Cover

Table of Contents

Titel

Impressum

Vorwort

Teil 1

Teil 2

Teil 3

LESEN SIE MEHR VON ROLF STÖVER BEI DEBEHR

ÜBER DEN AUTOR

 

 

 

Rolf Stöver

 

 

 

 

Südafrika

Staat der Gewalt

 

Roman nach wahren Erlebnissen

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

DeBehr

 

Copyright by: Rolf Stöver

Herausgeber: Verlag DeBehr, Radeberg

Erstauflage: 2019

ISBN: 9783957536129

Umschlaggrafik Copyright by Fotolia by Daniel

 

Vorwort

 

Johannesburg 1983, die Apartheid war nicht mehr das, was sie schon mal war, doch sie war noch immer allgegenwärtig, wenn auch in leicht abgeschwächter Form.

   Die schwarze Bevölkerung hatte sich im Laufe der Jahre daran gewöhnt, dass sie Teil der ursprünglich getrennten Entwicklung war, dass sie zum Beispiel nicht wählen durfte. Auch dass die Kinder in ihre eigenen Schulen gehen mussten und nur das lernen durften, was dem Regime in seine Politik passte. Die Schwarzen sollten auf diese Weise nur ein bestimmtes Bildungsniveau erreichen. Was in der Welt geschah, wurde ihnen geschickt vorenthalten.

   Das Regime war sich dessen sehr wohl bewusst, dass es oberste Priorität sein musste, die Stimmung unter den Schwarzen auf einem positiven Niveau zu halten. Zum Beispiel erhielten die Schulkinder eine warme Mahlzeit und kostenlose Schulbücher, nach dem Motto „Seht her, was wir für euch tun“.

Doch solche und ähnliche Maßnahmen waren nur eine Farce, ein Volk wurde auf schlimmste Art und Weise unterdrückt, Die Menschen durften nur in den ihnen zugewiesenen „Homelands“ wohnen und mussten um 22 Uhr von der Straße verschwunden sein. Das waren nur einige der Restriktionen.

   Dass in Südafrika 50 Millionen Schwarze circa 5 Millionen Weißen gegenüberstanden, konnte niemand wegdiskutieren. Nur der Tatsache, dass sich die schwarzen Stämme teilweise selbst feindlich gegenüberstanden, war es zu verdanken, dass es nicht zu einem Aufstand kam. Das Regime war sich auch dessen bewusst und war Meister der Manipulation. Und die Welt verstand nicht, wie es möglich war, bei diesem Kräfteverhältnis einen Bürgerkrieg zu vermeiden.

   Aber es brodelte …

   Die Jugend kannte es nicht anders, aber die Älteren wussten, was in ihrem Land, ihrer Heimat geschehen war, schon ihre Vorfahren und Urahnen hatten Südafrika besiedelt, und dann kamen die Weißen und behaupteten, Südafrika sei das Land ihrer Väter. Das wurde so lange propagiert, bis sie es selber glaubten. Diese unmenschliche Politik war den großen Goldvorkommen maßgeblich geschuldet, man brauchte Arbeitskräfte in den Minen, Arbeitskräfte ohne jegliche Rechte …

   Dass Freundschaften, sogar Liebschaften zwischen Schwarz und Weiß entstanden, war nicht selten, aber solche ungleichen Liebesverhältnisse durfte es nicht geben, sie waren strikt verboten. Es gab sie dennoch - hinter verschlossenen Türen...

 

Teil 1

 

In einem kleinen, aber konservativen Vorort von Johannesburg lebte schon seit einer Generation die deutsche Familie Köhler mit zwei Töchtern und einem Sohn, der bereits im heiratsfähigen Alter war, während die Töchter mit allen negativen Seiten der Pubertät die Nerven der Eltern strapazierten.

   Vater Walter Köhler war einst mit seiner damals noch jungen Frau Ilse nach Südafrika ausgewandert. Seitdem arbeitete er als Bergbauingenieur in der Goldminenindustrie. Wie viele eingefleischte Rassisten machten sie keinen Hehl daraus, dass die Rassentrennung Teil ihrer neuen Heimat war, und daher verschwendete man auch keinen Gedanken daran, ob die Politik dieses Regimes moralisch seine Berechtigung hatte. Die Männer schufteten unter Tage, und die Frauen arbeiteten in den Haushalten der weißen Herrschaften. Dabei waren sie meist für lange Zeit von ihren Männern getrennt.

   Die weißen „Südafrikaner“ lebten mit allem Komfort, den man sich denken konnte, die schwarzen Maids nahmen den Hausfrauen jede Art von Hausarbeit ab, und die Gartenboys sorgten für einen gepflegten Garten, der der üppigen Vegetation, die in Südafrika vorherrschte, gerecht wurde.

   Obwohl die Köhler-Töchter ihre Eltern oft bis zur Weißglut trieben, war für diese im Land der Apartheid alles in Ordnung, jedenfalls was die Lebensqualität der weißen Bevölkerung betraf. Bis die langjährige Hausangestellte schwanger wurde und eine neue auf der Wunschliste der Mutter Ilse stand. Das kostete nur einen Anruf, denn Mädchen und Frauen standen Schlange für einen Job in einem Haushalt, es gab ja sonst keine.

   So stand ein paar Tage später ein schüchternes Mädchen an der Haustür der Köhlers und bewarb sich, mit der Mütze in der Hand, um den Job. Ilse gefiel das Mädchen, es hatte eine offene und ehrliche Art, sie vereinbarten eine Probezeit von einem Monat. Die junge Frau trat ihren Job sofort an.

   Die junge Frau hatte Talent, den umfangreichen Haushalt der Familie Köhler rationell zu führen, sie hatte aber noch etwas, nämlich die Gabe, die beiden aufsässigen Töchter zu bändigen. Mutter Ilse und Vater Walter waren sprachlos, die Töchter waren plötzlich friedlich und umgänglich, hatte sich die Pubertät in Luft aufgelöst?

   Sohn Heinz ging schon seinen eigenen Weg, er wollte nicht wie sein Vater in den Bergbau, er strebte eher eine Karriere bei der South African Airways an. Allerdings gab es da ein Problem: Er machte keinen Hehl daraus, dass er nicht konform ging mit dem rassistischen Regime, um es gelinde auszudrücken. Man sagte ihm unmissverständlich, dass er seine Gesinnung ändern müsse. Es war für Heinz ein Konflikt, mit dem er im Moment nicht fertig wurde. Der neuen Maid war er bisher unbewusst aus dem Weg gegangen, nicht weil er sie nicht mochte, er hatte nur keine Lust, sich mit ihr zu beschäftigen. Aber inzwischen sprach er sie wenigstens schon mal mit Namen an, sie hieß Johanna. Und Johanna nahm ihn zur Kenntnis, sie bemerkte, dass Heinz nicht war wie die anderen weißen Jungen seines Alters, er war scheinbar kein Rassist.

   Als Heinz ihr eines Morgens zuschaute, wie sie Wäsche aufhängte, fiel ihm plötzlich auf, dass Johanna eigentlich eine schwarze Schönheit war. Er stellte sich vor, wie sie wohl aussehen würde ohne diese hässliche Uniform, die Hausangestellte trugen. Und Heinz, der längst zu einem gutaussehenden jungen Mann herangewachsen war, brauchte seine Fantasie nicht sonderlich anzustrengen, um sich Johanna nackt vorzustellen …

   Johanna merkte sehr wohl, dass sie beobachtet wurde, aber sie ließ sich nichts anmerken. Dass plötzlich die obersten Knöpfe ihrer Uniform sich wie von Zauberhand öffneten, war natürlich purer Zufall. Johanna mäßigte ihren Gedankengang, als Vater Walter im Garten auftauchte.

Sie durfte sich nicht mit Heinz beschäftigen - er war weiß, und sie war schwarz -, müßig, sich mit dem Gedanken zu befassen, was ohnehin verboten war. Sie verschwand mit dem leeren Wäschekorb schnell im Haus, aber sie hatte das Funkeln in den Augen des Sohnes gesehen.

   Jedes Mal, wenn sie im Garten war, um die Wäsche aufzuhängen, hoffte sie, dass Heinz ihr zusah. Und er tat ihr den Gefallen, im Gegensatz zu ihr war Heinz anders, er pfiff auf die Apartheid, er war der Meinung, dass die Rassisten ihm den Buckel runterrutschen konnten. Vor Leuten, die jährlich Hitlers Geburtstag feierten und Hitlers „Mein Kampf“ auf dem Nachttisch liegen hatten, hatte er keinen Respekt, fühlte nur Abscheu ihnen gegenüber. Heinz glaubte insgeheim, dass der Tag nicht mehr weit sein konnte, wo er Johanna ganz nah sein würde, sehr nah, und er wusste auch, dass er mit Johanna auf die Straße gehen würde, er würde mit ihr in die besten Restaurants einkehren, sogar ins Kino würde er sie einladen. Noch nie in seinem jungen Leben war er so fest entschlossen wie jetzt, ja, genau das würde er tun...

   Johanna dagegen ging gedanklich nicht so weit, sie hatte zu viel Angst, und trotzdem träumte sie von Heinz jede Nacht, wenn sie allein im Servants’ Quarter in ihrem Bett lag, es wäre doch so schön ohne die gesetzlich verordnete Rassentrennung. In ihrem Homeland Soweto hatte sie mal eine verbotene Zeitschrift aus Amerika gesehen, in der Weiße und Schwarze ganz selbstverständlich zusammen verkehrten, sogar heiraten durften. War das die Freiheit, nach der sie sich alle sehnten, obwohl sie nicht einmal wussten, wie Freiheit sich überhaupt anfühlt? Sie stieß auf einen Artikel mit der Überschrift „Die Würde des Menschen ist unantastbar“. Johanna wusste nicht, was Würde ist … Woher sollten die Schwarzen in Südafrika das auch wissen?

   Nelson Mandela, der Freiheitskämpfer, saß in Cape Town auf Robben Island bis zu seiner Freilassung 1994 ganze 27 Jahre in Haft. Er wusste, was Würde ist, und er hatte einen Traum, ähnlich wie Martin Luther King …

   Auch Johanna hatte einen Traum, sie träumte davon, Heinz anfassen zu dürfen, ihn zu fühlen. Und Heinz erging es ebenso, nur hatte er keine Ängste wie Johanna, er pfiff auf die Rassentrennung, weil er glaubte, dass kein Mensch ihm verbieten könnte, eine Frau zu lieben, sie zu spüren und zu fühlen. Seine Eltern, die er liebte, würden nicht verstehen, wenn er ihnen gestände, dass er mit der schwarzen Johanna in Gedanken ein Verhältnis hatte, noch war es Wunschdenken, aber das würde sich bald ändern. Gefühle lassen sich nicht einsperren, glaubte Heinz.

   Es war wohl Schicksal, als Vater Walter seinen Sohn zu dem Servants’ Quarter schickte, um dort eine kleine, aber fällige Reparatur vorzunehmen. Dann geschah, was geschehen musste, Heinz stand wie aus dem Nichts einer nackten Johanna gegenüber, überwältigt von ihrer natürlichen Schönheit, blieb er wie erstarrt stehen. „Komm rein“, sagte Johanna wie selbstverständlich … Heinz verbrachte die Nacht im Servants’ Quarter.

   Am nächsten Morgen saß Heinz mit seinen Eltern und seinen Schwestern am Frühstückstisch, er hatte das Gefühl, über Nacht erwachsen geworden zu sein, und er wusste sogleich, dass er zum Kämpfen verurteilt war, aber er fühlte sich stark und entschlossen genug, die Herausforderung anzunehmen.

   Nach dem Frühstück bat er seinen Vater in den Garten, er suchte das Gespräch mit ihm, allein in dem Glauben, dass er ihn wahrscheinlich auf die Straße setzen würde, doch dem war nicht so. Sein Vater hatte bemerkt, was sich hinter seinem Rücken abspielte, auch war ihm die Schönheit der Johanna nicht entgangen. „Mein Junge“, sagte er, „verbieten hat keinen Sinn, aber du wirst einen schweren Weg gehen müssen, du wirst viele Feinde haben - aber auch Freunde. Die Tür hier steht dir immer offen, auch wenn ich deine Gesinnung nicht teile.“ Damit war für Heinz der Schritt getan, vor dem er sich gefürchtet hatte, die Loslösung - in Frieden allerdings - von seinem Elternhaus.

   Und wieder sah er Johanna, als sie nackt vor ihm stand, so natürlich, in ihrer Kultur war Nacktheit etwas ganz Natürliches und alles andere galt als verwerflich. Das Verwerfliche war erst in der Kultur der Weißen entstanden.

   Johanna, die ihren freien Tag hatte, setzte sich zu ihm. „Danke“, sagte sie. „Und jetzt machen wir einen Spaziergang, du und ich, sofort.“ Heinz wollte nicht glauben, was er gerade gehört hatte, Johanna hatte all ihren Mut zusammengenommen und wagte den ersten Schritt in ihre Zukunft. Gemeinsam verließen sie das elterliche Haus.

   Johanna trug nicht die Uniform einer Hausangestellten, sondern normale, zivile Kleidung, und Heinz unterstrich ihr Vorhaben noch, indem er wagemutig Johanna bei der Hand nahm. So spazierten sie durch das Einkaufszentrum ihres Vorortes. Natürlich drehten sich Leute nach dem seltsamen Paar um, wohl in dem Glauben, dass es sich um ein Paar aus Amerika handeln musste. So nahm niemand wirklich Anstoß, weil ja auch nicht sein konnte, was nicht sein darf. Dass Spaziergänger ihrer Verwunderung Ausdruck verliehen, wiederholte sich ein paar Mal mit dem gleichen Ergebnis.

   Bis Nachbarn dahinterkamen, dass im Hause Köhler gegen die Rassengesetze verstoßen wurde. Mutter Köhler kam nun in Bedrängnis, weil sie den ganzen Tag zu Hause und den verbalen Angriffen ständig ausgesetzt war. Noch hatte niemand Anzeige erstattet, aber um dem zuvorzukommen, kündigte sie Johanna fristlos.

   Heinz hatte vorgesorgt, es war ja auch vorhersehbar, dass sie auf der Straße landen würden. Das Mariston Hotel im Zentrum von Johannesburg war unter der Hand bekannt, dass man bezüglich des internationalen Standards die Regularien nicht so genau nahm, solange ein Weißer den Mietvertrag unterzeichnete. Das Hotel hatte 40 Stockwerke, die ersten 20 waren ausschließlich dem Hotelbetrieb vorbehalten, die anderen 20 waren in ihrer Bauweise identisch, aber als Appartements deklariert mit dem Vorzug eines Hotelservices. Außerdem boten eine Bar und eine Restaurant ihren Service an.

   Heinz hatte eines dieser Appartements für sich reserviert. Obwohl sein Vater nicht seine Gesinnung teilte, unterstützte der ihn - heimlich, Mutter Ilse wusste davon anscheinend nichts.

   So landete das Paar im Mariston Hotel, Johanna erfuhr erneut den Luxus der weißen Gesellschaft, eingetauscht gegen die Armut in ihrem Homeland Soweto. Der Hotelgarten, obwohl im Zentrum von Johannesburg, hatte einen tropischen Garten mit einem einladenden Swimmingpool.

   Johanna war den gemäßigten Luxus im Hause der Köhlers gewohnt, aber hier traute sie sich nicht vor die Tür. Heinz versuchte, sie zu überreden, in den Pool zu gehen, aber der fehlende Badeanzug sprach dagegen - und was sollten die Leute sagen, eine schwarze Frau, hier ... Heinz war hilflos, Johanna fühlte sich wie in einem Gefängnis.

   Am nächsten Tag kaufte er einen pinkfarbenen, gewagten Bikini in einem der erlesenen Modegeschäfte in Johannesburg, auch sonst passte er die Garderobe für Johanna der der weißen Frauen an. Beladen mit Einkaufstüten kehrte er ins Mariston Hotel zurück. Er fand Johanna in ihrem gemeinsamen Zimmer mit dem Zimmermädchen Daisy, das Johanna eingehend auf das Leben in der Stadt vorbereitete. „Du bist hier nicht die schwarze Maid aus Soweto, du bist die schwarze Frau, die was auf sich hält, und du bist schön, sehr schön.“ Johanna hatte aufmerksam der schwarzen Daisy, die durch das Hotel in der Welt der Weißen lebte, zugehört.  

   Heinz packte seine Einkäufe aus. Zögernd zog Johanna aus, was sie anhatte, und probierte den Bikini an. „Fantastisch!“, riefen Heinz und Daisy gleichzeitig. „Morgen früh ziehst du den Bikini an, und ich bringe dir das Schwimmen bei“, sagte Heinz. „Vielleicht“, murmelte Johanna und streifte ihre Kleider über.

   Als Daisy gegangen war, fiel Johanna Heinz um den Hals. „Ich werde tun, was du möchtest“, sagte sie, „aber du musst verstehen, ich bin in einer anderen Welt aufgewachsen. Nur mein Urgroßvater erzählt uns manchmal, wie schön wir gelebt haben, bevor die Weißen aus Europa kamen und das Gold fanden. In einigen alten Büchern haben wir gelesen, dass Cape Town nur eine Seefahrerstation war, wo die Indiensegler Lebensmittel aufnahmen. Die Station wurde immer größer, und immer mehr Leute wurden sesshaft, zogen allmählich gen Norden und fanden durch Zufall die riesigen Goldvorkommen. So entwickelte sich Johannesburg, die einzige Großstadt, die nicht an einem Fluss gebaut wurde - sondern am Gold. Und wir Schwarzen waren nichts mehr wert, nur zum Arbeiten, wozu wir gezwungen wurden. Wo sind all unsere Traditionen geblieben …

   Und morgen bringst du mir bitte das Schwimmen bei, dann bin ich die Erste in meiner Familie, die schwimmen kann. Und können wir jetzt tun, was du mir nicht beibringen musst …?“, fragte sie Heinz mit einem verschmitzten Lächeln. Johanna hatte sich inzwischen ausgezogen.

   Dass Johanna im Mariston Hotel zwar geduldet, aber nicht gern gesehen war, bekamen sie noch am gleichen Abend zu spüren, der Hotelmanager klopfte energisch an die Zimmertür. „Mir wurde gemeldet, dass sich hier eine Schwarze aufhält, ist das richtig?“, fragte der Mann respektlos. „Ja“, antwortete Heinz wahrheitsgemäß, „ich beherberge eine schwarze Person im Badezimmer.“

   „Ich mache Sie darauf aufmerksam“, sagte der Mann in seiner unfreundlichen Art, „dass wir Schwarze nicht gern sehen, höchstens dulden. Ich gehe davon aus, dass Sie wissen, wie Sie sich zu verhalten haben.“ In dem Moment kam Johanna aus dem Badezimmer in ihrem Bikini, dem Mann verschlug es die Sprache. „Aha“, sagte er gedehnt, „eine Nutte. Ich werde mir erlauben, darauf zurückzukommen.“ Sprach’s und knallte die Tür zu. Johanna sagte kein Wort, zog den Bikini wieder aus und verschwand nackt unter der Bettdecke.      

   Heinz verstand ihre Reaktion nur zu gut, nur geduldet zu sein im eigenen Land musste erst mal verdaut werden. Wie erging es wohl den Älteren, die noch wussten, wie sich Freiheit anfühlt?

   Johanna weinte unter ihrer Bettdecke, gerade noch hatte sie stolz ihren Bikini getragen, der wie für sie gemacht worden war. Jetzt war sie eine Nutte!

   Heinz wusste, was das bedeutete, der Hotelmanager durfte zwar nicht, aber er konnte sich bedienen und Johanna nach Lust und Laune nehmen. Sollte sie sich wehren, würde sie ohne Gerichtsverhandlung im Gefängnis landen, Johanna würde Freiwild für jedermann.

   Automatisch dachte Heinz an die vielen illegalen Shebeens in den Hinterhöfen der Stadt, Kneipen, die es offiziell gar nicht gab, aber nur zu gerne von den weißen Herren heimlich aufgesucht wurden, um ihre fragwürdigen Bedürfnisse zu befriedigen. Für die Mädchen in diesen Bars war es eine Frage des Überlebens ihrer Familien, die in den Homelands lebten, wo es keine Arbeit gab.

   Hin und wieder wurden die Shebeens von der weißen Polizei geräumt, die Mädchen nahmen sie dann mit - und wehe, sie wagten es, sich zu wehren! Dann verschwanden sie für lange Zeit im Gefängnis. Eine Frage, die man besser einem Buren, weißem Südafrikaner, nicht stellte. Blieb die Frage: Woher kamen eigentlich all die Mischlinge?

   Heinz taten die Mädchen leid, sie machten ja nicht zum Vergnügen die Beine breit, sondern schickten jeden Cent ihren Familien. Die Buren scherten sich einen Teufel darum, wie es den Mädchen ging, es waren ja nur Schwarze …

   All das ging Heinz durch den Kopf, als Johanna unter der Bettdecke weinte, er versuchte, sie in den Arm zu nehmen, aber sie ließ es nicht zu. „Weißt du“, sagte sie plötzlich mit fester Stimme, „wenn dieser Mann mich anfasst, dann bringe ich ihn um, ich schwöre!“

   Dann erzählte sie ihm, in ihrer Zeit in Soweto hätte sie gelernt, sich zu verteidigen. Ein Lehrer, ein Zulu, hatte ihr das Wichtigste beigebracht. Die Zulus waren für ihre kriegerischen Fähigkeiten im gesamten südlichen Afrika besten bekannt. „Und womit gedenkst du dich zu verteidigen?“, fragte Heinz naiv. „Ich brauche nur meine Hände“, sagte Johanna mit einem Unterton in der Stimme. Heinz glaubte ihr aufs Wort.

   Trotz der bedrückenden Stimmung bescherte Johanna ihrem weißen Geliebten eine überaus sinnliche Nacht, die erste Nacht im Mariston Hotel. Und es war auch die erste Nacht außerhalb seines Elternhauses. Seine streitbaren Schwestern fehlten ihm, stellte Heinz fest. Dann fiel ihm der Hotelmanager ein, und schon war die gute Stimmung dahin.