Inhaltsverzeichnis

Die Stars des Jahres 1955

1. Caterina Valente

2. Hula Hawaiian Quartett

3. Bibi Johns

4. Vico Torriani

5. Lys Assia

6. Illo Schieder

7. Alice Babs

8. Silvio Francesco & Fausto Campi

9. Peter Alexander

10. Friedel Hensch und die Cyprys

Die Monats-Charts 1955

Auszeichnung "Hit des Monats"

Januar 1955

Februar 1955

März 1955

April 1955

Mai 1955

Juni 1955

Juli 1955

August 1955

September 1955

Oktober 1955

November 1955

Dezember 1955

Jahres-Charts 1955

Regional-Charts 1955

Alphabetisches Titel-Verzeichnis

Alphabetisches Künstler-Verzeichnis

Die unerforschten Jahre (Vorwort)

Caterina Valente, Vico Torriani und Peter Alexander sind Künstler an die sich viele noch gut erinnern können. Bereits in den 50er-Jahren waren sie beliebt. Auch Lys Assia kennt wahrscheinlich noch der eine oder andere. Wie sieht es aber mit dem Hula Hawaiian Quartett, Illo Schieder oder Friedel Hensch aus? Sie alle waren Stars des Jahres 1955. Jedoch gab es noch keine verlässlichen oder verbreiteten Hitparaden, die ihre Erfolge auch für die Zukunft widerspiegeln konnten.

Die Geschichte der Musik-Charts in Deutschland nahm gegen Ende des Jahres 1953 ihren Anfang. Man kann die Zeit von 1954 bis 1959 auch als die Lehrjahre der deutschen Hitlisten bezeichnen. Die Zeitschrift „Der Automatenmarkt“ begann Übersichten der häufig in den aufkommenden Musikboxen gespielten Musiktitel abzudrucken. Später kamen dann Hörer-Wunschlisten von öffentlich-rechtlichen Radiosendern, den alliierten Rundfunkstationen von AFN und BFN (später umbenannt in BFBS) und von Radio-Luxemburg hinzu. Ab Ende 1956 begann dann auch die heutige Jugendzeitschrift „Bravo" mit der Veröffentlichung ihren eigenen „Musikbox"-Charts.

Die Erhebungsmethoden waren in dieser Zeit noch uneinheitlich und recht unzuverlässig. Es kam zu Verwechslungen und Fehlern. Jede Liste für sich hatte eine eigene Logik, aber auch nur begrenzte Aussagekraft über die Vorlieben der Hörerschaft. Und diese Unzulänglichkeiten haben bis in die heutige Zeit die Sichtweise auf die Musikgeschichte der 50er-Jahre fortgeschrieben.

So werden in vielen Listen der Nummer-1-Hits immer wieder Titel genannt, die wahrscheinlich niemals an der Spitze der Hitparaden standen. Andere wurden manchmal überhaupt nicht berücksichtigt. Es wird sogar ein Titel als Nummer 1 geführt, der niemals von den genannten Interpreten eingespielt wurde.

In der Buchreihe „Deutsche Musik-Charts – Die unerforschten Jahre“ wurden alle verfügbaren Datenquellen herangezogen, um die Lücken zu schließen und Fehler zu korrigieren. Mehrjährige Recherchen und Korrekturarbeiten am zugänglichen Material gingen den statistischen Analysen voraus. So dass hiermit nun als Ergebnis eine ausführliche Übersicht zur Musikgeschichte der 50er-Jahre vorliegt. Dabei handelt es sich um eine Rekonstruktion, die versucht, so nahe wie möglich an die Wirklichkeit heran zu kommen.

 

Manfred J. Franz

Die Stars des Jahres 1955

1. Caterina Valente

Foto: Polydor
Foto: Polydor

Ganz Deutschland liegt der in Paris geborenen Italienerin mit deutschem Pass zu Füßen. Caterina Valentes Top-Seller „Ganz Paris träumt von der Liebe“ hält sich von März bis Juli ganze fünf Monate auf Platz 1 der Charts und ist damit Hit des Jahres 1955. Zusätzlich kann sich die Künstlerin mit „Baiao Bongo“, „Chanson d’Amour“ und „Fiesta Cubana“ noch drei weitere Male die Auszeichnung „Hit des Monats“ sichern. Zwei dieser Musiktitel finden sich auch in den Top10 des Jahres wieder.

Das Publikum hat damit aber noch lange nicht genug. Acht weiter Solo-Stücke der Sängerin landen in den Top100 von 1955. Mit Peter Alexander als Gesangspartner spielt Caterina Valente „Eventuell“ und „Sing Baby Sing“ ein, und auch diese Duette braucht man unter den 100 besten Musikstücken des Jahres nicht lange zu suchen. Sechs weitere Lieder schaffen es mindestens einmal in die Monats-Hitlisten. Damit kann der Liebling der Deutschen 20 Chart-Erfolge in diesem Jahr verbuchen.

Der Zuspruch der Fans kennt dabei im wahrsten Sinne des Wortes keine Grenzen. In allen 10 Ländern der Bundesrepublik Deutschland ist Caterina Valente die erfolgreichste Künstlerin des Jahres.

Den Familien-Erfolg der „Valentes“ macht schließlich Caterinas Bruder Silvio Francesco mit drei weiteren Top100 Platzierungen komplett.

Biographisches: Caterina Germaine Maria Valente wird 1931 in Paris in eine italienische Künstlerfamilie hineingeboren. Die Mutter arbeitet als Musikclown und der Vater ist Akkordeonvirtuose. Bereits mit fünf Jahren steht die kleine Caterina in der Zirkusmanege. Im Alter von 21 Jahren heiratet sie den Berliner Jongleur Erik van Aro, dem sie assistiert. Nach mehreren Versuchen, in der Musikbranche Fuß zu fassen, findet sie in Kurt Edelhagen einen Förderer. Ihre erste Plattenaufnahme 1954 ist der Titel „Istanbul“ auf dem Brunswick-Label. Bereits die folgenden Aufnahmen bei Polydor führen die Sängerin in den deutschen Hitparaden weit nach vorne.

2. Hula Hawaiian Quartett

Barbara Kist, Mitglied des Hula Hawaiian Quartetts
Barbara Kist, Mitglied des Hula Hawaiian Quartetts

Das Hula Hawaiian Quartett besteht aus den Musikern Werner Preuss, Herbert Imlau, Barbara Kist und Lucie Schulz. Gleich zum Jahresbeginn setzt sich ihr „Hit des Monats“ von Oktober 1954 („Jim, Jonny und Jonas“) an die Spitze der Charts. Es dauert nicht lange und schon folgt für „Am weißen Strand von Sourabaya“ im März die nächste Auszeichnung als „Hit des Monats“. In den Jahres-Charts 1955 bedeutet das Platz 2 und Platz 5 für die beiden Titel.

Bei der Hula-Gesangsgruppe kommen Künstler zusammen, die in diesen Jahren immer wieder auch in anderen Formationen zu hören sind. Ohne Herbert Imlau bilden die drei anderen Sänger auch die Basis der Hololulu Hawaiian Band, in der sie mit wechselnden Tenören arbeiten. Die gleichen Namen begegnen den Musikliebhabern auch unter den Gruppennamen „Die singenden Wanderer“, „Die fröhlichen Straßensänger“, „Die Trocaderos“, „Die Mandolinos“ und „Die Kolibris“.

Werner Preuss: Ende der dreißiger Jahre ist er der Tenor der „Melodisten“. Dort trifft er auf den Sänger Herbert Imlau. Bei der Gründung des „Comedien-Quartetts“ seines Musiker-Kollegen ist dann auch Werner Preuss dabei.

Herbert Imlau: Der Sänger macht sich einen Namen als Mitglied beim „Meistersextett“, der Nachfolgegruppe der „Comedian Harmonists“ (mit 3 Ursprungs-Mitgliedern). Nach seinem Engagement beim „Meistersextett“ schließt sich Herbert Imlau 1939 den „Melodisten“ an, die ebenfalls Teile des alten Repertoires der „Comedian Harmonists“ übernehmen.

Barbara Kist: Die Sängerin tritt 1955 auch als Solistin und im Duett mit Camillo Felgen in Erscheinung, schafft dabei trotz einiger Achtungserfolge nicht den Sprung in die Top50 der Monats-Charts.

Lucie Schulz: Neben ihrem Engagement beim Hula Hawaiian Quartett hat die Sängerin noch ein zweites Eisen im Feuer. Als Mitglied des Musikanten-Quartetts ist sie im Vorjahr auch am Erfolg des Titels „Wo der Wildbach rauscht“ beteiligt, der in den Jahres-Charts einen guten 35. Platz belegen konnte.

3. Bibi Johns

Seit 1953 ist Bibi Johns in Deutschland bei Electrola unter Vertrag. Der Schlagertexter Kurt Feltz schreibt ihr den Song "Bella Bimba", mit dem sie 1954 in die Top10 der Jahres-Charts kommt. Die Auszeichnung „Hit des Monats“ bleibt ihr dabei aber verwehrt. Auch mit ihrem nächsten Hit „Gilli-Gilli Ochsenpfeffer, Katzenellenbogen in Tirol“ verpasst sie Anfang 1955 die Ehrung nur knapp. Im Juni ist es aber endlich so weit. „Gipsy-Band“, erneut getextet von Kurt Feltz, ist der Hit des Monats und Bibi Johns hat damit auch in diesem Jahr wieder einen Top10-Erfolg.

Ergänzt um „Papa tanzt Mambo“ und „Nimmt der Hein mal den Pit“ finden sich gleich vier Lieder der Schwedin in den Top100 des Jahres wieder. „Bimbo“ aus dem Vorjahr, „In Barrabana“ und „Lollo-Mambo“ mit Paul Kuhn schaffen zumindest den Einzug in die Monats-Charts.

Während die Künstlerin nur in Berlin und Rheinland-Pfalz nicht unter die besten fünf Interpreten kommt, findet sie sich in Bayern und in Schleswig-Holstein gleich hinter Caterina Valente auf Platz 2 wieder.

Biographisches: Das 1929 geborene schwedische Mädchen Gun Birgit Johnson entwickelt schon früh ihre Leidenschaft für die Musik. Später, in ihrer Findungsphase, legt sie sich unterschiedliche Künstlernamen zu, ehe sie dann als Bibi Johns bekannt wird. Bereits im Teenager-Alter zieht sie als Sängerin und Gitarristin mit verschiedenen Musikgruppen durch ihr Heimatland. Ihre letzte Station in dieser Phase ist dabei ihr Engagement bei der in Schweden besonders beliebten Gruppe „Henrik-Norin-Band“. Durch diese Verbindung gelingt es ihr, gute Kontakte in die Musikbranche zu knüpfen. Nach ersten Auftritten in Deutschland verschlägt es die Musikerin über den Atlantik, wo sie einen Plattenvertrag bei RCA unterschreibt. In der Folge pendelt die Sängerin zwischen Schweden, Deutschland und den USA und begründet ihren Ruf als internationaler Star.

4. Vico Torriani

Der Sänger aus der Schweiz mit dem italienischen Touch zieht auch in diesem Jahr mit einer breiten Palette an Musiktiteln die Aufmerksamkeit auf sich. Neben vier Liedern unter den ersten 100 der Jahres-Charts erfreut Vico Torriani mit sieben weiteren Titeln in den Monats-Charts die Freunde zeitgenössischer Musik. Nur in den Sommermonaten Juli und August fehlt der Sänger in den Hitparaden.

Seine größten Erfolge sind 1955 „Tausend Mandolinen“, „In der Schweiz, in der Schweiz“, „Mandolino“ und sein erfolgreichster Titel des Jahres „Grüß mir die Damen aus der Bar von Johnny Miller“, der auf Platz 21 der Jahres-Charts landet. Dieses Lied schafft es im November auf Rang 5. „Tausend Mandolinen“ aus 1954 erscheint parallel auch in der DDR auf dem Amiga-Label.

Die Beliebtheit von Vico Torriani ist 1955, wie bereits im Vorjahr, recht gleichmäßig über Deutschland verteilt. Nur in Hamburg bröckelt sie. Meist findet sich der Sänger auf den Plätzen 3, 4 oder 5 in den regionalen Künstler-Ranglisten wieder.

1955 startet die Fernseh-Ratesendung „Was bin ich?“ mit Robert Lembke. Vico Torriani wird als erster Stargast in die Sendung eingeladen.

Biographisches: Der gebürtige Schweizer mit italienischen Eltern, dessen vollständiger Vorname Ludovico lautet, gibt bereits als 15-Jähriger erste private Konzerte. Der eigentliche Startschuss für seine große Gesangskarriere fällt aber erst zehn Jahre später mit dem Gewinn eines Talentwettbewerbs. Mit diesem Erfolg im Gepäck macht sich der gelernte Konditor, Koch und Kellner Vico Torriani daran, die Musikwelt zu erobern. In seinem Heimatland schafft der Künstler, der insgesamt 12 Sprachen spricht, bereits 1949 den Durchbruch. In den Jahren 1951 bis 1953 ersingt er sich dann mit den Liedern „Addio, Donna grazia“ und „Bella, bella Donna“ auch die Aufmerksamkeit des deutschen Publikums. Unterstützt wird der Bekanntheitsgrad des Sängers durch das boomende Genre des Musikfilms Anfang der 50er Jahre.

5. Lys Assia

Foto: Decca
Foto: Decca

Nach ihrem Top-Hit „Schwedenmädel“ im letzten Jahr knüpft Lys Assia in diesem Jahr mit „Hollandmädel“ nahtlos an den Erfolg an. Von Januar bis April hält sich der Titel in den Top10 und bleibt bis Juni unter den besten 20 Liedern.

Das „Hollandmädel“ geht - und „Jolie Jaqueline“ kommt. Es vergeht kein Monat, in dem Lys Assia nicht in den Charts vertreten ist. Gegen Jahresende gelingt der Sängerin dann endlich der große Coup. „Arrivederci Roma“ stellt alle ihre bisherigen Erfolge in den Schatten. Im Dezember stürmt der Titel auf Platz 1 der Charts, und das macht Hoffnung für das Jahr 1956.

Zwischenerfolge in den Hitlisten erzielt Lys Assia mit dem „Schiffsjungentanz“ und „Goodnight Sweetheart“ in den Monaten März bis Juni.

Die Beliebtheit der Sängerin ist 1955 unterschiedlich auf die Bundesländer verteilt. Ihre größten Erfolge feiert sie wie im Vorjahr in Baden-Württemberg, wo sie Bibi Johns und Vico Torriani hinter sich lässt. Und auch wie im letzten Jahr verzeichnet Lys Assia ihre schwächsten Werte in Niedersachsen.

Biographisches: Lys Assia wird im Kanton Aargau in der Schweiz als Rosa Mina Schärer geboren. Zur Ausdruckskunst kommt sie bereits in jungen Jahren. Aufgewachsen in Zürich, erhält sie schon als Kind Ballettunterricht und debütiert als sechzehnjährige Tänzerin vor großem Publikum. Nach ersten Auftritten als Sängerin wird ihr im Alter von 18 Jahren nach Probeaufnahmen ihr erster Plattenvertrag in der Schweiz angeboten. Auf Auslandstournee erhält Lys Assia in Paris die Gelegenheit in einer Show für die erkrankte Josephine Baker einzuspringen - und sie überzeugt Publikum und Kritiker gleichermaßen. So nimmt die Karriere ihren Lauf. In Deutschland feiert sie ihre ersten Erfolge mit „Was kostet das Hündchen im Fenster?“, „Über’s Jahr, wenn die Kornblumen blühn“ und Moulin Rouge“.

6. Illo Schieder

Foto: Polydor
Foto: Polydor

Kurz nach ihrer Entdeckung im Jahr 1954 nimmt Illo Schieder im Juli und Oktober des gleichen Jahres ihre ersten Platten auf. Die zweite Aufnahme, deren Titel von Ralph Maria Siegel, dem Vater des später ebenso erfolgreichen Ralph Siegel, komponiert wurden, ist gleich der Durchbruch. Die B-Seite „Sieben einsame Tage“ wird der größte Hit der Sängerin und läuft dem eigentlich nach vorne gestellten Titel „Wie oft Du mich küßt“ auf der A-Seite den Rang ab. Beide Lieder landen schließlich in den Top100 des Jahres 1955, die A-Seite auf Rang 92 und die B-Seite auf Platz 3. Der Top-Titel ist im Februar der „Hit des Monats“ und erscheint insgesamt sieben Mal in den Top10.

Im Sog des Erfolgstitels „Sieben einsame Tage“ schafft es die erste Aufnahme von Illo Schieder, „Junge Männer sind zum Küssen da“, auch gleich im Januar 1955 in die Top50. In der Folgezeit spielt Sängerin noch eine ganze Reihe von weiteren Liedern ein. An die großen Erfolge von Anfang des Jahres kann sie aber nicht mehr anknüpfen. Ihre erworbene Bekanntheit lässt sie jedoch zu einem festen Bestandteil der Musikszene der Zeit werden, und auf der Kinoleinwand kann man Illo Schieder auch des Öfteren zu Gesicht bekommen.

Biographisches: Illo steht für Ilse-Lotte. Mit diesen Vornamen wird sie 1922 in Essen in eine Fabrikanten-Familie hinein geboren. Als Heranwachsende ist ihr größter Wunsch, Opernsängerin an der Metropoltian Opera in New York zu werden. Der 2. Weltkrieg machte diesen Traum zunichte. Nach einer kurzen Ehe mit Ernst Schieder verschlägt es sie nach München, wo sie regelmäßig in Kneipen ihr Musik-Talent zur Schau stellt. Hier wird sie auch vom Orchesterleiter Herbert Beckh entdeckt.

7. Alice Babs

Gleich mit ihrer ersten Plattenaufnahme in Deutschland hat Alice Babs Erfolg. Die Schwedin ist ja auch schon ihr halbes Leben lang in ihrer Heimat im Musikgeschäft aktiv. Der Titel „Ole Dole Dei“ wird auch gleichzeitig ihr größter Erfolg. Er ist im Mai 1955 der „Hit des Monats“ und belegt in den Jahres-Charts den 8. Platz. Die Rückseite der Single schafft es im Mai ebenfalls in die Top10 und landet auf Rang 28 der Top100 des Jahres.