Erfüllte Begierden

Andine Steffens

1. Kapitel

„Oooooh…! Jaaaa…! Guuuut!“, stöhne ich filmreif. Das wirkt auf meinen Kunden wie ein Brandbeschleuniger und er pumpt noch schneller und fester in mich. Nicht das dies irgendwie eine Wirkung auf meine Lustempfindungen hätte. Leider nicht. Ich habe so gut wie nie einen Orgasmus, wenn ich einen Freier bediene. Vielleicht ist das auch gut so. Dann passiert mir wenigstens nicht, dass ich mich in einen von ihnen verliebe. Zu mindestens rede ich mir das ein und es ist bisher auch noch nichts passiert. Meinen Kolleginnen hier im „Lustschloss“ schon. Kann ich gut drauf verzichten. Wieder stöhne ich und recke ihm meinen perfekten Po entgegen. Dann schlägt er mir tatsächlich auf eine Pobacke. Ich zucke zwar zusammen, doch eher aus Überraschung, als vor Schmerz. Das war nicht annähernd genug, um mich zu reizen. „Du geiles Stück…!“, bezeichnet er mich während er sich hinter mir abmüht. Ich rolle die Augen, denn er soll endlich fertig werden. Ich habe in einer halben Stunde einen Termin bei meiner Chefin und muss mich vorher noch entsprechend herrichten! „Hmmm…! Wahnsinn! So geil…!“, versuche ich ihn auf Touren zu bringen. Mir nutzt das nicht viel, aber wenigstens scheint er das Ganze zu genießen und knurrt animalisch. Das hört sich fast schon lächerlich an. Er ist ein ganz Großer im Immobiliengeschäft und ein exklusiver Stammkunde von mir. Immerhin bin ich die absolute Edelhure in diesem Etablissement. Da darf ich ausschließlich, die exklusiven Kunden bedienen. Paul ist leider nur ein Großer in der Chefetage, jedoch körperlich eher der Winzling. Er reicht mir gerade bis zur Schulter und ich bin selber nur 1,69m hoch. Leider ist er proportional auch da unterdurchschnittlich bestückt, wo „Mann“ doch gern etwas mehr hätte. Darum scheitern wohl seine wenigen Liebschaften reihenweise und ich muss zweimal die Woche herhalten, dass er entspannter arbeiten kann. Das ist sicherlich nicht mein Schaden und auch nicht der meiner Chefin Gloria, die mir des Öfteren solche Kunden zuschanzt, welche unverschämt reich und weniger anstrengend sind, als die Kerle meiner Mitstreiterinnen. Endlich höre ich seinen erlösenden Brunftschrei und er sackt keuchend zusammen. Paul bleibt ermattet auf meinem Rücken liegen. Gott, wie ich das hasse, diese schweißnassen Kerle auf meiner zarten, gebräunten Haut. Ich krieche unter ihm hervor und schenke ihm ein verträumtes Lächeln. Das wirkt sich immer gut auf mein Bankkonto aus und das ist chronisch pleite, weil ich gerade alles Geld in meine neue Errungenschaft stecke. Eine kleine viktorianische Villa am Stadtrand. Ich habe sie mir vor einem Jahr gekauft und lasse sie seitdem aufwendig restaurieren. Das verschlingt Unsummen. Obwohl ich überdurchschnittlich gut verdiene, wird es ungefähr noch fünf Jahre dauern, bis ich mich aus dem Geschäft zurückziehen und ein bürgerliches Leben beginnen kann. Dann bin ich 32 und hoffentlich noch knackig genug, um mir einen passablen Ehemann und zwei süße Kinder wünschen zu dürfen. Wie bieder. Doch das ist mein Plan und dafür lebe ich. Also gebe ich mich höchst befriedigt und lobe Paul für seine gigantischen Liebeskünste. Außerdem tue ich damit ein gutes Werk. Er geht wie ein verdammter Boss aus meinem Zimmer und strotzt nur so vor Selbstbewusstsein. Wie könnte er ein CEO sein, wenn er sich der niederschmetternden Erkenntnis stellen müsste, dass sein Penis zu klein ist, um einer Frau wirkliche Lust zu verschaffen. Zwar wäre das die schmerzliche Wahrheit, aber der habe ich mich nie verpflichtet. Ich bin keine Heilige! Kaum ist Paul gegangen, sprinte ich ins Bad und dusche ausgiebig. Ich muss den Geruch von Sex von meiner makellosen Haut waschen und noch mein hüftlanges, rabenschwarzes Haar bändigen. Ich habe in meinem Vertrag unterschrieben, dass ich es niemals abschneide. Das würde mir sowieso nie in den Sinn kommen. Es gibt mir diesen gewissen exotischen Tatsch und macht mich noch begehrenswerter für die Herrenwelt. Unverzichtbar für meinen Job. Die Männer lieben mich und sie wollen mich ständig retten. Doch ich will gar nicht gerettet werden. Es geht mir bestens unter Gloria ihren Fittichen. Sie passt auf ihre Mädels auf, umsorgt und pflegt sie wie eine Mutter. Das wir unsere Liebesdienste für sie verkaufen, ist nur die halbe Wahrheit. Es geht uns gut, wir werden beschützt, es gibt keinen Drogenkonsum, dafür Gesundheitsfürsorge. Alles legal und steuerlich einwandfrei. Wir verdienen uns eine goldene Nase und ich hätte in meinem früheren Job als Einzelhandelskauffrau niemals einen Lebensstandart wie den jetzigen führen können. Außerdem bin ich von Natur aus faul, schlafe gern lang und ich will auch meine Freizeit nicht nach strengen Öffnungszeiten einer Filiale ausrichten. Niemals. In fünf Jahren steige ich aus und verlasse das „Lustschloss“. Dann kann ich mir immer noch Gedanken um einen gesellschaftlich akzeptierten Job machen. Endlich bin ich fertig und einen Blick auf mein iPhone lässt mich erschrocken zusammenzucken. Ich werde fünf Minuten zu spät kommen und Gloria hasst Unpünktlichkeit wie die Pest. Nicht, dass sie mich dafür bestrafen würde, doch ich enttäusche sie nur ungern. Ich liebe sie. Wirklich, sie ist mir wichtig und das weiß sie auch. Ich rase die Treppen herunter, denn ich verabscheue es, mit dem Fahrstuhl zu fahren. Da bekomme ich fast jedes Mal Erstickungszustände. Also bin ich noch zwei Minuten später an ihrer privaten Tür, als angeordnet. Gloria wohnt mit ihrem Mann Klaus in der chic ausgebauten Kelleretage. Beide sind bereits Mitte Fünfzig und sie stammen selbst aus dem horizontalen Gewerbe. Hier haben sie sich kennen und lieben gelernt. Vor knapp zehn Jahren kauften sie sich das „Lustschloss“ und heuerten Huren an, die ihre sinnlichen Dienste legal verkaufen wollten. Endlich bin ich angekommen. Nun klopft mein Herz zum Zerspringen. Ich weiß nicht warum sie mich immer so nervös macht, obwohl ich von ihr nie mies behandelt wurde. Insgeheim weiß ich aber, dass mein Lebenstraum von ihrer Gnade abhängt. Nur hier kann ich meine Villa finanzieren und nur unter ihrer Regie, überlebe ich diesen Job ohne Schaden zu nehmen. Ich straffe mich und betätige die Haustürklingel. Fast zeitgleich öffnet Klaus und knurrt mich unfreundlich an, dass seine Gloria schon ungeduldig wartet. Ich schiebe mich flink an ihm vorbei. Er bekommt die Launen seiner Frau ungefiltert ab, wenn wir Mädchen nicht spuren. Das ist mir schon klar und ich grolle ihm nicht. Stattdessen laufe ich zu ihrem Büro und klopfe hastig an.

„Bewege deinen kleinen Knackarsch hier rein, Zoe!“, höre ich ihren derben Jargon und stolpere hastig ins Zimmer. „Mach die Tür zu. Ich muss ungestört mit dir reden!“, grummelt sie angepisst und mir wird noch mulmiger zumute. So ernst war sie mir gegenüber schon ewig nicht mehr. Immerhin bin ich ihre kostbarste Perle, so ihr Tenor, wenn sie in besserer Stimmung ist. Ich nicke heftig und setze mich auf den Sessel vor ihrem wuchtigen Schreibtisch. Sie sieht über ihre goldumrandete Brille zu mir herüber und mustert mich eindringlich. „Hast du deine Stimme vergessen, Puppe?“, murmelt sie schon versöhnlicher und lehnt sich in ihrem Stuhl zurück. Ich räuspere mich heiser und schlucke trocken, ehe ich ein leises „Nein…“, piepse. Doch dann lächelt sie amüsiert und ich entspanne mich endlich. „Ich bin nur verwirrt, dass sie mich außer der Reihe sprechen wollen!“, verteidige ich mich umständlich und starre meine Chefin an, als könnte ich die Antwort in ihren stark geschminkten Augen sehen. Doch sie verraten mir gar nichts. Stattdessen fängt sie an zu plaudern, erkundigt sich nach meiner Kundschaft und lobt meinen professionellen Umgang mit den Exklusivkunden. Doch dann kommt sie auf Hannes zu sprechen. Ich bin sofort verunsichert. Dieser Blödmann war zwar stinkreich und extrem großzügig, doch ich komme mit seinem Fetisch nicht zurecht. Er verlangte, mir sämtliche Sextoys und auch Nichtspielzeuge in den Po zu schieben. Ich will das aber nicht. Es tat mir weh, ich konnte es schlichtweg nicht ertragen. Erst ließ sich dieser Typ mit hartem Sex ablenken, doch das reichte ihm bald nicht mehr, um vollends befriedigt aus einer Session zu gehen. Auf ein anderes Mädchen, mit weniger Problemen in dieser Richtung, ließ er sich nicht ein. Hannes wollte ausschließlich mich. Meine strikte Abwehr und seine Sturheit führten letztendlich dazu, dass er wutschnaubend das „Lustschloss“ verließ und seitdem nicht mehr hier auftauchte. Wahrscheinlich hat er sich ein anderes Haus gesucht, in dem er seine perversen Spiele ausleben darf. Gloria hat somit durch meine Schuld einen äußerst gut betuchten Kunden verloren. Ich ahnte schon, dass ich ihr dafür eine Erklärung abgeben muss. Doch es ist mein Körper, den er auf diese Weise benutzen wollte.

„Stehst du nicht auf anale Praktiken, Zoe? Ich habe es geliebt und tue es noch immer!“, gibt sie ohne sichtbares Schamgefühl preis. Dabei leckt sie sich über die aufgespritzten Lippen und grinst mich aufreizend an. Wenigstens scheint sie, mir nicht ernsthaft böse zu sein. Ich zucke nervös mit den Schultern.

„Bisher war noch keiner der Männer in der Lage, mir damit Vergnügen zu bereiten!“, kontere ich nun mutiger und lächle zurück. Gloria verliert ihr Schmunzeln und wiegt ihren frisch frisierten Kopf hin und her.

„Ich bin eindeutig zu nett zu euch. Weißt du was unsere Puffmutter mit uns veranstaltet hätte, wenn wir einen Kunden aus diesen Gründen abgelehnt hätten? Unser Beruf verfügt nun mal über gewisse Schattenseiten, Schatz. Ich will dir ja keine Angst machen, aber du bist mir einen hübschen Gefallen schuldig, Zoe. Ich denke, du kannst deinen Fehler wieder gutmachen!“, erklärt sie mir fast schon geschäftsmäßig und setzt eine äußerst strenge Miene auf. Ich erstarre unter ihrem Blick und bemerke ihre zuckenden Mundwinkel nicht. Sie weiß ganz genau, wie ich auf Autorität reagiere.

Willst du das, Zoe?“, erkundigt sie sich noch eindringlicher und wählt dabei eine Tonart, die keinen Widerspruch duldet. Ich nicke wie ferngesteuert und hoffe, ich darf hier weiterhin arbeiten. Meine Villa, mein neues Leben braucht diesen Job und ihre Gnade. Endlich erscheint ein freundliches Lächeln in ihrem verbraucht wirkendem Gesicht. Man sieht ihr das ausschweifende Leben leider an, welches sie geführt hat. Ich muss vorher die Reißleine ziehen, komme was da wolle.

„Antworte mir, Kleines! Wirst du mir einen großen Gefallen tun und einen Kunden annehmen, der mir besonders am Herzen liegt und deutlich anders ist, als du es gewohnt bist? Ich will keine Fragen, sondern deine vertragliche Zustimmung. Nach deiner Unterschrift erkläre ich dir Einzelheiten. Glaube mir, ich weiß was ich tue und ich bin mir sicher, es wird dein Schaden nicht sein. Ganz im Gegenteil! Antworte endlich!“, fordert sie mich auf.

Mir schwirrt der Kopf und ich winde mich unbehaglich. Doch ich habe bereits genickt. Sie will nur noch ein Ja hören und ich gebe ihr eins.

„Ich werde es tun!“, krächze ich rau und senke ergeben den Blick. Ich konnte mich bisher immer auf ihren Spürsinn und ihren Schutz verlassen. Was soll mir schon Schlimmes passieren.

2. Kapitel

„Gut!“, freut sie sich sichtlich und schiebt mir ein Formular entgegen. Ich will es überfliegen, doch mir verschwimmen die enggedruckten Buchstaben vor den Augen. Ich nehme einen Kugelschreiber vom Tisch und schreibe meinen Namen auf die entsprechende Zeile. Ich weiß, das ist dumm von mir. Gloria wird mich schon aufklären und ich habe sowieso keine Wahl, mich von ihrem ausdrücklichen Wunsch zu distanzieren. Also muss ich mich auch nicht unnötig mit Einzelheiten quälen. Doch ich fiebere ihren Erklärungen entgegen und die kommen mit solch einer Wucht über mich, dass ich Gloria mit offenem Munde anstarre, ohne wirklich die Tragweite des Vertrages zu erfassen. Ab sofort gehöre ich einem Mann, den ich gar nicht kenne und ich muss mich ihm hingeben, ohne dass ich irgendein Mitspracherecht bekomme.

Oh mein Gott. Ich erschaudere und das erste Mal seit unendlichen Zeiten fühle ich ein unbestimmtes Ziehen in meiner Mitte. Waaas? Sollte ich gerade den Anflug von Erregung fühlen. Das muss ein Irrtum sein.

Gloria macht es sich entspannt in ihrem Sessel gemütlich und sieht mir fest in die Augen. Dann beginnt sie mit ihren unglaublichen Ausführungen fort.