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Über dieses Buch:

England, Ende des 12. Jahrhunderts. Die schöne Lark Mandeville liebt es, sich im Schwertkampf mit den Männern ihres Vaters zu messen: Während ihre Schwester stickt und auf eine gute Ehe hofft, träumt die temperamentvolle Tochter eines Lords, von Abenteuern! Als sie durch Zufall erfährt, dass finstere Gestalten ein Attentat auf einen Edelmann planen, ist sie Feuer und Flamme, dies zu verhindern. Doch im entscheidenden Moment hält der ebenso attraktive wie kampferprobte Stoke de Bracy sie für eine Angreiferin und nimmt sie gefangen. Obwohl Lark alles daran setzt, ihm zu entkommen, kann sie sich nicht dagegen wehren, dass der Fremde ein ungeahntes Verlagen in ihr weckt … und ist umso mehr entsetzt, als sie herausfindet, dass Stoke ihre Schwester heiraten soll! Muss sie ihre Gefühle für immer verbergen?

Über die Autorin:

Constance Hall lebt mit ihrer Familie in Richmond, Virginia. Sie hat bereits zahlreiche Romane unter ihrem eigenen Namen und unter Pseudonymen veröffentlicht; unter anderem schrieb sie erfolgreiche Filmromane. Ihre große Leidenschaft gilt aber dem Historischen Roman, und ganz besonders hat es ihr das 19. Jahrhundert angetan.

Bei dotbooks veröffentlichte Constance Hall bereits ihre historischen Liebesromane »Das Verlangen des Marquis«, »Der Herzog und die Schöne« und »Das Geheimnis des Lords«.

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eBook-Neuausgabe Mai 2019

Die amerikanische Originalausgabe erschien 1999 unter dem Titel »My rebellious bride« bei Kensington, New York. Die deutsche Erstausgabe erschien 2001 unter dem Titel »Die rebellische Braut« im Bastei Lübbe Taschenbuch.

Copyright © der Originalausgabe 1999 by Connie Koslow. Published by Arrangement with Kensington Publishing, Corp., New York, NY 10018 USA.

Copyright © für die deutschsprachige Erstausgabe 2001 by Verlagsgruppe Lübbe GmbH & Co. KG, Bergisch Gladbach

Copyright © für die Neuausgabe 2019 dotbooks GmbH, München.

Dieses Werk wurde vermittelt durch die Literarische Agentur Thomas Schlück, 30161 Hannover.

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Titelbildgestaltung: Nele Schütz Design, München, unter Verwendung von Bildmotiven von shutterstock/Pecold und Adobe Stock/VJ Dunraven

eBook-Herstellung: Open Publishing GmbH (ts)

ISBN 978-3-96148-770-7

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Constance Hall

Der Ritter und die stolze Lady

Roman

Aus dem Englischen übersetzt von Britta Evert

dotbooks.

Prolog

England, Kenilworth Castle
Februar 1194

Mit einem leisen Knarren öffnete sich die Tür zum Schlafzimmer.

Stoke de Bracy, Earl of Blackstone, blinzelte. Die glosenden Holzscheite im Kamin gaben genug Licht, um einen dunklen Schatten erkennen zu lassen, der auf sein Bett zuschlich. Der Eindringling, eine gesichtslose Gestalt im Dunkel der Nacht, hielt sich bewusst ein Stück außerhalb des schwachen Lichtscheins.

Seit er im Heiligen Land gekämpft hatte, schlief Stoke nicht mehr, ohne sein Schwert Dragon's Eye, das berühmte Drachenauge, an seiner Seite zu haben. Jetzt schloss er die Finger um das Heft, wobei er darauf achtete, den Arm nicht zu bewegen.

Schritte näherten sich, durch das leichte Knacken der Scheite kaum hörbar. Der unverkennbare Schattenriss eines Schwerts glitt über den Boden und schwang sich zur Bettkante und über Stokes Schultern.

Der Angreifer stieß zu.

Kalter Stahl streifte Stokes linke Schulter, als er blitzschnell zur Seite rollte. Die Klinge durchschnitt die Matratze und einen Zipfel seines Kissens.

Noch ein Stoß.

Stoke ließ sich von der Bettkante rollen. Die Klinge seines Angreifers verfehlte ihn und traf den Rand der Matratze. Stoke fuhr mit hoch erhobenem Schwert herum.

Sein Ziel wich pfeilschnell zurück. Die scharfe Metallklinge sauste durch den Bettpfosten statt durch den Angreifer. Eine Ecke des Baldachins krachte auf die Matratze, und eine Wand aus burgunderrotem Leinen nahm Stoke die Sicht.

Er schoss mit gezücktem Schwert um das Fußende des Bettes, bereit, zu einem weiteren Streich auszuholen. Das Geräusch sich entfernender Schritte auf dem Gang drang an sein Ohr. Er stieß einen unterdrückten Fluch aus und lief zur Tür, aber es war zu spät. Der Attentäter war verschwunden.

Kapitel 1

England, St. Vale Castle
März 1194

Zwei schwere Schwerter trafen aufeinander. Weiße Funken blitzten in der Sonne auf, als Metall auf Metall stieß. Das Klirren hallte durch die kühle Morgenluft. William Mandeville, der größere und schwerere der beiden Wettstreiter, parierte und holte erneut zu einem Schlag auf seinen Gegner aus.

Der andere riss seinen Schild in die Höhe, um den Schlag abzuwehren. William lächelte und musterte den nutzlosen Schild, so wie er ein Stück blutiges Fleisch zu betrachten pflegte, bevor er es aufspießte. Mit einem lauten Grunzen schlug er mit seinem gewaltigen Schwert zu. Die Wucht des Schlags ließ den schmächtigen Krieger in die Knie gehen, aber er schaffte es, seinen Schild festzuhalten.

Bevor der andere den Schild wieder heben konnte, beförderte William ihn mit einem Fußtritt aus der Hand seines Kontrahenten und stieß sein Schwert dicht neben dem Hals des geschlagenen Kriegers in den Boden. »Gibst du auf, Pigeon, oder muss ich aus dir Eintopf für das Abendessen machen?«

»Macht ruhig Eintopf aus mir, Mylord, aber gebt Acht, dass Ihr nicht an meinen Knochen erstickt.« Die Stimme des Kleineren wurde durch den Helm gedämpft, den er trug.

Williams Söhne Evel, Cedric und Harold und die fünfzehn Ritter, die vom Rand des Turnierfelds zuschauten, lachten über den Scherz des schmächtigen Ritters.

William durchbohrte jeden einzelnen mit einem Blick, der Milch hätte gerinnen lassen können. Die Männer verstummten, einer nach dem anderen.

Es war jetzt so still auf dem Turnierplatz, dass William das Zwitschern der Zaunkönige in den Bäumen und das Blöken der Lämmer hören konnte, die keine fünfzig Fuß von ihm entfernt grasten. Obwohl ihn die Herrschaft über sein Reich mit Zufriedenheit erfüllte, blieb seine Miene unverändert finster, als er sich wieder seinem Gegner zuwandte. Klare, lebhafte Augen in der Farbe von gehämmertem Gold erwiderten durch die schmalen Sehschlitze im Helm spitzbübisch Williams Blick.

Er beugte sich vor und wisperte: »Ich sollte dich für deine unverschämte Zunge verprügeln und dir die Zehen brechen lassen, aber ich bin gnädig gestimmt.« Williams Mundwinkel verzogen sich zu einem widerwilligen Grinsen. Er schob sein Schwert in die Scheide und hielt seinem Kampfpartner die Hand entgegen.

»Das bist du immer, wenn du mich besiegt hast.« Der Krieger nahm Williams ausgestreckte Hand.

William half seinem Gegner mit einem unwilligen Schnauben auf die Beine. »Ich neige stets zu Nachsicht, wenn es um dich geht, da du nie imstande sein wirst, ein Schwert so zu führen, wie es sich gehört.«

»Wenn du bei der Auslosung verloren hättest und wir mit Lanzen gekämpft hätten, wären meine Chancen vielleicht besser gewesen.« Der kleine Krieger sah Williams gerunzelte Stirn, nahm den Helm ab und lächelte. Ein langer goldener Zopf, lohfarben wie eine Löwenmähne und so dick wie Williams Handgelenk, baumelte über den Rücken des Kriegers.

William legte einen Arm um die Schultern seiner Tochter und kniff sie in die Wange. »Da könntest du Recht haben, Lark, aber ich bin nicht so dumm, mich vor den Augen meiner Männer von dir aus dem Sattel heben zu lassen.«

»Soll das heißen, du hast gemogelt?«

»Möglicherweise habe ich einen Blick riskiert, als Evel die Strohhalme in der Hand hielt.«

»Das hätte ich mir denken können.«

Sie gab ihm einen Klaps auf die Brust und lächelte ihn an. Es war ein Lächeln, das immer an sein Herz rührte, ein Lächeln, dem er nichts abschlagen konnte, nicht einmal den Wunsch, sich auf dem Turnierplatz zu bewähren. Er sah in diese bezaubernden, tanzenden Augen und dankte der Jungfrau Maria, dass sie nicht wie seine andere Tochter war, Helen, ein stilles, kleines Mäuschen, die mit ihrem Vater kaum je etwas anderes als Gemeinplätze wechselte. Aber Lark sprühte vor Leben, und sie kämpfte darum, ihren Mut unter Beweis zu stellen und seine Anerkennung zu finden. Er hatte schon immer gewusst, dass sie anders war, seit dem Moment, als ihre winzigen Babyfinger seine packten und er in diese lebhaften, bezwingenden goldbraunen Augen sah.

Schon als Baby war sie einzigartig. Im Gegensatz zu seinen anderen vier Kindern hatte sie ihn nie angesabbert. Er konnte sie den ganzen Tag auf seinem Knie schwenken, und sie tat nichts anderes als lachen. Auch quengelte und brüllte sie nicht wie die anderen. Er hatte niemals Tränen in ihren Augen gesehen, ganz gleich, wie hart der Schlag sein mochte, den sie empfing. Durch und durch Metall, das war seine Pigeon. Es war nicht normal, dass ein Mensch im Inneren so hart sein konnte. Eines Tages, das wusste er, würde irgendetwas diese Härte brechen. Er hoffte nur, ihr unerschütterliches Herz würde unversehrt bleiben, wenn es bezwungen wurde. In gewisser Weise war ihm seine Tochter ein Rätsel. Ach ja, die Götter hatten mit der Tradition gebrochen, als seine Tochter zur Welt kam. Sie war aus dem Stoff, aus dem Märtyrer geschaffen wurden. Er blickte sie an und grinste stolz, aber das Grinsen verblasste, als ihm einfiel, dass die meisten Märtyrer wegen ihres Muts gestorben waren.

Sie sah ihn forschend an, und das Strahlen in ihren Augen wich Besorgnis. »Was ist?«, fragte sie.

»Nichts, Pigeon.« William berührte ihre Wange und lächelte sie versonnen an.

»Oh, Vater ...«, rief Evel ihm zu.

Er wandte sich zu seinem Sohn um und sah, dass Evels Blick auf etwas hinter Williams Rücken gerichtet war. William warf einen Blick über die Schulter. Elizabeth, seine Frau, marschierte auf den Turnierplatz, den Blick unverwandt auf ihn geheftet, das Blau ihrer Augen Funken sprühend. Ihre langen schwarzen Zöpfe schimmerten in der Sonne wie Onyx, und ihr braunes Gewand bauschte sich mit jedem ihrer steifen Schritte.

Er drückte Larks Schulter. »Hör zu, deine Mutter kommt gerade, und sie ist drauf und dran, uns in der Luft zu zerreißen. Ich habe geschworen, dich nicht wieder auf den Turnierplatz zu lassen. Jetzt gibt es kein Entkommen vor ihrer scharfen Zunge. Offen gestanden, das ertrage ich nicht ohne ein stärkendes Ale. Was hältst du davon, wenn wir uns schleunigst ins Dorf verziehen und abwarten, bis ihre Wut ein bisschen verraucht ist?«

»Mach, dass du wegkommst! Ich halte sie auf.« Lark zwinkerte ihm verschwörerisch zu.

»Dachte ich mir, dass du das sagen würdest, meine furchtlose Tochter.« William kniff Lark in die Wange und rannte dann zur Umzäunung. Mit mehr Schwung, als einem Mann von sechsundvierzig zustand, nahm er mit einem Satz die Hürde und war außerhalb des Turnierfelds.

Seinen Männern und seinen Söhnen rief er über die Schulter zu: »Wer als Letzter in der Dorfschenke ist, darf eine Woche lang die Reste essen!«

Die Männer brachen in laute Jubelrufe aus, weil ihnen eine Gnadenfrist vor Lady Elizabeths Zorn gewährt worden war. Sie rannten hinter William her, so schnell, dass ihre Gestalten zwischen den Zaunlatten undeutlich verschwammen.

Lark beobachtete sie mit einem Lächeln auf dem Gesicht. Evel, der größer als William war, überholte ihn auf seinen langen Beinen mühelos. Er war mit sechsundzwanzig der älteste ihrer Brüder und schlug mit seinem dichten schwarzen Haar und den intelligenten Augen nach seiner Mutter. Die jüngeren Zwillinge Harold und Cedric, noch keine zwanzig, ähnelten mit ihrem rotblonden Haar und den lausbübischen grünen Augen eher William. Sie waren kleiner als Evel und fielen notgedrungen hinter ihm zurück, drängten sich aber mit den Ellbogen durch die Schar der Ritter, um aufzuholen. Lark fand, dass sie allesamt wie eine Meute Jagdhunde auf der Hatz aussahen.

»Komm zurück!« Elizabeth schwenkte drohend die Faust in Williams Richtung, als sie vor der Umzäunung stehen blieb, und starrte erbittert auf seinen Rücken. Er beachtete sie nicht, und sie legte beide Hände an den Mund und brüllte: »Du brauchst gar nicht nach Hause zu kommen – ich werfe dein Bett in den Burggraben!«

»Mutter, du weißt, dass du das nicht ernst meinst.« Lark wischte sich mit dem Handrücken den Schweiß von der Stirn.

»Ach nein?« Elizabeth presste die Lippen zusammen und stemmte die geballten Fäuste auf ihre Hüften, als wollte sie sich verkneifen, etwas zu sagen, das sie später bedauern könnte.

»Wenn jemand zu tadeln ist, dann ich. Ich habe Vater gebeten, gegen ihn antreten zu dürfen.«

Ihre Mutter starrte sie aus zusammengekniffenen Augen an. Jetzt konzentrierte sich ihr ganzer Zorn auf Lark. »Versuchst du, dich umzubringen, nur um diese Hochzeit platzen zu lassen? Ich schwöre, ich werde eine Doppelhochzeit haben, selbst wenn ich deinen Leichnam neben deine Schwester stellen muss.«

»Lord Avenall könnte etwas dagegen haben, eine Leiche zu heiraten.«

»Nur zu, mach nur aus allem einen Scherz. Du bist deinem Vater viel zu ähnlich. Wenn Lord Avenall herausfindet, dass du wie eine Blinde nähst und nicht einmal Garn spinnen könntest, wenn die Heilige Jungfrau käme, um das Spinnrad zu segnen, oder dass du Minzsauce nicht von verschimmeltem Brot unterscheiden kannst, heiratet er vielleicht lieber eine Leiche.«

»Dann sollten wir vielleicht losziehen und eine für ihn ausbuddeln.«

»Deine unverschämte Zunge wird dich irgendwann einmal in Schwierigkeiten bringen.« Elizabeth drohte ihrer Tochter mit dem Finger. »Was mache ich nur mit dir? Du bist ein hoffnungsloser Fall.« Sie wedelte so heftig mit den Armen, dass die weiten Ärmel ihres Kleids durch die Luft flatterten.

»Das war ein Scherz, Mutter. Du solltest versuchen, das Leben mit mehr Humor zu sehen. Vielleicht würdest du dich dann nicht so oft ärgern.«

»Humor? Du sprichst von Humor, wenn du dich wie ein Mannweib aufführst? Du könntest wenigstens ein bisschen Interesse an deiner Hochzeit zeigen. Helen hilft mir so fleißig, wie es eine pflichtbewusste Tochter sollte. Und was machst du? Treibst dich auf dem Turnierplatz herum und kämpfst, damit du unsere Gäste aufspießen kannst, wenn sie eintreffen.«

»Worüber sollte ich mir Gedanken machen? Das Datum steht noch nicht fest. Lord Blackstone muss erst noch einwilligen, Helen zu heiraten.«

»Wenn er sie sieht, wird er freudig dem Datum zustimmen, das ich festgelegt habe.« Elizabeth heftete ihren Blick auf Lark und runzelte die Stirn, als würde sie sie in Gedanken mit Helens Vollkommenheit messen.

»Ja, natürlich.« Larks Lächeln verblasste, als sie sich um eine unbewegte Miene bemühte, obwohl sie tief getroffen war.

»Schau dich doch nur an. Eine Schönheit bist du weiß Gott nicht, und im Gegensatz zu Helen kennst du keine der weiblichen Schliche, mit denen man einen Ehemann an sich bindet. Sie weiß, wie man einen Mann erfreuen kann, und wird eine gute Ehe führen, aber du ...« Sie schüttelte den Kopf, dass die Zipfel ihres Schleiers flogen. »Denk an meine Worte, Lord Avenall wird deiner Launen überdrüssig werden und dich vermutlich jeden Tag verprügeln.«

»Eins kann ich dir versprechen, Mutter, kein Mann, ob Gatte oder nicht, wird mich je schlagen.« Lark verschränkte die Arme vor der Brust und hob trotzig das Kinn.

»Du bist nicht so unbesiegbar, wie du zu glauben scheinst, junge Dame. Und ich sage dir noch etwas, das du dir gut merken solltest – dein Ehemann wird dich für den Rest deines Lebens besitzen. Glaubst du, er wird einen Krieger in seinem Bett haben wollen? O nein, er wird sich eine gefügige Frau wünschen, die sich darauf versteht, seine Burg und seine Ländereien zu verwalten und seine Wünsche zu erfüllen. Eine Frau wie Helen.«

»Ein Jammer, dass es nicht Zwillinge waren, als Helen geboren wurde.« Lark ließ sich nicht anmerken, wie verletzt sie war. Helen wurde ihr vorgehalten, seit sie sich erinnern konnte. Mittlerweile sollte sie daran gewöhnt sein, aber mit jedem Mal wurde der Stachel tiefer in ihr Fleisch getrieben.

»Oh, Lark, so solltest du nicht mit mir sprechen.«

»Es ist die Wahrheit.« Lark sah die Missbilligung, die stets Elizabeths blaue Augen verdunkelte. »Wir wissen beide, dass du mich am liebsten genauso wie Helen hättest. Aber so bin ich nicht, und ich werde auch nie so sein.«

»Was soll ich tun? Deine Schwester ist das Musterbild einer Dame, und wenn ich sie dir vorhalte, dann in der Hoffnung, dass du ihrem Beispiel folgst. Du bist jetzt achtzehn, und doch hast du keine Ahnung, wie sich eine Dame zu benehmen hat. Du bist die ältere. Du solltest deiner Schwester ein Vorbild sein, aber was machst du ...?« Mit einer gereizten Geste deutete sie auf den Turnierplatz.

»Ich bin begabt für das Kämpfen, Mutter. Es ist das Einzige, was ich wirklich gut kann. Tut mir leid, dass es dir missfällt.«

»Du verstehst dich auf Waffen, weil sie das Einzige sind, womit du dich ernsthaft beschäftigst. Ich bin überzeugt, du machst es absichtlich. Dein Vater und du, ihr liebt es, mich zu quälen.«

»Das ist nicht wahr.« Im Inneren stieß Lark einen Seufzer aus. Mit Elizabeth zu streiten führte nie zu etwas. In geduldigerem Ton fuhr sie fort: »Ich werde mich so betragen, wie du es wünschst. Bitte sei nicht wütend auf Vater, weil er mich auf den Turnierplatz gelassen hat.«

»Dein Vater! Sprich nicht von ihm! Ich könnte schreien, wenn ich nur an ihn denke. So, wenn du nicht willst, dass ich noch mehr graue Haare kriege, gehst du mit mir hinein. Helen hat sich bereit erklärt, dir zu zeigen, wie man Seife kocht.«

»Um sie Lord Avenall zum Abendessen zu servieren?«, scherzte Lark.

»Ha! Schon wieder! Hör sofort auf damit! Wenn du das alles nicht endlich ernst nimmst, werde ich persönlich dafür sorgen, dass deine Rüstung und dein Pferd verkauft werden, während dein Vater sich im Dorf mit Ale betrinkt. Dann ist endlich Schluss mit deinem unstillbaren Drang, eine Kriegerin zu werden.« Nachdem sie dieses letzte schwere Geschütz abgefeuert hatte, machte ihre Mutter auf dem Absatz kehrt und rauschte zur Burg zurück.

Lark blieb stehen und betrachtete stirnrunzelnd die langen dunklen Zöpfe ihrer Mutter, die auf ihren Rücken peitschten. Im schlimmsten Fall würde Elizabeth Mandeville ihre Drohung wahr machen, das wusste Lark. Sie wusste auch, dass William Pferd und Rüstung zurückkaufen würde. Wann immer die beiden Streit hatten, ging es um sie. So war es von jeher gewesen. Und es würde sich kaum ändern.

Sie schüttelte den Kopf und schlenderte zur Burg. Baltizar, ihr zahmer Wolf, kam aus den Wäldern zurück und lief zu ihr. Sein grauweißes Fell glitzerte von einem Bad im Teich.

Lark bückte sich, nahm sein Gesicht in beide Hände und legte ihre Nase an seine. Die Spitze seiner kalten, nassen Schnauze zu fühlen brachte sie zum Grinsen. »Du Feigling! Obwohl ich es dir nicht verübeln kann, dass du dich versteckt hast. Und Vater auch nicht.«

Lark streichelte Baltizars Kopf und warf einen Blick in Richtung Dorf. Wenn sie nur dort sein und mit ihrem Vater Ale trinken könnte! Stattdessen hatte sie eine weitere von Elizabeths ermüdenden Lektionen vor sich – die, wie sie wusste, zum einen Ohr hinein und zum anderen hinaus gehen würde. Sie dachte an die Aufgabe, die vor ihr lag, und ihr Lächeln verblasste. Ein tiefer Seufzer kam über ihre Lippen, als sie zur Zugbrücke ging.

Lark starrte Helen mit gerunzelter Stirn an. Sie stand nicht weit vom Garten entfernt, die zierliche Gestalt über einen gewaltigen Eisentopf gebeugt. Dunkler Rauch quoll in Spiralen aus der dicken, brodelnden Brühe und waberte um Helens Wespentaille und die wogende Fülle kastanienbraunen Haars, das über ihren Rücken fiel. Ihr Gesicht, das stets von zarter Elfenbeinfarbe war – hell und makellos genug, um den Neid der Jungfrau Maria selbst zu erwecken –, war jetzt von der Hitze rosig überhaucht, was sie noch hübscher machte. Immer, wenn sie Helen ansah, wurde sich Lark bewusst, wie braun und ledrig ihre Haut, wie kurvenlos ihre Figur und wie dick und ungebärdig ihr Haar war. Sie hätte ihre vollkommene Schwester mit Fug und Recht hassen können, aber jeder, der Helen kannte, wusste, dass das unmöglich war.

Helen blickte auf, und ihre großen braunen Augen strahlten vor Freude. »Oh, Lark, da bist du ja! Warum machst du denn so ein finsteres Gesicht?«

»Mutter besteht darauf, dass ich lernen soll, wie man Seife macht.«

»Oh.« Helen senkte den Blick und seufzte. »Mutter hat dich gescholten. Ich wünschte, sie würde es nicht tun.«

»Das macht nichts. Ich bin es gewöhnt.« Lark beugte sich über den Topf und verzog das Gesicht. »Was ist da drin? Sieht aus wie Schweinefutter,«

Helen lachte melodisch. »Ziegentalg, Holzasche und etwas von Mutters Lavendel. Wir brauchen Duftseifen für unsere Gäste.«

Lark ließ sich auf eine Bank fallen und überkreuzte ihre langen, dünnen Beine an den Knöcheln. Sie beobachtete, wie Helen in dem Topf rührte, mit anmutigen, fast sanften Bewegungen. Ihre Arme wirkten so zart, als könnten sie zerbrechen, wenn sie den großen Löffel zu energisch schwenkte.

»Soll ich dir beim Umrühren helfen?«, fragte Lark. »Du siehst müde aus.«

»Nein, mir geht's gut.« Helen schüttelte den Kopf und lächelte heiter.

»Ich sehe nicht ein, warum wir uns über ihre schmutzigen Leiber Gedanken machen sollen. Wenn sie stinken, können wir sie für ein, zwei Stunden in den Fluss befördern.«

Helen lächelte. »Das lass Mutter lieber nicht zu Ohren kommen.«

»Ist doch egal, ob sie es hört. Nichts, was ich mache oder sage, gefällt ihr.«

»Du gibst dir nicht genug Mühe.«

»Selbst wenn ich alles täte, was sie sagt, hätte sie noch immer etwas daran auszusetzen. Übrigens, ich wollte dich etwas fragen.«

»Was denn?«, fragte Helen zerstreut, während sie den Löffel hob. Kritisch begutachtete sie die zähen braunen Tropfen, die von der Kante in den Topf rannen. »Das muss noch länger gerührt werden.«

»Helen, hörst du mir zu?«

»Ja.« Helen sah ihre Schwester zerknirscht an. »Tut mir leid. Frag nur.«

»Ich wollte bloß von dir wissen, ob du der Heirat mit dem Earl of Blackstone nur zugestimmt hast, um Mutter gefällig zu sein.«

Helen ließ den schweren Löffel wieder in den Topf gleiten. Mit sanfter Stimme sagte sie: »Es ist der vorteilhafteste Antrag, den ich erhalten habe. Mutter sagt, dass die meisten Ehen nicht aus Liebe geschlossen werden. Ich werde bestimmt lernen, ihn zu lieben.«

»Das sind Mutters Worte. Sie will einen Earl in der Familie und ist bereit, dich zu opfern, um ihn zu kriegen. Wie kannst du sagen, dass du einen Mann lieben wirst, dem du noch nie begegnet bist?«

»Ich weiß, dass er gut aussieht und reich ist. Ich bin sicher, dass er nett ist. Was kann man mehr verlangen?«

Lark dachte an Lord Blackstone. Nett war nicht unbedingt das Wort, das ihr einfiel, wenn sie an ihn dachte. Sie wollte Helen keine Angst einjagen, indem sie ihr die Wahrheit erzählte. Lord Blackstone hatte sich im Heiligen Land wegen der vielen Schlachten, die er gewonnen, und der großen Zahl an Sarazenen, die er getötet hatte, den Namen Black Dragon, der Schwarze Drache, erworben. Es wurde gemunkelt, sein Schwert wäre vom Erzengel Gabriel gesegnet, und es würde deutschen Stahl so leicht durchschneiden wie geschmolzene Butter. Kein Zweifel, schon bei seinem Anblick würde Helen in Ohnmacht fallen.

»Ich will nicht, dass Mutter dein Leben zerstört«, sagte Lark. »Wenn du willst, rede ich mit Vater und sage ihm, dass du deine Meinung geändert hast.«

»O nein! Ich habe zugestimmt, Lord Blackstone zu heiraten. Ich werde das Versprechen halten, das ich Mutter gegeben habe.« Sie machte ein wehmütiges Gesicht. »Du kannst dich glücklich schätzen, dass Lord Avenall dich liebt.«

»Das sagst du bloß, um nett zu sein. Du weißt genau, dass er mich nur wegen meiner Mitgift heiratet. Laut Mutter habe ich keine Eigenschaften, die ein Mann liebenswert finden könnte.«

»Das stimmt nicht. Du hast viele gute Eigenschaften.«

»Nenn mir eine.« Lark kreuzte die Arme vor der Brust und sah Helen mit hochgezogenen Augenbrauen an.

»Nun ... ich ... ich ...«

Helens Unbehagen brachte Lark zum Grinsen. Helen bemühte sich, keine Miene zu verziehen, schaffte es aber nicht. Beide brachen in Gelächter aus.

Helen wischte sich die Tränen aus ihren großen Augen. »Mir ist etwas eingefallen – deine Heilkräuter. Du hilfst vielen Menschen mit ihnen.«

»Nur, weil ich arglose Opfer suche, an denen ich meine neuen Mixturen und Salben ausprobieren kann.«

»Hör auf, Lark. Ich weiß, dass du dich um die Leute kümmerst, weil sie Hilfe brauchen. Und du kannst dich ruhig über Lord Avenall lustig machen, aber ich weiß, dass du ihn liebst, seit er dich damals geküsst hat.«

Lark erinnerte sich an den Kuss. Sie war damals erst fünfzehn gewesen. Sie hatten miteinander gestritten, nachdem sie ihn auf dem Turnierplatz besiegt hatte. Er hatte sie gepackt und geküsst ... und geküsst ... und geküsst. Bis ihr schwindlig war. Er hatte sie auch berührt, mit seinen Händen ihren Nacken und ihren Rücken gestreichelt. Avenall hatte himmlische Hände, weicher als ihre eigenen. Von diesem Moment an hatte sie ihn geliebt.

Seit damals quälte sie die schreckliche Angst, er könnte merken, wie sehr sie ihn liebte. Es war eine Schwäche, die sie an sich verachtete, denn sie machte sie verletzlich. Einen anderen zu lieben machte einen Menschen verwundbar und empfänglich für Schmerz – diese Erfahrung hatte sie bei Elizabeth gemacht. Immer wieder hatte ihre Mutter Larks Liebe mit Tadel und Missbilligung erwidert. Die Vorstellung, dass Avenall dasselbe tun könnte, war ihr unerträglich. Nein, er durfte nie erfahren, wie sehr sie ihn liebte.

Helen war der einzige Mensch auf der Welt, dem Lark ihre wahren Gefühle anvertrauen konnte, aber sie hatte ihre Ängste noch nie laut ausgesprochen und würde es auch jetzt nicht tun. Also sagte sie nur: »Ja, ich mag ihn, aber wenn er mich fragt, werde ich es leugnen.«

»Oh, du bist schrecklich!«

»Ich bin überzeugt, das Einzige, was mich neben meiner Mitgift für Lord Avenall attraktiv macht, ist die Tatsache, dass ich mich nicht an ihn klammere. Denk daran, wenn du diesen Lord Blackstone triffst. Sei nie zu hingebungsvoll, ganz gleich, was Mutter dir sagen mag. Sonst gibst du ihm ein Druckmittel, das er gegen dich einsetzen kann.«

Helen sah Lark an. Ihre Augen waren so groß und braun, dass sie Lark an ein verschrecktes Reh erinnerten. »Ich werde an deinen Rat denken«, sagte sie mit kaum hörbarer Stimme.

Lark stand auf und nahm Helens Hände, um sie daran zu hindern, weiter in dem Seifentopf zu rühren. »Hör zu, du brauchst Lord Blackstone nicht zu nehmen. Ich weiß, dass du Angst hast. Wenn du willst, rede ich mit dem Herrn und sage ihm, dass du nicht an ihm interessiert bist.«

Helen schüttelte den Kopf und schluckte schwer. »Nein, ich muss ihn heiraten, wenn er mich will.« Sie lächelte heiter und drückte Larks Hand. »Alles wird gut. Lord Blackstone wird ein perfekter Ehemann sein.«

»Ich hoffe, du hast Recht.« Lark gelang es nicht, ihr Unbehagen abzuschütteln.

In dieser Nacht, nach einem weiteren Vortrag über Pflichterfüllung und Gehorsam und darüber, wie wichtig es für eine Frau war, ihre Zunge zu hüten, stahl sich Lark aus der Burg. In ihrem ältesten Arbeitskleid, das Haar in wildem Gewirr offen über ihren Rücken fallend, schlug sie den Weg in Richtung Dorf ein.

Ihre leichten Schritte knirschten leise auf dem von Bäumen gesäumten Pfad, die über alles und jeden unter ihrem Geäst wachten. Der Mond stand an diesem kristallklaren Abend so tief am Himmel, dass er die Baumkronen streifte. Lark hatte das Gefühl, ihn mit Händen greifen zu können, wenn sie die Arme ausstreckte. Die Sterne funkelten von einem tintenschwarzen Himmel auf sie herab.

Über den Bäumen sah sie Fledermäuse nach nächtlichen Insekten jagen, das Flattern ihrer Flügel kaum vernehmbar. Mit tiefen Zügen atmete sie den Geruch des Frühlingsharzes ein, das von den Kiefern tropfte, und horchte auf Baltizars Schritte. Er war kurz zuvor verschwunden, um auf die Jagd zu gehen. Das machte er öfter, und manchmal kehrte er tagelang nicht zurück.

Allmählich wurden die Bäume spärlicher und gaben den Blick auf das Dorf frei. Der Abend hatte sich über die Hütten aus Flechtwerk und Reet gesenkt. In der Dunkelheit erinnerten ihre unschönen braunen Fassaden an raue Mauern aus verwittertem Felsgestein. Nicht ein Hauch von Kerzenlicht drang aus den Behausungen der Dorfbewohner.

Ein paar Schweine auf Futtersuche grunzten sie an, als sie vorbeiging. Der Abendwind wehte den fauligen Gestank von Unrat zu ihr hinüber. Lark schnitt eine Grimasse, als sie zur Schenke kam, einem schlichten, einstöckigen Gebäude mit einer Fassade aus gelbem Lehm, das dringend neu getüncht gehörte. Sie eilte zu dem Privatzimmer an der Rückseite der Schenke, das Adwid, der Wirt, für ihren Vater bereithielt.

Flackerndes Kerzenlicht fiel durch einen Spalt unter der Tür. Die rostigen Türangeln quietschten laut, als sie eintrat, und der Geruch von abgestandenem Ale und verkohlten Rüben schlug ihr entgegen. Holzscheite glommen im Kamin und warfen trübe, züngelnde Schatten an die rissigen gelben Wände.

Ohrenbetäubendes Schnarchen ertönte von den Männern, die betrunken auf dem Boden lagen, einige von ihnen immer noch mit dem Humpen in der Hand. Evel, Harold und Cedric waren verdächtigerweise nicht zu sehen; vermutlich teilten sie mit den Töchtern des Wirts ihr Lager. In dieser Beziehung waren ihre Brüder nicht wählerisch.

In der Mitte des Raums standen mehrere Tische. Auf einem von ihnen lag ihr Vater. Sein Schnarchen übertönte das Getöse, das die anderen veranstalteten. Der Humpen, der auf seiner Brust ruhte, hob und senkte sich mit jedem seiner tiefen Atemzüge.

Lark setzte ihre Schritte behutsam um die Männer herum, die auf dem Boden lagen, und blieb bei ihrem Vater stehen. Sie schüttelte ihn und flüsterte: »Vater ...«

Er grunzte und winkte ab. »Geh weg, geh weg ... sei so gut.«

»Ich bin's.« Lark schüttelte ihn noch einmal. »Wach auf«

Ihr Vater blinzelte sie mit einem Auge an. »Oh, meine süße Pigeon, da bist du ja«, murmelte er mit belegter Stimme.

»Du kannst nicht über Nacht hier bleiben. Mutter erwartet Lord Blackstone, und sie wird dir die Hölle heiß machen, wenn du jetzt nicht mit mir kommst. Bitte, wach auf« Lark fing den starken Geruch von Ale auf, den er verströmte, und fragte sich, ob es ihr gelingen würde, ihn nach Hause zu schaffen. Sie musste es schaffen, da sie sich für den Streit verantwortlich fühlte, der ihn hierher geführt hatte.

»Meine süße Elizabeth will mich nicht daheim.« Er gluckste, obwohl es eher wie ein Schnauben klang. »Wenn sie nach mir fragt, sag ihr einfach, dass ich zu betrunken bin, um mich zu rühren.« Die Augen fielen ihm zu.

»Vater.« Lark schüttelte ihn, aber er fing wieder an zu schnarchen.

Sie verdrehte die Augen. »Ich hole Evel, damit er mir hilft.« Sie nahm ihrem Vater den irdenen Humpen aus der Hand und gab ihm einen Kuss auf die Stirn. »Ich bin gleich wieder da. Rühr dich nicht von der Stelle.« Sie lächelte, weil die Bemerkung so lächerlich war, und machte sich auf die Suche nach Evel.

Sie ging den kurzen Gang hinunter. Plötzlich drangen fremde, tiefe Stimmen an ihr Ohr. Ein unerklärliches Gefühl von Angst bewog sie, hinter der Tür zum Schankraum stehen zu bleiben und zu lauschen.

»Los! Ohren auf, Jungs! Der Bote hat gesagt, dass er heute Abend auf dem Weg hierher ist.«

»Wie sollen wir diesen Engländer umlegen? Er hat bestimmt eine ganze verdammte Armee im Gefolge.«

»Es heißt, dass nur ein Ritter bei ihm ist. Lass jetzt das Meckern, Fish, und hör zu. Ich habe mir überlegt, dass wir sie am besten unten am Fluss bei der Straße erwischen. Dort gibt es jede Menge Bäume als Deckung.«

»Zwei Ritter zu Pferd, da stehen die Chancen nicht gut. Wir sind nur fünf und zu Fuß.«

»Och! Wirst du auf deine alten Tage zum Feigling, Fish? Ich glaube, du hättest lieber zu Hause bleiben sollen.«

»Ich bin kein Feigling!«

»Dann hör auf zu jammern. Wir haben die Überraschung auf unserer Seite. Du und Gonnie, ihr stellt euch gegenüber von Tic und mir auf – hoppla, Alard! Nicht zu viel Ale! Dein Pfeil soll sein Herz treffen, nicht seinen Hintern. Wir werden dafür bezahlt, den Bastard umzubringen, nicht, ihn zu verwunden.«

»Aye, wir brauchen das Gold. Keine Frage, das wird mein erstes nüchternes Blutvergießen.« Ein Humpen krachte auf den Tisch. Lautes Gelächter machte die Runde.

Lark schob die Tür einen Spaltbreit auf. Der Schankraum war leer bis auf fünf ungepflegte Schotten, die an einem Tisch in der Ecke saßen. Kerzenlicht fiel auf die zottigen Felle, in die sie gehüllt waren. Dichte Bärte bedeckten ihre Gesichter. Ihr Haar, das ihnen in langen, fettigen Strähnen auf die Schultern fiel, bedurfte eindeutig einer gründlichen Entlausung und Helens Lavendelseife.

Lark schloss behutsam die Tür und nagte an ihrer Unterlippe. Sollte sie einem Mann das Leben retten oder ihren Vater nach Hause bringen?

Sie hörte die Bank im Schankraum auf den Boden poltern, als sich die Männer vom Tisch erhoben. Ein paar von ihnen rülpsten, andere furzten. Ihr Lachen verstummte; dann fiel die Vordertür der Schenke krachend ins Schloss.

Lark zögerte nicht länger. Sie öffnete die Tür und folgte ihnen nach draußen.

Kapitel 2

Der Mond schien hell genug, dass Lark in ungefähr hundert Meter Entfernung die geduckten Gestalten der Schotten erkennen konnte. Sie gingen zu Fuß und trotteten so gemächlich dahin, dass sie keine Mühe hatte, ihnen auf den Fersen zu bleiben. Lark, die ihr ganzes Leben in der Nähe der Grenze verbracht hatte und wusste, dass Schotten eine Art sechsten Sinn für Verfolger hatten, hielt sich bedeckt, während die kleine Schar entlang dem Fluss, der die Straße säumte, Richtung Süden marschierte.

Lark lauschte auf das Glucksen des strömenden Wassers, das wie ein Murmeln durch die Nacht klang. Eine leichte Brise wehte über ihr Gesicht und brachte den moosigen Geruch des Flusses mit sich. Grasklumpen und Zweige knackten leise unter ihren Stiefeln, als sie Deckung suchte.

Die Schotten näherten sich einer dicht mit Bäumen bestandenen Senke, wo sich der Fluss verbreiterte und von einer Brücke überspannt wurde. Schilfbüschel ragten aus dem sumpfigen Uferboden und warfen unheimliche Schatten auf das dunkle, glänzende Wasser.

Die Schotten näherten sich der Brücke und verlangsamten ihre Schritte. Sie waren immer noch auf St.-Vale-Land. Elizabeth hatte von William verlangt, die Brücke zu bauen, damit die Räder ihres Karrens nicht im Morast einsanken. Lark lächelte, als sie daran dachte, wie ihr Vater eine Woche lang über die Ansprüche hochnäsiger Damen gegrummelt hatte.

Die Schotten verständigten sich jetzt mit Handzeichen. Einer von ihnen, offensichtlich der Anführer, stellte sich vor die anderen und teilte die Gruppe auf. Drei von ihnen liefen die Straße weiter und kauerten sich hinter das Brückengeländer; die anderen beiden wurden vor der Brücke postiert.

Weiter oben auf der Straße ertönte das Stampfen von Pferdehufen, zu früh für Lark. Sie war noch in der Talsenke und nicht nahe genug bei den Reitern, um sie zu warnen. Sie setzte sich in Bewegung und rannte den Hügel hinauf, wobei sie darauf achtete, nicht in die Nähe der Schotten zu geraten.

Zwei Reiter erschienen auf der Kuppe des Hügels. »He! Halt! Das ist eine Falle!«, brüllte sie und lief auf sie zu.

Noch immer trennten sie zwanzig Meter von der Straße. Ihr Blick flog zwischen den Schotten und den Reitern hin und her. Sie sah die beiden an ihr vorbeigaloppieren und dabei Wolken von Erde und Staub aufwirbeln. Schon waren sie auf halbem Weg ins Tal.

Lark erreichte die Straße, sprang über den Graben und rannte ihnen nach. Mit wild rudernden Armen schrie sie: »Wartet! Wartet!«

Kurz vor der Brücke verlangsamten die Männer endlich ihr Tempo. Sie drehten sich zu ihr um, aber es war zu spät.

Totales Chaos brach aus.

Die Schotten griffen an. Ihre Kampfschreie gellten durch die Nacht. Die Pferde bäumten sich unter dem unerwarteten Ansturm von Angreifern auf. Pfeile zischten links und rechts an den Reitern vorbei.

Lark, die sich für das Leben der Reiter verantwortlich fühlte, stürzte sich mitten ins Getümmel, ohne einen Gedanken an die Gefahr zu verschwenden. Instinktiv tastete sie nach ihrem Schwert. Als ihre Hand nur ihre Hüfte streifte, fiel ihr ein, dass sie es nicht bei sich trug.

Metall klirrte, als die beiden Berittenen ihre Schwerter zogen, und ein kehliger Kampfschrei gellte durch das Tal. Er kam von dem Ritter, der weiter vorn kämpfte, nach der Breite seiner Schultern zu urteilen ein auffallend großer Mann. Die Schwerter der Ritter droschen auf die der Schotten ein. Das bösartige Klirren von Stahl auf Stahl klang unablässig durch die Nacht.

Lark, die den Kampf gebannt verfolgte, sah den Schotten am Brückenrand erst, als er seine Armbrust hob. Er zielte auf den hoch gewachsenen Ritter. Lark stürzte sich auf den Bogenschützen und warf sich mit ihrem ganzen Gewicht gegen ihn. Die Armbrust segelte über seine Schulter und platschte in den Morast.

»Meine Fresse!« Der Mann packte Lark bei den Schultern, um sich aufrecht zu halten, aber sie kippten beide von der Brücke und landeten im Sumpf.

Lark plumpste rücklings ins Wasser. Der Mann fiel auf sie. Ihr blieb die Luft weg, als er sie mit seinem Gewicht in das schlammige Wasser drückte. Jeder Muskel in ihrem Körper verkrampfte sich unter dem Kälteschock. Das eisige Wasser drang ihr in die Nase und lief ihre Kehle hinunter. Sie versuchte, den Kopf zu heben, aber der Schotte hatte die Hände um ihren Hals gelegt und drückte zu.

Lark packte seine Handgelenke und zog mit aller Kraft an ihnen, aber seine Finger pressten sich wie Eisendornen in ihre Luftröhre. Er stieß ihren Kopf tiefer in den morastigen Boden. Glitschiger Schlamm sickerte in ihre Ohren. Ihr Herz hämmerte an ihre Rippen, und ihre Lungen fühlten sich an, als würden sie zerquetscht. Wenn sie nicht bald Luft bekam, würde es ihr die Brust zerreißen.

Mit aller Kraft, die sie aufbringen konnte, trat sie den Mann in den Unterleib, eine Taktik, auf die sie bei ihren Brüdern immer als letzten Ausweg zurückgriff.

Er ließ ihren Hals los und taumelte zur Seite. Lark tauchte auf und schnappte nach Luft. Durch schlammverkrustete Wimpern sah sie, wie sich der Schotte kampfbereit zu ihr umdrehte. Sie holte weit aus und ließ ihre Faust auf seine Nase krachen.

»Zur Hölle mit dir, du Schlampe!« Er schien drauf und dran, sich wieder auf sie zu stürzen, überlegte es sich dann aber anders. Er stolperte durch den Sumpf und humpelte ans Ufer. Nach einem bitterbösen Blick in ihre Richtung verschwand er hinkend in Richtung Wald, wobei er die eine Hand an seinen Schritt presste, die andere an seine Nase.

»Das wird dir eine Lehre sein, wenn du das nächste Mal jemanden ertränken willst!«, brüllte Lark ihm nach und schwenkte ihre pochende Hand. Am nächsten Morgen würden ihre Knöchel vermutlich geschwollen sein, aber die geschwollenen Körperteile des Schotten würden ihm weit mehr Schmerzen bereiten. Das Wissen, dass sie ihm – unter anderem – die Nase gebrochen hatte, zauberte ein breites Grinsen auf ihre Lippen.

Sie rappelte sich hoch. Ihr wollenes Kleid war so mit Wasser und Schlamm vollgesogen, dass es sich schwer wie eine Rüstung anfühlte. Ihre Stiefel verursachten im Schlamm schmatzende Geräusche, und jeder Schritt wurde zu einem Balanceakt, um nicht wieder im Wasser zu landen. Als sie zum Ufer stapfte, spürte sie, wie ihr zerrissenes Oberkleid an ihre Hüfte schlug. Der Schlamm auf ihrem Gesicht rann ihr über die Stirn und in die Augen. Sie blinzelte und versuchte, ihn wegzuwischen, schaffte es aber nur, ihn über Lider und Wangen zu verschmieren.

Als sie wieder etwas mehr sehen konnte, lief sie in Richtung Brücke und blieb kurz davor stehen. Drei Schotten lagen tot am Boden. Der vierte stak auf dem Schwert des hoch gewachsenen Ritters.

Einen langen Augenblick schwebte der Schotte in der Luft nur von dem Schwert und der schier unvorstellbaren Kraft in den Armen des Ritters gehalten.

Larks Unterkiefer klappte auf.

Der Schotte war kein Leichtgewicht. Ganz und gar nicht. Er musste ungefähr die Statur ihres Vaters haben, und doch geriet die übermenschliche Kraft des Ritters nicht einen Moment ins Wanken. Lark hatte das Gefühl, er könnte seinen Gegner für alle Zeiten so halten, wenn er wollte. Schließlich zog der Ritter seine Waffe zurück. Die Klinge machte einen gurgelnden Laut, als sie aus dem Bauch des Opfers glitt.

Die Knie des Schotten gaben nach. Mit einem Fluch brach er auf der Brücke zusammen.

Gespenstische Stille senkte sich über die Nacht, vereint mit dem Geruch von Blut und Tod. Selbst die nächtlichen Insekten waren verstummt. Larks abgehackte Atemzüge gellten ihr laut in den Ohren.

»Ich wollte einen von ihnen lebend.« Die tiefe Stimme des großen Ritters brach das Schweigen. Bedauernd betrachtete er die Toten.

»Wie denn?«, sagte der Kleinere von beiden. »Es hieß, sie oder wir.«

»Du hast wahrscheinlich Recht.«

Klonk. Die Füße des kleineren Ritters landeten auf dem Boden, als er abstieg. »Ich schaue sie mir mal an.«

Lark beobachtete, wie er sich über die Männer beugte und sie auf Lebenszeichen untersuchte. Ihr Blick kehrte zu dem massiven Rücken des anderen zurück, der es an Breite mit der Eichentür zu ihrem Schlafzimmer aufnehmen konnte.

Als hätte er gespürt, dass sie ihn anstarrte, riss er sein Schlachtross herum und sah zu ihr. Kohlschwarzes Haar fiel in dunklen Wellen auf seine Schultern, die im Mondlicht in einem düsteren Stahlgrau schimmerten. Schatten verhüllten sein Gesicht, aber sie spürte, wie sich seine Augen in ihre bohrten. Der volle Mond stand hinter ihm tief am Himmel. So groß war der Mann, dass seine dunkle Silhouette das ganze blaue Firmament ausfüllte.

Lark schluckte schwer, Woge für Woge von der sengenden Bedrohung getroffen, die von ihm ausging.

Er sagte nichts, starrte sie nur einen langen Moment an. Dann trieb er sein Pferd an und ritt auf sie zu. Klip-klop.

Die Hufe seines Pferds schlugen auf die Holzbohlen der Brücke. Das stetige Geräusch zerrte an Larks Nerven. Sie zuckte zusammen und wich einen Schritt zurück. Dann noch einen. Die Erscheinung des Ritters wurde immer größer.

Er zog die Zügel an, als er bei ihr war und bedrohlich vor ihr aufragte. Sein Arm, der das gewaltige Schwert hielt, ruhte auf dem Sattelknopf, und seine Augen blickten sie finster an.

Lark starrte auf das Blut, das auf der Schwertspitze glänzte, und entschied, dass es vielleicht günstiger wäre, als Erste zu sprechen. »Wirklich ein Jammer, dass Ihr mich nicht gehört habt, Mylord. Ich war dort drüben auf dem Hügel, aber Ihr seid an mir vorbeigeritten. Ihr hättet früher stehen bleiben sollen, dann hätte sich das alles vermeiden lassen können ...« Lark brach ab, als ihr auffiel, dass sie daherplapperte wie ihre Mutter.

»Wenn du nicht gerufen hättest, wären wir direkt an deinen Freunden vorbeigeritten, und sie hätten uns nicht so überrumpeln können.« Ein drohender Unterton schwang in seiner tiefen Stimme mit.

»Ich wollte Euch bloß warnen, bevor Ihr zu nahe bei den Schotten wart.«

»Du lügst, um dich selbst zu retten.«

Seine kräftige Faust schloss sich um das Heft des Schwerts, und sie fügte so beherrscht wie möglich hinzu: »Ich bin keine Lügnerin. Ihr könnt unmöglich glauben, dass ich den Hinterhalt zusammen mit diesen Schotten ausgeheckt hatte.«

»Warum nicht?«

Lark leckte sich die Lippen. Das seltsame Unbehagen, das er in ihr auslöste, war ihr zuwider. Sie schluckte, weil ihre Kehle plötzlich wie zugeschnürt war. »Ich sage die Wahrheit. Ich bin unschuldig. Ich habe in der Schenke im Dorf von St. Vale zufällig belauscht, wie die Schotten den Anschlag auf Euch planten. Ich bin ihnen gefolgt, um Euch zu warnen. Wer seid Ihr eigentlich? Warum wollten sie Euch töten?«

»Wenn du mit diesen Mördern unter einer Decke steckst, solltest du es wissen.« Sein Gesicht wandte sich dem Mondlicht zu, und eine seltsame Schattierung von Kupferrot blitzte in seinen Augen auf.

»Ich habe Euch doch gesagt, dass ich diese Mörderbande nicht kenne. Hätte ich Euren Rücken vor einem Pfeil bewahrt, wenn ich mit ihnen im Bunde wäre? Wenn ich Euch hätte umbringen wollen, wärt Ihr jetzt schon tot, glaubt mir.«

»Du hast mehr Talent zum Lügen als zum Töten.«

»Ich versichere Euch, ich habe Euch das Leben gerettet.«

Der Ritter richtete sich auf, und das Leder seines Sattels knarrte unter seinem Gewicht. »Ach ja, und du hast auch nur geschrien, um uns zu retten.«

»Es stimmt! Einer von ihnen hatte eine Armbrust auf Euren Rücken angelegt. Ihr wärt in diesem Moment tot, wenn ich dem Schurken nicht einen Strich durch die Rechnung gemacht hätte!«

»Ich sehe nur vier Leichen. Wo ist denn dieser Schurke?« Die unerbittliche Härte in seinem Gesicht milderte sich ein wenig, als er höhnisch lächelte.

»Nachdem ich ihm die Nase gebrochen hatte, flüchtete er in die Wälder.«

»Du hast ihm die Nase gebrochen?« Er knurrte etwas Unverständliches, dann wurde seine Stimme wieder scharf genug, um jedes einzelne Haar auf ihrem Kopf zu spalten. »Sollte dieser Schurke tatsächlich existieren, hast du ihm geholfen und lügst jetzt, um deine und seine Haut zu retten. Lügner verdienen ein schnelles Urteil.«

Lark wollte protestieren, aber der Ritter hob sein Schwert. Fahles Mondlicht brach sich auf der langen, scharfen Klinge. Nach einem flüchtigen Blick in seine Richtung raffte sie ihre Röcke und rannte los. Es wurmte sie, vor einem Kampf davonzulaufen, aber sie hatte keine Waffe bei sich, und sie hatte noch nie die Klingen mit einem Ritter gekreuzt, der ein massives Breitschwert so mühelos handhabte wie dieser Goliath.

Die Hufe des Schlachtrosses schlugen hinter ihr wie gewaltige Felsbrocken auf den Boden, wurden lauter ... und lauter.

Erdbrocken und Kieselsteinchen wurden an ihre Knie und Knöchel geschleudert. Sie fühlte den schweren Atem des Pferdes auf ihrem Arm, als es sie einholte. Lark wich zur Seite aus und sprang über den Graben. Ihre Füße erreichten die andere Seite nicht. Der Ritter packte sie am Saum ihres Oberkleids, und sie segelte durch die Luft.

Sie kniff die Augen zusammen und wartete auf den Schwertstreich, der sie in den Himmel befördern würde – hoffentlich. Wann war sie eigentlich zum letzten Mal bei der Beichte gewesen?

Bevor es ihr einfiel, prallte ihr Körper mit etwas Hartem zusammen. Sie riss die Augen auf und sah dicht neben ihrer Wange ein Knie. Ein schwerer Schenkel presste sich an ihre Brüste, ein zweiter an ihren Unterleib. Ihre Ellbogen baumelten neben einem langen Schienbein.

»Lasst mich los! Ich bin unschuldig!« Sie versuchte, den Kopf zu drehen und ihn anzuschauen, aber alles, was sie sehen konnte, war ein kräftiger Oberschenkel. »Ich habe nicht versucht, Euch zu töten. Ich habe Euch das Leben gerettet, was ich allmählich von ganzem Herzen bereue!«

Er gab ihr mit der flachen Hand einen Klaps auf den Po. »Solltest du noch einmal versuchen wegzulaufen, wirst du die Hölle für ein Paradies halten, wenn ich mit dir fertig bin.«

Lark, die an der Stelle, wo er sie geschlagen hatte, immer noch einen brennenden Schmerz spürte, kniff die Augen zusammen. Das Blut strömte ihr in den Kopf, und in ihren Schläfen hämmerte es. Sie starrte auf seinen Stiefel, der im Steigbügel steckte, und merkte, wie ihr dünner Geduldsfaden riss. »Dann tötet mich doch! Das habt Ihr doch ohnehin vor.«

»Das wird sich weisen.«

Lark verzog das Gesicht angesichts der düsteren Drohung, die in seinen Worten mitschwang. Irgendwie musste sie diesem Goliath entkommen.

***