge meiner Fantasie hatte. Mein Vater Hans hingegen schien mich auf seine eigene Weise zu verstehen. Und er sah mein Talent. „Na, den Rhythmus halten kannst du ja schon“, sagte er. Lob war seine Sache normalerweise nicht. „Wenn ich nichts sage, ist es gut“, war einer seiner Leitsprüche. Wohl ein gut gemeinter Hinweis darauf, dass es ihm nicht an Aufmerksamkeit uns Kindern gegenüber mangelte, er sich aber dennoch schwer damit tat, Bewunderung in Worte zu fassen. Umso mehr bedeutete mir seine trockene verbale Wertschätzung meiner Darbietung.

Mein früher Hang zur wirkungsvollen Inszenierung offenbarte sich in jener Zeit zum Leidwesen meiner Mutter nicht nur in der Parodie eines Schlagzeugers. Ich schuf ganze Dioramen von Landschaften, passend ausstaffiert mit Bären, Kamelen und anderen Figürchen aus den Wundertüten, die es damals auf der Kirmes zu kaufen gab. Die Glasvitrine unseres Buffetschranks, dessen Zweck eigentlich darin bestand, brave Sammeltassen und das Sonntagsgeschirr zu beherbergen, nutzte ich im Winter und bei schlechtem Wetter als Ausstellungsfläche.

Im Sommer baute ich im Garten ein improvisiertes Zirkuszelt auf, das ich wechselweise als Varieté oder als Schaubude ausgestaltete. Als Pfosten benutzte ich unsere 1,30 Meter hohen 33-Kilo-Gasflaschen, die, wie ich fand, genau die richtige Höhe dafür hatten, und spannte eine Nylonplane darüber. In diesem Geviert spielte sich alles ab. Besonders beeindruckend war eine Naturschau mit meinen Wundertüten-Figürchen. Ich widmete verschiedenen Landschaften und Kontinenten eigene, abgegrenzte Teilbereiche. Es gab eine Savanne mit Elefanten und Giraffen, einen Dschungel mit Affen, eine Arktis mit Eisbären ... Mit Feuereifer machte ich mich anschließend daran, meine Ausstellung ins rechte Licht zu rücken. Und zwar mit Kerzen.

Dass mein Vater über die gleichzeitige Verwendung von Gasflaschen und brennenden Kerzen nicht begeistert war, versteht sich. Aber er muss von der Inszenierung an sich angetan gewesen sein: Er schimpfte nicht, sondern – ganz der Feuerwehrmann der BASF, der er von Beruf aus war – erklärte mir geduldig, dass Feuer und Gas ein hochexplosives Gemisch darstellen. Tatsächlich war meine Konstruktion nicht ungefährlich. Das sah ich schließlich ein. Vater Hans beließ es jedoch nicht bei einer Belehrung. Er suchte mit mir eine bessere Lösung. Letztlich nutzten wir den Trafo und die Lichtanlage der Modelleisenbahn und schalteten sie so zusammen, dass man das Licht sogar dimmen konnte. Für mich war das Ergebnis nicht nur perfekt und weit schöner als vorher, ich lernte von meinem Vater auch eine wichtige Lektion:

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Wenn etwas nicht geht oder nicht gut ist, darf man nicht aufgeben, sondern muss eine bessere Alternative finden.

Mein liebstes Steckenpferd und meine größte Faszination war und blieb jedoch immer die Musik. Ich war so beseelt von dem Gedanken, Musiker zu werden, dass ich als Knirps in der Grundschule schon fest daran glaubte, zum Erreichen dieses Ziels jeden Widerstand überwinden zu können. Vielleicht war das Verständnis meines Vaters für mich, das zu dem sonst so bodenständigen, handfesten Kerl gar nicht recht passen mochte, in der Tatsache begründet, dass er der Musik sehr zugetan war. Er hatte sich das Ziehharmonikaspielen selbst beigebracht; für Unterricht war kein Geld da gewesen. Aber er hatte es auch als Autodidakt geschafft, die Lieder schön zu interpretieren. Vor allem aber hatte er seinen Spaß daran. So begleitete und leitete er bereitwillig und behutsam meine ersten musikalischen Gehversuche.

Er schlug mir vor, Akkordeon spielen zu lernen. „Schlagzeug kann man nicht alleine spielen, da muss man immer andere dafür haben, wenn man Musik machen will“, war sein Argument, das mich davon überzeugen sollte, die Kochlöffel-Sticks gegen Tasten einzutauschen. Er ermahnte mich, es sei im Leben enorm wichtig, immer unabhängig zu bleiben. Unabhängigkeit sei unabdingbar für Erfolg und Fortkommen, meinte er. Also lernte ich, wenn auch nicht unbedingt mit größter Begeisterung, Akkordeon spielen, „weil man das überall und allein machen kann“. Das Akkordeon war Anfang der 60er-Jahre natürlich nicht sehr angesagt, wo doch gerade der Beat aufkam. Dennoch fügte ich mich und war zugleich froh, überhaupt ein Instrument von Grund auf lernen zu dürfen. Der Unterricht kostete damals 25 D-Mark im Monat, was zu jener Zeit recht viel Geld war. Vaters Bedingung, diese Summe aufzubringen, waren gute Zensuren.

Mein erstes Zensurenheft aus dem Jahr 1965.

Später erwies sich dieses volkstümlich angehauchte Tasteninstrument für mich als eine wirklich gute Wahl. Es sollte mir noch viele Türen in meiner Musiker-Laufbahn öffnen. So war etwa der Umstieg vom Akkordeon auf die Orgel, der vergleichbar weichen Anschlagsweise wegen, recht einfach. Und die Hammond-Orgel war wiederum schwer angesagt, als ich meinen Weg auf die Bühne fand: Mit 14 startete ich mit der Orgel semiprofessionell als Musiker durch.

Fast täglich spielte ich von 14 bis 17 Uhr für ein Mittagessen und ein paar Mark vor Touristen in Winzergaststätten. Diese musikalischen Nachmittage mit Weinprobe waren begehrte Ausflugsziele. Schon frühmorgens stand ein halbes Dutzend Busse auf dem Parkplatz vorm Lokal.

Mein Vater legte mir in dieser Beziehung keine Steine in den Weg, jedoch einige Regeln fest, die es mir nicht unbedingt einfacher machen sollten. Er hatte nämlich die Musikerjobs nur unter der Bedingung erlaubt, dass ich zusätzlich auch eine herkömmliche Ausbildung absolviere. Die Schulbank musste ich trotz meiner Auftritte also weiterhin drücken. Da kannte mein Vater kein Pardon. „Du musst erst mal was Gescheites lernen“, befahl er mir, sprich: eine kaufmännische Ausbildung machen. Widerrede zwecklos. Ich fuhr also mehrere Jahre lang zweigleisig, was meine Zeit komplett verschlang. Schwimmbad, Partys, Moped-Tour? Fehlanzeige! Dabei war ich kein Kind von Traurigkeit: Ich lebte ganz nah am Puls der Zeit, ließ mir die Haare über den Kragen wachsen, trug einen Oberlippenbart, Lederjacken und Hosen mit Schlag. Ich war erklärter Fan von Uschi Nerke und dem „Beat Club“ und schwamm auch auf der aufkommenden Pop-Welle mit.

Letztlich zahlte sich die Lehre aus: Bald spielte ich zusätzlich abends mit verschiedenen Formationen in den aufkommenden Ami-Clubs, wo ich in Dollar bezahlt wurde. Dank meiner kaufmännischen Ausbildung für einen gewissen Geschäftssinn sensibilisiert, behielt ich bei diesen Gagen immer den Wechselkurs im Blick. Erst wenn der Dollar gut stand, tauschte ich das verdiente Geld in D-Mark um. Und auch später waren mir die zunächst so lästigen Fächer Betriebswirtschaft und Buchhaltung von größtem Nutzen. Jeder, der sich selbstständig macht, weiß, wovon ich rede.

Mitte der 1960er Jahre übte ich Akkordeonspielen nicht nur im Haus, sondern auch im Hof und im Garten.

Die legendäre Hammond-Orgel Typ M100.

Zeitgemäß mit langen Haaren als musikalischer Begleiter einer Modenschau.

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Bodenhaftung und eine fundierte Ausbildung sind die Basis des Erfolgs in einem kreativen Beruf, wenn dazu eine Vision, Talent, Durchhaltevermögen und eine gewisse Opferbereitschaft kommen.

Rückblickend bin ich überzeugt davon, dass mein Vater mich immer in die richtige Richtung gelenkt hatte. Er hatte mein Talent erkannt, ließ mich träumen und auch mal abheben. Zugleich hatte er mich aber dazu erzogen, pragmatisch zu denken, nie den Broterwerb zu vernachlässigen und die Bodenhaftung nie ganz zu verlieren. Mit Zuckerbrot und Peitsche wachte er über meinen Werdegang. Einerseits kaufte er mir die zwar gebrauchte, aber nicht minder sensationelle und heute legendäre Hammond-Orgel M-100, andererseits erwartete er eine Gegenleistung: Ich musste sie aus eigener Tasche zurückzahlen. Er förderte meine Arbeit in der Band, steuerte Geld zur Gesangsanlage bei, fuhr uns als Minderjährige zu den Auftritten, hatte ein Auge auf uns Jungs und brachte uns nach den Gigs sicher heim.

Die YAMAHA-Orgel - Typ B6B aus dem Jahr 1968, inzwischen längst von der begehrten Hammond-Orgel Typ 100 abgelöst, erzielte noch einen Verkaufspreis von 2.000 DM und trug einen Großteil zur Finanzierung des neuen Equipments bei.

2.Träume und Schäume

Wie ich vom Hobbymusiker zum Showbiz-Profi wurde

„Das ist doch brotlose Kunst“, sagte meine Mutter und schüttelte den Kopf, während sie das Abendbrot zubereitete. Sie betrachtete meine Ambitionen mit Argwohn. Den kreativen Prozess, der meinen Aktionen schon als Knirps mit fünf Jahren vorausging, wusste sie nicht zu schätzen. Für sie war ich ein heilloser Träumer. Tatsächlich hatte ich einen Traum. Aber ein Träumer mit nichts als Flausen im Kopf war ich keineswegs. Vielmehr arbeitete ich mit Umsicht und mit aller Kraft daran, meinen Traum zu verwirklichen und auf ihm die solide wirtschaftliche Grundlage meines weiteren Lebens zu schaffen. Die Angst vor dem Scheitern ließ ich gar nicht erst aufkommen. Meine Devise war: Visionen können Wirklichkeit werden.

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Was man sich vorstellen kann, das kann man auch realisieren.

Und mein Musikgeschäft florierte: „Der Mühlbeyer kann nicht nur Musiknoten lesen, sondern auch Banknoten“, witzelte so mancher Veranstalter. Wir schrieben die frühen 70er-Jahre, und während die legendären Beatles sich aufgelöst hatten und vor Gericht herumstritten, starteten wir in der Großregion Mannheim-Frankfurt mit Schlagern und Popmusik gerade so richtig durch. Viele munkelten, wir seien nur so erfolgreich, weil „der Mühlbeyer die so gut vermarktet“. Tatsächlich leistete ich viel der notwendigen und für die meisten meiner Kollegen nicht besonders attraktiven Arbeit hinter den Kulissen. In der Zeit vor dem Handy war schon das Telefonieren so eine Sache: Es war noch richtig teuer. Unser Telefon zu Hause stand im Flur, wo jeder meine geschäftlichen Gespräche mitbekam. Und nicht selten wurde mir die hohe Telefonrechnung unter die Nase gerieben.

Das erste offizielle Band-Foto von The Butterfly: Bernd Hoch (stehend links) Wolfgang Wagner (stehend hinten), Jürgen Hoch (stehend rechts) und Manfred Mühlbeyer (sitzend vorn).