GEORGE SNYDER/LARRY POWELL/

MANNING LEE STOKES/RALPH E. HAYES/

CHET CUNNINGHAM

 

 

AXE-Agent Nick Carter,

Band 1

 

 

 

Fünf Romane in einem Band

 

 

 

 

 

Apex-Verlag

Inhaltsverzeichnis

Das Buch 

 

1. DER TOD DER ROTEN KOBRA (The Cobra Kill) von George Snyder 

2. HEROIN FÜR SAIGON (The Mark Of Cosa Nostra) von Manning Lee Stokes 

3. GEISTERZUG NACH TIFLIS (Strike Force Terror) von Ralph E. Hayes 

4. VENDETTA IN DER GEISTERSTADT (The Code) von Larry Powell 

5. BENGALISCHES FEUER (Night Of The Avenger) von Chet Cunningham 

 

Das Buch

 

Nick Carter ist der Top-Geheimagent der Organisation AXE, ein KILLMASTER. Seine Aufträge führen ihn rund um die Welt – im Kampf gegen feindliche Spione und Mörder, gegen die Mafia und Drogen-Barone.

Der Band AXE-Agent Nick Carter 1 enthält die Romane Der Tod der Roten Kobra, Heroin für Saigon, Geisterzug nach Tiflis, Vendetta in der Geisterstadt und Bengalisches Feuer – schillernde Bösewichter, exotische Schauplätze, wunderschöne Frauen, knisternde Erotik sowie spannende, knallharte  und abenteuerliche Agenten-Action, eingefangen mit unvergleichlichem 60er- und 70er-Jahre-Flair! 

  1. DER TOD DER ROTEN KOBRA (The Cobra Kill)

  von George Snyder

 

 

 

 

Erstes Kapitel

 

 

Ich war der Liebe wegen nach Hongkong gekommen und unter Umgehung von Regen und Traufe direkt im schönsten Schlamassel gelandet.

Ich weilte noch keine zwei Stunden in der Kronkolonie, da war ich schon von einem jugendlichen Verbrecher identifiziert worden, der den unmöglichen Namen Mycroft trug, hatte Zusehen müssen, wie ein Polizist umgelegt wurde, die Yacht Semiramis war unter mir explodiert, man hatte auf mich geschossen, und ich musste mich mit einem Kopfsprung in das gar nicht lieblich duftende Wasser des Hafens vor weiteren Belästigungen retten. Ich hatte das peinliche Gefühl, dass die Geheimgesellschaft des Roten Tigers mir nach dem Leben trachtete und dass die Hongkonger Polizei hinter mir her war.

Ich hatte wahrlich keine Zeit, an Frederica Masten-Ormsby, die unwissentliche Auslöserin all dieser Verstrickungen, zu denken, an die Frau, die zu sehen ich nach Hongkong gekommen war.

Das Dienstmädchen, das sich an Freddys Telefon meldete, hatte gesagt: »Ist weggegangen. Ist vor zwei Wochen nach Singapur gegangen. Weiß nicht, wann zurückkommt.«

Es war auch gleichgültig. Eine Minute, nachdem ich aufgelegt hatte, ging das Feuerwerk los, und ich saß in der schönsten Patsche. Es war wenig tröstlich, dass ich eine Art persona non grata bei der Hongkonger Polizei war, auch nicht, dass mein Boss David Hawk Krämpfe kriegen würde, wenn ich ihm von meinem Pech berichtete. Ich hatte nämlich Befehl, mich zum amerikanischen Konsulat zu begeben und Hawk über das Scrambler-Telefon anzurufen, über die geheime Leitung, auf der die Sprache verzerrt oder, wie die Techniker sagten, »verwürfelt« und für Abhörer unverständlich übermittelt wurde. Dies tat ich, sobald ich im Victoriapark, nass wie eine Katze, ans Ufer kroch.

Ich stand allein im Coderaum des Konsulats, und das Wasser aus meinem Anzug tropfte auf den neuen Perser des Außenministeriums. Mit einem kalten Blick hatte mich der Erste Attaché Alistair Pembroke Wilkins hierhergeführt. Wilkins war ein hochmütiger Beamter, dem ich auf den ersten Blick unsympathisch zu sein schien. Vielleicht war etwas Besonderes an mir, oder er mochte einfach Typen nicht, die pudelnass über die Hintermauer kamen und durch die Küche in sein Konsulat eindrangen. Er wollte mir zunächst auch nicht glauben, als ich ihm sagte, wer ich sei, und erst als ich ihm ein bestimmtes Codewort nannte, sah er ein, dass ich vom Geheimdienst war und das Recht hatte, das Scrambler-Telefon zu benutzen. Er schien auch nicht viel von Geheimdienstleuten zu halten, aber das war nichts Neues.

Ich erklärte Hawk rundheraus, dass ich in der Klemme saß.

»Wollen Sie damit sagen, dass Sie in Ihrer Bewegungsfreiheit behindert sind?«, knurrte Hawk wie ein alter Tiger, der ein großes Stück Fleisch und keine Zähne mehr hatte. Ich wusste aber, dass er ein vorzügliches Gebiss besaß.

»Im Augenblick bin ich noch sicher«, erwiderte ich. »Aber ich weiß nicht, für wie lange.«

Ich war in der Tat nicht sehr zuversichtlich, dass Alistair Pembroke Wilkins mich nicht der Hongkonger Polizei ausliefern würde, wenn sie jetzt nach mir fragte.

Schweigen.

Ich konnte die Drähte über die Tausende von Kilometern summen hören. Die Zigarre des alten Herrn knisterte.

»Wollen Sie Genaueres hören, Sir?«

»Nicht jetzt. Später, wenn wir uns wiedersehen. Ich habe einen Auftrag für Sie. Priorität EDW.«

Ende der Welt! Das war dicker Auftrag.

»Es ist absolut erforderlich, dass Sie volle Bewegungsfreiheit haben«, fuhr Hawk fort. »Sonst kann ich Sie nicht brauchen. Können Sie aus Hongkong hinauskommen, ohne das Konsulat zu bemühen? Ich wünsche nicht, dass das Außenministerium in irgendeiner Weise in diese Sache verwickelt wird!«

Ich hatte selbst ein wenig nachgedacht in dieser Richtung.

»Das kann ich schaffen«, sagte ich. »Ich habe eine Verbindung hier.« Ich war dessen nicht so sicher, wie es aus meinem Munde klang, doch in meiner Lage war es der einzige Ausweg.

»Es muss aber schnell geschehen«, fügte ich hinzu.

Hawk begriff. »Dann hören Sie. Ich gebe Ihnen jetzt einen gewissen Herrn. Hören Sie ihn an, ohne ihn zu unterbrechen, und verschwinden Sie dann so schnell wie möglich aus Hongkong, und erledigen Sie einen Auftrag für mich.«

Er sprach zu einer in seinem Büro befindlichen Person. Eine tiefe angenehme Stimme erklang im Telefon, eine gebildete Stimme, die Englisch mit leichtem Akzent sprach - britisches, nicht amerikanisches Englisch.

»Ich bin Dato Ismail bin Rahman. Sagt Ihnen der Name etwas, Mr. N3?«

»Sie führen irgendeinen Doktortitel«, sagte ich. »Wahrscheinlich nicht den der Medizin. Sie gehören der malayischen Regierung an.«

»Richtig. Ich gehöre dem Kabinett an. Doch um ganz genau zu sein, ich bin Minister ohne Portefeuille.«

Das bedeutete, er hatte mit dem Sicherheitswesen zu tun, mit der malayischen Abwehr oder mit der Polizei.

Die Stimme sprach weiter. »Ich habe gehört, Sie waren in Malaya, Mr. N3?«

»Nur sehr kurz.« Es war während eines Auftrags gewesen, den ich kürzlich in Vietnam zu erledigen hatte. Die Jagd hatte mich bis auf die malayische Halbinsel geführt.

»Sprechen Sie Malayisch?«

»Ein wenig. Aber ich spreche fließend Kantonesisch.«

»Gut. Sehr gut. Aber ich nehme an, diese Sache wird sich im Dschungel abspielen, wo Kantonesisch Ihnen wenig nützt. Ich, das heißt natürlich meine Regierung, möchte, dass Sie einen Mann unschädlich machen. Ihre Regierung war sehr entgegenkommend und hat mir erlaubt, mit Ihrem Mr. Hawk zu arbeiten. Er versicherte mir, Sie seien Fachmann in diesen Dingen und der beste Mann für den Job.«

Die Komplimente begannen mich zu langweilen. Die Tür des Coderaumes hatte sich gerade geöffnet, und Wilkins äugte herein. Ich winkte ab und legte den Finger auf den Mund. Wilkins reagierte mit einem finsteren Blick und schloss die Tür.

»Wie ist der Name des Mannes, Sir? Wen soll ich für Sie umlegen?«

»Sein Name ist Lim Yang. Er ist Chinese. Bis zum kommunistischen Aufstand war Lim Yang die mächtigste kommunistische Figur in ganz Indonesien. Getarnt natürlich. Doch leider entkam er irgendwie dem allgemeinen Massaker der Kommunisten nach der Niederschlagung des Aufstandes.«

Coderäume und Scrambler-Telefone sind wunderbare Erfindungen. Wo anders könnte man hören, wie ein Beamter zugibt, dass seine Regierung ein Massaker veranstaltet hat?

Schweigen.

Ich hörte Hawk sich im Hintergrund räuspern.

»Sagt der Name Lim Yang Ihnen etwas, Mr. N3?«

»Nur wenig, Sir. Ich habe ihn schon gehört, doch bis eben hätte ich nicht gewusst, wo ich ihn hintun soll. Ich nehme an, dieser Lim Yang befindet sich jetzt in Malaya und bereitet Ihnen Ärger, und Sie wünschen, dass ich ihn so lautlos wie möglich verschwinden lasse. So ist es doch, Sir?«

Verdammt, ich musste aus dem Konsulat heraus!

»So ist es, Mr. N3. Lim Yang bereitet uns sehr großen Ärger, obwohl wir seine Existenz offiziell nicht zugeben. Würden wir das tun, wäre das schlecht für die Touristik und für die Geschäfte im Allgemeinen. Wir wünschen, dass er unschädlich gemacht wird, Mr. N3, und zwar, wie Sie ganz richtig sagten, lautlos. Meine Regierung will, dass dieser Mann einfach verschwindet. Doch ich sehe eben, dass Ihr Mr. Hawk mir Zeichen macht, und ich nehme an, dass die Zeit bemessen ist. Ich bedaure das. Am liebsten wäre es mir gewesen, ich hätte Sie persönlich kennengelernt, um Sie mündlich instruieren zu können. Doch leider ist das nicht möglich. Im Übrigen ist es eine Ironie, dass ich den weiten Weg nach Washington gemacht habe, wo sie doch ganz in meiner Nähe waren. Finden Sie nicht auch?«

Hawk hatte jetzt einen Hustenanfall. Gleich würde er platzen. Wenn es etwas gab, das der alte Herr nicht ausstehen konnte, dann war es Geschwätzigkeit.

Die Tür öffnete sich, und Wilkins kam herein. Ich winkte ab, doch er trat auf mich zu. Ich legte eine Hand über die Sprechmuschel. Wilkins reichte mir einen Zettel, auf dem mit dicker Schrift geschrieben stand:

 

MEIN KONTAKTMANN BEI DER HONGKONGER POLIZEIT INFORMIERT MICH SOEBEN, DASS BEAMTE NACH HIERHER UNTERWEGS SIND, UM NACH IHNEN ZU FAHNDEN. In ZEHH MINUTEN WERDEN SIE HIER SEIN.

 

Ich war überrascht, dass Wilkins die Notiz nicht auch noch unterschrieben hatte. Er warf mir einen frostigen Blick zu, ging hinaus und knallte die Tür hinter sich zu.

Hawk bellte ins Telefon: »Was, zum Teufel, ist los? Warum antworten Sie mir nicht?«

Ich nannte ihm den Grund und sagte ihm, er habe nur noch fünf Minuten, um mir Informationen zu geben.

Er nutzte sie weise. Wenn es brennt, kann der alte Herr phantastisch sein. Er nannte mir einige Kontaktadressen in Singapur und versprach mir, ich könnte so viel Geld haben, wie ich brauchen würde. Ich hielt den Zeitpunkt nicht für geeignet, ihm zu sagen, dass die US-Regierung soeben zu einer leichtbeschädigten Yacht im Wert von etwa zweihunderttausend Dollar gekommen war.

Hawk brauchte nur die Hälfte seiner fünf Minuten und ich verlor keinen Augenblick, das Konsulat zu verlassen.

Wilkins erwartete mich an einer Paneltüre, die nach hinten in die Küche und in die Dienstbotenräume führte. Er sah verdrießlich drein und schien mich oder das, was ich vertrat, noch immer nicht leiden zu können, doch als ich schnellen Schrittes an ihm vorbeiging, legte er nur die Hand auf den Arm.

»Wenden Sie sich nach links, wenn Sie über die Mauer gestiegen sind. Dort ist eine Gasse, die in die Cash Alley und dann zur Snake Row führt. Das ist ein reines Eingeborenenviertel, und dort gibt es keine Taxis, aber vielleicht finden Sie eine Rikscha.«

Ich dankte ihm und lief weiter. Er trottete neben mir her. »Die Polizei wird jeden Augenblick hier sein. Das passt mir gar nicht. Wir haben strengen Befehl, uns nicht mit Leuten von Ihrer Fakultät einzulassen.«

Ich nickte verständnisvoll und dankbar.

Er sah mich verzweifelt an. »Was soll ich ihnen sagen? Ich hasse es, zu lügen.«

Ich sah ihn erstaunt an. »Warum? Sie sind doch Diplomat.«

»Ich habe meine Vorschriften. Ich kann es mir nicht leisten, die Polizei der Kolonie zu verärgern.«

Ich eilte durch die Küche in einen mit Mülltonnen angefüllten Hinterhof. Niemand vom chinesischen Personal hatte mir Beachtung geschenkt. Von ihnen würde keiner reden, es sei denn, die Polizei hatte einen Informanten im Konsulat, was möglich war, aber nicht wahrscheinlich.

Wilkins hielt sich noch immer neben mir.

»Stellen Sie sich dumm«, sagte ich zu ihm. »Sie haben nie von mir gehört, haben mich nie gesehen. Spielen Sie den Entrüsteten. Die Bullen werden nichts erfahren, wenn Sie dichthalten.«

Er nickte, war aber immer noch besorgt. »Gut. Wie Sie meinen. Ich’ habe nie von Ihnen gehört.«

»Na also!«

Dann musste er doch seinem Herzen Luft machen. Er seufzte und sagte: »Ach, wenn es nur so wäre.«

Ich gab ihm einen freundlichen Schlag auf die Schulter und grinste. Für einen Papierkrieger war er gar nicht so übel. Ich ließ ihn mitten zwischen den Mülltonnen stehen. Als ich über die Hintermauer kletterte, hörte ich irgendwo im Vorderteil des Hauses eine Klingel schrillen.

 

 

 

Zweites Kapitel

 

 

Die meisten Agenten, besonders diejenigen, die wie ich die harten Nüsse zu knacken bekommen, haben ihre eigenen Informationsquellen und ihre privaten Helfershelfer. Diese können von entscheidender Bedeutung sein, und manchmal sind sie die letzte Rettung. Man teilt sie nicht mit anderen Agenten, selbst nicht in der eigenen Organisation.

Hawk wusste, dass ich solche Leute zur Verfügung hatte, doch er fragte nie nach ihnen. Ich hätte ihm auch keine Auskunft gegeben, ausgenommen unter Druck, und jedenfalls hatte er seine eigenen Vertrauensleute. Weit mehr, als ich hatte.

In Hongkong hatte ich dieses Mal nur einen einzigen verlässlichen Mann. Sein Name war Ben Thomson, ohne P, er hatte bei einer Chicagoer Zeitung gearbeitet und war wegen Mordes an seiner Frau und deren Liebhaber verurteilt worden. Ich hatte Ben seit langem nicht gesehen und auch kaum an ihn gedacht. Ich hatte ihn nicht gebraucht. Jetzt brauchte ich ihn. Er würde mir die erforderlichen Informationen geben und mich aus Hongkong hinausschaffen. Während ich in einem Taxi den Hügel hinauf fuhr, dachte ich über ihn nach.

Ben Thomson hatte nur einen kleinen Teil seiner Strafe abgesessen. Er hatte eine Menge einflussreicher Freunde, und diese verwandten sich für ihn, natürlich auf Umwegen, wie das so zu geschehen pflegt. Als Ben herauskam, sagte er Chicago Lebewohl und ging in den Orient. Eine Zeitlang schlug er sich als freier Journalist durch. Das ist ein hartes Brot. Viele von diesen Gelegenheitsschreibern nagen am Hungertuch und verfallen schließlich dem Alkohol oder werden rauschgiftsüchtig. Manche gleiten ab in das Zwielicht des Spionagegeschäftes.

Ich hatte gehört, dass Ben ein großer Trinker geworden war, dass er aber keineswegs hungerte. Er war jetzt seit etwa zehn Jahren im Orient und inzwischen eine Legende geworden, eine jener fast sagenhaften Gestalten, von denen man in den Presseclubs der Welt spricht, wenn der Alkohol fließt. Ich hatte Ben zum letzten Mal vor etwa drei Jahren gesehen und zuletzt eines Abends im Presseclub in Washington von ihm gehört.

Ein Mann wie ich drückt sich oft in Presseclubs herum.

Man kann da erstaunliche Dinge erfahren, einfach, indem man zuhört und ab und zu einen Drink spendiert.

So hatte ich erfahren, dass Ben an der Lugard Road in der Nähe der Universität einen alten Herrensitz, eine Art Schloss, gekauft hatte, dass er in steter Folge junge Mädchen in sein Haus aufnahm, meistens Chinesinnen, aber auch einige Eurasierinnen oder Weiße, die er quasi in Pension schickte, wenn sie zwanzig geworden waren. Ben hatte seine Hand bei vielen dunklen Geschichten im Spiel und wusste, wo mancher Vermisste verblieben war. Alles, was man haben oder getan haben wollte, Ben konnte es beschaffen oder erledigen lassen, wenn man seine Preise zu zahlen in der Lage und willens war. Ben stand in dem Ruf, eine Menge Geld zu verdienen.

Daran dachte ich, als ich das Taxi bezahlte und mich dem kleinen Pförtnerhaus näherte, das in die graue Steinmauer eingebaut war. Es war dunkel hier oben auf dem Hügel und kühler als unten in der Stadt. Ich erschauerte, denn mein Zeug klebte mir noch immer nasskalt am Leibe, und ich hoffte, dass Ben einen Scotch hatte und einen Anzug, den er mir leihen konnte. Wenn die Geschichten stimmten, die ich über ihn gehört hatte, war ich sicher, wenigstens den Scotch zu bekommen.

Das große Eisengittertor mit dem vergoldeten T stand offen. Ich hörte Schnarchen, als ich mich dem Pförtnerhaus näherte. Hinter dem Fenster saß unter einer schwachen Glühbirne ein junger Chinese mit gekreuzten Armen und hängendem Kopf und schlief. Er hatte einen dunkelglänzenden Haarschopf, trug ein geblümtes Sporthemd und sah aus wie zwanzig. Um Bens Sicherheit war es nicht gut bestellt. Aber vielleicht war das jetzt nicht nötig.

Ich folgte dem Fahrweg, kam an einem Swimming-Pool vorbei, an einem künstlichen, von einer kleinen Bogenbrücke überspannten Teich und einem kleinen Hain von Fichten und chinesischen Feigenbäumen. Ein Nachtfalke stieß in das Gehölz hinab, als ich vorbeiging, und ich hörte einen leisen Schrei.

Es brannten zwei Lichter im Haus, eins oben und eins unten. Der Mond war hell genug, um festzustellen, dass es sich bei dem Gebäude tatsächlich um ein Schloss handelte, vierstöckig, mit zahlreichen Giebeln, Türmchen und Zinnen. Ein Horrorstück an viktorianischer Neugotik in schmutzigem Kalkstein. Ich stieg die Vortreppe hinauf und drückte auf einen Klingelknopf.

Die Türe wurde geöffnet von einer alten Amah in einem verblichenen Baumwoll-Cheongsam. Sie war zahnlos und murmelte etwas Unverständliches. Hinter ihr sah ich einen Streifen gelben Lichts auf den glänzenden Fußboden fallen.

Schließlich gelang es mir, die Amah zu überzeugen, dass ich nicht etwas verkaufen wollte und Mr. Thomson zu sprechen wünschte. Sie schien bestürzt zu sein, dass ich unbemerkt an dem Torwächter vorbeigekommen war.

»Wie Name?«

»Arneson, Kenneth Arneson.« Es lag kein Grund vor, den Dienstboten zu sagen, wer ich war.

»Missa Ornwaso, gut.«

Sie schlurfte nach hinten durch die Diele und zog ein Paar altmodischer Schiebetüren auseinander. Eine Frau schrie auf, überrascht, nicht ängstlich. Dann lachte sie. Ben Thomson, so mürrisch wie immer, sagte etwas. Die Amah murmelte und kam zurück zur Tür.

»Kennt Sie nicht. Sie jetzt gehen, bitte.«

Die Schiebetüren waren noch immer offen. Ich beugte mich an der alten Frau vorbei und rief in die Diele.

»Diesen Arneson kennen Sie, Ben! Denken Sie an Chicago.«

Die Frau lachte wieder, jenes gewisse Lachen, das Frauen bei bestimmten Gelegenheiten von sich geben. Das Gelächter verstummte plötzlich, und Ben Thomson kam an die Tür, spähte in die Halle. Ich trat ins Licht, so dass er mein Gesicht sehen konnte.

Ben sagte: »Verdammt, mich laust der Affe!«

Er sagte zu der Amah etwas in einer Sprache, die Mandarin sein konnte, sicher aber nicht Kantonesisch war, und sie verschwand. Ben kam durch die Diele auf mich zu. Hinter ihm sah ich die Frau davonhuschen. Sie war ein zierliches Püppchen und trug einen Baby-Doll-Pyjama. Sie hatte ein rosa angemaltes Gesichtchen und kleine zitronengelbe Brüste, die beim Laufen aus dem weiten Halsausschnitt hüpften. Ich schätzte sie auf höchstens sechzehn.

Ben wartete, bis beide Frauen außer Sicht waren, bevor er die Tür öffnete und mich durch die Diele in eine große Bibliothek führte. Auf einem antiken Opiumbett lagen eine Menge Kissen, alle ziemlich zerknautscht. Ben schob die Türen hinter uns zusammen. Ich grinste ihn an.

»Sie sind ein alter Lustmolch.«

Er grinste zurück. Er hatte noch alle Zähne, doch der größte Teil seiner mausgrauen Haare war verschwunden. Ben musste jetzt auf die Sechzig zugehen.

»Und Sie sind einer von jenen Unglücksraben, die Besuche machen, ohne sich anzumelden. Ich kann mir denken, warum Sie kommen, doch Sie haben sich eine verdammt schlechte Zeit dafür ausgesucht!«

»Das kann warten«, sagte ich, »ich kann es nicht.«

»Warten, zum Teufel! In meinem Alter, Mann, muss man es tun, wann man kann. Es funktioniert nicht immer.«

Ein Holzfeuer verglomm in einem Backsteinkamin. Ich rückte den Ofenschirm zurecht und hängte meine Jacke darüber. Ben verursachte Geräusche mit Flaschen und Gläsern.

»Ich bin nicht hierhergekommen, um mit Ihnen über Ihr Sexualleben zu sprechen«, sagte ich.

»Das weiß ich. Darüber ist auch nicht viel zu sagen. Ich versuche es eben immer wieder. Wie sind Sie übrigens durch das Tor gekommen, ohne angemeldet zu werden?«

Ich erklärte es ihm.

Er reichte mir ein halb mit Scotch gefülltes Glas und deutete auf einen hochrädrigen alten Teewagen. »Soda, Wasser, Eis, alles, was Sie wünschen. Ich selbst trinke ihn nur noch pur.«

Ich trank einen Streifen von dem Scotch. Er war gut. Ich sah, wie er mein Halfter und die Luger betrachtete und die Scheide mit dem Stilett. Er sagte nichts. Ich hatte es nicht erwartet. Sicher wusste Ben, was ich war und für wen ich arbeitete, doch er würde nie als erster davon sprechen.

»Dieser verdammte Li«, sagte er. »Schläft immer, wenn er Wache hält. Es ist nur gut, dass ich ihn in Wirklichkeit nicht brauche. Doch er ist ein guter Junge, wenn er wach ist, und zwei von seinen Schwestern arbeiten hier für mich. Seinen Lohn nimmt er mit nach Hause für die Familie.«

Ich wusste, was Li für ihn tat. Li trieb junge Chinesinnen für ihn auf, höchstwahrscheinlich drüben in den New Territories oder gar in den Provinzen jenseits der Grenzen.

Ich nahm einen weiteren Schluck und grinste Ben an. »Ich bin auch nicht gekommen, um über Li zu sprechen.«

Ben grinste zurück, nickte und deutete auf einen tiefen Ledersessel. »Da sind Zigaretten, Zigarren, was Sie wollen. Ich weiß, warum Sie gekommen sind, Nick. Ich habe gehört, es hat einen kleinen Ärger gegeben unten im Yachtclub. Sie haben nach einem Burschen namens Arneson gefischt, Kenneth Arneson. Haben aber noch keine Leiche gefunden.«

»Genau das ist es«, sagte ich. »Ich wünsche auch nicht, dass sie eine Leiche finden. Jedenfalls nicht die meine. Das ist einer der Gründe, warum ich hier bin, Ben. Ich brauche ein wenig Hilfe.«

»Okay, Nick. Lassen wir das Geplänkel. Wer redet zuerst?«

Ich ließ mir Zeit. Ich wollte in einer bestimmten Reihenfolge vorgehen und wusste, dass ich hier in diesem Hause sicher war. Ben leerte sein Glas und schenkte sich von neuem ein. Er schien eine Menge zu vertragen.

»Ich rede als erster«, sagte ich. »Ich möchte wissen, warum man mich heute Abend in die Luft sprengen wollte, wer dahinter steckt und wie es kommt, dass man mich so schnell identifiziert hat. Das wäre die Einleitung. Dann brauche ich Informationen über einen Mann namens Lim Yang und weitere Auskünfte über Indonesien und Malaya. Und dann möchte ich, dass Sie mich aus Hongkong hinausschaffen. Noch heute Nacht.«

Ben nickte und zündete sich eine lange braune Zigarre an. Ich rauchte eine von seinen Zigaretten und wartete. Er rieb seine Bartstoppeln und betrachtet mich mit dem abschätzenden Blick eines Bankiers. »Wieviel ist Ihnen das wert?«

Jedes Mitglied unserer Organisation hat ein privates Spesenkonto, das er im Notfall belasten kann. Als Dienstältester hatte ich nach Hawk das höchste Konto, und es handelte sich diesmal wirklich um einen Notfall.

»Zehntausend Dollar«, sagte ich, »amerikanische.«

Ben grinste verächtlich. »Natürlich amerikanische! Ich arbeite nicht für dieses lausige Geld von Hongkong. Doch kommen wir zum Geschäft. Den ersten Teil der Informationen gebe ich Ihnen umsonst und berechne Ihnen nur den Rest. Ich erfahre vieles automatisch, und es kostet mich nichts.«

Ich trank einen Schluck Scotch. »Sie haben einen guten Nachrichtendienst.«

»Den besten. Habe lange gebraucht, ihn aufzubauen. Also zunächst die Bombe. Das ist einfach zu erklären. Bei Ihrem letzten Job in diesen Gefilden haben Sie einen Mann namens Jim Pok umgelegt, das Oberhaupt der Roten Tiger. Stimmt’s?«

»Es stimmt nicht. Ich habe ihn nicht angerührt. Doch ich habe ihn umlegen lassen. Ich habe ein paar Worte in die richtigen Ohren gelangen lassen.«

»Okay. Das ist das gleiche. Ich habe davon gehört. Peking ließ Jim Pok liquidieren, weil sie gehört hatten, er spiele ein Doppelspiel und verkaufe sich an euch Amerikaner.«

Ich zog die Schuhe aus und streifte die nassen Socken ab.

»Für meine zehntausend kriege ich hoffentlich auch etwas Trockenes zum Anziehen.«

Ben stieß blaue Rauchwolken aus und nickte. »Sie waren immer ein hartmäuliger Bursche. Das ist wohl die beste Art, am Leben zu bleiben, wie?«

»Offenbar ja, denn ich lebe noch.«

»Als Jim Pok tot war, übernahm ein neuer Mann die Tiger. Poks Vetter. Sie wissen, wie die Chinesen es mit der Familienehre halten - und dann gibt es noch die Bruderschafts-Ehre und das Gesicht. Gesicht ist das wichtigste. Gesicht ist Geld. Fangen Sie an zu kapieren?«

Ich fing an zu kapieren, hatte es immer gewusst. Ich hatte nur nicht genügend darüber nachgedacht. Ich bin ein vielbeschäftigter Mann.

Ich erzählte ihm von dem Jungen, von Mycroft.

»Ich weiß es. Eine Menge von Betteljungen arbeiten für die Geheimgesellschaften. So kommen sie früh in die Gangsterlehre.«

»Aber wie, zum Teufel, haben sie mich so schnell gefunden, Ben? Ich war kaum an Land und durch die Passkontrolle gegangen. Ich ging zurück an Bord, um mich zu rasieren, zu duschen und einen Drink zu nehmen, und dann machte es Peng!«

Ben lachte in sich hinein und trank einen großen Schluck.

»Die Roten Tiger sind verdammt gut organisiert, Nick. Ihr Nachrichtendienst ist ausgezeichnet. Das letzte Mal, als Sie in Hongkong waren, hielten Sie sich auf einer Yacht namens Corsair auf, und zwar im gleichen Hafen. Sie haben den Tigern böse zugesetzt, ließen ihren Jim Pok umbringen. Damals konnten die Tiger nichts tun. Doch als sie einen neuen Führer bekamen und sich neu organisierten, setzte man Sie auf die Abschussliste. Sie haben eine Menge Spione auf den Sampans und den Dschunken im Hafen. Sie können entdeckt worden sein, als Sie an Land gingen. Wahrscheinlich hatten sie einen Späher in der Nähe des Zolls oder im Yachtclub selbst.«

Ich trank mein Glas aus und schenkte mir von neuem ein.

»Ich glaube nicht, dass sie mich im Hafen entdeckten«, sagte ich. »Da hatte ich noch einen Bart und trug eine Sonnenbrille. Ich bin nie in die Nähe einer Dschunke oder eines Sampans gekommen. Ich...«

Ich warf meinen Stummel ins Kaminfeuer und nahm mir eine neue Zigarette. »Es muss der Junge gewesen sein, Mycroft. Zu diesem Zeitpunkt hatte ich mich rasiert, und es fing an, dunkel zu werden. Die Tiger müssen ein Foto von mir haben.« Das Ganze gefiel mir nicht. Ich war nicht vorsichtig genug gewesen.

Mir blieb nichts anderes übrig, als zu grinsen, die Schultern zu zucken und zu sagen: »Okay, Ben. Das erklärt alles. Ich liebe es, wenn die Dinge klar sind. Fahren wir also fort. Fangen Sie an, Ihr Geld zu verdienen.«

Es war ein Vergnügen, einem anderen Experten bei der Arbeit zuzusehen. Ben setzte eine Art Großmutterbrille auf - sie verlieh ihm das Aussehen eines zerstreuten Professors in einem Provinzcollege - und trat zu einem grünen eisernen Karteischrank. Er schloss eine Schublade auf, entnahm ihr einen Stapel Papiere und blätterte sie durch, immer mit dem Rücken zu mir. Er zog eines der Papiere heraus und legte die übrigen zurück in die Schublade, verschloss sie und kam zurück, nahm wieder mir gegenüber Platz. Er zündete sich eine neue Zigarre an, feuchtete die Spitze umständlich mit der Zunge an und erinnerte mich an Hawk. Der Unterschied war nur, dass Hawk billige Zigarren rauchte.

Eine hohe Hongkong-Uhr tickte in der Ecke. Ich wurde nervös. Doch Ben Thomson konnte man nicht drängen. Er war ein alter, routinierter Journalist. Er prüfte alles genau, und wenn er sagte, etwas sei ein Faktum, dann war es ein Faktum.

»Hm - Lim Yang? Früher Nummer drei bei der Hai-Wai Tiao Cha Pu. Schwer zu sagen, was er jetzt ist, nach dem indonesischen Fiasko. Wahrscheinlich ist er in Ungnade gefallen und steht auf der Bewährungsliste.«

Hai-Wai war die internationale Spionageabteilung Rotchinas. Die einzige Sektion, die ich kannte, war Teh Wu, die Sektion für aktive Operationen. Ich hatte mehrere ihrer Leute unschädlich gemacht, als sie versuchten, mich zu erledigen.

»Die Sache mit der Bewährungsliste leuchtet mir ein«, sagte ich. »Peking hasst Versager. Es würde erklären, warum Lim Yang in Malaysia so hart arbeitet. Er versucht, sich zu rehabilitieren.«

Ben studierte das Blatt in seiner Hand. Die Großmutterbrille war auf seine geäderte Nase heruntergerutscht. Er griff nach seinem Glas und leerte es, ohne es anzuschauen. Er hob einen Finger.

»Dieser Lim ist ein harter Bursche und verschlagen. Etwa fünfzig, Brillenträger, sieht aus wie ein Gelehrter, ist immer sauber angezogen. Er trinkt nicht und hat nichts mit Frauen und auch nichts mit Jungens im Sinn. Das klingt, als sei er in der Politik oder in der Planung - bei Ching Pao. Doch das ist nicht der Fall. Er ist Teh Wu und ein Killer, obwohl er es selten selbst tut. Doch es ist bekannt, dass er aktiv war.«

Ben griff nach der Flasche und füllte sein Glas, wiederum ohne den Blick von dem Papier zu heben.

»Er hat tatsächlich eine Reihe von Morden auf dem Gewissen. Als der Aufstand zusammenbrach und seine kommunistischen Brüder hingeschlachtet wurden, entkam Lim Yang und floh nach Sumatra. Er organisierte sein eigenes kleines Massaker in Bengkalis und soll dann über die Straße von Malakka auf die Halbinsel gelangt sein. Das dürfte nicht schwer gewesen sein. Die Meerenge ist dort sehr schmal.«

Ich sagte nichts. Ich war mir bewusst, bereits einen Fehler gemacht zu haben, als ich zugab, dass Lim Yang in Malaysia war. Wir alle machen Fehler, doch es ist von Übel in diesem Geschäft, mehr als nötig zu verraten. Ich empfand leichten Trost bei dem Gedanken, dass Ben es bereits gewusst hatte. Aber ein Fehler war ein Fehler. Ben blickte zu mir auf und lächelte. Er klopfte auf das Blatt Papier. »Das Ganze endet mit einer melodramatischen Note, Nick. Nach dem Massaker von Bengkalis fing man an, Lim die Rote Kobra zu nennen.«

 

 

 

Drittes Kapitel

 

 

 

Wie sich herausstellte, hätte ich Frederica Masten-Ormsby in Singapur treffen können. Ihr Bild, genauso lieblich, wie ich sie in Erinnerung hatte, strahlte in der Singapore Times. Sie war ein großes Tier bei einer Konferenz der Welthilfsorganisation und wohnte im Malaysia Hotel.

Ich stieg im Goodwood ab, einem alten traditionsbewussten Haus mit zwei Swimming-Pools. Ich hoffte, den richtigen Pool zu wählen, um meinen Kontakt zu machen. Das war wichtig. Es würde mein einziger Kontakt mit der malayischen Regierung sein. Ich durfte ihn nicht verfehlen. Sie behandelten den Fall mit äußerster Vorsicht. Niemand in den offiziellen Kreisen gab zu, dass rote Guerillas im Dschungel arbeiteten. Das wäre schlecht gewesen für den Tourismus, für das Geschäft, und schlecht für die ausländischen Anleihen, die sie hereinzuholen versuchten. Niemand will Geld in ein Land stecken, das die Kommunisten möglicherweise übernehmen.

Während ich durch die Hauptstraßen schlenderte, gaffend wie jeder andere Tourist, dachte ich bei mir, dass die Rote Kobra keine Chance hatte. Ich grinste in mich hinein, als mir einfiel, wie Ben Thomson, auf sein Papier klopfend, lächelnd gesagt hatte, der Name sei melodramatisch. Ben liebte solche Scherze.

Ben hatte seine zehntausend Dollar redlich verdient. Auf einer Dschunke schaffte er mich aus Hongkong heraus. Dreißig Meilen vor Makao erwartete mich ein Wasserflugzeug, flog mich vierzehnhundert Meilen nach Süden, wo eine andere Dschunke mich aufnahm und unter dem Schutz der Dunkelheit den Singapur-Fluss hinaufbrachte. Ich gelangte an Land unter einer Ladung Fische, eine Erfahrung, die ich nicht zu wiederholen wünsche, und dann war ich auf eigene Füße gestellt.

Nicht ganz, natürlich. Ich hatte eine Telefonnummer. Ich rief sie an, und nach einer halben Stunde traf ich mich mit einem australischen Gentleman in einer Bar an der Bugis Street. Er war mittleren Alters, sehr höflich, und hatte offenbar kein anderes Interesse an mir, als seinen Auftrag zu erledigen und mich wieder loszuwerden. Manchmal, in meinen nachdenklichen Stunden, frage ich mich, ob ich den Geruch des Todes an mir habe.

Der Gentleman nannte mir nicht seinen Namen und fragte mich nicht nach dem meinen. Er händigte mir einen dicken Packen Geld aus, gab mir einige sehr spärliche Instruktionen von Hawk und begleitete mich bei den nötigen Einkäufen, nachdem ich mir in einer öffentlichen Badeanstalt den Fischgeruch abgewaschen hatte. Ich verbrauchte ein ganzes Stück Seife.

Es war erst Mittag, als ich mir im Goodwood ein Zimmer nahm. Ich schlief eine Stunde, las die Zeitungen und wunderte mich über meine nächste Kontaktperson. Es sollte eine Frau sein, ich sollte sie an einem Swimming-Pool treffen. Das klang verheißungsvoll. Nach meiner Erfahrung pflegen sich hässliche Evastöchter nicht in Swimming-Pools zur Schau zu stellen.

Kurz nach zwei verließ ich das Hotel, ließ mich von dem Menschenstrom die Hauptstraße bis zur Victoria Memorial Hall hinuntertreiben und beobachtete amüsiert den Verkehr. Jeder Besitzer eines Wagens in Singapur hält sich für einen Rennfahrer. Sir Stamford, der Begründer der Kolonie, hatte sich gewiss nicht träumen lassen, dass seine Stadt einmal zur Rennstrecke werden würde.

Es begann zu regnen, was bedeutete, dass es auf drei Uhr zuging. Ich rief eine Rikscha herbei und riskierte mein Leben. Nach wenigen Häuserblocks ergriff mich Panik. Ich bezahlte den schwitzenden Kuli und ging durch den Regen zu Fuß zurück zum Goodwood. Es war Monsunzeit, und bekanntlich fielen dann zwischen drei und fünf Uhr mindestens fünfzehn Zentimeter Wasser vom Himmel. Während ich vor mich hin trottete, so nass wie ich damals im Hafen von Hongkong gewesen war, dachte ich an die Arbeit im Dschungel, die vor mir lag, und das Lächeln verging mir.

In der Gordon-Bar nahm ich einen Drink und ging dann hinauf auf mein Zimmer. Um vier Uhr wurde ich am Swimming-Pool erwartet. Ich duschte, um mir den Regen abzuwaschen, zog meine Badehose an und reinigte meine Luger. Ich reinige meine Luger so, wie ein Soldat seine Schuhe putzt, wenn er nichts anderes zu tun hat.

Meine Badehose war weiß und trug das Rote-Kreuz-Abzeichen. Demnach hatte ich meine Lebensretterprüfung bestanden. Der Mann aus Australien hatte mir die Badehose gegeben - auf Hawks Anordnung. Ich musste grinsen. Manchmal denke ich, Hawk liest zu viele Kriminalromane.

Natürlich hat der alte Herr Recht. Das Leben eines Agenten hängt von einer Menge Kleinigkeiten ab. Sie haben ihren Sinn, erhalten einen am Leben. Ich musste es wissen.

Um zehn vor vier hörte es auf zu regnen. Die Sonne kam heraus, und Singapur begann zu dampfen. Das Summen der Klimaanlage war jetzt höchst angenehm. Ich dachte wieder an den Dschungel und stöhnte innerlich. Ich hatte nie sehr viel übrig gehabt für ihn. Vielleicht kommt es ja einmal so weit, dass man ihn klimatisiert.

Von meinem Fenster aus sah ich feinen weißen Nebel aus dem großen Garten des Hotels aufsteigen. Unter mir erstreckte sich ein riesiges Beet von roten und weißen Bungaraya, einer Art von Hibiscus, die als Nationalblume gilt. Es sah sehr heiß aus da draußen. Dieses Rendezvous am Swimming-Pool war keine schlechte Idee.

Ich steckte die Luger und das Stilett in einen wasserdichten Sack und versenkte ihn im Spülbecken der Toilette. Das ist ein ziemlich billiges Versteck und wäre einem Profi nicht entgangen, doch ich dachte mehr an Hotelbedienstete, die für jemanden arbeiteten. Wenn die Profis hinter mir her waren, würde ich es früh genug erfahren. Ich hielt es nicht für wahrscheinlich und fühlte mich sogar ziemlich sicher. Kenneth Arneson, Luxustourist, Liebhaber von Alkohol und schönen Frauen, auf wohlverdientem Urlaub von seinem Sägewerk in Indianapolis.

Ich zog einen leichten Bademantel an - eine Aufmerksamkeit des Hotels - und fuhr mit dem Lift hinunter zum Swimming-Pool.

Ich hatte Glück. Eines der beiden Becken war wegen Reparatur geschlossen, was bedeutete, dass ich nicht zwischen ihnen hin und her wechseln musste, um Ausschau zu halten nach meinem Kontakt. Eine Frau. Das war alles, was ich wusste. Eine Frau, die sich mir zu erkennen geben würde.

Das Schwimmbecken war in Ordnung. Es war keiner von jenen nierenförmigen Tümpeln, die wertvollen Raum verschwenden, sondern viereckig und tief, mit mehreren Sprungbrettern. Es war umgeben von einem Streifen sauberen weißen Sandes, von dem etwa die Hälfte mit Glas überdacht war. Hier war der Sand immer trocken, und das Glas filterte die Sonnenstrahlen. Wenn man sich rösten lassen wollte und es nicht regnete, konnte man sich in den offenen Sand legen.

Es war die übliche Anordnung von Tischen, Stühlen, Liegesesseln und Sonnenmatratzen. Malayische Boys in weißen Jacken flitzten hin und her, Getränke servierend. Der Swimming-Pool hatte seine eigene kleine Bar. Ich wollte keinen Drink, ich wollte einen Kontakt.

Ich sprang einmal von dem hohen Brett herunter, so dass sie die weiße Badehose und das Rot-Kreuz-Abzeichen erkennen konnte, durchschwamm dann zweimal das Becken. Als ich aus dem Wasser stieg und mich auf dem trockenen Sand unter dem Glasdach niederließ, war es zehn nach vier auf der Uhr über der Bar. Ich legte mich auf den Bauch, stützte den Kopf auf die verschränkten Arme und schloss die Augen - fast.

Es war niemand zu sehen auf der Seite des Beckens, wo der Sand nass war. Das schränkte mein Beobachtungsfeld um die Hälfte ein. Ich begann, die Personen unter dem Glasdach zu mustern, und gleich bei der ersten, die mir in den Blick kam, befiel mich ein Grausen, und ich wäre beinahe in ein irrsinniges Gelächter ausgebrochen. Zu denken, dass sie meine Kontaktperson war!

Sie war etwa fünfzig und hatte ein Gesicht wie ein vergrämter Erzengel. Ihr Haar war hellblau gefärbt. Sie saß in einem Liegestuhl, strickte und trug eine Nerzstola! Die Sonne fiel auf die Klunkern an ihren Fingern und blendete mich. Ich musste mich abwenden, um Haltung zu bewahren. Ich gähnte, blickte in gespielter Langeweile um mich und vergrub dann das Gesicht wieder in den Armen.

Verstohlen ließ ich den Blick weiter über den Rand des Beckens gleiten.

Die beiden blutjungen Leute, die peinlich dicht daneben beieinander auf einer Gummimatratze lagen, waren zweifellos auf der Hochzeitsreise.

Da waren noch mehrere andere Paare. Die Frauen kamen nicht in Frage. Ein Backfisch, der englisch aussah, beobachtete mich ständig aus den Augenwinkeln. Auch sie war es nicht. Sie betrachtete mich nur als Mann.

Weiter eine Chinesin, rauchend und in einem Buch lesend, ohne aufzublicken. Zwei fette, ältere Malayen, die über Geschäfte sprachen. Nichts.

Jetzt nahm ich mir die Bar vor, ein kleines Bambusoval mit sechs Stühlen. Ein großer Bursche in weißem Anzug, mit fettigem Haar und Sonnenbrille, sprach mit einem dunkelhaarigen Mädchen, das auffällig gekleidet und für die Tageszeit zu grell geschminkt war. Die beiden gehörten nicht hierher, sie hatten sich offenbar verlaufen.

Blieben noch drei Barstühle. Zwei von ihnen waren besetzt. Beide Frauen waren hübsch, doch eine war weiß, und irgendwie erwartete ich keine weiße Frau. Ich hatte keinen logischen Grund dafür, es war nur Instinkt.

Die weiße Frau schlenkerte in der einen Hand eine Badekappe und spielte mit der anderen an einem Martiniglas. Sie war etwa Mitte Zwanzig, hatte echtes goldblondes Haar und schien die Unterhaltung allein zu bestreiten.

Die dunkelhäutige Frau, etwa des gleichen Alters, war mir halb zugekehrt und hatte die langen Beine übereinandergeschlagen. Wenn ich lang sage, dann meine ich es. Manche Männer fliegen auf Brüste, manche auf Gesichter und wieder andere auf rückwärtige Rundungen. Bei mir sind es die Beine. Und ich kann sagen, auf diesem Gebiet bin ich Experte. Diese Beine waren klassisch. Der Traum eines Kenners.

Ich versenkte mich in den genussvollen Anblick. Sie war natürlich nicht meine Kontaktperson, doch ich hatte nichts anderes zu tun. Das konnte ich mir nicht entgehen lassen. Selbst Hawk konnte mich deswegen nicht schelten.

Diese Beine waren vollkommen, von den aristokratisch schmalen Füßen mit hohem Spann und unbemalten Nägeln über die feingemeißelten Knöchel unter gespannter hellbrauner Haut, über Wade, Knie und Schenkel bis zur sanft geschwungenen Hüfte. Sie bewegte sich auf dem Barstuhl, und die langen Muskeln spielten unter der samtenen, goldbraunen Haut. Es waren wirklich klassische Beine. Ich hätte ihnen bei jedem Wettbewerb den ersten Preis gegeben.

Auch sonst war sie erste Klasse. Sie trug einen Miniatur-Bikini. Der Büstenhalter bedeckte kaum die Brustwarzen, und auch der Slip hätte nicht schmaler sein dürfen. Sie richtete sich im Sitzen auf und sagte etwas zu der weißen Frau.

Carter, sagte ich zu mir, du bist ein Agent und kein Dichter.

Beide Frauen glitten von ihren Barhockern und bewegten sich auf mich zu, in Richtung des anderen Beckenrandes und des hohen Sprungbretts. Ich seufzte und vergrub das Gesicht im Sand wie ein schuldbewusster Junge. Sie konnte es nicht sein. Ich bin zwar ein Glückspilz, aber das wäre ein Wunder gewesen. Ich schob meine Wunschträume beiseite und zwang mich, an meinen Job zu denken. Sie gingen in einer Entfernung von zwei Metern an mir vorbei, lebhaft plaudernd, ohne den pflichtvergessenen lüsternen Agenten zu beachten, der ihnen resignierend nachschaute. Ihr Geplauder verebbte, das Weiß und das Braun ihrer Beine vermischten sich miteinander.

Sie waren kaum zehn Meter an mir vorbei, als die Besitzerin der dunklen Beine auf Englisch und sehr laut ausrief: »Oh! Ich habe meine Badekappe vergessen. Bin gleich zurück, Janie.«

Ich beobachtete sie mit halbgeschlossenen Augen. Sie machte kehrt und lief zurück zu der kleinen Bar, Sie schaute nicht nach mir. Ich existierte nicht. Sie lief... Ihre vollkommenen Beine blitzten wie Maschinenkolben. Sie lief auf mich zu und, immer noch ohne mich zu sehen, stolperte sie über meine Füße und stürzte neben mir in den Sand.

Sollte ich tatsächlich so viel Glück haben?

Ich sprang auf, streckte die Hand aus, und setzte mein charmantestes Lächeln auf.

»Tut mir leid«, sagte ich laut und unbefangen. »Wie ungeschickt von mir, mich so hier hinzulegen. Aber ich bin so verdammt lang, dass es mir schwerfällt, einen Platz für meine Beine zu finden.«

Sie ließ mich ihre Hand nehmen und sich von mir hochziehen. Dem Gefühl nach war der kleine Ball aus Reispapier, wahrscheinlich ein Zigarettenblättchen. Sie drückte es mir in die Hand.

Ihre Augen waren ebenso braun wie ihr Körper. Sie schenkte mir ein kühles Lächeln. »Ja, Sie sind ziemlich groß. Aber es war meine Schuld. Ich habe nicht aufgepasst, wo ich hintrat. Und ich bin ein bisschen kurzsichtig ohne meine Brille. Danke sehr - ich bin vollkommen in Ordnung.«

Ich hielt ihre Hand fest und ging zum Angriff vor. »Darf ich Sie zu einem Drink einladen? Bitte. In den Staaten kommt es einer Vorstellung gleich, wenn eine Frau über einen Mann fällt.« Ich deutete mit einer Kopfbewegung auf ihre Freundin, die uns neugierig beobachtete. Niemand anderes, ausgenommen die kleine englische Blondine, schien den Zwischenfall bemerkt zu haben. Sie nagte mit kleinen schimmernden Zähnen an ihrer Unterlippe.

Ich hielt noch immer ihre Hand. »Ihre Freundin ist natürlich mit eingeladen. Warum nicht? Ich bin nur ein harmloser einsamer Amerikaner.«

Sie zog ihre Hand zurück, und ihre Stimme wurde eisig.

»Ich kann nicht. Es ist unmöglich. Guten Tag.«

Selbst ihr schöner Rücken bezeugte Hochmut, als sie sich umwandte und zur Bar zurückging.

Sie hatte ihre Badekappe tatsächlich an der Bar vergessen. Sehr geschickt gemacht. Sie war eine Professionelle. Ich zuckte die Achseln, spielte meine kleine Komödie weiter und streckte mich wieder im Sand aus. Die kleine Engländerin schenkte mir ein Lächeln offener Einladung. Ich ignorierte es und starrte mürrisch in die Gegend.

Die Flitterwöchner hatten den Zwischenfall nicht einmal bemerkt. Seine Hand war jetzt außer Sicht.

Ich ging hinauf auf mein Zimmer und verschloss die Tür.

Es war ein winziges Stück Reispapier. Mit blauer Tinte und sehr klein stand darauf Curry tiffin - 324-17-6826.

Die Telefonnummern von Singapur haben nicht mehr als sieben Stellen. Die 17 musste eine Zeitangabe sein. Siebzehn Uhr. Ihr Timing war ausgezeichnet. Es war Viertel vor fünf.

Ich schalt mich selbst wegen meiner abwegigen Gedanken. Sie würde natürlich ein neutrales Telefon benützen oder mir ihre Nachricht durch eine dritte Person übermitteln lassen.

Ich mixte mir einen Drink und schaute durch das Fenster hinunter, wie die Bungaraya wuchsen, bis es fünf war.

Sie meldete sich beim ersten Läuten, war also im Hotel oder ganz in der Nähe. Wahrscheinlich in einem Laden.

»Hallo?« Sie sprach es englisch aus. Ich hatte mir bereits gedacht, dass sie in England erzogen worden war.

Ich sagte: »Ist dort Curry tiffin

»Ja. Wer spricht?«

Ich nannte mein Codewort. Dacoit.

»Okay. Ich muss Sie sprechen.«

»Wo und wann?«

»Bei mir. Ich werde allein sein. Ich habe alle Dienstboten weggeschickt. 928 Casperian Road. Das ist im April-Hill-Viertel. Kennen Sie es?«

»Ich werde es finden.«

»Um wieviel Uhr?«

»Um zehn.« Ihre Stimme klang nervös. »Bis dann.«

»Hallo, nicht so schnell«, sagte ich. »Heute Abend oder morgen früh?«

Ihre Stimme klang nervös. »Heute Abend natürlich. Ich muss jetzt Schluss machen. Auf Wiedersehen.«

»Hören Sie...« Es klickte. Sie hatte aufgelegt.

Meine neue Mitarbeiterin erschien mir etwas nervös. Aber vielleicht war sie nur vorsichtig.

Ich spülte das Stück Reispapier die Toilette hinunter und ging unter die Dusche, um den Chlorgeruch des Schwimmbeckens loszuwerden. Während ich mich einseifte, dachte ich an ihre Beine. Und an die hastige Art, mit der sie mir ihre Hand entzogen hatte. Und dass sie einerseits sehr umsichtig, andererseits aber reichlich nervös war. Ich liebe es nicht, mit nervösen Leuten zu arbeiten. Ich fragte mich, ob es einen anderen Grund gab für ihre Nervosität als der gefährliche Charakter unserer Arbeit.

Als ich aus dem Badezimmer kam, klopfte es. Ein Boy brachte mir die Abendzeitungen. Ich goss mir einen Drink ein, zog Leinenshorts an und legte mich auf das Bett, um zu lesen. Aber es gab nicht viel, das mich wirklich interessierte. Der Konflikt zwischen den Malayen und den Philippines verschärfte sich. Sie zankten sich um Sabah, einen Teil von Nordborneo, das sie beide beanspruchten. Ein philippinischer Zerstörer war in der Sulusee vor Sandakan gesichtet worden, und die Malayen schrien Zeter und Mordio, drohten die Sache vor die Vereinten Nationen zu bringen. Dann hatte es neue Fälle von Piraterie an der Küste von Sarawak gegeben. Davon hatte ich bereits früher gelesen. Die Seeräuberei vor der Küste von Borneo war seit langem ein blühendes Gewerbe, und die Regierung schien nicht damit fertig zu werden.

Ich ließ die Zeitungen vom Bett gleiten und gähnte. Im Grunde konnte ich verstehen, warum die Regierung nicht viel Zeit hatte, sich um die Rote Kobra zu kümmern. Außerdem hatte sie gute Gründe, ihre Existenz zu verschweigen.

Ich bestellte telefonisch einen Weckruf und schlief ein. Um acht Uhr weckte man mich. Ich hatte einen schweren Kopf. Ich hatte böse geträumt, wusste aber nicht mehr was, nur, dass die Frau, die ich heute Abend treffen sollte, eine hässliche Rolle dabei spielte. Ich nahm mir vor, doppelt vorsichtig zu sein.

Ich bestellte mir etwas zum Essen aufs Zimmer, und während ich darauf wartete, zog ich mich an. Gewöhnlich trage ich, wenn ich Besuche mache, ein weißes Hemd und eine dezente Krawatte. Das kam bei dem Klima von Singapur nicht in Frage. Ich zog eine silbergraue Strandhose an und ein lebhaft gemustertes Sporthemd, das ich über den Hosenbund hängen ließ. Das sah ein wenig salopp aus, passte aber vielleicht ganz gut für Kenneth Arneson, und der Hemdschoss verbarg die Luger.

Das Essen kam. Es war gut, und ich genoss es in Ruhe. Ich hatte eine vage Vorstellung, wo die Casperian Road lag. Nicht sehr weit. In der Gegend wohnten die Reichen. Ich begann neugierig zu werden, wer meine dunkelhäutige und nervöse Partnerin wohl war.

Ich hatte dem Hotelbüro aufgetragen, einen Mietwagen für mich zu bestellen und dafür zu sorgen, dass im Handschuhfach ein Stadtplan lag. Ich steckte ein Bündel malayische Dollar ein, verließ das Goodwood durch eine Seitentür und fand den Wagen auf dem verabredeten Parkplatz. Ich überprüfte die Wagennummer, und die mir übergebenen Schlüssel passten. Der gelangweilte Parkwächter, ein Sikh, gähnte und schenkte mir keine Beachtung. Auch sonst beobachtete mich niemand, soweit ich sehen konnte. Ich bin ein vorsichtiger Mann, wenn es ums Geschäft geht.

Ich fuhr auch so vorsichtig wie nur irgend möglich. Ich hatte keine Lust, mit irgendeinem Wilden zu karambolieren und meine Verabredungen zu versäumen. Bei Unfällen tauchen immer Polizisten auf, und Hawk hatte mich gewarnt, möglichst nicht mit den Behörden in Konflikt zu kommen. Ich fuhr langsam durch die Sago Street. Wäschestücke hingen an Stangen, und ein Geruch von verbranntem Moos lag in der Luft. Es begann dunkel zu werden, und die Neonlichter flammten auf. Ich fuhr an einem scharlachroten Neondrachen vorbei und gelangte zum Kaiserinnenplatz, wo die Lichter in den Regierungsgebäuden eins nach dem anderen erloschen. Ich hatte noch eine Menge Zeit, genau wie geplant. Ich hielt, um den Stadtplan zu studieren, fuhr dann, immer unauffällig hinter mich schauend, kreuz und quer durch die Stadt.

Als ich sicher war, dass ich nicht verfolgt wurde, nahm ich Richtung auf den April-Hill-Bezirk. Je näher ich meinem Ziel kam, umso neugieriger wurde ich auf die Frau, die mich erwartete. Ich vergaß darüber fast die Mission, die vor mir lag. Ich musste mir eingestehen, dass ich mehr als dienstliches Interesse an meiner Partnerin hatte. Das war nicht meine Schuld. Es war ihre Nervosität, die mich irritiert hatte. Bald würde ich wissen, wo ich mit ihr dran war.

Ich kam auf eine vierspurige Schnellstraße und folgte ihr bis zur nächsten Abzweigung. Es war die Casperian Road.