Margarete Jaeckel

Sinnige Geschichten

Sammelband 3

Illustrationen von

Susanne Ledendecker

Lektoriert von

Christine Tremel

Inhalt

Eine Reise ins Schlamasselland

Klabo hat Langeweile

Wir halten zusammen

Klabo und Keiner

Ganz leise

Wer bin ich?

Klabo merkt: Es passt nie!

Klabo fragt: Was ist wahr?

Klabo hilft Fridolin Murks

1

Eine Reise ins Schlamasselland

Sicherlich kennt ihr alle das Schlaraffenland. Jeder hat davon schon einmal etwas gehört. Aber das Schlamasselland? Das ist eher unbekannt.

Familie Kernig hatte vom Schlammasselland erfahren. Dort sollte alles etwas entspannter und ungeregelter sein als in ihrem Land. Damit wäre es viel lebendiger und weniger langweilig. Das dachten sie und zogen für eine unbestimmte Zeit dorthin.

Und so ist es ihnen dann dort ergangen:

Die Sonne geht auf und Familie Kernig bemerkt es gar nicht, denn die Schule und die Arbeit der Eltern beginnen erst am Abend. So können alle richtig lange schlafen. Als sie sich aus den Betten geschält haben, gibt es eine große Diskussion darüber, was sie essen wollen. Mutter Fanni schlägt ein Frühstück vor, Vater Heini will lieber Eis und die Kinder, Cloe und Beppo, wünschen sich Gemüse mit Fisch. Wie soll man sich da nur einigen? Nach einer längeren Diskussion geben die Eltern nach und man einigt sich auf Gemüse mit Fisch.

Jetzt drängt die Zeit loszuziehen, aber keiner weiß, wer heute den Tisch abdeckt. Gestern war es Cloe, doch vorgestern? Beppo meint, Papa wäre dran, doch der ist sich sicher, dass Mama heute abdecken muss. Schließlich packen alle mit an, murren dabei aber unentwegt.

Beppo und Cloe haben unglaublich dicke und schwere Schultaschen zu tragen, ist es doch täglich wieder eine Überraschung, welche Fächer sie haben. So müssen sie für alles gewappnet sein. Fanni ist Lehrerin und weiß überhaupt nicht, für welche Arbeit sie heute eingeteilt sein wird. Es gibt mehrere Möglichkeiten: Entweder hat sie frei, oder sie ist für die dritte Klasse zuständig, aber vielleicht fährt sie auch mit den großen Schülern und Schülerinnen ins Museum. Heini ist Baggerfahrer und auch er hat keine Ahnung, was ihn heute erwartet.

Es könnten Rohre sein, die verlegt werden oder eine Baugrube oder ein Teich, die ausgebaggert werden sollen.

Cloe und Beppo erfahren in der Schule, dass sie gleich dort bleiben können, weil der Unterricht voraussichtlich am nächsten Tag vormittags beginnen wird. Schlafen werden sie nur eine kurze Zeit auf Pritschen, die in der Turnhalle aufgestellt werden. So geht die Zeit in der Schule nahtlos von einem Tag zum anderen über. Mutter Fanni kann gleich wieder nach Hause fahren, denn sie hat frei. Das passt ihr gut, denn so kann sie sich jetzt um die Einkäufe kümmern. Allerdings weiß sie nicht mit Sicherheit, ob der Metzgerbäcker heute Brot- oder Fleischwaren verkaufen wird. Vor der Ladentüre steht eine große Schlange und alle sind gespannt, was es heute gibt. Die einen brauchen Fleisch, die anderen Brot. Fanni braucht beides!

Vater Heini wird von seiner Firma mit dem Bagger zur Müllhalde geschickt, dort soll er Müll auf einen Laster verladen. Er seufzt tief. Das ist nun wirklich keine schöne Arbeit.

Todmüde kommen Cloe und Beppo anderntags aus der Schule, aber der Tag ist ja noch nicht zu Ende. Wann beginnt heute nochmal Cloes Geigenstunde? Und auch Beppo hat keine Ahnung, wann und ob das Fußballtraining stattfindet. Sie hoffen einfach, dass sie frei haben und legen sich erst einmal ins Bett.

Als Mutter Fanni mit den Einkäufen zurückkommt, ist es ganz still im Haus. Da beschließt sie, sich auch hinzulegen, doch in ihrem Bett liegt bereits Cloe. Sie probiert es mit Heinis Bett, doch das ist schrecklich schmutzig und riecht gar nicht gut. Ihr fällt ein, dass schon lange niemand mehr gewaschen hat. Irgendwer wird es schon merken, wenn alle Sachen zu stinken beginnen.

Als letzter kommt Vater Heini nach Hause. Er war auch beim Metzgerbäcker und hat nach einer Stunde in der Schlange glücklich Würstchen ergattert. Da wird sich Fanni freuen! Doch als er den Kühlschrank öffnet, liegen da bereits ganz viele.

„So ein Schlamassel!“, brüllt Heini genervt durchs ganze Haus und alle werden wach!

Was hat Papa nur, dass er so schreien muss?

Abends grübeln wieder alle, wie es weitergeht. Beginnt die Schule heute noch oder erst morgen Mittag, keiner weiß es. Der Vater nimmt an, dass er morgen frei hat. Cloe ist sich sicher, dass die Schule am nächsten Mittag beginnen soll, doch Beppo wiederum glaubt, dass es erst am Abend sein wird.

Mutter schaut von einem zum anderen und seufzt aus tiefstem Herzen:

„So ein Schlamassel!“

Mittags machen sich Cloe und ihre Mutter auf den Weg zur Schule, Beppo will den Abend abwarten. Er hat Recht gehabt und Cloe verpasst ihr Geigenvorspiel, für das sie so lange geübt hat, weil der Bus zurück einfach nicht kam.

Sie ärgert sich sehr und nun schreit auch sie aus voller Kraft:

„So ein Schlamassel!“

Auch kann niemand aus Beppos Fußballmannschaft sagen, wann der Termin für das Endspiel ihrer Mannschaft sein wird. Alle Teammitglieder fragen sich ununterbrochen gegenseitig, denn keiner will bei diesem Ereignis fehlen. Aber schließlich gibt es genauso viele Terminvorschläge wie Spieler.

Beppo rauft sich die Haare! Wenn doch mal etwas geklärt wäre! Verlässlich vorausgesagt würde! Er freut sich schon so lange auf dieses Spiel und will es auf gar keinen Fall verpassen!

Und dann! Dann hat seine Klasse plötzlich Wandertag! Einen ganzen Tag lang. Nichts hat er dafür dabei! Nicht die richtigen Schuhe, keine Brote, kein Trinken, kein Regenzeug!

Und als er mit Blasen an den Füßen müde heimkommt, ruft Cloe freudig:

„Ihr habt gewonnen! Bruderherz! Juchhu!“

Beppo stampft mit beiden Füßen wütend auf und schreit:

„So ein Schlamassel!“

Allmählich werden die vielen Ungewissheiten für alle zu einer riesengroßen Herausforderung! Auf gar nichts kann man sich verlassen! Es gibt keine festen Absprachen, keine klaren Regeln, nichts Wiederkehrendes, was Sicherheit gibt. Tag und Nacht, die Jahreszeiten und dass sie eine Familie sind, das bleibt zum Glück!

Sie würden ja durchdrehen, wenn sich diese Tatsachen auch dauernd wandeln würden!

In der Familie Kernig wächst die Sehnsucht nach ihrem Heimatland täglich, ja fast stündlich.

Auch wenn es zu Hause immer das gleiche Pausenbrot gab, was Cloe bemängelte, die Schulstunden und Schulzeiten festgelegt waren, was Beppo schrecklich langweilig fand, jeder im Haushalt seine klaren Aufgaben hatte, was die Kinder lieber der Mutter überlassen hätten und Heini täglich wusste, welche Baggerarbeit auf ihn zukommen würde, was er als eintönig erlebte. Jetzt können sie den Tag kaum abwarten, an dem sie zurückreisen werden.

Auf der Rückfahrt wird ihnen das ganze Ausmaß des Schlamassels im Schlamasselland noch einmal deutlich:

Der letzten Tankstelle im Schlamasselland ist das Benzin ausgegangen, glücklicherweise kommen sie gerade noch über die Grenze. Die Pässe werden dieses Mal von Köchen mit Feuerwehrhelmen auf dem Kopf kontrolliert. Außerdem müssen sie alle aussteigen und andere Sitzplätze einnehmen mit der Begründung, dass sie ohne Wechsel einschlafen würden.

Als sie endlich zu Hause ankommen, atmen sie tief durch. Sie nehmen alle Sicherheiten und Gleichklänge mit Freuden auf.

Nach einigen Tagen sitzen sie zusammen beim Abendbrot und Heini sagt:

„Wie gut, dass der Schlamassel vorüber ist!“

Fanni, Cloe und Beppo stimmen glücklich mit ihm überein und rufen:

„Auf keinen Fall wollen wir nochmals ins Schlamasselland reisen!“