DAS BESTE MEERSCHWEINCHEN DER WELT

von Linda Maria Koldau
mit Bildern von Hannah Hugger

INHALT

Wir sind das beste Schwein der Welt

Umzug aus der Notstation

Wozu Schwein Menschen braucht

Ich bin doch kein Kuscheltier!

Meerschweinchen im Fotostudio

Mensch im Gehege

Busbahnhof für Meerschweinchen

Meerschweinchenkindergarten

Meine ganz eigene Schweinefamilie

In höchster Gefahr

…und wie es ausging

Nachspiel

WIR SIND DAS BESTE SCHWEIN DER WELT

Ich bin der Lukas. Und ich bin das beste Schwein der Welt. Also das beste Meerschweinchen. Aber das versteht sich ja von selbst!

Denn ein Meerschweinchen ist immer das beste Schwein der Welt. Egal, wie viele es davon gibt. Das sieht man gleich bei uns.

Zum Beispiel die Emma. Eine total süße, schwarzweißbraune Schweineschönheit. Und eben das beste Schwein der Welt. Oder die Wendy. Die sieht aus wie ein Milchkaffee, ganz viel weiß mit ein bisschen braun und mit genau drei schwarzen Haaren. Und mit einer unglaublich tollen Frisur! Die ist natürlich auch das beste Schwein der Welt. Hm, und die Lea? Da bin ich mir jetzt nicht so sicher. Die ist nämlich noch ein Babyschwein. Kann ein Schweinebaby schon das beste Schwein der Welt sein? Da muss ich mal Emma und Wendy fragen, was die dazu sagen. Aber ich glaub, so süß wie die Lea ist, da kann sie ruhig auch schon bestes Schwein sein.

Jedenfalls ist jedes Meerschweinchen das beste Schwein der Welt. Das ist sehr praktisch. Stellt euch mal vor, es könnte nur ein Schwein das beste Schwein sein! Das wäre ja so was von langweilig. Und so was von einsam. Das geht gar nicht! Das ist nämlich so bei Meerschweinchen: Uns gibt’s nur zu zweit. Oder zu dritt. Oder zu sechst. Also mindestens im Doppelpack und noch besser im Sechserpack. Hauptsache, kein Einzelschwein. Das geht einfach nicht.

Warum das so ist? Diejenigen von uns, die irgendwo mutterseelenallein und möglichst noch in einem viel zu kleinen Käfig hocken, das sind nämlich ganz arme Schweine. Weil sich kein Schwein um sie kümmert. Kein Meerschwein, meine ich natürlich. Unsereins braucht nämlich echte Meerschweinchengesellschaft, sonst wird das nix.

Also: Das allereinzigste alleinige beste Schwein der Welt, das gibt es nicht. Hier ist einfach jedes Schwein das beste Schwein der Welt. Und dazu bin ich, der Lukas, auch noch Chefschwein! Ich bin hier nämlich der Mann im Haus, jawohl! Meine Schweinedamen, das sind Emma, Wendy und Lea, drei Schönheiten mit kuscheligem Meerschweinchenfell und großen dunklen Meerschweinchenaugen. Und ich bin der Chef von der Gruppe. Das heißt, ich sag, was passiert. Na ja, und wenn ich Glück hab, dann machen meine drei Damen das auch. Meistens aber nicht. Ist aber auch egal. Hauptsache, die wissen, dass ich das Sagen habe. Und schnappen mir nicht die Möhre weg! Dann kann ich nämlich richtig grantig werden. Also, das Möhrenmonopol, das habe ich. Ansonsten sehen meine drei Schönen das nicht immer so eng mit „der Chef“. Natürlich, wenn’s gefährlich wird, dann muss ich vor. Das ist manchmal ganz schön nervig: Da stellt einer unserer Menschen uns irgendsoein neues, unbekanntes Ding ins Gehege, und dann stellt sich natürlich die Frage, was das ist, ob es beißt oder ob es essbar ist. „Geh du mal gucken“, sagt Emma dann und tut mit einem Mal ganz schüchtern. Das ist die gar nicht! Wenn’s Futter gibt, ist sie nämlich immer ganz vorne, und beim Quieken ist sie auch die Lauteste. Aber wenn’s brenzlig wird, dann heißt es plötzlich, „Du bist der Chef!“, und dann muss ich nach vorn. Zum Glück habe ich eine extra gute Nase, sodass ich schon von weitem weiß, woher der Wind weht. Wenn das neue Ding da nach Hund oder Katze oder Schlange riecht, dann gehe ich keinen Schritt weiter, da können meine drei Damen noch so sehr drängeln! Aber das ist bis jetzt noch nie passiert. Wenn mir dagegen der Duft von Heu in die Nase steigt, dann bewegen sich meine Pfötchen wie magisch angezogen vorwärts – und Emma, Wendy, Lea direkt hinterher, eine nach der anderen. Und wenn das Ding weder bellt noch beißt und auch nicht zuckt, dann stecke ich ganz vorsichtig mein Schnäuzchen rein – und siehe da, es ist eine Wühlkiste voll mit leckerem Heu! Nichts wie rein, und meine drei Damen hinterher. Und dann geht das große Gekruschele los. Meine Menschen lachen sich immer kringelig, wie wir vorne rein und hinten raus und zur Seite wieder rein wuseln und dabei richtig ordentlich Krach machen, um aus dem Heuhaufen auch ja den allerleckersten Halm herauszuziehen. So eine Wühlkiste, das ist echt ’ne Wucht, und da können wir uns stundenlang mit beschäftigen. Aber wie gesagt, am Anfang, wenn keiner weiß, was das für ein Ding ist, da muss ich vor. Das hat man halt vom Chefsein.

Ansonsten ist das so eine Sache mit „Ich bin hier der Chef“. Lea, Emma und Wendy stellen sich da manchmal richtig taub. Wenn Wendy in der Hängematte liegt, und ich will da rein, da kann ich erst mal höflich fragen, „Hallo, darf ich jetzt mal?“, und sie reagiert überhaupt nicht. Wenn ich dann deutlicher werde, guckt sie ganz erstaunt, nach dem Motto „Haste was gesagt?“ Na ja, und wenn sie sich dann immer noch nicht rührt, obwohl ich doch der Chef bin und deswegen das uneingeschränkte Ichdarf-in-die-Hängematte-Recht habe, dann muss ich schon mal zu einem kleinen Nasenstüber greifen. Und dann krieg ich endlich die Hängematte. Na ja, meistens jedenfalls.

Und wenn’s ums Futter geht, da ist dann leider gar nix mehr mit Chefsein. Emma mit ihrem zauberhaft-kugelrunden Meerschweinchendamenhinterteil stellt sich einfach vor mich und vergräbt die Schnauze im frischen Gras – und ich kann sehen, wie ich rankomme! Ich gebe ja zu, dass ich vielleicht nicht das größte und kräftigste Meerschweinchenmännchen bin – aber muss die Emma das so schamlos ausnutzen?

Zum Glück habe ich unsere Menschen gut erzogen: Da wird nicht einfach so eine Handvoll Gras ins Gehege geschmissen, und die Schweine können sehen, wie sie drankommen. Nein, Mama Sommerfeld legt das Gras immer an verschiedenen Stellen aus. Und wenn die Emma den Zugang zur einen Futterstelle verstellt, dann sause ich eben in die andere Ecke, wo das Gras noch viel leckerer schmeckt!