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Fußnoten

Hermann Kurzke, Thomas Mann. Ein Porträt für seine Leser, München 2009, S. 67.

Manfred Dierks, Studien zu Mythos und Psychologie bei Thomas Mann, Bern 1972, S. 13.

Vgl. Heinrich von Kleist, Werke in einem Band, hrsg. von Helmut Sembdner, München 1966, S. 805 f.

Gesammelte Werke in 13 Bänden, hrsg. von Hans Bürgin, Frankfurt a. M. 21974, Bd. 11, S. 125.

Siehe zum Beispiel: Hans Rudolf Vaget, Thomas Mann – Kommentar zu sämtlichen Erzählungen, München 1984, S. 176.

Volker Hage, »Tadzios schönes Geheimnis«, in: Spiegel online vom 21.12.2002 (www.spiegel.de/spiegel/print/d-25990846.html, Stand: 10.9.2018).

Fritz Martini, »Die deutsche Novelle im Bürgerlichen Realismus. Überlegungen zur geschichtlichen Bestimmung des Formtyps«, in: Josef Kunz (Hrsg.), Novelle, Darmstadt 21972, S. 371.

Vgl. Dierks (Anm. 2), S. 18.

Ehrhard Bahr, Erläuterungen und Dokumente. Thomas Mann, »Der Tod in Venedig«, Stuttgart 1991, S. 124.

Gustav Freytag, Die Technik des Dramas [1863], unveränderter Nachdr., Darmstadt 1969, S. 102.

Gesammelte Werke in 13 Bänden, hrsg. von Hans Bürgin, Frankfurt a. M. 21974, Bd. 10, S. 592.

Dierks (Anm. 2), S. 14.

Gert Heine / Paul Schommer, Thomas Mann Chronik, Frankfurt a. M. 2004, S. 59.

Das ganze Kapitel bezieht sich auf: Heinz Kohut, »Thomas Manns ›Der Tod in Venedig‹. Zerfall einer künstlerischen Sublimierung«, in: Alexander Mitscherlich (Hrsg.), Psycho-Pathographien I. Schriftsteller und Psychoanalyse, Frankfurt a. M. 1972, S. 142167.

Tabellarische Übersicht und große Teile dieses Kapitels nach: Hermann Kurzke, Thomas Mann. Epoche – Werk – Wirkung, München 42010, S. 128130.

Friedrich Nietzsche, Die Geburt der Tragödie aus dem Geiste der Musik, Leipzig 1872, S. 5 f.

Friedrich Nietzsche, »Aphorismus 834«, in: F. N., Der Wille zur Macht. Versuch einer Umwertung aller Werte, hrsg. von Peter Gast, Stuttgart 1996, S. 559.

»Aphorismus 1050«, in: Nietzsche (Anm. 17), S. 683.

Hermann Kurzke, Thomas Mann. Das Leben als Kunstwerk. Eine Biographie, Frankfurt 32002, S. 237.

Kurzke (Anm. 19), S. 238.

Kurzke (Anm. 19), S. 447.

Heine/Schommer (Anm. 13), S. 62.

Vaget (Anm. 5), S. 188, 190, 192.

Roger Lüdeke, »›Der Tod in Venedig‹ (Thomas Mann – Luchino Visconti). Musiker unter Dichtern. Zum Stellenwert des Musikalischen, in: Anne Bohnenkamp (Hrsg.), Literaturverfilmungen, Stuttgart 22012, S. 164.

Lüdeke (Anm. 24), S. 171.

Was Thomas Mann seiner Hauptfigur Gustav von Aschenbach bescheinigt, hat er mit dem Tod in Venedig längst selbst erreicht: Den Eingang in den Kanon der Schullektüre. Abiturthemen zu der Novelle sind keine Seltenheit und noch heute, über hundert Jahre nach der Veröffentlichung, beschäftigen sich zahlreiche Gymnasiasten mit der verbotenen Liebe des Protagonisten und sollen ihre eigene Schreibweise an der von Thomas Mann bilden. »Das scheint nahezuliegen,

Bereits der bestimmte Artikel, also das erste Wort im Der Titel Titel der Novelle Der Tod in Venedig, zeigt diese Dichte an. Es handelt sich hier um mehr als einen beliebigen Todesfall in der beliebten Touristenstadt. Die oberflächliche Handlung ist schnell zusammengefasst: Ein erfolgreicher und gut situierter Autor, Gustav von Aschenbach, entschließt sich zu einer Reise gen Süden und landet schließlich in der Lagunenstadt, wo er sich, selbst jenseits der Fünfzig, in einen Vierzehn- oder Fünfzehnjährigen verliebt. Aufgrund der Nähe zu dem Jungen bleibt er in der Stadt, obwohl er um den Ausbruch der todbringenden Cholera weiß. Das Ende und der Tod des Protagonisten überraschen aufgrund des Titels kaum.

Das »Der« im Titel verweist auf die Personifizierung des Leitmotive: Der Tod …Todes, die besonders im Umgang mit Seuchen und Epidemien gang und gebe ist. Man denke nur an Bezeichnungen wie »Der Sensenmann« oder

Ein anderer Themenkomplex, der sich durch die gesamte Novelle zieht, ist ein ständiger Rückbezug auf die … und die Antike Antike: Die sprachliche Ausgestaltung und der Aufbau der Novelle hat ebenso antike Vorbilder wie die meisten der Nebenfiguren. Der platonische Dialog Phaidros wird mehrmals in längeren Abschnitten wörtlich zitiert und es finden sich zahlreiche Anspielungen auf die griechische und römische Mythologie, die sich auch in der Metaphorik Thomas Manns niederschlagen. Die beiden Leitmotive – Antike und Tod – treffen in verschiedenen Nebenfiguren aufeinander.

Die 1911 geschriebene und 1912 veröffentlichte Novelle wird von Literaturwissenschaftlern als Versuch angesehen, die deutsche Klassik im 20. Jahrhundert wiederzubeleben. Dieser Ansatz, der sogenannte Literarische Strömung: Neoklassizismus …Neoklassizismus, ist zeitgleich auch in der bildenden Kunst und in der Architektur zu erkennen. Für diese Zuordnung der Novelle spricht nicht nur die eben erwähnte Rückbesinnung auf die Antike, sondern auch der gehobene Stil Thomas Manns und das bewusste Zurücknehmen von modernen Elementen.

Andere Literaturwissenschaftler sehen im Tod in Venedig den Höhe- und Endpunkt der Literaturepoche … oder Fin de siècle?des sogenannten Fin de Siècle. Sowohl die

Erstes Kapitel

Das erste Kapitel (S. 918) spielt in München, genauer am Nordfriedhof und der nahen Ungererstraße, wohin die Hauptfigur Gustav Aschenbach von seiner Wohnung in der Prinz-Regentenstraße aus einen Spaziergang unternimmt. Während der Ort der Handlung genau beschrieben wird und real nachvollziehbar ist, bleibt die Zeit ungenau: Es ist Anfang Mai im ersten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts. Die Handlung setzt also in der Gegenwart beziehungsweise der unmittelbaren Vergangenheit des Autors Thomas Mann ein (Entstehungszeit der Novelle: 1911).

Aschenbach ist ein erfolgreicher Autor, der aufgrund seiner schriftstellerischen Leistung seit seinem fünfzigsten Geburtstag das Adelsprädikat »von« führen darf (S. 9). Seine Arbeit am Vormittag versetzt den Schriftsteller in eine rastlose Stimmung, so dass er seinen sonst üblichen Mittagsschlaf nicht halten kann und stattdessen Regeneration an der frischen Spaziergang durch München Luft sucht. Er beobachtet eine Weile das frühsommerliche Treiben im Englischen Garten und vor einem Wirtshaus, bevor er die Straßenbahn zurück in die Innenstadt nehmen will (S. 10). Während er an der menschenleeren Station wartet, zieht ihn die Aussegnungshalle des Nordfriedhofs in ihren Bann. Die Architektur der Halle wird beschrieben und Aschenbach liest die Inschriften auf den zum Verkauf stehenden

Abb. 1: Aussegnungshalle des Münchener Nordfriedhofs. – Wikimedia Commons CC BY-SA 3.0/Rufus46

Der Fremde Dieser taucht scheinbar plötzlich vor dem Tor der Halle auf. Sein Äußeres wird genau beschrieben: Er ist mittelgroß, rothaarig, »mager, bartlos und auffallend stumpfnäsig« (S. 11), hat blasse Haut und Sommersprossen. Er sieht nicht bayrisch aus, auch wenn er einen landestypischen Rucksack trägt. Seine Füße sind gekreuzt, während er auf seinem Spazierstock lehnt. Als der Fremde den musternden Blick Aschenbachs kriegerisch erwidert, ist dieser »peinlich berührt« (S. 13) und setzt seinen Spaziergang entlang des Friedhofs fort.

Auch wenn er den Fremden nach wenigen Minuten aus seinem Bewusstsein verdrängt hat, so beeinflusst ihn »das Wandererhafte in der Erscheinung« (S. 13) doch unterbewusst. Ein Gefühl von Leidenschaft macht sich breit, und seine Sinne täuschen ihn. Einbildungskraft und Beobachtung des Protagonisten vermischen sich: So nimmt Aschenbach seine Umgebung nun als Wildnis von Farnen, Palmen und Bambus wahr. Er beobachtet fremdartige Vögel, schwimmende Blumen und sogar ein kauernder Tiger wird erwähnt (S. 14). Dies alles fasst Aschenbach als » Reiselust Reiselust« (S. 13) zusammen, die anschließend in »Fluchtdrang« (S. 16) und »Sehnsucht ins Ferne und Neue« (S. 16) gesteigert wird.

Auch wenn Aschenbach als Angehöriger des privilegierten Bürgertums stets nach Belieben verreisen kann, hat er das Reisen bisher als » Reisen als »hygienische Maßregel«hygienische Maßregel« (S. 14) betrachtet. Das bedeutet, es ist stets Mittel zum Zweck. Nach Phasen des intensiven Arbeitens ist Erholung vonnöten, damit die Produktivität des Autors aufrechterhalten werden kann. Eigentlich ist er »der Zerstreuung […] abgeneigt« und kein »Liebhaber der bunten Außenwelt« (S. 15). Alles, selbst seine Freizeitgestaltung, ist seiner schriftstellerischen Tätigkeit untergeordnet. Noch nie hat er Europa verlassen, und die meiste Zeit verbringt er in seiner Wahlheimat München oder auf dem nahegelegenen Landsitz. Mehr braucht es normalerweise nicht. Erst mit der Erscheinung des Fremden ändert sich dies. Zwar ist sich Aschenbach weiterhin seiner Liebe zur Arbeit

Auch wenn die Nation sein Werk lobe, so bemerkt der Autor, fehle es ihm längst an Feuer und Freude. Eine Reise scheint der einzige Ausweg: Weiter als zu seinem Landsitz mit den vertrauten Bergwänden und doch nicht bis zu den Tigern, sondern für drei oder vier Wochen an »irgendeine[n] Allerweltsferienplatze« (S. 18). Während er in die Straßenbahn einsteigt, schaut sich Aschenbach noch einmal nach dem geheimnisvollen Fremden um, findet ihn jedoch nicht. Er fasst den Entschluss zu reisen Entschluss, noch am Abend ein geeignetes Reiseziel zu suchen.

Die Äußere Handlung und innere Entwicklung äußere Handlung des ersten Kapitels ist denkbar schnell zusammengefasst: Aschenbach spaziert durch München, erblickt einen Fremden und tritt den Nachhauseweg mit der Tram an. Entscheidend ist jedoch die innere Entwicklung der Hauptfigur. Die scheinbar beiläufige Begegnung am Rande des Friedhofs löst einen Gedankenstrom aus, der mit dem Entschluss zu einer Reise nach Süden endet.

Zweites Kapitel

Wie schon im vorherigen ist auch im zweiten Kapitel (S. 1830) die äußere Handlung sehr in den Hintergrund gedrängt. Diesmal jedoch deutlich radikaler: Es schließen sich weder Reisevorbereitungen noch die besagte Reise selbst an, sondern es werden eine Charakterisierung der Hauptfigur

Weitere Informationen zur Hauptfigur und somit auch zum zweiten Kapitel der Novelle finden sich in Kapitel 3, S. 29–34, und in Kapitel 6, S. 63–65.

Drittes Kapitel

Das dritte Kapitel (S. 3177) beschreibt die Reise Aschenbachs, den Aufenthalt auf dem Lido (einem Venedig vorgelagerten Küstenabschnitt) und mehrere Begegnungen mit Tadzio, einem polnischen Knaben.

Zwei Wochen nach der Episode mit dem Fremden in München tritt Aschenbach seine Reiseroute Reise nach Süden an. Für seine gesamte Fahrt plant er vier Wochen, denn nach diesem Zeitraum soll das Landhaus für ihn hergestellt sein (S. 31). Mit dem Nachtzug geht es zunächst nach Triest, von wo aus er nach einem Tag mit dem Schiff in die Stadt Pola (heute: Pula) auf der istrischen Halbinsel aufbricht. Nach einem Aufenthalt auf einer Insel vor der Küste besteigt Aschenbach einen Dampfer nach Venedig.

Die Überfahrt auf dem veralteten und düster wirkenden italienischen Auf dem Dampfer Dampfschiff gestaltet sich mühselig. Schon der Matrose, der das Ticket ausstellt,

Aschenbach, der nicht zum ersten Mal die Lagunenstadt bereist, erlebt nun, da er mit dem Ankunft in Venedig auf dem Seeweg Schiff ankommt, ein anderes Venedig. Seine Hoffnung, das Wetter möge sich bei der Einfahrt in die Stadt bessern, bleibt enttäuscht, denn Himmel und Meer sind »trüb und bleiern« (S. 37). Trotzdem stellt sich ein Hochgefühl ein, als die Wahrzeichen der Stadt von der Seeseite zu sehen sind. Erreicht man die Stadt mit dem Zug, so sei es, als ob man einen Palast durch die Hintertür betrete (S. 40).

Von der Schiffsanlegestelle in Venedig zu seinem

Erste Begegnung mit dem polnischen Knaben 5051