image

image

image

Schafe gehören überall in der Region zum Landschaftsbild.

HIGHLIGHTS | GEHEIMTIPPS | WOHLFÜHLADRESSEN

»Ostfriesische Gemütlichkeit hält stets
drei Tassen Tee bereit.«

Ostfriesisches Sprichwort

image

image

Der Wind hinterlässt grafische Strukturen im Sand.

image

INHALT

Das sollten Sie sich nicht entgehen lassen

Willkommen in Ostfriesland

DIE INSELN

  1Borkum

  2Juist

  3Norderney

  4Baltrum

  5Langeoog

  6Spiekeroog

  7Wangerooge

LEER UND UMZU

  8Leer

  9Rheiderland

10Moormerland

11Westoverledingen

12Rhauderfehn

13Uplengen und Saterland

EMDEN UND UMZU

14Emden

15Emder Museumsschiffe

16Kunsthalle Emden

17Krummhörn

18Rysum und Pilsum

19Greetsiel

20Hinte und Suurhusen

21Großes Meer

NORDEN UND UMZU

22Norden

23Norddeich

24Westermarsch

25Marienhafe

26Hage

27Großheide

28Herrlichkeit Dornum

29Neßmersiel

30Dornumersiel

AURICH UND UMZU

31Aurich

32Südbrookmerland

33Holtriemer Land

34Ihlow

35Großefehn

36Timmel

37Wiesmoor

ESENS, WITTMUND UND UMZU

38Esens

39Wittmund

40Bensersiel

41Neuharlingersiel

42Carolinensiel und Harlesiel

43Werdum

44Friedeburg

OSTFRIESLANDS NACHBARN

45Jever

46Hooksiel und das Wangerland

47Bad Zwischenahn und das Ammerland

48Oldenburg

49Wilhelmshaven und Jadebusen

50Groningen

REISEINFOS

Ostfriesland von A bis Z

Kalender

Register

Impressum

MEHR WISSEN

Thalasso

Teegenuss

Mühlen

MEHR ERLEBEN

Kirchenorgeln

Gute Traditionen

Für Kinder und Familien

image

Ebbe am Strand von Norderney

image

Bunt geht es zu im Krabbenkutterhafen von Greetsiel.

image

Schafe pflegen die Deiche.

image

Viele Strände bieten feinen, hellen Sand und oft Sonne satt – hier das Nordbad in Norderney.

image

Ins ostfriesische Grün setzt der Klatschmohn Farbtupfer.

image

Das »Historische Alte Inselhaus« ist Spiekeroogs letztes Haus mit erhaltenem Schwimmdach.

image

Die Zwillingsmühlen sind das weithin sichtbare Wahrzeichen von Greetsiel.

DAS SOLLTEN SIE SICH NICHT ENTGEHEN LASSEN

image

Das Inseldorf von Spiekeroog

image Norderney (S. 44)

Wer vom Inselurlaub mehr erwartet als tolle Strände, hohe Dünen und geschützte Natur und sich auch an Autos nicht stört, ist hier richtig. Klassische Bäderarchitektur, das schönste Kurhaus, mehrere Cocktailbars, trendige Szene- und Tanzlokale sowie ein hochwertiges Einkaufsangebot machen die Insel zum »Sylt der Ostfriesen«.

image Spiekeroog (S. 68)

Die einzige ostfriesische Insel ohne Flugplatz ist der ideale Ort für Ruhesuchende, die zum Urlaubsglück nicht mehr brauchen als die Natur, einen langen Strand, einen kuscheligen, ganz altmodischen Ort und den weiten Himmel über sich. Eine zusätzliche Attraktion ist eine museale Pferdebahn wie aus Urgroßelterns Jugendjahren.

image Kunsthalle Emden (S. 120)

»Stern«-Gründer Henri Nannen hat große Kunst der Moderne in die Provinz geholt und die Kunsthalle in Emden zu einer Top-Adresse in der deutschen Kunstszene gemacht. Neben sich ständig leicht verändernden Ausstellungen aus dem eigenen Bestand werden mehrmals jährlich Sonderausstellungen von internationalem Rang präsentiert.

image

Die Dornumer Norderburg präsentiert sich als prunkvolles Wasserschloss.

image Greetsiel (S. 132)

Ostfrieslands größte Krabbenkutter-Flotte trägt den Namen Greetsiel als Heimathafen am Heck. Rund um den alten Sielhafen haben sich kleine Hotels, Kunst- und Kunstgewerbeläden angesiedelt. Zwillingsmühlen stehen am Alten Greetsieler Tief, auf dem Boote vermietet werden und Ausflugsfahrten durchs Binnenland starten.

image Das Große Meer (S. 138)

Weil Wassersport auf der Nordsee nur für Mutige und Könner ein wahres Vergnügen ist, haben sich die Ostfriesen auf dem Großen Meer ihr fast wellenfreies Wassersportparadies für Segler, Surfer, Kanuten und Tretbootfahrer geschaffen. Fairerweise haben sie eine Hälfte des Flachmoorsees aber noch ganz der Natur überlassen.

image Dornum (S. 164)

Das ostfriesische Landstädtchen besitzt gleich zwei Burgen, und in einer befindet sich sogar ein Hotel. Zur Kirche auf der Wurt gesellt sich eine gut erhaltene Synagoge, zum christlichen ein jüdischer Friedhof. Ein kunstfertiger Goldschmied und eine Handweberei laden in typischen kleinen Häuschen zum Stöbern ein.

image Neuharlingersiel (S. 214)

Im alten Hafen von Neuharlingersiel liegen die Krabbenkutter außergewöhnlich dicht gedrängt. Vom nahen neuen Hafen aus fahren die Fähren nach Spiekeroog ab. Ein Buddelschiffmuseum erweitert das maritime Spektrum ebenso wie der alte Rettungsbootschuppen der Deutschen Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger. Jährliches Highlight: Der Krabbenkutterkorso.

image Carolinensiel (S. 220)

Vom musealen Hafen in Carolinensiel aus fuhren im 19. Jahrhundert Schiffe in alle Welt. Die Dorfkirche schmücken Seglermodelle, das moderne Sielhafenmuseum lässt anschaulich das Leben im alten Carolinensiel lebendig werden. Am Ufer der Harle entlang führt ein Weg an einer alten Klappbrücke vorbei bis zum Fährhafen von Harlesiel.

image Hooksiel (S. 236)

Das schmucke Dorf besitzt den längsten Strand an der ostfriesischen Nordseeküste, außerdem die einzige Trabrennbahn der Region. Die Wasserskianlage auf dem Hooksmeer ist auch für Zuschauer höchst vergnüglich, der Veranstaltungskalender gibt sich mit Ereignissen wie »Schollenbraten auf dem Grund des Hafenbeckens« bemerkenswert originell.

image Wilhelmshaven (S. 254)

Maritim von A bis Z! In den Häfen und an den Piers können die größten Containerschiffe der Welt ihre Ladung löschen, für die deutsche Marine ist Wilhelmshaven der bedeutendste Nordsee-Stützpunkt. Museen informieren über das Wattenmeer, die Marine- und die Stadtgeschichte und ein Aquarium ermöglicht Einblicke in die marine Fauna.

image

Krabbenkutter in Neuharlingersiel

WILLKOMMEN in Ostfriesland

Das historische Ostfriesland reicht von der Emsmündung bis an den Jadebusen. Auch sieben bewohnte Inseln und weite Teile des Nationalparks Niedersächsisches Wattenmeer gehören dazu. Geest, Marsch und Moore sind hier die Bausteine der Natur, auf den Inseln kommen kilometerlange Sandstrände und breite Dünengürtel hinzu. Und über allem dehnt sich ein weiter Himmel, unter dem die Deiche schon die höchsten Erhebungen sind.

image

Wunderschön leuchtet der Priel im Sonnenuntergang.

Ganz Ostfriesland ist bestens auf Urlauber eingestellt. Ein dichtes Netz guter Radwege abseits der Straßen und viele Wasserwege für Kanuwanderer erschließen die grüne Landschaft. Fähren ermöglichen Tagesausflüge zu den sieben ostfriesischen Inseln. Städtetrips nach Emden, Wilhelmshaven und Oldenburg lohnen das ganze Jahr. Reiter- und Bauernhöfe sind ideal für einen Familienurlaub. Museen widmen sich der Natur und der Geschichte sowie alter und moderner Kunst. Burgen, Schlösser und alte Kirchen zeugen von einer bewegten Geschichte. Auch kulinarisch gibt es viel zu entdecken: Vom Seemanns-Labskaus bis zum Eiergrog, von Kohl und Pinkel bis zur ostfriesischen Bohnensuppe. Ostfriesland steckt voller angenehmer Überraschungen – und das zu jeder Jahreszeit!

Der Rhythmus der Gezeiten

Wer nach Ostfriesland reist, will in aller Regel ans Wasser. Doch das ist nicht immer da. Ostfriesland und seine Inseln liegen am und im Niedersächsischen Wattenmeer. Das kommt und geht im Rhythmus der Gezeiten. Jeweils alle zwölf Stunden, 25 Minuten und 53 Sekunden erreicht es seinen Höchststand: Dann ist Hochwasser. Das Gegenteil dazu ist das Niedrigwasser. Läuft das Wasser auf, nennt man das Flut, läuft es ab, spricht man von Ebbe. Der Unterschied zwischen Hochwasser und Niedrigwasser wird als Tidenhub gemessen und beträgt an der ostfriesischen Nordseeküste normalerweise 2,2 bis drei Meter. Der jeweilige Zeitpunkt für Ebbe und Flut ist von Ort zu Ort unterschiedlich. Im Westen kommt es früher zu Hoch- und Niedrigwasser als im Osten und direkt am Übergang zur offenen Nordsee, also auf der Nordseite der Inseln, ist es auch früher als weiter landeinwärts, also beispielsweise im Jadebusen oder in Emden. Verursacher von Ebbe und Flut ist vor allem der Mond mit seiner Anziehungskraft. Sie bestimmt zusammen mit dem Wind auch den täglich wechselnden Hochwasserstand.

image

Die Menschen hier sind gelassen und freundlich, wie Schmied Dietrich Dieker aus Werdum.

Bei ablaufendem Wasser wird der sandige oder schlickige Meeresboden, das Watt, freigelegt. Bei Niedrigwasser wird es nur noch von einigen wenigen Wasserläufen, den Prielen, durchzogen. Sie dienen als Schifffahrtsstraßen im Fährverkehr mit den Inseln und sind durch Prikken (Reisigstangen) oder Bojen und Tonnen gut markiert. Sie wechseln stets leicht ihren Verlauf und müssen oft mühsam und kostspielig freigehalten werden. Die Wasserstraßen nach Borkum, Norderney und Langeoog sind so tief, dass die Fähren auf ihnen nach einem festen Fahrplan verkehren können. Zu den anderen vier Inseln ändern sich die Abfahrtszeiten wasserstandsabhängig von Tag zu Tag.

image

Auch der Pilsumer Leuchtturm steht an einem Deich.

Für den Urlauber haben Ebbe und Flut ihren ganz besonderen Reiz. Bei Ebbe kann man unter sachkundiger Führung aufs Watt hinausgehen, an bestimmten Tagen im Jahr sogar zu einigen Inseln zu Fuß hinüberwandern. Kurz vor der Hochwasserzeit lässt es sich hervorragend im Meer planschen und vor allem auf den Inseln zu genau festgelegten Zeiten an bewachten Stränden sogar ein wenig in der Nordsee schwimmen. Deren Temperatur erreicht jedoch nur zwischen Juli und Anfang September gerade noch erträgliche 16 bis 18° C.

Von Deichen und Buhnen

De nich will dieken, mutt wieken – »Wer nicht deichen will, muss weichen!«, so lautet ein uraltes ostfriesisches Sprichwort. Denn der Deichbau ist schon seit über tausend Jahren eine Voraussetzung für das Leben auf dem ostfriesischen Festland. Schon seit etwa 1300 wird die gesamte Küste zwischen Ems und Jadebusen von mindestens einem Deich gesäumt. Seine Höhe ist inzwischen auf sieben bis neun Meter angewachsen. Ob das in unseren Zeiten der Klimaveränderung und des Anstiegs des Meeresspiegels ausreicht, ist umstritten; weitere Deicherhöhungen werden notwendig. Die Deiche müssen ja für extreme Sturmfluten gerüstet sein, auch wenn die in jedem Jahrhundert nur ein- oder zweimal auftreten. Deiche müssen stets gut gepflegt und instand gehalten werden. Dazu tragen auch die vielen Deichschafe bei, die das Gras kurz halten und den Boden festigen. Damit sie in Ruhe weiden können, sind Deichspaziergänge mit Hunden häufig verboten; außerdem sollte man die Deiche nur auf dafür vorgesehenen Wegen und Pfaden betreten.

Auf den Inseln übernehmen meist bis zu über 20 Meter hohe Dünen den Hochwasserschutz zur offenen Seeseite hin. Hier sind nur die Wattenmeerseiten durch weit niedrigere Deiche geschützt. Dafür hat man seit der Mitte des vorletzten Jahrhunderts auf den Inseln mit der Anlage von Buhnen begonnen. Diese weit ins Meer hinausragenden Dämme aus Gestein und Mörtel verlaufen quer zur Küstenlinie. Sie sollen vor allem die Sandabtragungen verhindern, die jahrhundertelang dafür sorgten, dass sich die Inseln immer weiter von West nach Ost verschoben. Außerdem können sie auch neue Sandablagerungen fördern.

Neulandgewinnung und Dünengürtel

Deiche können auch zur Neulandgewinnung am Wattenmeer genutzt werden. Die Niederländer sind darin Weltmeister, die Nordfriesen Schleswig-Holsteins deutsche Meister. Aber auch Ostfriesland ist durch solche Eindeichungen in den letzten Jahrhunderten größer geworden. Auf Karten sind sie an ihren Namen zu erkennen: Schon durch Eindeichung gewonnenes Grünland mit salzarmen Wiesen nennt man hier Polder oder Innengroden. Als Heller oder Außengroden wird das nur noch gelegentlich überflutete Grünland jenseits des Deichs bezeichnet, das überwiegend aus Salzwiesen besteht, auf denen noch kein Vieh weiden kann.

Auf den Inseln sorgen die Dünen für eine Art natürliche Neulandgewinnung. Das kann sogar der Laie bei einem Strandspaziergang mit eigenen Augen beobachten: Vom Meer her weht der Wind stets ein wenig Sand an den äußersten Dünenrand. An den Stellen, die das Wasser nur noch selten erreicht, fassen langsam erste Pflanzen wie Strandquecke, Meersenf und Salzkraut Fuß. An ihnen häuft sich auf der Lee-, also der windabgekehrten Seite Sand an. So bilden sich erste Vor- oder Primärdünen. Auf ihnen bildet der Strandhafer ein ausgedehntes Wurzelwerk, das den Boden festigt und zur Herausbildung von Weißdünen maßgeblich beiträgt. Das Meerwasser erreicht sie nur noch in wenigen Ausnahmefällen. Stattdessen spült Regen immer mehr Salz aus dem Sand. Als Folge können sich wiederum andere Pflanzen wie Sandnachtkerze, Sanddorn und Sandrotschwingel ansiedeln. Sie bilden eine dünne Humusschicht, auf der nun auch Gräser wachsen. Nicht mehr weiter wachsende Graudünen entstehen. Das Endstadium der Dünenentwicklung bilden dann die Braundünen, auf denen Büsche und Bäume gedeihen. Auf ihnen können nun sogar Häuser erbaut werden.

image

Zwischen Watt und Dünen ragen Windräder in den Himmel und sorgen für Energie.

image

Seehunde liegen bei Ebbe gern auf Sandbänken.

Der Nationalpark Wattenmeer

Das gesamte niedersächsische Wattenmeer wurde schon 1986 zum Nationalpark erklärt und bildet eine Einheit mit den Nationalparks Hamburgisches Wattenmeer und Schleswig-Holsteinisches Wattenmeer. 2009 wurden diese drei Nationalparks auch in die Liste des UNESCO-Weltnaturerbes aufgenommen.

Das Wattenmeer ist ein weltweit einzigartiger Naturraum. Was hier leben will, muss Salz vertragen und den ständigen Wechsel von Überflutung und Trockenfallen. An Fischen sind deshalb im Wattenmeer fast nur Plattfische wie Scholle, Flunder, Steinbutt und Seezunge zu Hause sowie kleine, nicht zum menschlichen Verzehr geeignete Grundeln. Besonders zahlreich sind Wattwürmer, Muscheln, Schnecken, Krebse und Krabben. Sie bieten reichlich Nahrung für eine bunte Vogelwelt. Möwen und Austernfischer sind ständig zu beobachten. Millionen von Enten und Gänse verschiedenster Arten rasten zweimal jährlich am Wattenmeer und legen hier Reserven für ihren Weiterflug in südliche oder nördliche Gefilde an. Etwa 70 000 arktische Wildgänse überwintern in der Region. Im Frühjahr und Frühsommer brüten zahlreiche anderswo vom Aussterben bedrohte Vögel an den Küsten.

Besonders spektakulär sind Seehunde und Kegelrobben, die bei niedrigem Wasserstand auf Sandbänken liegen und bei hohem Wasserstand vor allem die Plattfische jagen. In vielen Küstenorten und auf den Inseln werden Fahrten zu Seehundbänken angeboten, so dass man sie ausgiebig betrachten kann. Ganz nahe kommt man ihnen in der Seehundstation in Norden-Norddeich. In vielen Orten im Nationalparkbereich gibt es zudem Nationalpark-Häuser, die umfangreiche Informationen zu Flora und Fauna sowie Vorträge, geführte Wanderungen und von Naturkundlern begleitete Bootsfahrten anbieten.

image

Ins Watt geht man am besten barfuß und mit kurzen Hosen. So kommt man gut durch die Priele.

Ostfriesisches Binnenland

An einer einzigen Stelle im ganzen ostfriesischen Küstengebiet gibt es noch eine Küstenformation, wie sie an der Ostsee weitaus häufiger zu finden ist. Am alten Kurhaus von Dangast reicht ein bewaldeter Geestrücken bis unmittelbar an den Strand und bildet hier die Miniaturausgabe einer Steilküste.

Ansonsten ist die Geest eine typische Landschaftsform des ostfriesischen Binnenlandes. Der Boden der Geest wird von Sand, Geschiebelehm und Ton gebildet, die während der Saale-Eiszeit durch gewaltige Gletscher als Grund- und Stauchmoränen abgelagert wurden. Die Erosion durch Wind und Wasser hat sie zwar stark eingeebnet, Geestlandschaften sind aber dennoch durch ihre leicht erhöhte Lage, durch die sanfte Bewegtheit des Bodens und durch ihre Wälder leicht zu erkennen. In Ostfriesland liegen die Städte Leer, Norden, Esens und Wittmund am Rande der Geest, Aurich, Wiesmoor und Bad Zwischenahn mittendrin. Entwässert wird die Geest über Bäche und Flüsse.

Zwischen Geest und Küste liegt drei bis 17 Kilometer breit die Marsch. Sie ist völlig eben, erdgeschichtlich jünger als die Geest und wegen ihrer schweren Kleiböden fast nur für die Viehzucht nutzbar. Eine ostfriesische Sonderform der Geest ist das Sietland, das zum größten Teil noch unterhalb des Meeresspiegels liegt. Die Marsch wird über zahllose Kanäle und flussähnliche Siele entwässert, die heute gern von Wasserwanderern genutzt werden. Endpunkt vieler Siele sind Sielschleusen. Sie machen den Wasserstand im Siel von den Gezeiten unabhängig. Meist liegen sie in idyllischen, kleinen, küstennahen Orten mit alten Sielhäfen. Dörfer, Kirchen und Gehöfte in der Marsch liegen häufig auf künstlich geschaffenen Erdhügeln, Wurten oder Warfen genannt.

Typisch für Ostfriesland sind auch die vielen Hochmoore auf der Geest sowie die Niedermoore im Übergangsbereich zwischen Geest und Marsch. Diese Moore wurden in den letzten 300 Jahren zumeist entwässert, abgetorft und urbar gemacht. Entlang der breiten Entwässerungskanäle, hier Fehne genannt, entstanden straßenähnliche Dörfer. Vom mühsamen Leben im Moor in vergangenen Zeiten zeugt sehr eindrucksvoll das Moormuseum in Moordorf.

Die Städte der Region

Ostfriesland ist weitgehend ländlich geprägt. Die Viehwirtschaft überwiegt, vor allem im Ammerland wird auch intensiv Gartenbau und Baumzucht betrieben. Größte Stadt der Region ist das landeinwärts gelegene Oldenburg mit 160 000 Einwohnern, dessen Hafen nur von kleineren Schiffen angelaufen werden kann. Internationale Seehäfen sind nur Emden (51 000 Ew.) an der Emsmündung und Wilhelmshaven (82 000 Ew.) am Jadebusen.

image

Oldenburgs Schlossplatz ist vom Klassizismus geprägt.

image

Die Schiffe der Meyer-Werft lassen Urlaubsträume wahr werden.

Ansonsten haben nur noch vier Orte mehr als 20 000 Bewohner: Aurich (42 000 Ew.), Leer (34 000 Ew.), Norden (25 000 Ew.) und Wittmund (21 000 Ew.).

Die größten Industriebetriebe in der Region sind das Volkswagenwerk in Emden, in dem die Modellreihe »Passat« gebaut wird, sowie die Erdölumschlaganlage und die Kohlekraftwerke in Wilhelmshaven. Bedeutend für Wilhelmshaven sind auch seine chemischen Betriebe und die Bundeswehr: Nirgends in Deutschland sind mehr Soldaten stationiert als in dieser noch recht jungen Stadt. Oldenburg punktet mit moderner Informationstechnologie, dem Druckereigewerbe, Automobilzulieferern und Unternehmen der Fotoverarbeitung. In Emden ist man bemüht, ehemalige Werftgelände in Zentren der Offshore-Versorgung für Windenergieparks auf hoher See umzuwandeln. Wichtigste Werft ist jetzt die Meyer-Werft in Papenburg an der Ems, die sich mit dem Bau von riesigen Kreuzfahrtschiffen weltweit einen Namen gemacht hat.

Bewegte Geschichte

Für die meisten süddeutschen Touristen und für Historiker bezeichnet Ostfriesland die gesamte Region zwischen Jade und Ems. Verwaltungstechnisch ist das heute jedoch nicht mehr korrekt. Da gibt es einmal das eigentliche Ostfriesland mit den Landkreisen Aurich, Leer, Wittmund, der kreisfreien Stadt Emden und den Ostfriesischen Inseln mit Ausnahme der Insel Wangerooge. Östlich schließt daran der Landkreis Friesland mit Wangerooge und dem Festlandstreifen vom Wangerland bis Varel am Jadebusen an. Kreishauptstadt ist Jever. An diesen Landkreis wiederum grenzt die kreisfreie Stadt Wilhelmshaven. Und dann gibt es noch den Landkreis Ammerland mit Bad Zwischenahn und der Kreishauptstadt Westerstede sowie die Stadt Oldenburg. All diese Landkreise und Städte zusammen bilden heute das touristische Ostfriesland, das in seinen Grenzen fast identisch ist mit dem historischen Ostfriesland.

Fast das gesamte Mittelalter über lebten die Bauern hier frei von Knechtschaft in kleinen ländlichen Gemeinschaften, denen jeweils ein Häuptling vorstand.

image

Das Oldenburger Schloss war die prächtigste Adelsresidenz in der gesamten Region.

Erst im ausgehenden Mittelalter hatten sich an zahlreichen Orten Häuptlingsfamilien fest etabliert, gewannen einzelne von ihnen die Oberhand und regierten als Grafen über größere Gebiete. Eine Sonderrolle spielten dabei schon früh die Grafen von Oldenburg, die später erst in den Herzogs- und letztlich sogar in den Großherzogsstand erhoben wurden. Sie behielten Amt und Würde auch noch, als Ostfriesland Teil des Königreichs Preußen wurde. Im Jahr 1918 mussten dann auch sie abtreten – und seit 1946 ist das gesamte historische Ostfriesland in dem nach dem Krieg neu geschaffenen Bundesland Niedersachsen vereint. Seit der Nachkriegszeit bemüht man sich auch immer stärker um den Kulturaustausch mit Westfriesland, das zu den Niederlanden gehört – während Nordfriesland ein Teil von Schleswig-Holstein ist.

Ostfriesland kulinarisch

Immer schon einig waren sich die Ostfriesen, wenn es um kulinarische Genüsse ging. Mit dem Meer vor der Tür war Fisch natürlich seit jeher ein wichtiges Grundnahrungsmittel in dieser Region und steht bis heute in allerlei Variationen auf der Speisekarte jedes Restaurants. Ganz frisch, weil im Wattenmeer gefangen, sind dabei die Plattfische, insbesondere Schollen, und die hier Granat genannten Krabben, wenn man sie selber schält. Die großen deutschen Fischereihäfen Bremerhaven und Cuxhaven ergänzen diese lokalen Produkte noch um das, was Nordsee und andere Meere zu bieten haben. Vor allem Bad Zwischenahn ist für seinen Räucheraal bekannt, und Emden darf als deutsche Hauptstadt des Matjesherings gelten.

Ein weiteres Merkmal der traditionellen ostfriesischen Küche ist die reichliche Verwendung von Speck, Mett- und Blutwurst. Pfannkuchen aus Buchweizenmehl werden gern mit durchwachsenem Speck angereichert, zum Kartoffelpüree »Himmel und Erde« gehören Zwiebelringe, Apfelscheiben und gebratene Blutwurst. Als eine Art Nationalgericht darf Updrögt Bohnen gelten: getrocknete Bohnen, gekocht mit durchwachsenem Speck und Mettwürsten. Ein edleres Fleischgericht ist der Snirtjebraa, ein gut gewürzter Schweinenackenbraten. Unbedingt probieren sollte man als Urlauber auch das alte Seemannsgericht Labskaus und das typische Wintergericht »Kohl und Pinkel«. Zur Kaffeezeit gehört ab und zu ein Stück Ostfriesentorte. Sie besteht hauptsächlich aus einem Biskuitboden, viel Schlagsahne und in Rum eingelegten Rosinen.

Dem versteckten Alkohol ist man in Ostfriesland ohnehin sehr zugetan. Rum oder Branntwein mit Rosinen und Kandiszucker steht als Sienbohnsopp am Tresen, Kaffee mit Rum verkauft man als »Pharisäer«. Besonders nahrhaft ist der Eiergrog: heißes Wasser mit Rum und einem geschlagenen Eigelb. An kühlen Tagen mundet nach dem Essen auch ein Friesengeist. Der Kornbrand mit Frucht- und Gewürzaromen wird brennend serviert und warm getrunken.

image

Köstlich und kalorienreich: die Ostfriesentorte

Brauchtum und Sprache

Neben der Teezeremonie ist in Ostfriesland auch noch anderes Brauchtum aus alten Zeiten erhalten geblieben. Am Ostersamstag feiert man abends am Osterfeuer. Am Vorabend des 1. Mai oder schon ein paar Tage früher werden in vielen Orten frisch geschlagene Birken als Maibäume aufgestellt und die Nacht über streng bewacht, damit niemand aus dem Nachbardorf den Baum stiehlt. Als ostfriesische Sportart ist das Boßeln nahezu einzigartig. Zwei Mannschaften von meist je fünf Spielern rollen dabei nacheinander eine Holz- oder Gummikugel aus vollem Lauf eine Straße entlang. Nach einer vorher festgesetzten Zahl von Durchgängen hat das Team gesiegt, das die Kugel insgesamt am weitesten rollen konnte. Meist werden nach zwei bis drei Stunden Strecken von fünf bis zehn Kilometern erreicht. Eine noch ältere Wettkampfdisziplin ist das Klootschießen auf offenen Wiesen. Dabei werfen die Spieler bleigefüllte Holzkugeln von einem beweglichen Absprungbrett aus weit durch die Luft. Sieger ist am Ende auch hier die Mannschaft mit der größten Gesamtweite.

image

Beim Störtebeker-Festival in Marienhafe ist auch die Holzschuhmacherin dabei.

Mehr als Brauchtum bleibt die Pflege des Plattdeutschen in Familien, Schulen und Vereinen. Das ostfriesische Platt ist eine Form des Niederdeutschen, die die nahezu ausgestorbene ostfriesische Sprache ersetzte. Als wirklich eigenständige Sprache hat sich nur das Saterfriesisch erhalten, das nur noch im Saterland im äußersten Süden des Landkreises Leer von einigen hundert Menschen gesprochen wird.

Lektüre für unterwegs

Acht Siele – acht Verbrechen. Klaus-Peter Wolf u. a. Acht Kurkrimis aus der Feder verschiedener ostfriesischer Autoren, die in den Sielhafenorten Ostfrieslands spielen.

Das Kochbuch aus Ostfriesland. Annelene von der Haar. Nicht ganz billig, dafür aber auch wunderschön ist dieser in Ostfriesenblau gebundene Koch-buch-Klassiker, illustriert mit alten Stichen, gewollten Fettflecken und Randbemerkungen in nostaligischer Schreibschrift.

Die Nordsee. Heinrich Heine. Kurzweiliger, nur 72 Seiten umfassender Auszug aus den Reisebildern, die der berühmte deutsche Dichter in der Zeit von 1826 bis 1831 veröffentlichte.

Friesengold. Bernd Flessner. Kriminalroman, der in Aurich spielt. Im herausgebenden Verlag Leda sind übrigens zahlreiche weitere Ostfriesland-Krimis erschienen.

Gegen die Welt. Jan Brandt. Der von der Literaturkritik hoch gelobte Debüt-Roman eines Leeraner Sohnes erzählt auf mehr als 900 Seiten vom Erwachsenwerden in der ostfriesischen Provinz.

Lükko Leuchtturm und die geheimnisvolle Insel. Bernd Flessner, mit Bildern von Peter Pabst. Lükko ist der Held einer ganzen Kinderbuchreihe, die auf dem ostfriesischen Festland und den Inseln spielt. Das Buch ist empfohlen für Kinder ab 6 Jahren.

Von Häuptlingen, Seeräubern und Walfängern. Theo Meyer. In 21 Episoden entführt ein Auricher Gymnasiallehrer den Leser auf eine Zeitreise durch Ostfrieslands Geschichte.

Steckbrief Ostfriesland

Lage: Das historische und touristische Ostfriesland reicht von der Emsmündung und der niederländischen Grenze im Westen bis zum Jadebusen im Osten und umfasst außerdem die sieben Ostfriesischen Inseln. Im Süden verläuft die Grenze in etwa entlang der Bahnlinie Oldenburg–Bad Zwischenahn–Leer–Weener–Bunde.

Fläche: 4688 km2

Inseln: Borkum (31 km2), Juist (16 km2), Norderney (26,29 km2), Baltrum (6,5 km2), Langeoog (19,67 km2), Spiekeroog (18,25 km2), Wangerooge (7,94 km2)

Flagge:

image

Politik und Verwaltung: Ostfriesland ist Teil des Bundeslands Niedersachsen mit der Hauptstadt Hannover. Das heutige Ostfriesland besteht aus den Landkreisen Aurich, Leer und Wittmund sowie der kreisfreien Stadt Emden. Zum historischen und touristischen Ostfriesland gehören auch die kreisfreien Städte Wilhelmshaven und Oldenburg sowie die Landkreise Friesland und Ammerland. In Ostfriesland wählt man traditionell die SPD. Bei den letzten Landtagswahlen im Oktober 2017 siegte die Partei in allen Wahlkreisen, außer in Ammerland, wo die CDU knapp gewann, wenngleich nur noch bei der Erststimme. Gleichzeitig hielt überall auch die AfD Einzug.

Bevölkerung: Anzahl der Einwohner: 926 902 (Stand: 31.12.2015). Am dünnsten besiedelt ist der Kreis Wittmund mit einer Bevölkerungsdichte von 87 Ew./km2 (im Vergleich Deutschland insgesamt: 229 Ew./km2). Die bevölkerungsstärksten Städte sind Oldenburg (162 000 Ew.), Wilhelmshaven (81 000 Ew.) und Emden (51 000 Ew.).

Religion: Die überwiegende Mehrheit der Christen Ostfrieslands ist evangelisch. Die meisten von ihnen gehören der evangelisch-lutherischen oder der calvinistisch geprägten evangelischreformierten Kirche an. Außerdem gibt es hier in 14 Gemeinden noch eine evangelisch-altreformierte Kirche.

Wirtschaft und Tourismus: In der Landwirtschaft dominiert die Milchtierhaltung. Fischerei wird nur noch als Küstenfischerei (Krabben, Miesmuscheln) betrieben. Die größten Industrieunternehmen gehören zur Energie- und Automobilbranche. Der Tourismus spielt vor allem für die Inseln und Küstenorte eine bedeutende Rolle.

image

Die Silbermöwen auf dem Duckdalben scheinen einander zu gefallen.

Geschichte im Überblick

10 000 v. Chr. Ende der letzten Eiszeit. Geest, Moore und Marschen enstehen.

3000 v. Chr. Beginn des Getreideanbaus auf der Geest. Die Menschen werden sesshaft.

700 n. Chr. Friesen besiedeln das Land zwischen Jade und Ems.

785 Unter Karl dem Großen wird die Region Teil des Fränkischen Reichs. Doch das Reich bietet kaum Schutz, die Ostfriesen müssen sich selbst verteidigen. Darauf beruht später die Friesische Freiheit.

787 Gründung des Bistums Bremen, das Frieslands Osten und Norden beinhaltet.

793 Friesenmissionar Liudger erbaut in Leer die erste Kirche Ostfrieslands.

802 Gründung des Bistums Münster mit Liudger als erstem Bischof. Der Süden und der Westen Ostfrieslands unterstehen ihm.

1091 Erste urkundliche Erwähnung des Grafen Egilmar, Stammvater des Grafenhauses von Oldenburg.

Um 1100 Die friesischen Dörfer befreien sich von der Dominanz nicht ortsansässiger Grafen und begründen die Friesische Freiheit, die ihnen weitgehend Unabhängigkeit von adligen Lehnsherren zusichert. Die freien Bauern üben ihre eigene Gerichtsbarkeit aus. Vom 12. bis ins 14. Jahrhundert entsendet jede Landgemeinde einen Vertreter zum Upstalsboom bei Aurich (s. S. 177).

Um 1300 Deiche ziehen sich jetzt an der gesamten Küste entlang.

Um 1350 Einzelne Männer haben in den Dörfern viel Macht und Ansehen erlangt und werden quasi zu adligen Herren. Sie errichten befestigte Landsitze, Burgen genannt.

1362 Die 2. Marcellusflut geht als »Große Manntränke« in die Geschichtsbücher ein. Vom 15. bis 17. Januar richtet sie zwischen Nordfriesland und Holland Verheerendes an, rund 100 000 Menschen fielen ihr zum Opfer. An den gleichen Tagen waren bereits 1219 bei der 1. Marcellusflut 36 000 Menschen gestorben.

1401–1453 Teilweise Besetzung Ostfrieslands durch Hamburger Truppen, weil die Vitalienbrüder unter dem legendären Seeräuber Klaus Störtebeker in Ostfriesland Unterstützung und Unterschlupf gefunden hatten.

1448 Graf Christian von Oldenburg wird König von Dänemark, in den folgenden Jahren auch noch König von Norwegen und Schweden sowie Herzog von Schleswig und Graf von Holstein und beschert damit dem Oldenburger Stammhaus eine große Aufwertung.

1454 Häuptling Ulrich Cirksena wird von Kaiser Friedrich III. zum Reichsgrafen von Ostfriesland erhoben.

Um 1550 Bau einer ersten ostfriesischen Synagoge in Emden.

1561 Aurich wird als Residenz der Grafen- und späteren Fürstenfamilie Cirksena zur Hauptstadt Ostfrieslands und bleibt bis 1978 zentraler Verwaltungsort.

1575 Jever und das Jeverland fallen durch Erbschaft an die Grafschaft Oldenburg.

Um 1650 Beginn der planmäßigen Urbarmachung der Moore, Gründung vieler neuer Dörfer.

1744 Ostfriesland wird nach dem Tod des letzten Cirksena-Fürsten, Carl Edzard, preußisch.

1797 Auf Norderney eröffnet das erste deutsche Seebad an der Nordseeküste.

1811 Auf Anordnung Napoleons müssen die Ostfriesen ihnen bis dahin unbekannte Familiennamen annehmen.

1815–1866 Ostfriesland ist hannoveranisch. Oldenburg bleibt selbtständig und ist ab 1828 Großherzogtum.

1854–1856 Emden und Leer werden an das deutsche Eisenbahnnetz angeschlossen.

1856 Zwei Raddampfer nehmen als erste Dampfschiffe den Fährverkehr zwischen Emden und Norderney auf.

1869 Wilhelmshaven wird gegründet.

1871 Das preußische Ostfriesland und das Großherzogtum Oldenburg werden Teil des Deutschen Reichs.

1885 Spiekeroog erhält als erste der ostfriesischen Inseln eine Inselbahn.

1889 Norderney besitzt als erste der ostfriesischen Inseln ein Gaswerk, eine Kanalisation und elektrisches Licht.

1940–1944 Vor allem ausländische Zwangsarbeiter und Kriegsgefangene bauen die Inseln unter großen Opfern zu Festungen gegen die Alliierten aus.

1946 Gründung Niedersachsens.

1962 Die schwerste Sturmflut des Jahrhunderts richtet große Schäden an.

1973 Gründung der Carl-von-Ossietzky-Universität in Oldenburg.

1986 Gründung des Nationalparks Niedersächsisches Wattenmeer.

2009 Der Nationalpark wird in die UNESCO-Liste des Welterbes der Menschheit aufgenommen.

2010 Eröffnung von Alpha ventus, dem ersten Offshore-Windpark Deutschlands, 45 Kilometer vor der Insel Borkum.

2012 Eröffnung des Containerhafens Jade-Weser-Port in Wilhelmshaven.

2016 Ostfriesische Teekultur wird immaterielles UNESCO Kulturerbe.

DIE INSELN

1Borkum

Weit draußen auf offener See

2Juist

Das Zauberland

3Norderney

Urlaubsvielfalt auf 25 Quadratkilometern

4Baltrum

Dornröschen der Nordsee

5Langeoog

Jede Menge Natur

6Spiekeroog

Die ruhigste Insel von allen

7Wangerooge

Altmodische Insel mit deutscher Vergangenheit

image

Gepflasterte Wege führen durch die Dünen.

1 Borkum

Weit draußen auf offener See

image

Von allen sieben Ostfriesischen Inseln liegt Borkum am weitesten im Meer. Das Publikum ist international, denn Fähren kommen auch vom niederländischen Eemshaven. Stolz sind die »Börkmers« darauf, dass Borkum als einziges der sieben Eilande schon von einem römischen Schriftsteller erwähnt wurde – im Jahr 7. v. Chr. Darum wurde 1993 der 2000-jährige Geburtstag groß gefeiert.

image

Nach Borkum kommt man von Emden aus auch mit dem schnellen Katamaran.

Die Überfahrt nach Borkum ist schon eine richtige Seereise. Das ist keine Fahrt durch das Wattenmeer, man befindet sich vielmehr auf einem internationalen Weltschifffahrtsweg. Die Autofähre benötigt für den Törn vom Emder Außenhafen aus etwa 135 Minuten, legt im Sommer oft zwischendurch auch noch an der Knock an, um Urlauber aus der Krummhörn auf einen Tagesausflug mitzunehmen. Schon die Fahrt auf der Emsmündung wird zum Erlebnis, denn kleine und große Pötte steuern auf ihr zu jeder Tages- und Nachtzeit die geschäftigen Häfen von Emden und Leer auf der deutschen sowie die Häfen von Delfzijl und Eemshaven auf der niederländischen Seite an. Leider informiert die Crew nicht über den aktuellen Schiffsverkehr, doch die App »Marine Traffic« auf dem Smartphone schafft Abhilfe.

image

Am Nordbad ist der Strand schier unendlich.

Mit der Inselbahn zum Bahnhof

Fähren und Katamarane machen im Inselhafen von Borkum fest, der wie alle ostfriesischen Inselhäfen auf der Wattseite liegt. Dort wartet schon die possierliche Inselbahn auf den Besucher. 17 Minuten dauert die beschauliche Fahrt, die durch Salzwiesen und am Wäldchen »Greune Stee« vorbei bis ins Städtchen führt. Hier liegt der Bahnhof direkt im Ortszentrum. Wer sein Urlaubsquartier von hier aus nicht zu Fuß erreichen kann, nimmt eins der am Bahnhof wartenden Taxis oder fährt mit dem Linienbus weiter, der direkt am Bahnhof hält. Auch die Pferdekutschen Richtung Ostland fahren hier mehrmals täglich ab. Im Bahnhof befindet sich außerdem eine Verleihstation für Fahrräder. Wer Fragen zu den besten Radtouren hat, geht in die Tourist-Information schräg gegenüber und kann dabei auch gleich noch einen Blick auf eine der maritimen Skulpturen Borkums werfen: ein mannshohes Seepferdchen aus Pappelholz in einer winzigen Grünanlage mit Bänken. Sechs polnische Künstler haben 2003 solche bis zu sechs Meter hohen Skulpturen an verschiedenen Orten der Insel geschaffen und aufgestellt, darunter auch eine Seejungfrau und Delfine.

image

Geht man vom Bahnhof ein paar Schritte zurück in Richtung Hafen, stößt man sofort auf die autofreie Einkaufs- und Kneipenmeile von Borkum. Richtung Watt heißt sie Franz-Habich-Straße, Richtung Meer ist sie nach dem ehemaligen Reichskanzler Bismarck benannt. Großstädter mögen sie eher als provinziell empfinden, doch hier schlägt Borkums kommerzielles Herz.

Einfach gut!

STRANDZELTE UND MILCHBUDEN

Das Strandleben auf Borkum hat Besonderheiten, die man auf den sechs Schwesterinseln nicht findet. Eine davon sind die Strandzelte, die man hier statt Strandkörben an allen bewachten Strandabschnitten anmieten kann. Sie sind einfacher, aber auch billiger. Zu jedem Strandzelt gehört immer auch ein Liegestuhl, weitere können hinzugemietet werden. Ein echtes Wahrzeichen der Insel sind die angenehm urigen Milchbuden, auf Insel-Platt Melkbudje genannt. Sie sind in Höhe der Wandelhalle und am Südbad direkt auf dem Strand errichtet, meist auf Höhe der Strandübergänge. Die Gäste sitzen auf der Terrasse, bedienen sich selbst und genießen einfache Gerichte und täglich wechselnde hausgemachte Eintöpfe, Kaffee und selbst gebackenen Kuchen zum günstigen Preis. Jedes Jahr im Herbst werden die Buden wegen der winterlichen Sturmfluten ab- und im nächsten Frühjahr wieder aufgebaut.

Nicht verpassen

BAHN FÜR NOSTALGIKER

Im Linienverkehr zwischen Hafen und Stadt setzt die Borkumer Kleinbahn niedlich aussehende, doch erst 1994 in Betrieb genommene Waggons mit Diesellok ein. Im Fuhrpark sind aber auch ältere Fahrzeuge, die für Sonderfahrten zum Einsatz kommen. Über 60 Mal im Jahr zieht die alte Dampflok »Borkum III« die Waggons. Zwischen Oster- und Herbstferien verkehrt einmal an jedem Donnerstag der 1940 in Wismar gebaute Triebwagen T 1, auch liebevoll »Schweineschnäuzchen« genannt. Mehrmals jährlich kann bei einem Tageskurs auf Diesel- und Dampflok das Ehrenlokführer-Diplom erworben werden. Am Tag der offenen Tür im Juli oder August stehen die Schuppen allen Interessenten offen. Wer mag, kann sich sogar im eleganten Kaiserwagen von 1905 trauen lassen, der als rollendes Standesamt fungiert und samstags und sonntags als Café am Hafen dient.

Borkumer Kleinbahn und Dampfschifffahrt GmbH. Georg-Schütte-Platz 8, Tel. 04922/30 90, www.borkumer-kleinbahn.de

image

Von der Kurhalle zum Großen Kaap

Die Bismarckstraße mündet schon nach 300 ganz sanft ansteigenden Metern auf Borkums etwa vier Kilometer lange Strandpromenade, die nach dem ehemaligen Bürgermeister Tönjes Kieviet (1865–1932) benannt ist. Sie gibt den Blick auf die offene Nordsee frei. Unterhalb der Promenade breitet sich gen Norden ein breiter Sandstrand aus, das Nordbad. Bei Ebbe ist sie deutlich sichtbar – und gut begehbar – mit der Sandbank »Hohes Riff« verbunden, auf der meist viele Dutzend Kegelrobben ruhen. Ein Schutzzaun verhindert zwar den direkten Kontakt mit ihnen, doch kommt man immerhin so nahe an die Tiere heran, dass man sie gut betrachten kann. Wer ein Fernglas mitnimmt, hat noch mehr davon.

Wendet man sich auf der Promenade zunächst nach rechts, passiert man sogleich das Bauensemble der Kurhalle am Meer. Gleich bei der Kurhalle beginnt auch der kurze Reigen der urigen Milchbuden. Gut 600 Meter weiter endet dann die landseitige Bebauung der Uferpromenade an der Aussichtsdüne »Großes Kaap«, in deren Miniaturhügellandschaft hinein einer der schönsten Minigolfplätze Norddeutschlands angelegt wurde. Auf der Düne steht auch noch eine hohe, steinerne Peilbake. Solche Baken kannte man schon im Mittelalter. Sie dienten Seeleuten in Verbindung mit einer anderen Bake, einem Leucht- oder Kirchturm zur Orientierung.

Von der Kurhalle zur »Heimlichen Liebe«

An der Strandpromenade zwischen Kurhalle und Südbad ist der Strand nur schmal. Dafür sind die grünen Dünen auf der Landseite mit Kur- und Freizeiteinrichtungen gespickt. Zunächst passiert der Spaziergänger das Freizeitbad und Wellness-Center »Gezeitenland«, dann die Kurinsel mit Veranstaltungssälen und Kinderspielhaus. Im Freigelände davor werden alpine Gelüste gestillt: ein Kletterpark bietet Groß und Klein Gelegenheit zu einem Hauch von Abenteuer in luftigen Höhen. In die Tiefen des Meeres führt dann das kleine Nordsee-Aquarium hinab. Die Promenade endet vor dem Restaurant »Zur heimlichen Liebe«, an dem auch sogleich der Badestrand »Südbad« beginnt. Von hier aus lässt sich der Schiffsverkehr in der Emsmündung besonders gut beobachten – und wer mag, kann gleich einen Rundgang durch das Wäldchen »Greune Stee« anschließen.

image

Auch im Winter lädt der Strand zu Spaziergängen ein.

image

Borkums Fußgängerzone bietet alles für den Einkaufs- und Kneipenbummel.

Walkinnladenzaun und Alter Leuchtturm

Von der »Heimlichen Liebe« führt die Süderstraße, vorbei am Kleinen Leuchtturm und der ehemaligen Signalstation, in die Stadtmitte zurück. Wo der Schulgang auf die Wilhelm-Bakker-Straße führt, fällt linker Hand ein eigenartiger Gartenzaun vor dem heutigen Pfarrhaus auf: Er ist aus bis zu zwei Meter hohen Kieferknochen von Walen zusammengesetzt. Früher stand an der Stelle des Pfarrhauses das Wohnhaus des erfolgreichsten Börkmer Walfangkommandeurs Roelof Gerritz Meyer (1710–1797). Wie manch anderer Insulaner und Küstenbewohner hatte er sich auf Walfangschiffen festländischer Reeder verdingt, die in Bremen, Hamburg, Emden oder Amsterdam ihre Kontore hatten. Sie warben überall an der Küste die Besatzungen an; Börkmer arbeiteten dabei meist in leitenden Positionen. Die Fangfahrten starteten in der Regel im April und führten weit auf das Polarmeer hinaus bis vor die Küsten Grönlands und Spitzbergens. Die gefangenen Wale wurden noch an Bord zerlegt; erfolgreiche Skipper brachten in einer einzigen Saison bis zu 15 Tiere mit in den Heimathafen. Roelof Gerritz Meyer erlegte in 44 Sommern etwa 270 Wale, die ihm ein Vermögen von rund 40 000 Gulden einbrachten – fast viermal soviel wie das, was ein gelernter Arbeiter an Land in der gleichen Zeit hätte verdienen können. Der Walfang verschaffte ganz Borkum im 18. Jahrhundert einen bescheidenen Wohlstand. Er erlebte seinen Niedergang durch die Holländischen Kriege, die die Niederlande 1780 bis 1784 mit England führten und kam später durch die englische Kontinentalsperre im Kampf gegen Napoleon ganz zum Erliegen. Einige Grabsteine von ehemaligen Walfängern sind noch ganz in der Nähe zu Füßen des Alten Leuchtturms erhalten.

image

Ein gewaltiger Walkieferzaun schmückt die Kirchstraße.

image

Das Borkumer Walfischskelett im Heimatmuseum

image

Der Alte Leuchtturm in der Kirchstraße belohnt das Treppensteigen mit einem prächtigen Rundumblick auf Nordsee, Insel und Wattenmeer.

Dieser Turm war ursprünglich ein Kirchturm. Emder Kaufleute hatten das über 40 Meter hohe Bauwerk 1576 finanziert, um ihren Schiffen die sichere Heimkehr in die Emsmündung zu erleichtern. Erst 1817 entfernte man das etwa 10 Meter hohe Kupferdach des Turms und ersetzte es durch eine Kuppel mit Fenstern, hinter denen 27 Öllampen brannten. Das Öl wurde dem Turm 1879 zum Verhängnis: Die im Turmkeller gelagerten Reserven verursachten ein Feuer und der Turm brannte völlig aus. Er wurde zwar wieder instand gesetzt, verlor aber seine Rolle als Navigationshilfe noch historisches Denkmal, das über 150 Stufen auch bestiegen werden kann. Auf dem Leuchtturm kann man sich auch standesamtlich trauen lassen.

Heimatmuseum und Neuer Leuchtturm

Gleich beim Alten Leuchtturm lädt das Heimatmuseum zu einem Besuch ein. Man betritt das Gelände durch einen von zwei Walkiefern gebildeten Torbogen. Historischer Kern des Museums ist das alte, für Ostfriesland typische Gulfhaus aus Klinkersteinen. Das Ziegeldach überdeckt zugleich Wohnräume, Stall und Scheune. Eine Ausstellung zeigt anschaulich, wie die Börkmer einst lebten und wie sich ihre Heimat von einer Bauern- und Fischerinsel hin zum Seebad entwickelte. In der Walhalle wird das Thema Walfang noch einmal aufgenommen, auch Grabsteine von Walfängern sind zu sehen. Hauptattraktion der Halle ist jedoch das 15 Meter lange Skelett eines Pottwals. In der Akkermann-Halle ist neben allerlei nautischem Gerät auch ein altes Strandrettungsboot zu sehen. Noch bis 1926 waren solche großen Ruderboote im Einsatz, wenn es galt, Schiffbrüchige zu retten. In der Vogelhalle wird – auf eher konservative Art – über die reiche Vogelwelt des Wattenmeers informiert. Amüsant sind hier Hunderte von Sandproben aus aller Welt, die auch belegen sollen, dass der Sand vom Borkumer Strand zu den feinsten und schönsten des Erdballs gehört.

Die Strände liegen dem Betrachter zu Füßen, der den Neuen Leuchtturm nahe des Bahnhofs erklimmt. Eine Wendeltreppe mit 308 Stufen führt 60 Meter hoch hinauf. Das elektrische Leuchtfeuer des 1879 in Betrieb genommenen Turms ist noch in 38 Kilometer Entfernung zu sehen.

Einfach gut!

AUSFLUG INS OSTLAND

Mit dem Linienbus oder – viel romantischer – mit dem Pferdewagen kommt man am bequemsten in den menschenleeren Ostteil der Insel, das Ostland. Das letzte Haus vor Juist ist das Café Ostland mit seinen »kuhlen Milchideen«. Hier gibt’s täglich ab 10 Uhr Dicke Milch mit Schwarzbrot, Milchreis mit Zucker und Zimt, frische Buttermilch oder auch Rote Grütze mit Vanillesoße. Für die Kinder von Gästen, die im benachbarten Lokal »Bauernstuben« etwas verzehrt haben, ist ein kurzer Ponyritt umsonst. Am »Café Ostland« endet die Straße; von hier aus geht es nur noch zu Fuß oder mit dem Rad auf einigen wenigen Wegen weiter. Wer besonders sportlich ist, kann von hier aus – am Spülsaum der Brandung entlang – die 21 Kilometer bis zurück ins Städtchen wandern oder joggen.

Bauernstuben. Tgl. ab 10 Uhr, Ponyreiten 10–12 und 14–16 Uhr, Ostland 3, Tel. 04922/35 04.

Café Ostland. Tgl. ab 10 Uhr, Ostland 4, Tel. 04922/22 02.

image