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Table of Contents

Titel

Impressum

Vorwort

Der Mann beim Abt

Eine von den Reichen

Gegen jede Alternative

Der Anarchist

Weiberarsch und Spießgeselle

Vom Außenseiter zum Outlaw

Noch eine Weibergeschichte

Versunken erhoben

Die Anhörung

Der große Verlag

Mehr von Christoph Eydt bei DeBehr

 

 

 

 

Christoph Eydt

 

 

Zen

– oder die Kunst, einen Furz zu riechen, während die Kacke an der Nase hängt

 

 

 

Kurzgeschichten für den Gang aufs Klo und den Rest des Lebens

 

 

DeBehr

 

Copyright by: Christoph Eydt

Herausgeber: Verlag DeBehr, Radeberg

Erstauflage: 2019

ISBN: 9783957537089

Umschlaggrafik Copyright by Adobe Stock by RATOCA

 

 (Notwendiges und ausführliches)

Vorwort

Ein Witz, den man erklären muss, ist nicht lustig.

Notwendig – um die Not zu wenden. Die Wende. Es erscheint unter den aktuellen Geschehnissen nur folgerichtig zu sein, an dieser Stelle auf den Gehalt der nachstehenden Texte aufmerksam zu machen, um etwaigen Missverständnissen vorzubeugen oder gar einer zu wenig reflektierten Kritik entgegenzutreten. Anlass hierfür ist die allzu vorschnelle Entscheidung von Verlagen gewesen, diesen Band nicht veröffentlichen zu wollen.

Die wichtigsten Kritikpunkte in gebotener Kürze:

- „Leider können uns deine Texte nicht überzeugen.“

- „Es fehlt eine Story.“

- „Es fehlt ein roter Faden.“

- „Es fehlt die Erzählung an sich.“

- „Vielmehr sind es endlose Gedankenspielereien“.

- „Und dazu noch dazwischengestreute Dialoge.“

- „Viel zu stark reduziert auf die Thematik ‚Mann trifft Frau und Mann erklärt, warum es zwischen den Geschlechtern nicht funktioniert‘.“

- „Brauchen wir nicht.“

- „Ich kenne keinen Autor, der sich so um sich selbst dreht, wie du es tust.“

- „Du kannst den Lesern nicht deine ungelösten Konflikte vorsetzen. Du musst sie erst in dir lösen, ehe du über sie schreiben kannst.“

Spoiler: Dies hat nichts mit dem Werk zu tun, sondern ist lediglich eine Projektion der Innenwelt des Lektors auf die Außenwelt. Der Schriftsteller kann nur über sich schreiben – ganz gleich, worüber er schreibt. Und der Leser kann nur über sich selbst lesen – ganz gleich, was er liest.

Aber o. k.: Witze, die man erklären muss, kommen einfach nicht gut an. Bitte um Nachsicht!

Ich habe davon abgesehen, den Verlagen zu erklären, dass all dies genau Sinn und Zweck dieser Geschichten ist, geht es doch um Zen. Und Zen ist nichts. Oder, um einen Profi zu zitieren:

„Ich würde gerne irgendetwas anbieten, um Dir zu helfen, aber im Zen haben wir überhaupt nichts.“

– Ikkyū Sōjun, 1394-1481

Also noch mal: Das, was die Verlage als Kritik vorbringen, wurde bewusst gewählt. Dass ich als Autor auch anders kann, sollten meine bisherigen Veröffentlichungen deutlich genug zeigen. Hier aber geht es um nichts. Es geht um eine Abkehr vom Üblichen, vom Konventionellen. Umso trauriger, wenn gerade Verlage nicht klarkommen, die von sich selbst behaupten, Spezialisten für Underground-Literatur zu sein. Die Erfahrung mit diesen zeigt mir, dass das, was hier als Underground verkauft wird, nichts anderes ist, als das Konventionelle. Vielleicht sind die Themen oder die Sprache nicht so ganz „mainstream“, aber solange die Strukturen die gleichen sind wie in der etablierten Literatur, kann man „Underground“ nur als Modewort gebrauchen, womit es natürlich das nicht besitzt, was es eigentlich besitzen sollte.

Liebe Leser, wundert euch also nicht, wenn in den folgenden Kurzgeschichten Dinge fehlen, alles aneinandergereiht wirkt, letztlich fast sinnentleert daherkommt. Genauso ist es gemeint! Nur so kann wenigstens annäherungsweise aufgezeigt werden, dass der Mensch in einer Traumwelt umhertanzt und glaubt, mit seinen selbstgeschaffenen Strukturen so was wie Orientierung zu erhalten.

Zu diesen Strukturen gehören auch die Merkmale der Literatur. Doch gerade die sollten gesprengt werden. Aber nicht, um bloß eine Struktur gegen eine andere zu tauschen, sondern in die Zwischenräume hineinlauschen zu können – so wie in einem klassischen Konzert. Die Stille zwischen den Tönen könnte das Lauteste sein und stellt einen Raum dar, den der Mensch nicht in der Hand hat.

In diesem Sinne: in memoriam Kodo Sawaki (1880-1965)

„Als junger Mönch setzte ich alles daran, Satori zu bekommen. Da gab mir Fueoka Ryoun Roshi eine Lehre für den Rest meines Lebens: ‚Kein Grund zur Hektik, Kodo. Du bist so wie einer, dem ein Stück Scheiße an der Nase hängt und der trotzdem fragt: ‚Wer hat hier gefurzt!?' – So lang du auf diese Weise nach Satori suchst, wirst du es nie finden.‘“

Und für alle Literaturkritiker, ob verlagsgebunden oder nicht:

Als junger Literaturkritiker setzte ich alles daran, gute Literatur zu finden. Da gab mir Christoph Eydt (O. k.! Das ist anmaßend, aber irgendwie auch lustig.) eine Lehre für den Rest meines Lebens: „Kein Grund zur vorschnellen Kritik. Du bist so wie einer, dem ein Stück (konventionelle) Scheiße an der Nase hängt und trotzdem fragt: „Wer hat hier gefurzt?“ – So lang du auf diese Weise nach Literatur schaust, wirst du nie etwas Neues finden.

Ach so (last not least): Die Ablehnung des Konventionellen heißt nicht, bewusst einen anderen Weg einzuschlagen. Es könnte vielleicht meinen, auf die begriffsgestützten Muster zu verzichten. Und auch das ist schon wieder viel zu viel des Guten oder Schlechten. Wer urteilt hier eigentlich? Was urteilt? Woher kommen die Bewertungskriterien? Vergangenheit! Tja. Sagt schon alles.

Nun viel Freude in der Nicht-Freude, Sinn im Unsinn und in der Kritik, die keine sein kann: Was müsste gegeben sein, um Kritik üben zu können? Und ich meine weder Wissen noch Erfahrung, Position oder Status usw. Was könnte es sein? – Ein Bezug! Aber kann es den je geben?

„Einsam ist jeder Busch und Stein,

Kein Baum sieht den anderen,

Jeder ist allein.“

Das stammt übrigens von Hesse. Der gilt heute als Klassiker.

Und noch so ein Brummer (Joseph Beuys):

„Wer nicht denken will, fliegt raus.“

Belassen wir es dabei.

 

Der Mann beim Abt

Im alten Japan gab es einen Mann, der seine Religion einst abgelegt hatte, hatte er doch erkannt, dass diese weder Erfüllung noch Weisheit geben kann. So irrte er mehrere Jahre umher, bis er von Zen hörte. Angetan von der Vorstellung, endlich alles Leiden überwinden zu können, ging er in das bekannteste Zen-Kloster. Der Abt hörte von seiner Ankunft und dem bisherigen Lebensweg des Mannes, sodass er ihn gleich zu sich bat. Der Mann verneigte sich vor dem Abt und dieser erwiderte: „So nicht.“ Der Mann verneigte sich abermals und wieder sagte der Abt: „So nicht!“

„Wie dann?“, wollte der Mann wissen und der Abt zuckte mit seinen Schultern. „Ich kann dir nur sagen: So nicht!“

Der Mann bemühte sich viele weitere Male, eine perfekte Verbeugung vor dem Abt zu absolvieren, aber egal, was er tat, der Abt lehnte es ab. Irgendwann gab der Mann auf und die beiden setzten sich. Er sprach:

„Meister. Ich habe von Zen gehört. Von der Leere.“

„Wie kannst du davon gehört haben?“

„Die Menschen reden darüber.“

„Und du nun auch.“

„Oh ja. Ich will es lernen. Verstehen. Endlich all dieses Leid hinter mir lassen.“

„Was für Leid?“, fragte der Abt und der Mann entgegnete:

„Diese Welt.“

„Dann musst du dich töten.“

Erschrocken blickte der Mann zum Abt und sagte: „Das kann nicht Euer Ernst sein.“

„Es hat nichts mit mir zu tun“, antwortete der Abt.

„Ich verstehe nicht. Habt Ihr nicht Eure Lehren, die Methoden, einfach alles, was ich brauche, um erlöst zu werden?“

„Ich habe gar nichts. Die Mönche hier haben gar nichts. Wir haben nichts. Tut mir leid.“

„Und was ist mit Buddha?“

„Wenn du ihn siehst, töte ihn!“

„Was?“

„Du sollst ihn töten.“

„Buddha töten?“

„Ja, und alle anderen auch.“

„Ich fürchte, ich verstehe nicht.“

„Genau.“

Der Abt erhob sich und fragte: „Du bist zu mir gekommen, richtig?“

„Ja.“

„Warum?“

„Weil es bei Euch etwas gibt, was mir fehlt.“

„Wie kannst du das wissen, wo es dir doch fehlt? Kannst du über das sprechen, was dir fehlt?“

Der Mann überlegte kurz und sagte: „Ich spüre, dass ich hier sein muss. Und ich weiß, dass nur Zen mir das lehren kann, was ich brauche.“

„Was brauchst du denn?“

„Erleuchtung.“

„Was ist Erleuchtung?“

Der Mann wollte gerade antworten, da ergänzte der Abt: „Das können wir so weitertreiben, oder du hältst einfach die Klappe.“

Er schritt durch den Raum und blickte eine Wand an, ohne den Mann überhaupt noch zur Kenntnis zu nehmen. Dieser fühlte sich verunsichert, provoziert, und ging dem Abt nach.

„Meister?“, fragte er.

Der Abt reagierte nicht.

„Meister?“, wiederholte der Mann.

Doch der Abt blieb, wo er war.

Erst als der Mann im Begriff war, den Raum zu verlassen, wandte der Abt sich noch einmal um und sagte: „Du stellst die falschen Fragen. Hast schon die falschen Antworten. Bist einfach falsch. Das ist alles.“

„Dann will ich wissen, wie ich richtig werden kann.“

„Davon verstehe ich nichts. Tut mir leid.“

„Aber die Leute sagen, Ihr seid einer der weisesten und gelehrtesten Menschen im Lande, ja sogar erleuchtet seid Ihr.“

„Ich weiß von alledem nichts.“

„So wie Ihr sprecht! Wahrhaft. So kann nur ein Erleuchteter sprechen!“

„Oder ein Dummkopf!“, entgegnete der Abt.

„Was würdest du tun“, fragte der Abt schließlich, „wenn ich dir ein Buch mit Geschichten gebe?“

„Ich würde es lesen.“

„Und wie?“

„Ich würde den tieferen Kern des Geschriebenen suchen wollen.“

„Tieferer Kern?“, der Abt lachte auf. „Viel Spaß bei der Suche!“

„Wenn es diesen Kern nicht gäbe, wäre das Buch wohl nur der Unterhaltung dienlich?“

„Unterhaltung?“, der Abt lachte abermals. „Unterhaltung! Merkst du nicht, dass es nur um dich geht?“

Der Mann senkte sich in eine traditionelle japanische Sitzposition.

Der Abt sagte: „Und schon wieder geht es nur um dich. Nun kramst du in deinem Kopf nach Fragen und Antworten. Hast da drinnen deine Vorlieben und Abneigungen, deine Verständnisse und Missverständnisse. Es geht nur um dich!“

„Aber doch nicht, wenn ich das Geschriebene von jemand anderem lese. Schon gar nicht von einem Weisen.“

„Nun, ein Buch sagt nur so viel, wie du sprechen kannst. Gib es einem kleinen Kind oder einem Toten. Beide werden nichts über das Buch sagen können.“

„Aber i …“

„Siehst du: Du wolltest von dir sprechen. Es geht nur um dich.“

„Und was hat das mit Zen zu tun?“

„Ganz einfach: Nichts.“

 

Eine von den Reichen

Sie war eine von den ganz heißen Frauen. Perfekte Kurven! Hammerarsch und auch im Köpfchen war nicht zu wenig Masse. Kurzum: Sie hat ein Feuer entfacht. Sie war sinnlich, leidenschaftlich, voller Power. Sie hatte übrigens jede Menge Dreads, was ihr eine ganz besondere Atmosphäre verliehen hat. Ja, vermutlich wirst du sagen: „Halt eben eine von diesen Öko-Tussis. Eine, die die Grünen wählt.“ Ich kann dich beruhigen: Es stimmt! Durch und durch bemüht um Abgrenzung und Anerkennung auf eine Weise, wie sie seit einigen Jahren wieder in Mode ist. Spätestens seit es diese Menschengattung der Hippster gibt, ist für mich eine Welt zusammengebrochen. Diese Kerle, die sich im Gesicht die Haare stehen lassen, sich aber am Sack rasieren. Dann die Frauen in ihren Leinenklamotten und mit ihren riesigen Brillen, die an eine Zeit erinnern, als Woodstock noch lebendig war und nicht nur die Projektion für eifrige Unternehmen mit ihren kommerziellen Zielsetzungen, die alles Leben aussaugen aus Idealen und Werten, nur um diese dann auf den Altar des Kapitals zu werfen. Aber ich will nicht abschweifen!