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Für D.B.

Inhaltsverzeichnis

Einleitung

1. Ausgangslage: Lebensversicherungen in Deutschland

1.1 Das Prinzip der Versicherung

1.2 Das Prinzip der Lebensversicherung

1.2.1 Die Rechtsgrundlagen der Lebensversicherung in Deutschland

1.2.1.1 Das Versicherungsvertragsgesetz

1.2.1.2 Die Allgemeinen Versicherungsbedingungen

1.2.1.3 Das Versicherungsaufsichtsgesetz

1.2.2 Die Arten der Lebensversicherung

1.2.2.1 Die kapitalbildende Lebensversicherung

1.2.2.2 Die private Rentenversicherung

1.2.2.3 Die fondsgebundene Lebensversicherung

1.2.2.4 Die Risiko-Lebensversicherung

1.2.3 Die Versicherungsprämie: Kalkulationsgrundlagen und rechtlicher Rahmen

1.2.4 Steuerrechtliche und erbrechtliche Behandlung der Einkünfte aus kapitalbildenden Lebensversicherungen

1.2.4.1 Einkommensteuergesetz und Alterseinkünftegesetz

1.2.4.2 Erbrecht und Erbschaftsteuergesetz

1.3 Zusammenfassung

2. Islamkonforme Versicherungen als Segment des Islamic Finance-Marktes

2.1 Die Grundpfeiler des Islamic Finance

2.1.1 riba

2.1.2 maysir

2.1.3 gharar

2.1.4 haram-Güter

2.1.5 Scharia-Boards

2.2 Die Entwicklung des modernen Islamic Finance

2.2.1 Islamkonforme Banken

2.2.2 Islamkonforme Versicherungen

2.2.3 Islamkonforme Kapitalmärkte

2.2.4 Islamic Finance in Europa

2.2.4.1 Islamic Finance in Europa: Das Beispiel Großbritannien

2.2.4.2 Islamic Finance in Europa: Die Situation in Deutschland

2.3 Zusammenfassung

3. Islamkonforme Versicherungen

3.1 Die islamrechtliche Auseinandersetzung mit der konventionellen Versicherung

3.1.1 Die Anfänge der Beschäftigung mit dem europäischen Versicherungsbegriff

3.1.2 Konventionelle Versicherungen in der Kolonialzeit und fatawa als Quelle

3.1.3 Der Wandel der Methodik als Voraussetzung für das takaful-Modell

3.1.4 Die Entwicklung des takaful-Modells

3.1.4.1 gharar im Versicherungsvertrag

3.1.4.2 riba im Versicherungsvertrag

3.2 Theoretische Konzepte und praktische Umsetzung des takaful-Modells

3.2.1 takaful auf mudaraba-Basis

3.2.2 takaful auf wakala-Basis

3.2.3 takaful auf Basis des Hybrid-Modells

3.3 Islamkonforme Lebensversicherungen

3.3.1 Praxis-Beispiele: Islamkonforme Lebensversicherungen im Ausland

3.4 Zusammenfassung

4 Die islamkonforme Lebensversicherung im deutschen Rechtsrahmen

4.1 Bestandsaufnahme: Rechtliche und praktische Hürden für das takaful-Modell in Deutschland

4.1.1 Die islamkonforme Lebensversicherung – ein Versicherungsgeschäft gemäß VAG?

4.1.2 Möglichkeiten der Umsetzung: Die Rechtsform

4.1.3 Möglichkeiten der Umsetzung – Der Versicherungstyp

4.1.3.1 takaful auf Basis der Risiko-Lebensversicherung?

4.1.3.2 takaful im Rahmen einer kapitalbildenden Lebensversicherung?

4.1.3.3 takaful auf Basis der fondsgebundenen Lebensversicherung

4.1.4 Die Prämienkalkulation in einer islamkonformen Lebensversicherung

4.1.5 Rechnungslegung im islamkonformen Versicherungsgeschäft in Deutschland

4.1.6 Prämieninvestition bei einer islamkonformen Lebensversicherung in Deutschland

4.1.7 Möglichkeiten der Bezugsberechtigung in der islamkonformen Lebensversicherung

4.2 Zusammenfassung – Konzept

5 Fazit

6. Anhang

6.1 Vertragsmodelle im Islamic Finance

6.2 Überblick: Die konventionelle Versicherung, die Versicherung auf Gegenseitigkeit und das takaful-Modell

6.3 Praxis-Beispiel: Zertifikat über die Islamkonformität des ADCB Meethaq Takaful&Savings Programme

6.3.1 Übersetzung:

7 Literaturverzeichnis

Einleitung

Der Verlauf und die Auswirkungen der im Jahre 2008 ausgebrochenen internationalen Finanzmarktkrise haben auch in Deutschland weit reichende Konsequenzen nach sich gezogen – als eine dieser Konsequenzen ist das erschütterte Vertrauen der Kunden in die auf dem Finanzdienstleistungs- und Altersvorsorgemarkt angebotenen Produkte anzusehen. Wie der „Postbank Studie Altersvorsorge 2010/2011“ zu entnehmen ist, hat im Jahre 2010 jeder fünfte Deutsche seine private Altersvorsorge entweder gekündigt oder gekürzt.1 Als Indiz für das schwindende Vertrauen auf Seiten der Kunden wird unter anderem der Umstand gewertet, dass 37% der Befragten angeben, ihre private Altersvorsorge gekürzt oder gekündigt zu haben, obwohl sie davon ausgehen, dass die gesetzlichen Renten zukünftig weiter gekürzt werden.2 Dieser Vertrauensverlust beruht offensichtlich auch auf der intransparenten Produktstruktur vieler Altersvorsorgeprodukte. So ist für die Kunden oftmals die Struktur des jeweiligen Produkts nur schwer zu erkennen, was zu Ungewissheit über die Höhe und Zusammensetzung der tatsächlich auszuzahlenden Versicherungsleistung führen kann.3 Da „jede Form von Altersvorsorge (…) nur ein quasi treuhänderisches Mandat zur Verwaltung und Absicherung der Daseinsvorsorge“ hat4, ist aber gerade in diesem Bereich das Vertrauen auf Kundenseite ein wesentlicher Faktor, um Kunden zu gewinnen und diese auch halten zu können.

Im Zusammenhang mit der privaten Altersvorsorge in Deutschland kommt dem Instrument der Lebensversicherung besondere Bedeutung zu, da diese Methode nach wie vor die am meisten genutzte Variante privater Vorsorgelösungen in Deutschland ist.5 Insbesondere kapitalbildende und fondsgebundene Lebensversicherungsprodukte sind aufgrund der ihnen innewohnenden Strukturen meist eng mit den Kapitalmärkten verbunden, was die Produktstrukturen für den Kunden unübersichtlich erscheinen lassen kann – als Konsequenz kann ein Eindruck von Intransparenz und mangelnder Solidität entstehen.6

Während die Kunden komplizierten Finanzprodukten, die etwa im Zusammenhang mit Derivaten oder Hedge-Fonds stehen, vor der Finanzkrise möglicherweise mit einer gewissen Indifferenz gegenüberstanden, hat sich im Zuge besagter Krise ein zunehmendes Interesse an den genauen Strukturen von Finanzprodukten und deren ethischer Komponenten entwickelt. So sprechen Löhr und Valeva von einer „tiefen normativen Krise“, deren Folgen „belegen, dass das Feld der globalen Bank-und Finanzwirtschaft in höchstem Maße sozial und ethisch relevant“ sei.7 Das zunehmende Bewusstsein für ethische und soziale Aspekte im Zusammenhang mit Finanzgeschäften und wirtschaftlicher Aktivität wird unter dem Begriff Socially Responsible Investing (SRI) zusammengefasst und gewinnt sowohl auf internationaler Ebene als auch in Deutschland immer mehr an Bedeutung in der öffentlichen Diskussion.8 Dieses Bewusstsein für alternative Formen der Geldanlage, das sowohl auf Seiten der Nachfrager als auch der Anbieter im Zuge der Finanzmarktkrise entstanden ist, befördert das Interesse an einer weiteren alternativen Art des Umgangs mit Finanzen: Es handelt sich um den islamkonformen Umgang mit Finanzen, der auch als Islamic Banking und Finance bezeichnet wird.

Islamic Finance wird im Zusammenhang mit der erhöhten Aufmerksamkeit für SRI zunehmend als ernstzunehmende Alternative beziehungsweise Ergänzung zum konventionellen Finanz- und Anlagegeschäft wahrgenommen: „The biggest financial crisis since 1929, is forcing the world to look for more sustainable financial models that would combine value-creation, stability and morality. Amid the chaos, two financial sectors are thriving: Ethical banking/Socially Responsible Investment and Islamic Banking & Finance“.9 Auch in Deutschland nimmt das Interesse am Islamic Banking und Finance vor dem Hintergrund der zunehmenden Bedeutung von ethischen und moralischen Aspekten im wirtschaftlichen Handeln und bei Anlagetätigkeiten zu, wie unter anderem zahlreiche Veranstaltungen in den vergangenen zwei Jahren belegen. Exemplarisch seien an dieser Stelle die Konferenzen und Veranstaltungen der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (imFolgenden als BaFin bezeichnet)10, die Veranstaltung des Institute for Islamic Banking and Finance (im Folgenden: IFIBAF)11 und die Konferenz des Centre for Area Studies der Universität Leipzig genannt.12 Zunehmend stehen hier das Privatkundengeschäft und die konkreten Möglichkeiten der praktischen Umsetzung im Fokus.

Der Schwerpunkt in der schriftlichen wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit islamkonformen Finanzprodukten und Finanzierungsmethoden und deren konkreter Umsetzung explizit in Deutschland liegt bisher auf Bank- und Investmentprodukten: So stellt aus rechtlicher Perspektive vorrangig die Vereinbarkeit islamkonformer Produkte mit dem deutschen Kreditwesengesetz einen wesentlichen Gegenstand der aktuellen Diskussion dar (so bei Ebert/Thießen/Thurner:2008, Caspar:2010, Gramlich/Manger-Nestler:2010, Ebert/Thießen:2010, Bälz:2002); während von wirtschaftswissenschaftlicher Seite der grundsätzliche Bedarf an islamkonformen Finanzprodukten auf dem deutschen Markt diskutiert wird (unter anderem Gassner/Wackerbeck:2007, Alexander/Blume/Braune:2010).13 Bei den vorhandenden Abhandlungen zum Thema Islamic Finance in Deutschland handelt es sich überwiegend um Beiträge in Sammelbänden, um Aufsätze in (Fach-) Zeitschriften sowie um Studienarbeiten und Dissertationen.14 Die Auseinandersetzung mit rechtlichen und praktischen Möglichkeiten der konkreten Umsetzung islamisch begründeter Maßgaben beim Umgang mit Finanzen in Deutschland stellt bisher vornehmlich eine Bestandsaufnahme der vorhandenen rechtlichen und praktischen Hürden und Probleme dar.

Bei der auf Deutschland bezogenen Auseinandersetzung hat ein Segment des Islamic Finance-Bereichs bisher eine marginale Stellung inne – es handelt sich um islamkonforme Versicherungen (takaful). Das takaful-Prinzip und die rechtlichen Möglichkeiten seiner Umsetzung in Deutschland verdienen angesichts der oben dargelegten Bedeutung der Lebensversicherung im Bereich der privaten Altersvorsorge und vor dem Hintergrund des zunehmenden Bewusstseins des SRI-Gedankens nähere Betrachtung, da dieses Versicherungsprinzip jene Aspekte, die im Zuge der Finanzmarktkrise in den öffentlichen Fokus gerückt sind, verstärkt berücksichtigt. So betont das takaful-Modell ebenso wie der SRI-Ansatz Elemente wie Transparenz, die Berücksichtigung ethischer und moralischer Werte sowie soziale Verträglichkeit, wie auch Jaffer befindet: „SRI has a close alignment with Sharia-compliant insurance (Takaful); both founded on extra-financial and ethical factors such as transparency, security, fair terms and safety“.15

Mit explizitem Blick auf den deutschen Markt und auf die Integration dieses Versicherungs-Prinzips in den deutschen Rechtsrahmen haben bisher nur Wackerbeck, Mahlknecht, Peisker, Engels, sowie von Pock und Röckemann Beiträge vorgelegt. Während sich Gassner und Wackerbeck sowie Peisker sowohl unter Berücksichtigung rechtlicher als auch ökonomischer Gesichtspunkte mit den Möglichkeiten der Umsetzung des takaful-Modells in Deutschland befassen16, dominiert bei Mahlknecht und Engels die generelle Darstellung des takaful-Prinzips in Abgrenzung zum konventionellen Versicherungsgeschäft.17 Von Pock und Röckemann schließlich konzentrieren sich auf das Marktpotential von takaful-Produkten in Deutschland; auch Wackerbeck hat zu diesem Aspekt einen Aufsatz vorgelegt.18 Die Erkenntnisse dieser Autoren werden im Laufe der vorliegenden Untersuchung in den jeweils entsprechenden Abschnitten erläutert, um gleichzeitig ergebnisorientiert und übersichtlich die vorhandenen Erkenntnisse und Ansätze der genannten Autoren in die Untersuchung einfließen lassen zu können.

Ziel der vorliegenden Untersuchung ist es, auf der Basis eines Überblicks über die rechtlichen Rahmenbedingungen, die in Deutschland für den Betrieb und die Zulässigkeit des Lebensversicherungs-Geschäfts zu beachten sind, sowie ausgehend von den Quellen und den theoretischen Grundsätzen des takaful-Systems die rechtlichen Möglichkeiten der Einführung eines islamkonformen Versicherungsprodukts in Deutschland aufzuzeigen. Der Fokus wird hier auf Lebensversicherungen gelegt, da diese, wie oben erläutert wurde, auf dem deutschen Markt der privaten Altersvorsorge eine besonders wichtige Stellung einnehmen. Die im Titel der vorliegenden Untersuchung genannten konstitutiven Elemente – Konzepte und Modelle – werden also anhand eines konkreten Beispiels dargelegt. Um das genannte Ziel anschaulich verfolgen zu können, ist die Untersuchung in vier Teil gegliedert, in denen die wesentlichen Komponenten zunächst einzeln dargelegt werden, bevor sie anschließend in Relation zueinander gestellt werden. Es handelt sich hierbei um

  1. die rechtlichen Rahmenbedingungen, innerhalb derer sich Lebensversicherungsprodukte in Deutschland bewegen dürfen,
  2. die Grundsätze des islamkonformen Umgangs mit Finanzen, dem der Bereich islamkonformer Versicherungen als Segment zuzurechnen ist,
  3. die zu beachtenden Grundsätze des islamkonformen Versicherungsmodells (takaful) im Allgemeinen und der islamkonformen Lebensversicherung im Besonderen. Schließlich werden
  4. die erläuterten Quellen, Konzepte und Methoden zusammengefügt, indem ein Entwurf für ein islamkonformes Lebensversicherungsprodukt, das mit den deutschen rechtlichen Rahmenbedingungen in Einklang steht, vorgelegt wird.

Um jene Aspekte zu verdeutlichen, die bei der Einführung eines islamkonformen Lebensversicherungsproduktes in den deutschen Markt zu berücksichtigen wären, werden also zunächst die rechtlichen Rahmenbedingen dargelegt, die für Lebensversicherungsverträge in Deutschland bestehen. Anschließend wird die islamkonforme Versicherung im Kontext des Islamic Finance behandelt. Hierbei werden die grundsätzlichen Maßgaben des islamkonformen Umgangs mit Finanzen zusammenfassend erörtert sowie ein Überblick über die Entwicklung dieses Marktes vermittelt. Um Herangehensweisen für die konkrete Implementierung islamkonformer Finanzierungs- und Versicherungsmethoden sowie Lösungsansätze für mögliche Probleme und Konflikte zwischen den islamrechtlichen Vorgaben für den Umgang mit Finanzen und europäischen, säkularen Rechtsprechungen aufzuzeigen, werden exemplarisch die entsprechenden Maßnahmen Großbritanniens erläutert. Der dritte Teil ist zunächst den in der islamischen Rechtwissenschaft und Rechtsliteratur dargelegten Auffassungen hinsichtlich des Versicherungsprinzips gewidmet. So werden die wesentlichen Quellen und Argumentationen überblicksartig dargelegt, die für die Konzeption islamkonformer Versicherungen herangezogen werden. Auch der Begründung für die Ablehnung konventioneller Versicherungen wird hier Raum gegeben, bevor jenes theoretische Konzept vorgestellt wird, das bis heute die Basis für die praktische Umsetzung von takaful-Produkten darstellt. Anschließend werden am Beispiel gegenwärtig verfügbarer islamkonformer Lebensversicherungsprodukte im Ausland Möglichkeiten für das Produktdesign von Lebensversicherungen auf takaful-Basis verdeutlicht. Im vierten Teil schließlich wird auf Basis der in der vorliegenden Untersuchung erarbeiteten Erkenntnisse ein Entwurf für ein islamkonformes Lebensversicherungsprodukt für den deutschen Markt dargelegt. Zu den zu bewältigenden aufsichtsrechtlichen und versicherungsvertragsrechtlichen Problemen gehören hier insbesondere

Eine umfassende Beantwortung der Frage nach dem Marktpotenzial und der ökonomischen Effizienz eines islamkonformen Lebensversicherungs-Produktes in Deutschland kann im Rahmen der vorliegenden Untersuchung nicht gewährleistet werden – der Fokus liegt auf der rechtlichen Behandlung. Auch für eine ausführliche Erörterung des Aspekts der Rückversicherung ist der Umfang der vorliegenden Untersuchung nicht ausreichend – dies sollte Gegenstand weiterer Forschung zu diesem Thema an anderer Stelle sein. Um zunächst eine Basis für die Auseinandersetzung mit der islamkonformen Versicherung im Allgemeinen und mit der islamkonformen Lebensversicherung im Besonderen und deren Umsetzung innerhalb des deutschen Rechtsrahmens zu schaffen, wird im nun folgenden, ersten Teil zunächst ein Überblick über die rechtlichen Rahmenbedingungen vermittelt, innerhalb derer sich die Gestaltungsmöglichkeiten für Lebensversicherungsverträge in Deutschland bewegen müssen.

__________________

1 Reiche:2010, über www.manager-magazin.de/politk/meinungen/0,2828,7219412,00.html; siehe hierzu auch die Zusammenfassung der Ergebnisse der Studie unter http://www.postbank.de/postbank/pr_dossier_altersvorsorge.html; beide zuletzt aufgerufen am 24.08.2011.

2 Reiche:2010.

3 Mahlknecht:2010, S. 60.

4 Schipprack:2009.

5 Siehe unter anderem Schipprack:2009.

6 Mahlknecht:2010, S. 59.

7 Löhr/Valeva:2010, S. 5. Vergleiche hierzu auch Alexander/Blume/Braune:2010, S. 100.

8 Siehe unter anderemVan Liedekerke/Jaufeerally:2010, S. 44. Die Autoren verweisen auf die Definition des Social Investment Forums von SRI: „Integrating personal values and societal concerns with investment decisions is called socially responsible investing (SRI). SRI considers both the investor’s financial needs and an investment’s impact on society”; dieselben, S. 50.Es sei zudem verwiesen auf die Studie „Islam and CSR: The compability of the tenets of Islam and the UN Global Compact”, herausgegeben im Jahre 2006 vonOWWConsulting; zu beziehen über http://www.ecrc.org.eg/pdf/Islam%20and%20UNGC.pdf; zuletzt aufgerufen am 24.08.2011.

9 Van Liedekerke/Jaufeerally:2010, S. 43.

10 Im Oktober 2009, siehe auch BaFin:2009, S. 6.

11 „Merhaba – Arabien erwacht“ im April 2011. Diese Konferenz wurde in Zusammenarbeit mit der Kanzlei Ashurst im April 2011 durchgeführt; siehe auch http://www.ifibaf.com/index.php/IFIBAF-Islamic-Finance-Events, zuletzt aufgerufen am 24.08.2011. „

12„Islamic Finance im deutschen Privatkundengeschäft“ im Mai 2011; siehe auch http://www.uni-leipzig.de/~cas/images/stories/Dokumente/plakat_islamicfinance_2011_web.pdf; zuletzt aufgerufen am 24.08.2011.

13 In diesem Zusammenhang sei auch auf einen nicht-wissenschaftlichen, kritischen Beitrag in der Financial Times Deutschland zum generellen Marktpotential von Islamic Finance in Deutschland hingewiesen: Dohms:2011.

14 Vgl. hierzu unter anderem die Arbeiten von Schünemann:2007 und Geilfuß:2009.

15 Jaffer:2011, S. 2. Auch wenn hier explizit Bezug auf islamische Versicherungen genommen wird, sind die SRI-Grundsätze auch in islamischen Finanzprodukten zu finden, die nicht demVersicherungsbereich zuzuordnen sind. Vergleiche hierzu auch Van Liedekerke/Jaufeerally:2010, S. 44: „At its core Islampreaches a morally responsible social economy sharing a significant conceptual overlap with SRI objectives“

16 Gassner/Wackerbeck:2007, Peisker:2010.

17 Mahlknecht:2010, Engels:2009.

18 Von Pöck/Röckemann:2004, Wackerbeck:2006. Zur islamkonformen Versicherung in Europa siehe unter anderem Jaffer:2011, Abbas:2009, auf die in Abschnitt 3.3 näher eingegangen wird. Weitere Beiträge zur grundsätzlichen Struktur von islamkonformen Versicherungen haben unter anderem Billah:2007 Bälz:1994, Klingmüller: 1954/1957/1967 (u.a.), Stiftl:2011, Ali:o. J., Hamid:o. J. sowie Anwar:1994 vorgelegt.

1. Ausgangslage: Lebensversicherungen in Deutschland

Der deutsche Gesamtmarkt für Versicherungen weist ein enormes Volumen auf: Mit knapp 450 Millionen bestehenden Versicherungsverträgen im Jahre 2009 entfielen im genannten Versicherungsjahr auf jeden Einwohner der Bundesrepublik Deutschland etwa sechs Versicherungs-Policen. 19 Eine wesentliche Bedeutung kommt der Versicherungsindustrie in ihrer Funktion als Investor der von den Versicherungsnehmern eingezahlten Beiträge auf dem Kapitalmarkt zu – so belief sich der Anlagebestand der deutschen Versicherer im Jahre 2009 auf mehr als 1,2 Billionen Euro. 20 Die Lebensversicherung gilt als wichtigste und meistgenutzte Form der privaten Altersvorsorge in Deutschland; weitere weit verbreitete Formen sind unter anderem Fondsanlagen sowie die Anlage in Immobilien. 21

Aufgrund der sich verändernden demographischen Bedingungen kann die Aufrechterhaltung des Lebensstandards im Alter allein durch die gesetzliche Rentenversorgung nicht mehr gewährleistet werden – auf diesen Umstand wird vor allem mit dem Angebot der sogenannten Riester-Rente, einer staatlich geförderten, kapitalgedeckten Form der Altersvorsorge, reagiert. 22 Wie die eingangs erwähnte Studie der Postbank belegt, sind sich die Versicherungsnehmer der nicht gesicherten gesetzlichen Versorgung im Alter bewusst. Darüber hinaus hat das Bundesverfassungsgericht im Jahre 1981 verdeutlicht, dass Pflichtversicherte, die der gesetzlichen Rentenversicherung beitreten, keineswegs erwarten könnten, dass „die gesetzlichen Vorschriften über die Leistungen der Rentenversicherung unverändert fortbestehen“.23 Die gesetzliche Rentenversicherung sei als eine Solidargemeinschaft anzusehen, und wer einer solchen beitrete, erwerbe „nicht nur die mit einem solchen System verbundenen Chancen, sondern trägt mit den anderen Versicherten auch ihre Risiken“. 24 Miegel weist zudem auf folgende Aussage Dalheimers aus dem Jahre 2006 hin: „Mit der Entrichtung des Rentenbeitrags erwirbt der Versicherte aufgrund der solidarischen Ausrichtung des Rentensystems keinen Anspruch auf Rückzahlung seiner eingezahlten Beiträge, sondern vielmehr nur eine Anwartschaft oder Chance auf eine künftige Rentenzahlung. Dabei ist rechtlich nicht die Höhe der Rente geschützt, sondern nur der Anspruch als Sicherungsobjekt an sich steht fest“. 25 Vor diesem Hintergrund soll im Folgenden die Lebensversicherung in ihrer Eigenschaft als Instrument der privaten Alters- und auch der Hinterbliebenensicherung erläutert werden; dabei werden sowohl die verschiedenen Varianten der Lebensversicherung als auch die rechtlichen Rahmenbedingungen, innerhalb derer das Lebensversicherungsprodukt und der entsprechende Vertrag in der Bundesrepublik Deutschland gestaltet werden können, berücksichtigt. Zuvor jedoch soll ein kurzer Überblick über das generelle Prinzip der konventionellen Versicherung erfolgen, da hier auftretende Aspekte in der späteren Erörterung des islamischen Versicherungsprinzips ebenfalls von Relevanz sein werden.

1.1 Das Prinzip der Versicherung

Die inhaltliche Bestimmung des Begriffs der Versicherung erfordert eine Unterteilung in die wirtschaftliche sowie in die rechtliche Ebene des Terminus: So ist unter „Versicherung“ im wirtschaftlichen Sinne die „Deckung eines im Einzelnen ungewissen, insgesamt geschätzten Mittelbedarfs auf der Grundlage des Risikoausgleichs im Kollektiv und in der Zeit“ zu verstehen. 26 Das Ziel der Versicherung im wirtschaftlichen Sinne ist es, ein individuelles Risiko, das nicht vorhersehbar ist, aufgrund statistischer Grundlagen in Relation zur „Gefahrengemeinschaft“ zu setzen und es auf dieser Grundlage finanziell ausgleichen zu können. 27

Eine Definition des Versicherungs-Begriffes in rechtlicher Hinsicht gestaltet sich problematischer, da dieser „weder im Zivilrecht noch im Aufsichtsrecht (…) gesetzlich definiert ist“. 28 Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (im Folgenden: BaFin), zu deren Aufgaben neben der Beaufsichtigung von Banken, Fonds sowie Finanz- und Anlagegesellschaften auch die Aufsicht über in Deutschland agierende Versicherungsunternehmen gehört29, muss ihrer Arbeit einen einheitlichen Begriff zugrunde legen können und orientiert sich an jenem Versicherungs-Begriff, der der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts aus dem Jahre 1993 (im Folgenden: BVerwG) entnommen werden kann. Laut BVerwG liegt ein Versicherungsgeschäft dann vor, „wenn gegen Entgelt für den Fall eines ungewissen Ereignisses bestimmte Leistungen versprochen werden, wobei das übernommene Risiko auf eine Vielzahl durch die gleiche Gefahr bedrohter Menschen verteilt wird und der Risikoübernahme eine auf dem Gesetz der großen Zahlen beruhende Kalkulation zugrunde liegt“. 30 Die Hauptleistung eines Versicherers besteht demnach in der Risikoübernahme, wie auch § 1 VVG (Versicherungsvertragsgesetz; im Folgenden: VVG) verdeutlicht: „Der Versicherer verpflichtet sich mit dem Versicherungsvertrag, ein bestimmtes Risiko des Versicherungsnehmers oder eines Dritten durch eine Leistung abzusichern, die er bei Eintritt des vereinbarten Versicherungsfalles zu erbringen hat. Der Versicherungsnehmer ist verpflichtet, an den Versicherer die vereinbarte Zahlung (Prämie) zu leisten“. 31

Das konventionelle Versicherungs-Geschäft zeichnet sich demnach dadurch aus, dass der Versicherungsnehmer sein individuelles Risiko auf das Versicherer überträgt. Dieser versucht, sein gesamtes Versicherungs-Portfolio so zu strukturieren, dass das Risiko transformiert wird und durch das Kollektiv ausgeglichen werden kann. 32 Nach dem konventionellen Versicherungs-Prinzip zahlt der Versicherungsnehmer einen festgelegten Betrag – die Prämie. Hierbei wird nicht festgelegt, ob beziehungsweise wann die andere Partei, der Versicherer, die vereinbarte Leistung erbringen muss – bei einer reinen Schadensversicherung etwa ist auch die Höhe der jeweils vom Versicherer zu erbringenden Leistung ungewiss. Mit Gassner und Wackerbeck handelt es sich hier um den Tausch von „deterministischen Zahlungen des Versicherungsnehmers, nämlich die fixe Versicherungsprämie, gegen stochastische Zahlungen des Versicherers, also die Schadenszahlungen“. 33 Die Besonderheiten und Abweichungen von den hier genannten Aspekten, die es bei der Lebensversicherung zu beachten gilt, sollen in den folgenden Abschnitten erläutert werden.

1.2 Das Prinzip der Lebensversicherung

Im bereits zitierten § 1 VVG wird darauf hingewiesen, dass bei jeder Form der Versicherung der jeweils zu Grunde liegende Versicherungsvertrag folgende Elemente enthalten muss: Das zu versichernde Risiko, die vom Versicherer zu erbringende Versicherungsleistung, den Versicherungsfall, dessen Eintritt die Versicherungsleistung auslöst, sowie die vom Versicherungsnehmer zu leistende Prämie. Im Falle der Lebensversicherung besteht das zu versichernde Risiko in dem „wirtschaftlichen Risiko des Versicherungsnehmers, das sich aus der Unsicherheit und Unberechenbarkeit des menschlichen Lebens ergibt“. 34 Der Gesamtverband der Deutschen Versicherer (im Folgenden: GDV) spricht in diesem Zusammenhang von „elementaren Lebensrisiken“ und benennt unter anderem „das Risiko, vorzeitig zu versterben, das Risiko, erwerbsunfähig zu werden oder das Risiko, im Alter in Armut zu leben“. 35

Die zu erbringende Versicherungsleistung kann je nach Art der Lebensversicherung die Auszahlung eines Kapitalbetrages oder eine Rentenauszahlung sein. 36 Es handelt sich hier also um eine im Versicherungsvertrag festgelegte Summe, deren Höhe nicht in Abhängigkeit zum eintretenden Schaden steht. In diesem Zusammenhang wird zudem von einer „abstrakten Bedarfsdeckung“ gesprochen, da die Höhe der zu erbringenden Versicherungsleistung lediglich von der im Versicherungsvertrag getroffenen Vereinbarung abhängt und nicht im Verhältnis zu einem möglichen Schaden variiert. 37

Der Versicherungsfall kann in einer Lebensversicherung je nach Vertrag entweder der Tod des Versicherten sein – in diesem Falle wird von einer Versicherung auf den Todesfall gesprochen – oder aber es handelt sich um eine Versicherung auf den Erlebensfall, bei der die Versicherungsleistung vom Versicherer zu erbringen ist, wenn der Versicherte einen bestimmten, vertraglich festgelegten Zeitpunkt erlebt. 38 Bei gemischten Lebensversicherungen wird die Versicherungsleistung in jedem Falle erbracht, auch wenn sie im Todes- und Erlebensfall nicht identisch sein muss. 39

Die Versicherungs-Prämie kann vom Versicherten als Einmalleistung oder als regelmäßiger Beitrag entrichtet werden; sie richtet sich nach den so genannten Sterbetafeln und ist in ihrer Höhe und Zusammensetzung abhängig vom gewählten Lebensversicherungstyp. 40 Die auszuzahlende Versicherungssumme und die jeweils zu leistende Prämie werden dabei nach dem Äquivalenz-Prinzip ermittelt; es muss also ein versicherungstechnisches Gleichgewicht zwischen den Einnahmen und den Ausgaben des Versicherungs-Unternehmens herrschen. 41 Grundsätzlich lässt sich die Prämie für eine Lebensversicherung in den Risikoanteil, einen Kostenanteil sowie einen Sparanteil einteilen, wie insbesondere in Abschnitt 1.2.2.1 eingehender erläutert wird. 42 Ziel des Versicherungsnehmers bei Abschluss eines Lebensversicherungsvertrags ist zumeist die Absicherung des eigenen Lebensstandards im Alter oder die finanzielle Absicherung von Hinterbliebenen, jedoch nicht die Übernahme von Kosten, die im Zuge der Bewältigung eines unvorhergesehen eintretenden, akuten Schadens entstehen, wie es bei der Schadensversicherung der Fall ist. 43 Auch die Deckung der Kosten für die Ausbildung der Kinder kann mit einer Kapital-Lebensversicherung abgesichert werden, zudem können die Ziele der Liquiditätsvorsorge für die Bestattung des Versicherungsnehmers sowie die Vorsorge für mögliche Erbschaftssteuerbelastungen darstellen. 44

Bereits anhand dieses kurzen Überblicks wird deutlich, dass im Zusammenhang mit der Lebensversicherung und insbesondere mit der kapitalbildenden Lebensversicherung die Sparfunktion das dominierende Element ist: Nicht die kurzfristige Risikoabsicherung für einen unerwartet eintretenden Schaden, sondern das Ansammeln von Kapital beziehungsweise die Zusicherung einer regelmäßigen Auszahlung (im Falle der privaten Rentenversicherung) stehen im Mittelpunkt dieses Versicherungstyps. Dieses wird durch die Investition der von den Versicherten eingezahlten Beiträge, insbesondere der Sparanteile, durch den Versicherer erreicht. 45 Die Höhe der zu leistenden Versicherungs-Summe steht also nicht in Abhängigkeit vom eintretenden Schaden, sondern wird vertraglich vereinbart und beruht allein auf diesen Vereinbarungen. 46 Im Gegenzug für die geleisteten Beitragszahlungen sagt der Versicherer eine garantierte Leistung zu, die der Versicherungsnehmer oder die von ihm als Bezugsberechtigter ernannte Person ab dem jeweils vertraglich festgelegten Zeitpunkt erhalten. Dabei übernimmt der Versicherer das Risiko und der Versicherungsnehmer wird am wirtschaftlichen Erfolg des Versicherungs-Unternehmens beteiligt – „diese Beteiligung erfolgt durch die Garantieverzinsung und zusätzlich durch eine ‚angemessene‘ Beteiligung am Überschuss des Unternehmens“. 47

Ob dieser Charakter der Lebensversicherung Auswirkungen auf die Konzipierung eines Lebensversicherungsproduktes hat, das sowohl als islamkonform bezeichnet werden kann als auch mit den in Deutschland herrschenden rechtlichen Rahmenbedingen in Einklang zu bringen ist, wird im Laufe der vorliegenden Untersuchung zu erörtern sein. Zunächst sollen jedoch die Rechtsgrundlagen der Lebensversicherung in Deutschland dargelegt werden, um eine Basis für den später vorgestellten Entwurf eines islamkonformen Lebensversicherungsproduktes für den deutschen Markt zu schaffen.

1.2.1 Die Rechtsgrundlagen der Lebensversicherung in Deutschland

Die rechtlichen Grundlagen für die Lebensversicherung sind im deutschen Recht zunächst im bereits erwähnten VVG sowie in den Allgemeinen Versicherungsbedingungen (im Folgenden: AVB) zu finden48. Darüber hinaus ist das Versicherungsaufsichtsgesetz (im Folgenden: VAG) von maßgeblicher Bedeutung, da hier festgelegt wird, wer befugt ist, Versicherungs-Produkte anzubieten und welche aufsichtsrechtlichen Grenzen die Versicherungsunternehmen einhalten müssen. Hinsichtlich des wirtschaftlichen Erfolgs des jeweiligen Lebensversicherungsproduktes sind die steuerrechtlichen Aspekte zu berücksichtigen, hier ist insbesondere das Einkommensteuergesetz von Relevanz.

Wie bereits erwähnt wurde, kann eine Lebensversicherung entweder auf den Todes- oder auf den Erlebensfall abgeschlossen werden. Während bei der Versicherung auf den Todesfall der Versicherer die Versicherungssumme dann zu leisten hat, wenn die versicherte Person verstirbt, wird sie bei der Versicherung auf den Erlebensfall dann ausgezahlt, wenn die versicherte Person einen bestimmten, vertraglich festgelegten Zeitpunkt erlebt. 49 Beide Szenarien stehen also in unmittelbarem Zusammenhang mit dem möglichen Ableben der versicherten Person – dieses kann vor oder nach einem bestimmten, vertraglich vereinbarten Zeitpunkt erfolgen und wirkt sich auf die Leistung der Versicherungssumme aus, wie unter anderem Peisker darlegt: „Bei der Lebensversicherung hängen der Leistungsumfang der Versicherung sowie die Zahlungsleistungen des Versicherungsnehmers vom zufälligen Zeitpunkt seines Todes und somit auch von dessen zufälliger Lebensdauer ab“. 50 Da der Versicherungsnehmer die Möglichkeit hat, im jeweiligen Versicherungsvertrag einen oder mehrere Bezugsberechtigte zu benennen, muss beispielsweise bei einer Lebensversicherung auf den Erlebensfall im Falle eines vorzeitigen Ablebens der versicherten Person geprüft werden, ob das aus der Versicherung resultierende Vermögen dem Nachlass des Verstorbenen zuzurechnen ist. 51 Aus diesem Zusammenhang resultiert die Relevanz des Erbrechts und des Erbschaftsteuergesetz bei der Beschäftigung mit dem Lebensversicherungsvertrag. Dies wird auch beim Entwurf eines islamkonformen Lebensversicherungsprodukts im vierten Abschnitt der vorliegenden Untersuchung zum Tragen kommen. Im Folgenden sollen die hier genannten Gesetze, die für Lebensversicherungsverträge in Deutschland zu beachten sind, ausführlicher dargelegt werden, um der später folgenden Anpassung des islamischen Modells an diese Rahmenbedingungen eine Basis zu verschaffen.

1.2.1.1 Das Versicherungsvertragsgesetz

Das VVG stellt eine der wesentlichen rechtlichen Grundlagen nicht nur für die Lebensversicherung, sondern für den gesamten Bereich der Versicherung dar. Dem GDV zu Folge ist das VVG „das Reglement der Versicherungswirtschaft, das die Vertragsbeziehungen zwischen Versicherungsunternehmen und ihren Kunden regelt“. 52 In der vorliegenden Untersuchung wird ausschließlich auf die reformierte Fassung des VVG Bezug genommen, die am 1.1.2008 in Kraft getreten ist. 53 Eine der Konsequenzen der Reform ist die Unterteilung verschiedener „Generationen von Lebensversicherungen“ – solche, deren Abschlussdatum vor dem 1.1.2008 liegt, gelten als Altverträge und unterliegen den Regelungen des reformierten VVG nur bedingt. Für Lebensversicherungsverträge, die nach dem 1.1.2008 abgeschlossen wurden, gilt die neue VVG-Version uneingeschränkt und ausschließlich. 54 Da im weiteren Verlauf der vorliegenden Untersuchung ein neu einzuführender Lebensversicherungstyp – eine Lebensversicherung auf Basis des takaful-Modells – erörtert wird, müssen jene Bestimmungen, die für die erwähnten Altverträge zu beachten sind, an dieser Stelle nicht vertiefend dargelegt werden.

Die Bestimmungen für die Lebensversicherung im VVG, die für alle Varianten dieses Versicherungstyps gelten, sind in den §§ 150 bis 171 geregelt. 55 Wie bereits in Abschnitt 1.1 erwähnt wurde, gibt es von Seiten des Gesetzgebers keine Bestimmung des Begriffes der Versicherung; auch in den genannten Paragraphen des VVG ist weder eine Definition noch ein Leitbild dieses Versicherungstyps zu finden. 56 Von einer Aufzählung sämtlicher Paragraphen, die das VVG hinsichtlich des Lebensversicherungsvertrages enthält, soll an dieser Stelle abgesehen werden; stattdessen werden jene Regelungen, die für die vorliegende Untersuchung von maßgeblicher Bedeutung sind, erläutert. Zudem werden alle wesentlichen Aspekte im vierten Teil der vorliegenden Untersuchung an entsprechender Stelle mit konkretem Bezug zum islamischen Modell wieder aufgegriffen.

Das VVG regelt die Rechte und Pflichten der beteiligten Vertragsparteien und legt in § 150, Absatz 1 zunächst fest, dass die versicherte Person nicht zwingend auch der Versicherungsnehmer sein muss. Dieser Aspekt ist bei der weiteren Beschäftigung mit der Lebensversicherung insofern von Bedeutung, als sich aus dem Verhältnis zwischen Versicherungsnehmer, versicherter Person und möglichen Bezugsberechtigten Konsequenzen hinsichtlich der erbschaftsrechtlichen Regelungen im Todesfall des Versicherungsnehmers bzw. der versicherten Person ergeben können. 57

Wesentliche Bedeutung kommt im Zusammenhang mit der Lebensversicherung der Überschussbeteiligung zu. Diese ist in § 153, Abs. 1-4 VVG geregelt. Unter der Überschussbeteiligung ist die Beteiligung des Versicherungsnehmers am Bilanzüberschuss des Versicherungsunternehmens sowie an dessen stillen Reserven zu verstehen. Der Überschuss kommt hauptsächlich durch die Erträge aus der Kapitalanlagetätigkeit des Versicherungsunternehmens zustande. 58 Gemäß § 11 VAG sind die Versicherungsunternehmen dazu verpflichtet, die Prämien so zu kalkulieren, dass sie die vertraglich vereinbarten Versicherungsleistungen stets erfüllen können. Aufgrund der langen Vertragslaufzeiten, die gerade bei Lebensversicherungsverträgen vorliegen, werden daher die Prämien höher als erforderlich kalkuliert. 59 Erweisen sich die Sterblichkeit und die Kosten als niedriger als einkalkuliert wurde, entstehen Überschüsse – auch an diesen werden die Versicherungsnehmer beteiligt „und zwar nach derzeitiger Rechtslage am Risikoergebnis (Sterblichkeit) grundsätzlich zu mindestens 75% und am übrigen Ergebnis (einschließlich Kosten) zu mindestens 50%“. 60 Der Versicherungsnehmer hat laut § 153 VVG Anspruch auf eine Beteiligung am so entstehenden Überschuss. Angaben zur Berechnung der Überschussbeteiligung finden sich nicht nur in § 153, Abs. 2-4, sondern auch in § 10 Nr. 3 Interne VuReV sowie in § 56 a Abs. 2 VAG. 61

Die Möglichkeiten der Bezugsberechtigung und deren Auslegung im Lebensversicherungsvertrag sind in § 159, Abs. 1-3 und in § 10, Abs. 1-4 VVG geregelt. Demnach kann die Benennung eines oder mehrerer Bezugsberechtigter erfolgen. Dies kann erbschaftsrechtliche Folgen haben, da sich die Ernennung eines Bezugsberechtigten im Lebensversicherungsvertrag oder die Unterlassung einer solchen Benennung auf den Umfang des Nachlasses eines Versicherungsnehmers auswirken kann.62 Die Absätze 2 und 3 legen die Rechte der Bezugsberechtigten fest – so heißt es in § 159, Abs. 2: „Ein widerruflich als bezugsberechtigt bezeichneter Dritter erwirbt das Recht auf die Leistung des Versicherers erst mit Eintritt des Versicherungsfalles“, während laut Abs. 3 desselben Paragraphen „ein unwiderruflich als bezugsberechtigt bezeichneter Dritter (…) das Recht auf die Leistung des Versicherers bereits mit der Bezeichnung als Bezugsberechtigter“ erwirbt. Die Benennung eines Dritten als Bezugsberechtigten kann sich also sowohl auf erbschaftsrechtliche Fragen als auch auf einkommenssteuerrechtliche Aspekte auswirken, letzteres ist insbesondere bei der Benennung eines unwiderruflich als bezugsberechtigt bezeichneten Dritten der Fall, wie noch in Abschnitt 1.2.4.2 deutlicher gezeigt wird. § 164 VVG regelt die Anpassung der AVB im Falle einer höchstrichterlichen Entscheidung oder eines bestandskräftigen Verwaltungsaktes, die die vorliegenden Bedingungen für unzulässig erklären. Auf die AVB und ihre Funktion soll im nun folgenden Abschnitt näher eingegangen werden.

1.2.1.2 Die Allgemeinen Versicherungsbedingungen