Eine Urlaubsgeschichte

in drei Teilen

Inhalt:

Dieses Buch ist für dich Jonathan

Verlauf der Wanderung

Erster Teil: Wo ist denn eigentlich das Meer?

1. Tag: Sonntag, der 26.07.2009

2. Tag: Montag, der 27.07.2009

3. Tag: Dienstag, der 28.07.2009

4. Tag: Mittwoch, der 29.07.2009

Zweiter Teil: Was ist, wenn…?

5. Tag: Donnerstag, der 30.07.2009

Dritter Teil: Was in der Zwischenzeit geschah!

Freitag, der 31.07.2009

Später dann

Nachsatz

Dieses Buch ist für dich Jonathan!

Du warst oft mit uns wandern. Aber dein hoffentlich nicht letzter Ausflug in die Berge war so ereignisreich, dass ich ihn als Tagebuch für dich aufgeschrieben habe.

Da du erst zehn Jahre alt warst, kann es auch sein, dass du dich gar nicht mehr so an alle Einzelheiten erinnerst.

Später werden deine Kinder staunen, was du erlebt hast. Und sicher auch viele Menschen, die dieses Buch lesen.

Wir sind stolz auf dich!

Oma und Opa

Verlauf der Wanderung

Bei dem Wort Urlaub denken die meisten Menschen an Sommer, Sonne Strand und Meer. Wir hatten zwar keinen Strand, aber ein Meer!

Wir haben in unserem Urlaub vom 26.07. bis zum 31.07. eine Bergtour in den Berchtesgadener Alpen, im Steinernen Meer unternommen. Wir, das sind mein Mann Jürgen, unser Enkel Jonathan, zu der Zeit zehn Jahre alt, mein Cousin Lutz und ich. Wir sind mit zwei Autos unterwegs, weil Lutz von Berlin aus zu uns gestoßen ist. Gemeinsam verbringen wir die erste Woche in einem Berghotel in Österreich, bereiten uns auf die Bergtour in der zweiten Woche vor, in der wir in den Alpen unterwegs sein wollen.

Als eines der neun Teilgebiete der Berchtesgadener Alpen gehört das Steinerne Meer teils zu Bayern (Bayrische Alpen), teils zu Salzburg (Salzburger Kalkalpen). Hier der gesamte Verlauf unserer Wanderung:

Erster Tag:

Am Sonntag sind wir von Saalfelden (Österreich) zur Peter Wiechenthaler Hütte (1752m) auf dem Kienalkopf aufgestiegen.

Zweiter Tag:

Montag sind wir über die Weißbachscharte (2150m, Südkamm des Steinernen Meeres) zum Riemannhaus (2177m) gewandert. Eine anstrengende Wanderung. Am Nachmittag steigen wir noch auf den Sommerstein (2308m) und genießen die herrliche Aussicht weit über das Meer aus Steinen.

Dritter Tag:

Wegen schlechtem Wetter legen wir im Riemannhaus einen Ruhetag ein und besteigen mittags die Schönfeldspitze (2653m). Ganz schön anstrengend und nicht so lustig, wenn man als Belohnung für die Anstrengung noch nicht mal die faszinierende Aussicht genießen kann.

Vierter Tag:

Wir wandern zur Biwakschachtel (2457m) unterhalb des Wildalmkirchls (2578m), ein markantes Bergmassiv, das weithin als Kirchensilhouette gut auszumachen ist.

In diesem weniger zugänglichen Ostteil des Steinernen Meeres gibt es eine unbewirtschaftete Hütte, um Bergsteigern eine Notunterkunft als Stützpunkt zu gewähren. Zum Beispiel, wenn man sich die Tour vom Riemannhaus zum Matrashaus nicht an einem Tag zutraut, oder von schlechtem Wetter überrascht wird.

Fünfter Tag:

Wir wandern weiter zum Matrashaus (2941m) auf dem Hochkönig, kommen aber leider nicht an.

Von diesem Tag handelt dann der zweite Teil des Tagebuches - einem Tag, von dem noch keiner wusste, wie und wann er enden wird.

Erster Teil

„Wo ist denn eigentlich das Meer?“

1. Tag: Sonntag, der 26.07.2009

Wir haben bereits eine schöne Woche Urlaub in Österreich hinter uns und starten nun zum zweiten Teil unserer Ferien, an die österreichischdeutsche Grenze.

Um 8.30 Uhr starten wir von unserem Urlaubshotel in Hopfgarten mit beiden Autos, zunächst nach Mühlbach am Hochkönig zum Arturhaus, um dort Lutz sein Auto abzustellen. Hier werden wir am Donnerstag ankommen, wenn wir unsere Tour durch das Steinerne Meer geschafft haben. Dann haben wir einen fahrbaren Untersatz und können dann zu unserem Startpunkt und meinem Auto zurückfahren.

Eine kurvenreiche Strecke, besonders der letzte Abschnitt von Mühlbach hinauf zum Arturhaus. Dies ist ein beliebter Ausgangspunkt für Wanderungen und hat demzufolge auch einen entsprechend großen Parkplatz. Wir packen Lutz seine Wanderutensilien mit in mein Auto und frotzeln miteinander, weil wir gut drauf sind.

Dann machen wir uns auf den Rückweg, zunächst die Serpentinen hinab nach Mühlbach und weiter nach Saalfelden, um von dort aus ins Steinerne Meer zu starten.

Mit meinem Navigationsgerät ist es ein Klacks, in Saalfelden den Parkplatz Bachwinkel zu finden. Einen Platz zwischen den Bäumen für mein Auto zu finden, ist wesentlich schwieriger. Scheinbar sind bei diesem schönen Wetter viele Leute unterwegs. Schließlich ist Sonntag! Ich quetsche mein Auto an den Wegesrand, was reichlich schwierig ist, weil der Parkplatz einfach nur die Waldfläche rechts und links vom Fahrweg ist, unbefestigt.

Als wir beginnen, uns wanderfertig zu machen, fährt ein Auto weg und wir bekommen einen klasse Parkplatz zwischen zwei Bäumen. Hier kann mein Auto durchaus übernachten, bis wir am Freitagmittag wieder zurückkommen.

Nun heißt es Schuhe anziehen, Stöcke einstellen, Rucksäcke schultern und ein Startfoto mit Selbstauslöser zu machen. Und nur nichts vergessen! Nur gut, dass wir nochmal alles abfragen, jeder jeden und wieder zurück. So stellt Lutz noch rechtzeitig fest, dass er ja seinen Autoschlüssel mitnehmen und nicht in meinem Auto liegen lassen darf. Was für eine Pleite wäre das? Kommen auf der anderen Seite der Berge an und stehen vor einem verschlossenen Auto. Wer geht dann zurück und holt den Schlüssel?

„Na Lutz“, sagt Jonathan trocken.

Für Jonathan finden wir gleich neben meinem geparkten Auto einen passenden Stock, den er sich als Wanderstab einverleibt. Und dann gehen wir es an, ausgeschilderte 2,5 Stunden. Es ist 12.05 Uhr und leider sehr warm, aber laut Karte dürften wir den überwiegenden Teil im Schatten der Bäume laufen.

Und so ist es auch. Wir kommen um 15.30 Uhr in der Peter Wiechenthaler Hütte an, also nicht in der angegebenen Zeit, aber darauf kommt es ja nicht an. Immerhin haben wir Zeit.

Der Weg schlängelte sich in Serpentinen den Berg hinauf. Viele Wanderer begegneten uns im Abstieg. Viele Bänke mit Bezeichnungen oder Namen luden zum Rasten ein. Schilder waren angebracht, die jeden Wanderer darauf hinweisen, dass Müll nicht in die Natur gehört. Jonathan nimmt es da sehr genau und wir entdecken viele Vergehen am Wegesrand, die nicht sein müssten.

Wir machen zwei Mal Rast. Einmal 30 Minuten, um unser Mittagsmahl zu halten. Es gibt Wurst und Brot, danach was Süßes und Trinken.

Ein zweites Mal rasten wir 20 Minuten auf einer Bank mit herrlichem Ausblick ins Tal, nur um zu verschnaufen und zu klönen. Es ist sehr warm, auch im Wald und nur manchmal tröstet uns ein schwaches Lüftchen über die Mittagshitze hinweg. Wir schwatzen viel, um unseren Enkel bei Laune zu halten. Er murrt nicht ein einziges Mal.

Für Witzeleien sorgt die letzte Bank, als wir die Hütte schon vor Augen haben. Sie trägt ein Schild mit der Aufschrift: „Gott sei Dank Kurve“. Na wenn das kein Foto wert ist, dann weiß ich auch nicht. Ich sage nach dem Foto: „Rührt euch!“, und das wird auf der ganzen Wanderung der allgemeine Spruch beim Fotografieren bleiben, und zwar erst, wenn das Foto erfolgreich im Kasten ist, was bei mir schon mal mehrere Versuche umfassen kann. Und dann ist da ja immer noch Lutz seine Kamera. Manchmal denkt er nämlich daran, dass auch er gerne ein Foto hätte.

Wir machen es uns auf der Terrasse der Hütte bequem, ziehen Schuhe und Strümpfe aus und genießen die Ankunft, zum Abkühlen an diesem schattigen Plätzchen. Die erste Etappe wäre geschafft.

Wir halten es aber nicht lange im Schatten aus, weil der Wind kühlt, wenn man sich nicht mehr bewegt. Jürgen besorgt Schlafplätze für uns und Jonathan freundet sich mit dem Hund des Hauses an.

Dann ist genießen angesagt. Bei Kaiserschmarrn, Kuchen und Kaffee lassen wir es uns im Sonnenschein gut gehen. Schließlich ist Sonntag! Eine riesige Schautafel mit einem Panoramaposter erklärt uns die Gipfel der Glockner- und Venedigergruppe und der Loferer Steinberge. Jonathan verkürzt sich die Zeit mit Klettern und Schaukeln. Er kann es gar nicht erwarten, dass es endlich Abendbrot gibt.

Um halb sieben bestellen wir endlich, zu Jonathans Freude, unser Abendbrot. Er kann sich nicht entscheiden zwischen Fitnessteller mit Nuggets oder Bergsteigeressen. Letzteres ist Gott sei Dank nicht mehr zu haben. Es wäre hier kein Nudelgericht gewesen, wie in den meisten Hütten, sondern Semmelknödel mit Sauerkraut. Nicht so ideal für ihn! Also genießt er, genauso wie Lutz, den Fitnessteller mit Nuggets. Jürgen bestellt Zigeunerschnitzel und ich Omelett mit Schinken. Die Küche ist einfach Top! Wir sitzen immer noch auf der Terrasse der Hütte im Sonnenschein, trinken Bier und Schiewasser. Lutz und Jonathan spielen Schach, ich schreibe und Jürgen genießt die Ruhe! Ich warte auf den Sonnenuntergang.

Die Sonne verschwindet genau um 20.31Uhr hinter den Loferer Steinbergen. Kurze Zeit später wird es empfindlich kühl, so dass wir uns ins Lokal zurück ziehen. Der Kachelofen ist warm und ich kuschle mich an.

Im Erdgeschoß der Hütte befinden sich die Gasträume, die Küche und eine öffentliche Toilette im Seitenanbau, in dem auch die beiden Waschräume für Mann und Frau zu finden sind. Die Dusche ist im Raum der Frauen, was natürlich bei meinen männlichen Begleitern Witzeleien zu Tage fördert. Außerdem befindet sich eine Toilette auf der ersten Etage.

Unsere Schlafstellen, wir haben Lager genommen und keine Zimmer, befinden sich in der 3. Etage. Die Matratzenlager sind unter den Dachschrägen auf der linken und auf der rechten Seite. Noch eine dreiköpfige Familie schläft mit im Raum. Gut, dass die Hütte nicht so voll ist. So bleiben Kissen übrig, von denen ich mir gleich noch zwei organisiere. Decken stehen für jeden Gast zwei zur Verfügung und ein Stapel ist noch zusätzlich vorhanden. Genau das richtige für mich Frierkatze.

Es ist mittlerweile 21.30 Uhr, als wir das Licht ausmachen.

2. Tag: Montag, der 27.07.2009

Um 6.45 Uhr erheben wir uns endlich von unseren Lagern. So richtig Lust hat wohl keiner. Jürgen und ich sind diese Etappe schon einmal mit unseren Kindern gelaufen und wissen, was uns erwartet. Es soll warm werden. Ein Blick aus dem Fenster verrät, dass sie im Tal schon scheint. Hier oben stört das Persailhorn, darum liegt die Hütte noch im Schatten. Das Thermometer zeigt 13°C, leichte Schleierwolken sind am Himmel.

Nach dem Frühstück, das mir in Hütten nie so gut gefällt, weil das dunkle Brot meistens altbacken ist, ziehen wir frohgelaunt um kurz nach acht Uhr los, nicht ohne genug Fotos mit dem dazugehörigen Spruch gemacht zu haben. Unser Weg führt unter dem Persailhorn (2350m) und dessen Schatten entlang.

Eigentlich war geplant, darüber zu klettern, weiter über das anschließende Mitterhorn (2491m), Breithorn (2504m) und dann hinab zum Riemannhaus (2177m). Sicher eine lohnende Klettertour. Wir hatten aber den Plan zu Hause bereits verworfen, weil uns das zu viel Gepäck beschert hätte. Vor Jahren hatten wir mit unseren Kindern diese Tour am Persailhorn abgebrochen und wussten deshalb, dass hierfür die Kletterausrüstung mit Helm und Seilzeug angebracht war. Jonathan hatten wir eins gekauft und mitgenommen, um ihn an gefährlichen Stellen notfalls sichern zu können. Aber für uns noch alles mitzuschleppen, war uns dann doch zu viel gewesen. Immerhin sind die Rucksäcke für sechs Tage schwer genug.

Jonathan macht es ohne die Persailhornüberschreitung trotzdem Spaß auf diesem Weg, weil auch ein paar kritische Stellen dabei sind. Ich entdecke weiter unten am Berghang zwischen den Latschenkiefern eine Gämse, doch ehe Jonathan sie mit den Augen ausmachen kann, ist sie schon verschwunden. Schade!

Dann beginnt die Kletterei in der Flanke bergauf zur Weißbachscharte. Um 10.00 Uhr erreichen uns dort die ersten Sonnenstrahlen, aber da der Wind frisch vom Berg herunter weht, ist es zu ertragen.

Jonathan ist gut drauf. Die Kletterei macht ihm Spaß, so dass eine Standpause von 5 Minuten zum Trinken ausreicht. Er fragt immer wieder mal, ob wir nun schon im Meer sind. Er kann sich unter dem Begriff „Steinernes Meer“ nicht viel vorstellen.