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G.F. Barner
– 152 –

Buck Concho

Ein Mann, den man nicht kaufen kann

G.F. Barner

Impressum:

Epub-Version © 2019 KELTER MEDIA GmbH & Co. KG, Sonninstraße 24 - 28, 20097 Hamburg. Geschäftsführer: Patrick Melchert

Originalausgabe: © KELTER MEDIA GmbH & Co.KG, Hamburg.

Internet: https://ebooks.kelter.de/

E-mail: info@keltermedia.de

Dargestellte Personen auf den Titelbildern stehen mit dem Roman in keinem Zusammenhang.

ISBN: 978-3-74095-241-9

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Sie sagen, daß er alt ist. Aber er fühlt sich noch nicht so. Da ist Luzy MacWard. Eine Frau, die ihr Leben lang an ihn glaubt. Und da ist seine Tochter: Joana Forsyth, die sehr schön ist.

Er nimmt sie mit nach Sheridan in Wyoming.

»Er«, das ist Maxwell Forsyth.

Ein nicht großer, aber breiter Mann, der die Sonne und den Wind, die Hügel und das Gebrüll der Longhorns liebt. Die Fahrt geht mit der Stagecoach nach Sheridan.

Maxwell Forsyth ist ein König, wenn man seine Herden und das Land zum Maßstab nimmt.

Und er tritt auch so auf. Trotzdem ist er bescheiden, was man eigentlich von den meisten Rinderkönigen nicht sagen kann.

Maxwell Forsyth ist jetzt zweiundsechzig Jahre alt. Seine Tochter ist gerade einundzwanzig. Er hat spät geheiratet, vielleicht zu spät. Und er sagt zu seiner Frau, als sie aus der Kirche kommt:

»Majorie, ich erwarte nicht viel von dir, nur einen Sohn. Wenn du ihn mir schenkst, wirst du für mich die einzige Frau in dieser Welt sein.«

Das hat er gesagt. Und dann wurde es ein Mädel. Und Maxwell Forsyth ging schweigend aus dem Zimmer. Mit dem Hut in der Hand.

Vielleicht hätte er es nicht tun sollen. Denn sie starb noch im Wochenbett, seine Frau Majorie. Und er gab sich die Schuld.

Seine Tochter Joana wurde größer. Er erfüllte ihr jeden Wunsch. Immer mehr und immer öfter. Und er denkt nicht eine Sekunde daran, zu heiraten. Obwohl da Luzy MacWard ist. Sie ist eine Jugendfreundin. Er will nicht, weil er immer noch seine Frau vor sich sieht. Schlimme Erinnerungen für einen Mann, der sonst alles zur Seite tritt, was sich ihm in den Weg stellt.

Jetzt also fährt er mit Joana nach Sheridan.

Sie sitzt in der Ecke des Rückpolsters. Und sie sieht sehr schön aus. Zu schön für dieses Land.

Joana, ein Name, der auf viele Männer Eindruck macht. Sie umschwärmten sie, denn ihr Blick versprach viel. Aber ihre Hand hielt nichts.

Und jetzt rollt die Stagecoach in Sheridan ein. Sheridan, eine Herden- und Silbertown.

Sie ist noch nie hier gewesen, weil Big Maxwell das nicht wollte. Er kennt die Stadt. Sie ist wild, Gift in reiner Form.

Tausende, manchmal bis zu hunderttausend Longhorns drängen sich in den Corrals. Sheridan hat die erste Bahnverbindung nach Osten. Und auf den Schienen wandert das Vieh in die Fleischtöpfe der großen Städte.

Für westliche Begriffe ist Sheridan sicher groß. Das findet auch Joana. Sie sieht aus dem Fenster und lächelt.

»Tochter, setze dich gefälligst hin!« schnauft der alte Maxwell mürrisch. »Du wirst dir diese Burschen haufenweise auf deinen hübschen Hals hetzen!«

»Aber Dad!« sagt sie vorwurfsvoll. »Was ist denn schon dabei? Ich sehe mir doch nur die Straße an!«

»Mich stört nicht die Straße, Tochter!« brummt Maxwell grimmig. »Aber diese lausigen Kuhtreiber. Ich möchte keinen Ärger, Joana! Und ich trage immerhin achtzigtausend Dollar bei mir! Laß deinen Spaß ruhen, bis ich mit Weston Grant gesprochen habe. Dann verdrehe den Kopf, wem du willst, aber jetzt bleibst du da friedlich sitzen.«

Als die Stagecoach hält, steht die übliche Menschenmenge vor der Station. Den Männern fallen fast die Augen aus den Höhlen. Dieses Mädchen ist für Sheridan eine Sensation. Es gibt viele »Ladies« hier, und die meisten kann man kaufen.

Die Männer sehen Joana. Und sie wissen, daß sie hier nicht kaufen können – niemals.

Maxwell Forsyth steigt aus. Er hebt seine Tochter herunter und reicht Joana den Arm. Sie schreitet neben ihm her. Wie eine Königin.

Und die Männer sehen ihnen nach.

Der alte Forsyth geht zur Bank. Und von dort zum Generaloffice der Chicago Meat Company. Er will ­vierzigtausend Longhorns verkau­fen. Dafür kauft er Hereforder, weil diese Viehart nicht so lange Hörner hat. Er kann mehr auf den Weiden halten. Er verhandelt bis zum Abend. Als die Lichter in der Stadt angehen, ist er zufrieden und um achtzigtausend Dollar ärmer. Es ist seine Art, immer gleich zu bezahlen. In diesem Fall hat er viertausend Hereforder gekauft. Die Dollar spürt er nicht.

»Joana«, sagt er zufrieden, als sie aus dem Generaloffice kommen. »Wir gehen jetzt essen. Und dann darfst du dir das Ballett aus Minnesota ansehen. Natürlich komme ich mit.«

»Dad, ich bin kein kleines Mädchen mehr. Und ich brauche auch keine Amme! Ich möchte es mir allein ansehen! Kein Mann wird mich anfassen!«

Sie greift in ihre perlmuttbesetzte Handtasche und hält plötzlich einen Spielzeugcolt in der Hand.

Maxwell Forsyth lacht dröhnend. Und verschiedene Leute hören es.

Auch Graham Reed. Der Mann ist für einen richtigen Mann einfach zu schön. Ein weiches Gesicht, in dem nur die Augen stören. Sie sind kalt wie Eis. So ist der ganze Mann. In vielen Staaten würde man ihn aufhängen, wenn man ihn hätte. Darum ist er jetzt hier, hoch im Norden. Und hier kennt ihn niemand. Er hat im Augenblick nur sechs seiner Bande bei sich. Zwanzig Reiter hat er genau.

Jetzt hört er den alten Mann lachen. Und das erregt seine Aufmerksamkeit. Dann sieht er Joana.

Er starrt sie an, ahnt ihre Unberührtheit. Es gibt nichts, was er nicht auch bekommen kann. Vor allen Dingen Ladies. Sie fliegen alle auf sein Gesicht herein. Er sieht wirklich gut aus. Zu gut!

Er geht langsam auf sie zu. Seine sechs Partner hinter ihm. Nur der eine Mann dreht um, als er an die Pferde vor dem Bau denkt. Jetzt sind es nur noch fünf.

Es ist ein altes Rezept. Sie schneiden der Lady den Weg ab. Und ihr Boß macht seinen Diener.

Er bleibt stehen und zieht tief den Hut.

»Hallo, Freund!« sagt er zu Maxwell und blickt seine Tochter dabei an. »Darf ich Sie einladen? Mein Name ist Hank Purdom.«

Er hat viele Namen und benimmt sich wie ein Gentleman.

Der alte Großvater geht weiter. Doch dann prallt er auf die fünf Reiter. Sie grinsen ihn an und lassen ihn nicht durch.

»Mister!« sagt Maxwell Forsyth scharf. »Ich kann mein Essen selber bezahlen. Und ich lege keinen Wert auf Straßenbekanntschaften! Wenn das Ihre Freunde sind, dann sagen Sie ihnen, daß sie schnell verschwinden sollen! Diese Tour gefällt mir nicht!«

Joana findet ihren Dad ausgesprochen unhöflich. Sie sieht den netten Mann an und lächelt.

»Mein lieber Mister!« sagt er grinsend. »Wir sind schließlich verwandt! Warum wollen Sie einem alten Verwandten nicht die Chance lassen, mit dieser Lady einige Worte wechseln zu können?«

»Verwandt?« schnappt Forsyth grimmig. »Mann, ich habe doch keine Strauchdiebe zu Vettern oder Neffen! Sie sind verrückt, Mister Nobody!«

»Ich bin natürlich nicht Ihr Neffe, alter Herr!« sagte er gemütlich. »Aber immerhin haben wir dieselben Ururahnen! Nämlich Adam und Eva, Lady, sind Sie höflicher

und nehmen meine Einladung an?«

Er streckt seine Hand aus und legt sie Joana auf die Schulter. Dazu ermutigt ihn ihr Blick. Doch er sollte es nicht tun.

Ihr Arm fährt hoch. Dann knallt ihm ihre Hand auf die Wange.

Er hat mit allem gerechnet, denn ihr Lächeln war vielsagend. Nur mit dieser Ohrfeige nicht.

Ehe Joana reagieren kann, schießt seine Hand vor und biegt sie zurück. Dann preßt sich sein Mund auf ihre Lippen. Drei Sekunden, dann beißt sie zu.

Und Graham Reed taumelt zurück. Er schreit voller Wut. Dann gibt er ihr die Ohrfeige wieder. Mit solcher Gewalt, daß Joana Forsyth taumelnd in den Staub der Mainstreet fällt. Sie stürzt vom Gehsteig und verstaucht sich den rechten Fuß.

Der alte Forsyth kennt die Männer nicht und denkt, daß er es schaffen kann.

Weit holt seine Faust aus. Sie hat noch Wucht. Soviel, daß Graham Reed sich ächzend zusammenkrümmt, als sie trifft.

Einer aus dem Rudel springt vor und schlägt zu.

Tausend Sonnen und eine Milliarde Sterne schießen vor Maxwell Forsyths Augen hoch. Dann taumelt er gegen den Haltebalken. Er ist groggy.

Der alte Mann hängt über dem Haltebalken. Dann greift er unter seine Jacke, zieht den Colt und will sich drehen. Doch wieder sind die Leute Reeds schneller. Einer reißt den Colt heraus und schlägt zu. Genau auf den Unterarm Forsyths.

»Du – dreckiger Hundesohn!« keucht der Alte und sieht den Colt in den Dreck fallen. »Du dreckiger Bastard, ich werde dich aufhängen lassen!«

»Du alter Narr!« knurrt der Mann wild. »Du willst mich aufhängen lassen, was? Da hast du dein Teil!«

Er schlägt einmal tief und zweimal an Maxwells Kopf. Und nun merkt der alte Mann, daß er doch schon zu alt ist. Viel zu alt für einen rauhen Kampf. Er dreht sich wie ein Kreisel und fällt neben seiner Tochter in den Staub. Da liegt er und ist fertig.

In dieser Minute ändert sich etwas in ihm. Er bekommt Angst, fürchterliche Angst, nicht mehr der große Mann zu sein, der er immer war.

Anders ist seine Tochter. Sie ist empört. Noch niemals hat ein Mann sie geschlagen. Auch ihr Dad nicht.

Wütend will sie hoch. Aber als sie steht, knickt sie sofort wieder ein und fällt in den Dreck.

»Nun, Baby?« erkundigt Graham Reed sich höhnisch. »Wie gefällt es dir dort, du kleines, mieses Luder! Komm hoch, ich will mit dir meinen Spaß haben…!«

Er faßt sie hart an und reißt sie auf die Füße. Joana wehrt sich wütend. Sie kratzt und beißt. Doch er hält sie fest und zieht sie langsam zu sich heran.

Seine fünf Wölfe haben ihre Eisen draußen. Sie stehen mit dem Rücken zu ihm und sehen auf den alten Mann hinab, der sich aufrichten will. Einer holt aus und tritt Maxwell Forsyth in das Hinterteil. Der Alte fällt wieder in den Staub.

»Hilfe«, ruft Joana gellend. »Hilfe, er…«

Und dann hält ihr Graham Reed den Mund zu.

*

Sein Name ist Buck Concho. Er hat seinen Whisky getrunken und bezahlt. Ein großer Mann, der gar nicht schön ist. Ein hartes Gesicht, wie es Männer haben, die lange in der Einsamkeit gewesen sind.

Er hat schwarzes und krauses Haar, trägt ein ausgeblichenes Lederhemd und ein blaues Halstuch, einen hellen Stetson.

Und er trägt zwei Eisen. Das Seltsamste an ihm ist, daß er keine Stiefel an den Füßen hat, sondern Halbmokassins.

Die Leute in der Sheridan-Bar sehen ihm nach, wie er gleitend durch den Raum geht. Wo er kommt, da wird es still.

Jetzt geht er aus der Bar und hört den Schrei. Es gibt eine Episode in seinem Leben, die er niemals vergessen wird. Vor sechs Jahren überfiel eine Horde Apachen die Ranch der Conchos. Und Buck war nicht zu Hause. Als er kam, war es schon vorbei. Nicht, daß die Ranch nicht verbrannte. Aber sein Vater und seine Mutter lagen mit durchgeschnittenen Hälsen in der Diele. Von seiner Schwester fehlte jede Spur. Er suchte lange und fand sie auch. Nach drei Tagen lebte von sechzehn Apachen keiner mehr. Seine Schwester hat er auch gefunden. Aber er erinnert

sich nur mit Grausen an diese Szene. Sie saß lallend in dem Stangenzelt und erkannte niemand. Auch ihn nicht.

Und jetzt erinnert er sich, hört er den Schrei.

Er sieht Graham Reed vor sich stehen. Und die Augen der Lady flehen ihn an.

Buck Concho würde keinen Finger rühren, wenn es eine Tanzhallenlady wäre. Aber er sieht sofort, daß das nicht zutrifft.

Plötzlich fliegt er los. Seine Eisen wirbeln durch die Luft. Drei Männer vor ihm liegen auf den Gehsteig.

Dann ist er bei Graham Reed. Er bekommt den Kolben auf seinen Kopf, fühlt den irrsinnigen Schmerz und läßt Joana los. Sie fällt in den Staub.

Und über sie hinweg schießt der große Schatten. Krachend sausen die 52er herunter. Zwei der Burschen fallen um ohne einen Laut.

»Ihr dreckigen Buschräuber!« sagt Buck schnaufend, als sich die letzten drei Mann herumwerfen.

Er schlägt noch einmal zu, ehe der dritte Mann endlich seine Eisen halb über den Halftern hat.

Buck Concho ist rasend schnell. Der dritte Hügelreiter sieht plötzlich genau in die Mündung des 52ers. Er will ziehen, doch er nimmt langsam die Hände von den Kolben seiner Eisen.

Dann sind die beiden Eisen weg. Nur noch die Fäuste Buck Conchos sind da. Und sie schlagen zu. Krachend landen sie an der Kinnspitze des Mannes.

Das ist die Chance des Mannes bei den Pferden. Er nimmt die Eisen hoch und schießt.

Es ist der Augenblick, in dem Buck sich dreht. Nur dadurch entgeht er dem Blei, das jaulend an ihm vorbeizischt. Hinten in der Mainstreet schreit ein Mann gellend und fällt auf den Boden.

Concho wirbelt herum, fliegt langgestreckt durch die Luft auf die Mitte der Mainstreet zu. Er zieht im Flug und schießt, als die Eisen des Pferdewächters aufrasen.

Über ihn hinweg saust das Blei gegen den Himmel. Buck Concho prallt in den Staub.

Und drüben sinkt der Rustler mit rauchenden Eisen zusammen, landet unter dem Hengst von Graham Reed. Das Tier bekommt vier Kugeln. Der Gaul steigt und kracht zusammen.

Ein totes Pferd und ein toter Bandit. Fünf Rustler liegen verdreht um den alten Maxwell Forsyth im Staub der Straße.

Buck Concho steht mit seinen Eisen mitten auf der Straße. Er sieht sich um, doch da ist niemand mehr. Das Gros der Bande ist dreißig Meilen weiter in Buffalo.

Langsam steckt Buck die Eisen in die Halfter und bückt sich. Mit ruhigen Händen schnallt er den Rustlern die Gurte ab und wirft sie unter die Gehsteigkante.

Er ist mit seiner Arbeit fertig, als der Sheriff über die Straße angerannt kommt. Er heißt MacEllroy.

Jetzt bleibt er stehen und reißt entsetzt die Augen auf.

»Mann«, sagt er stöhnend. »Sagen Sie nur, Sie haben diese Pilger alle von der Erde in die Hölle befördert? Sechs Mann, mein Gott!«

»Ein Sheriff!« sagt Concho erstaunt. »Mann, ist es in diesem Land so üblich, Ladies anzufallen und alte Männer halb totzuschlagen…? No, diese Burschen schlafen nur eine Weile. Es ist keiner verletzt! Nur dort hinten liegt ein Mann unter einem Pferd. Ich denke, sie sind beide tot! Haben Sie etwas dagegen, wenn ich der Lady ein wenig behilflich bin? Wir können uns nachher unterhalten!«

Seine Augen sehen an MacEllroy vorbei auf die Lady. Sie versucht aufzustehen.

Doch vorher hilft Concho dem Alten hoch.

»Ich bin Maxwell Forsyth, Sheriff!« sagt er selbstbewußt, als er steht. »Die Stadt am Porcupine Creek trägt meinen Namen. Diese Affen belästigten meine Tochter. Dann schlugen sie mich nieder und hätten sonst etwas mit Joana aufgestellt, wenn nicht dieser Mister eingegriffen hätte.«

MacEllroy hebt erstaunt den Kopf, als er den Namen des Alten hört. Er hat genug von ihm gehört. Soviel, daß er weiß: Dieser Mann lügt nicht! Und das gibt den Ausschlag. Der Alte taumelt noch ein wenig. Es war ziemlich hart für ihn.