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Al Capone
– 2–

Al Capone Doppelband

Al Cann

Impressum:

Epub-Version © 2018 KELTER MEDIA GmbH & Co. KG, Sonninstraße 24 - 28, 20097 Hamburg. Geschäftsführer: Patrick Melchert

Originalausgabe: © KELTER MEDIA GmbH & Co.KG, Hamburg.

Internet: https://ebooks.kelter.de/

E-mail: info@keltermedia.de

Dargestellte Personen auf den Titelbildern stehen mit dem Roman in keinem Zusammenhang.

ISBN: 978-3-74094-004-1

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Boss Drenkhan

Es war ein ganz feines, nadelspitzes Gerät, das der Fremde ihm vors Gesicht hielt. Bernie Tucker spürte, daß ihm der Schweiß aus allen Poren trat. Er hielt den Atem an und starrte auf die winzige Kanüle. Er spürte förmlich, daß in ihr der Tod lauerte.

Wie war das eigentlich alles gekommen?

Es war kurz nach zwei gewesen, die Zeit, um die er die Bar meistens schloß. Er hatte zusammen mit Viola die Stühle auf die Tische gestellt und war dann zum Eingang gegangen, um abzuschließen. In diesem Augenblick hatte sich der Mann in ihm vorbeigedrängt.

Es war ein untersetzter Mensch in den Dreißigern, mit einem breiten Gesicht und tiefliegenden Augen. Als er sich an dem Wirt vorbeischob, schlug diesem ein merkwürdiger Geruch entgegen, der ihn an Heu erinnerte.

Tucker war so verblüfft, daß er erst, als der Mann schon hinter ihm im Schankraum war, die Tür wieder aufriß und auf die Straße deutete.

»Es tut mir leid, wir haben nicht mehr geöffnet.«

»Schließen Sie die Tür!« Wie ein Befehl war es aus dem schmallippigen Mund des Fremden gekommen. Als Tucker dieser Aufforderung nicht gleich nachkam, schob der andere die Tür mit dem Fuß zu.

Achtundvierzig Jahre alt war Bernard Tucker. Vor sieben Jahren hatte er zusammen mit Viola, seiner fünfzehn Jahre jüngeren Frau, die Hold in-Bar in der 30. Straße in Cicero gekauft. Der ehemals sehr verrufene Stadtteil inmitten Chicagos hatte in den letzten Jahren durch die vielen Häuserabrisse und Neubauten ein völlig neues Gesicht bekommen. Unweit der großen Odgen-Avenue, ganz in der Nähe des Bahnhofs, lag die Hold in-Bar. Sie hatte früher einem Boxer gehört, einem Mittelgewichtsmeister, der sich zu Tode getrunken und die Bar einer alten Frau vermacht hatte, von der es hieß, daß sie einmal seine Freundin gewesen sei. Von dieser Mrs. Snyder hatte Tucker die Bar erworben. Es waren ausschließlich seine Ersparnisse aus dreiundzwanzig harten Jahren, in denen er sich quer durch die Stadt gekellnert hatte. Die blondhaarige Viola hatte er ein paar Jahre vorher kennengelernt. Sie arbeitete an der Theke einer Bar drüben in Stickney, in der auch er in Nachtschicht beschäftigt gewesen war. Well, man hätte auch eine Bar mieten können. Aber es war seit eh und je Bernies Traum gewesen, eines Tages einmal etwas Eigenes zu haben. Und das hatte er an einem Januartag vor sieben Jahren dann ja auch geschafft. Aber die Bar des Boxers erwies sich als nicht besonders zugkräftig, und Tucker hatte sehr viel hineinstecken müssen, um überhaupt das Existenzminimum zu schaffen. Mit der Zeit hatte er dann einen Kundenkreis geworben und konnte heute auf eine gewisse kleine Rücklage zurückblicken. Dennoch, ein reicher Mann war er nicht und würde er hier wohl auch nicht werden.

Pulvertrocken war sein Mund. Seine Zunge klebte wie ein ausgedörrtes Blatt an seinem Gaumen. Aus weit aufgerissenen Augen starrte er in die flimmernden gelben Lichter des Fremden, der jetzt dicht vor ihm stand. Wieder schlug ihm der merkwürdige Geruch von Heu entgegen.

Da bückte sich der andere blitzschnell und schob mit der rechten Hand einen der Türriegel vor.

»Wo ist Ihre Frau?«

Viola war nicht seine Frau. Zum Heiraten gehörte nach Meinung Tuckers eine Menge Geld; und seit er nach ein paar Jahren die Scheidung gegen Mary durchgebracht hatte, dachte er nicht mehr ans Heiraten.

Ob Viola vielleicht doch daran dachte?

Merkwürdig, daß ihm jetzt plötzlich dieser Gedanke durch den Kopf zuckte.

Was ging es den anderen an, ob Viola seine Frau war oder seine Freundin.

»Sie ist schon gegangen.«

»Ich habe nicht gefragt, ob sie schon gegangen ist, sondern wo sie ist«, schnarrte der andere.

Tucker deutete mit dem Kopf zur Zimmerdecke. »Oben – wird sie sein.«

»Sind Sie sicher?«

»Ja. Was sollte sie auch hier noch? Sie hat schließlich von zwei Uhr nachmittags hier hinter der Theke gestanden. Eine lange Zeit, wie Sie zugeben werden müssen.«

»Los, kommen Sie mit.«

Nachdem sich der Fremde mit einem raschen Blick davon überzeugt hatte, daß die schweren roten Vorhänge alle zugezogen waren und man von draußen keinerlei Einblick haben konnte, schob er Tucker vor sich her der Theke entgegen.

Der Wirt schluckte schwer. Er glaubte, begriffen zu haben. Es war ein Überfall!

Blitzartig fiel ihm Joe Bladford ein, ein Schankwirt drüben aus der 28. Straße, bei dem vor zwei Wochen um die gleiche Stunde eingebrochen worden war. Nicht nur, daß die Gangster oder der Gangster die gesamte Kasse hatten mitgehen lassen, Bladford war auch noch von einem Schuß am Kopf verletzt worden, der ihn zwar glücklicherweise nicht getötet, seinen Sehnerv aber so empfindlich getroffen hatte, daß er zeitlebens an einer Augenschwäche leiden würde. Bladford war ein junger Mann von dreißig Jahren, der den größten Teil des Lebens noch vor sich hatte.

Und nun war ihm das passiert. Wie oft hatten Bekannte ihm geraten, sich einen Revolver zu kaufen.

»Jeder in Amerika besitzt einen Revolver«, pflegte sein Freund Armstrong zu sagen. Auch Doc Braddock, der hier immer seinen Apéritif trank, hatte ihn darauf hingewiesen, daß es in Chicago notwendig für einen Barwirt wäre, eine Waffe zu besitzen.

Aber was hätte ihm jetzt die Waffe genützt? Der Mann stand vor ihm und fixierte ihn aus kalten, bernsteinfarbenen Lichtern. Vielleicht hätte man es sich zur Gewohnheit machen sollen, abends, wenn die Schenke geschlossen wurde, mit der Waffe zur Tür zu gehen.

Aber was brachte das ein? Was hätte er, Bernard Tucker, gegen diesen Gangster machen sollen? Man braucht sich diese Type doch bloß anzusehen. Der Kerl war wahrscheinlich zu allem entschlossen.

Merkwürdig, von welcher Eiseskälte man plötzlich erfüllt war, wenn man wußte, daß es womöglich zu Ende ging. Wie anders hatte Tucker sich das doch immer vorgestellt.

Es war sein größtes Grauen. Schon seit Ende seiner Zwanziger Jahre hegte er eine unabwendbare Furcht vor dem Tod im Altersbett. Es graute ihm vor dem Gedanken, eines Tages irgendwo in einem gardinenlosen Raum mit kahlen, hohen Wänden neben anderen Sterbenden liegen zu müssen, neben Männern in den Siebzigern, die verbraucht waren und den Tod erwarteten. Er würde dann da liegen, vielleicht noch nicht so zerschlagen wie die anderen, aber doch ebenso unfähig, sich von seinem Lager zu erheben. Es war dann nichts weiter als ein Warten auf das Ende. Die letzte Station! So nannte er es bei sich. Es waren die trübsten Gedanken des Bernie Tucker. Erst Viola hatte diese dunklen Gespenster seit vielen Jahren aus seinem Hirn vertrieben. Sie hatte mit ihrer Jugend sehr viel Frische in das Leben des alternden Barbesitzers gebracht und ihn unbewußt damit verjüngt.

Aber plötzlich war der Gedanke an den Tod wieder da. Glashart und deutlich stand er vor ihm. Der Mann wird seinen Revolver ziehen und mich niederknallen.

Aber was nützt ihm das? Er muß an die Kasse. Die ist automatisch gesperrt, und wenn er das Geld haben will, dann braucht er mich dazu. Meine Kenntnis von dem Schloßmechanismus. Ein Gangster dieses Schlages weiß so etwas.

Also habe ich noch eine Chance – wenn es auch nur eine winzige ist.

Da stieß der andere ihn derb in die Seite.

»Öffnen Sie die Kasse!«

»Was soll das heißen?«

Plötzlich hatte der Eindringling einen Gegenstand in der Hand, den er blitzartig hochriß. Dicht vor den Augen des Barbesitzers gähnte das schwarze winzige Loch der Kanüle – und dahinter war ein metallener Ring, der eine kurze Glaskammer abschloß.

Eine Injektionsspritze – und ohne Zweifel mit einem tödlichen Gift gefüllt.

Tucker schluckte schwer. Er warf einen verzweifelten Blick gegen die Decke. Da verspürte er plötzlich einen stechenden Schmerz in seinem linken Fuß.

Der Verbrecher hatte ihm einen seiner schweren Schuhe auf den Fuß gesetzt.

»Keine Blicke zur Decke, Tucker, von da kommt dir keine Hilfe. Mach dir keine Hoffnungen! Los, öffne die Kasse!«

Der Barwirt stierte wie ein hypnotisiertes Kaninchen die Schlange an, die ein winziges, nadelfeines Auge hatte. Und dahinter warteten zwei Kubikzentimeter eines tödlichen Gifts.

»Wird’s bald!«

Da fiel der Bann von Bernie Tucker ab. Er nickte, wandte sich zur Seite und ging auf steifen, gefühllosen Beinen um die Theke herum. Als er die Kasse erreicht hatte, blieb er einen Augenblick stehen und warf einen Blick über die linke Schulter in das Gesicht des Banditen.

»Wer sind Sie?«

Der zischte ihn an:

»Sind Sie verrückt? Glauben Sie vielleicht, daß ich Ihnen meinen Ausweis zeigen werde? Öffnen Sie die Kasse!«

Tucker nickte wieder, und während er die Rechte nach dem Patentgriff ausstreckte, sagte er wie zu sich selbst:

»Also tatsächlich ein Überfall!«

Da nahm der Gangster den Kopf zurück und zugleich auch die Nadel, die nur um Millimeter über dem linken Wangenknochen des Barwirts geschwebt hatte.

»Sind Sie verrückt? Was fällt Ihnen ein, Mensch? Mein Name ist Tadden. Ich komme lediglich, um Sie als neues Mitglied in unser Syndikat aufzunehmen.«

Syndikat! Wie ein Faustschlag traf ihn dieses Wort. Mit einem Schlag hatte er begriffen. Das, was sich da jetzt in seinem Schankraum abspielte, war schlimmer als ein gewöhnlicher Überfall, bei dem er vielleicht sein Leben riskierte und seine heutige Tageskasse verlor. Denn »das Syndikat« war nichts anderes als der übliche Deckname für eine skrupellose Verbrecherbande, die sich das Ziel gesetzt hatte, die Schenken eines bestimmten Distrikts in gewissen Zeitabständen aufzusuchen, um da ihre Prozente zu kassieren.

Diesmal irrte Bernie Tucker sich nicht.

»Wieviel haben Sie heute eingenommen?« schnarrte Tadden, und es sah so aus, als ob er die Lippen dabei gar nicht bewegte. Tucker bemerkte, daß er die Injektionsspritze immer noch in der rechten Hand hielt. Wenn er sie jetzt auch nicht mehr neben dem Gesicht des von ihm Bedrohten schweben ließ, so befand sie sich doch immer noch in so bedrohlicher Nähe, daß neue Schweißperlen auf die Stirn des Wirtes traten.

»Ich weiß es nicht genau.«

»Sie wissen es schon genau. Bei diesen Patentkassen weiß man nach dem letzten Knopfdruck genau die Summe.«

»Ich habe sie ganz sicher gewußt, es aber nicht für wichtig genug gehalten, sie mir zu merken.«

»Öffnen!«

Die Kasse sprang auf; unten im letzten Feld leuchtete eine rote Ziffer auf: 391,60 Dollar.

Der Gangster nickte. Dann murmelte er etwas vor sich hin und schnarrte:

»Macht achtzig Dollar!«

»Wie soll ich das verstehen?« entgegnete Tucker.

»Ganz einfach. Das Syndikat verlangt zwanzig Prozent.«

»Zwanzig Prozent?«

Wieder waren die flimmernden Lichter des Gangsters vor ihm.

»Haben Sie etwas dagegen?«

»Das ist ja ungeheuer viel.«

»Finden Sie? Wir nicht. Dafür gehören Sie zum Syndikat und haben allen Nutzen, den Ihnen das Syndikat zu bieten hat.«

»Welchen – Nutzen?« wagte der Schankwirt zu fragen.

»Sie werden durch das Syndikat geschützt.«

»Vor wem?«

»Es gibt immer Dinge, vor denen man geschützt werden muß. Zum Beispiel der Staat – oder ein anderes Syndikat.«

»Aha, well, wenn es also zwanzig sind, dann haben Sie sich trotzdem geirrt, denn zwanzig Prozent von dreihunderteinund…«

»Halt’s Maul! Beim Syndikat wird immer nach oben abgerundet.«

Tucker nickte. Unsägliche Furcht hatte seine linke Körperseite regelrecht paralysiert. Er spürte förmlich die Injektionsspritze, die der andere immer noch in der angehobenen Rechten hielt.

»Los, raus mit den Bucks! Aber ein bißchen dalli!«

Tucker ließ die Kasse aufspringen, und ehe er hineingreifen konnte, hatte der andere mit der Linken einen raschen Griff hineingetan.

»Fünfzig, siebzig, achtzig. So, stimmt genau.« Mit zwei Schritten trat er zurück. »Von heute an wirst du alle vierzehn Tage mit den zwanzig Prozent um die gleiche Zeit bereit sein. Und nun noch eine Kleinigkeit«, fügte er mit plötzlich süßlicher Stimme, sehr viel leiser und fast freundlich hinzu: »Wenn es dir einfallen sollte, irgendeine Dummheit zu machen, die dem Syndikat nicht gefallen könnte, dann – du weißt ja Bescheid.« Er hob die Injektionsspritze bis über den Kragen des Barwirts. »Alles rollt ohne jeglichen Ärger ab, wenn du keinen Verrat versuchst. Zu deiner Information will ich dir noch sagen, daß deine Telefonleitung abgehört wird und daß du sowie deine Frau bewacht werden. Es hat also absolut keinen Zweck, daß du irgend etwas unternimmst; es wäre in jedem Fall dein eigenes Unglück. Vergiß nicht: heute in vierzehn Tagen. So long.« Nach diesen Worten verließ der Mann, der sich Tadden nannte, mit raschen Schritten die Schenke.

Sekundenlang stand Tucker wie versteinert da. Dann packte er plötzlich den großen bleiernen Zettelaufspießer, rannte zur Tür und riß sie auf.

Aber die Straße war leer. Bis zur Ecke war niemand zu sehen. Eine große schwarze Limousine bog vorn in die Odgen-Avenue ein und surrte lautlos über den regennassen Asphalt vorüber.

*

Drei Monate waren seit diesem Ereignis vergangen. Mit unheimlicher Pünktlichkeit stellte sich der Abgesandte des Syndikats alle vierzehn Tage ein und kassierte.

Bernie Tucker war zu dem Schluß gekommen, zu dem die meisten anderen bedrohten Schankwirte in Chicago schon längst gekommen waren: daß es keinen Zweck hatte, irgend etwas gegen das Syndikat zu unternehmen. Es hatte keinen Sinn, sich dagegen aufzulehnen oder gar zur Polizei zu rennen, denn das Syndikat hatte etliche Wirte derart bestraft, daß den anderen die Lust zu irgendwelchem Aufbegehren schnell vergangen war.

Ob das Telefon wirklich bewacht wurde, wußte Tucker nicht, aber er hatte auch keine Möglichkeit und keinen Mut, sich davon zu überzeugen.

Heute war Samstag. Es waren wegen des schlechten Wetters nicht allzu viele Gäste da, und Tucker konnte schon kurz nach eins schließen. Viola stand noch an der Theke und blickte ihn aus müden Augen an.

»Geh schon hinauf, ich komme gleich nach«, forderte er sie auf.

Die Frau blickte ihn nachdenklich an und meinte dann:

»Ich weiß, du willst bestimmt noch an der Buchhaltung arbeiten. Aber laß doch, du kannst morgen früh damit anfangen. Wir sind lange genug auf den Beinen, Bernie.«

Der Mann nickte.

»Ist gut. Geh nur, ich komme gleich. Ich will nur noch abschließen.«

Er machte sich allein daran, die Stühle auf die Tische zu stellen, weil er es sich seit einiger Zeit angewöhnt hatte, Viola so schnell wie möglich hinaufzuschicken, denn sie sah in letzter Zeit sehr blaß aus.

In dem Augenblick, in dem er auf die Tür zugehen wollte, wurde sie aufgestoßen, und ein Mann drängte sich herein.

Tadden!

Tucker erschrak bis ins Mark.

»Sie? Was wollen Sie denn?« entfuhr es ihm.

»Halt’s Maul!« herrschte ihn der Gangster an.

Wie immer schlug dem Wirt, als sich der andere an ihm vorbeigezwängt hatte, der scharfe, aufdringliche Geruch von altem Heu entgegen.

Tadden blieb gleich hinter ihm stehen, und Tucker wußte, daß er die Injektionsspritze in der rechten Hand hatte.

»Was wollen Sie?« keuchte der Wirt. »Die Zeit ist noch nicht um.«

»Doch! Sie ist um!« hechelte ihm der Gangster dicht vorm Gesicht entgegen.

Tucker schluckte.

»Was soll das heißen? Sie sind erst vor einer Woche hiergewesen.«

»Das hat sich jetzt geändert.«

»Wieso?« forschte der Wirt, wobei Angst in ihm aufstieg. Dennoch hegte er die winzige Hoffnung, daß das Syndikat den Zeitpunkt des Kassierens jetzt verlegt hatte. Aber er sollte bitter enttäuscht werden.

Der Gangster schnarrt:

»Jetzt wird wöchentlich kassiert.«

»Wöchentlich?«

»Ja, wöchentlich.«

»Aber das ist doch unmöglich.«

»Halt’s Maul! Los, zur Kasse!«

Auf müden, weichen Knien ging Tucker zur Kasse und löste die Endsummem aus.

Hundertzweiundsiebzig Dollar.

Zwanzig Prozent davon wanderten in Taddens Tasche.

Der Wirt stotterte:

»Aber das ist doch unmöglich. Sie sehen selbst, welch eine schlechte Einnahme ich trotz des Wochenendes gehabt habe. Wenn Sie jetzt jede Woche kommen, um zu kassieren, dann kann ich einpacken.«

»Was soll das heißen?«

»Bedenken Sie doch die hohe Steuer, die auf uns lastet. Die Nachtbars werden seit dem vergangenen Jahr um drei Prozent höher besteuert als vorher.«

»Uninteressant. Ich komme jetzt wie gewohnt, nur eben jede Woche.«

»Da ist unmöglich.«

Da zuckte die Spritze hoch. Ein winziger Tropfen drang aus der Kanüle. Ganz dicht vor Tuckers Gesicht. Er schluckte. Pulvertrocken war seine Kehle wieder. Scharf drang ihm der Heugeruch in die Nase.

»Was ist das?« keuchte er.

Der Verbrecher nahm die Spritze etwas herunter und hatte plötzlich wieder seinen unangenehm jovialen Ton:

»Ja, vielleicht ist es ganz gut, wenn du das weißt. Das ist nämlich Cupadin. Eine ziemlich unangenehme Sache.« Nach diesen Worten ging er zur Tür, blieb dann noch einmal stehen, wandte sich um und meinte:

»Also, du weißt Bescheid: in einer Woche! Und keine Dummheiten!« Nach diesen Worten fiel die Tür hinter ihm ins Schloß.

In dieser Nacht fand Bernard Tucker keinen Schlaf. Unruhig wälzte er sich von einer Seite auf die andere, starrte an die Decke, und immer wieder folgten seine Augen den scharfen Lichtstreifen, die die vorüberirrenden Autos über seine Zimmerdecke zeichneten. Gegen vier Uhr stand er auf, ging ins Bad, putzte sich die Zähne und schleppte sich dann hinunter. Er nahm einen roten Fire-Point aus einer dickglasigen vierkantigen Flasche, zog dann die Unterlagen für seine Buchhaltung aus einer Lade und machte sich beim Schein einer kleinen, grün abgeschirmten Lampe an die Arbeit.

Als Viola am anderen Morgen gegen neun aufstand, fand sie ihn noch über den Büchern.

»Bernie! Wie siehst du aus?«

»Wieso?« fragte er und nahm die Brille ab, die er seit einiger Zeit tragen mußte, um die Zahlen deutlich erkennen zu können.

»Ganz blaß! Du solltest zum Arzt gehen.«

Er erhob sich und trat an einen der kleinen Spiegel, die zwischen zwei Fenstern in die Wand eingelassen waren. Tatsächlich, bleierne Blässe bedeckte sein Gesicht. Er fuhr sich erschrocken durch den schweißnassen Kragen und wandte sich nach Viola um.

»Weißt du was, ich rufe sofort Doc Braddock an und frage ihn, ob du kommen könntest. Er hat bestimmt nichts dagegen«, erklärte sie besorgt.

»Nein, nein, nicht anrufen. Ich kann ja so zu ihm gehen.«

»Gut, wie du willst. Soll ich mitkommen?«

»Nein, bleib nur hier.«

Eine halbe Stunde später verließ er das Haus, ging die Straße hinunter, und als er die Ecke der Odgen-Avenue erreicht hatte, wandte er sich um.

Nicht ganz dreißig Schritt hinter ihm stand ein Mann vor der Etalage einer Bijouterie. Ein hochgewachsener Mann im Regenmantel, etwas füllig, nicht mehr der Jüngste.

War das einer vom Syndikat?

Schon gleich in der Woche nach dem ersten Besuch Taddens hatte er die Probe aufs Exempel gemacht. Er war hinausgegangen und hatte bald bemerkt, daß er tatsächlich verfolgt wurde. Wohin er auch ging, er wurde immer beschattet. Wie war das möglich? Wie konnte sich eine Bande so etwas leisten? Entweder verfügte das Syndikat über eine solche Unmenge von Leuten, daß es jedem einen Schatten nachschicken konnte, oder aber die Zahl der Opfer war so gering, daß man sie mühelos überwachen konnte.

Als er ein Stück die Odgen-Avenue hinuntergegangen war, verschwand er plötzlich in einem Hauseingang. Hastig eilte er zwei Etagen hinauf, blieb dann stehen und lauschte in den Treppengang.

Es rührte sich nichts.

Fast zwanzig Minuten harrte er in dem kühlen, unfreundlichen Haus aus und ging dann wieder hinunter. In dem Augenblick, als er auf die Straße trat, sah er den freundlichen, etwas beleibten Mann im Regenmantel drüben auf der anderen Straßenseite an einer Bushaltestelle stehen.

Kein Zweifel: Das Syndikat wachte.

Zehn Minuten später stand er vor dem Haus des Arztes.

Melvin Braddock MD, so stand es vor dem Haus des Arztes.

Melvin Braddock war ein Mann in den Vierzigern, hochgewachsen, mit angegrauten Schläfen und schütterem Haar. Er war Junggeselle und lebte auf der zweiten Etage eines verhältnismäßig neuen Hauses, wo er auch seine Praxis hatte. Eine ältliche Frau öffnete dem Schankwirt und blickte ihn unfreundlich an, als sie hörte, daß er den Arzt zu sprechen wünschte.

»Der Doktor ist sonntags nicht zu sprechen. Das sollten Sie wissen. Kommen Sie morgen wieder.« Sie wollte die Tür schließen, aber Tucker hatte seinen Fuß dazwischengesetzt.

»Augenblick, Madam, der Doktor ist ein Freund von mir.«

»Ach, das kenne ich, das sagen viele.«

Wieder wollte sie die Tür schließen.

Aber Tucker ließ sich nicht abschütteln.

»Ich muß mit ihm sprechen!«

»Was fällt Ihnen ein? Ich werde die Polizei rufen. Wie können Sie es wagen –«

»Mel!« rief Tucker da laut in den Hausgang.

Da wurde hinten die Tür des Badezimmers geöffnet, und die hohe Gestalt des Arztes trat heraus. Mit raschen Schritten kam er zur Tür.

»Was gibt’s denn? Du bist’s, Bernie? Was ist passiert? Komm rein.« Er schloß den Gürtel seines dunkelroten Bademantels und gab der Frau einen Wink, sich zu entfernen.

Schweißnaß ging Tucker vor dem Arzt her; als sie in den Wohnraum gekommen waren, sank er in einen Sessel.

»Es tut mir leid, Mel, daß ich dich störe, aber… ich muß endlich mal mit einem Menschen reden.«

»Was hast du denn?«

Tucker berichtete, was es zu berichten gab. Aufmerksam hörte der Arzt ihm zu.

»Das ist ja eine ungeheuerliche Geschichte.«

»Ja, und ich bin auch nicht gekommen, weil ich hoffte, daß du mir helfen könntest…«

»Nein, das kann ich auch nicht. Aber es ist trotzdem gut, daß du gekommen bist. Über solche Sachen muß man sich einmal aussprechen; und vielleicht ist es ganz gut, daß ich Bescheid weiß. Wie, sagtest du, roch das Zeug, das der Kerl dir unter die Nase hielt?«

»Ich weiß es nicht, aber es erinnerte mich irgendwie an einen starken Geruch von altem Heu. Wahrscheinlich ist es Blödsinn, aber es erinnerte mich einfach deshalb daran, bevor ich hier festen Fuß faßte, wie du ja weißt; da habe ich öfter bei Bauern im Heu geschlafen. Wenn das Heu ziemlich alt ist und in muffigen Räumen lagert, dann hat es diesen merkwürdigen scharfen Geruch.«

»Das ist gar nicht so falsch«, entgegnete er Arzt, und Tucker sah, daß er einen Schein blasser geworden war.

»Kennst du das Zeug etwa?«

»Ich glaube, ja. Und wenn es das ist, was ich meine, dann ist es ziemlich gefährlich. Es heißt Cupadin und…«

»Ja, genauso nannte er es, ich hatte bloß den Namen vergessen. Was ist das für ein Zeug?«

»Also, tatsächlich«, versetzte Braddock sehr ernst, »dann kann ich dich nur zu äußerster Vorsicht mahnen. Dieses Cupadin ist ein teuflisches Gift, verwandt mit dem gefürchteten Pfeilgift Curare. Sieh bloß zu, daß du mit dem Zeug nichts zu tun bekommst. Schon ein Milligramm davon bewirkt eine Art Nervenlähmung und fürchterliche Schmerzen.«

Tucker fuhr sich mit dem Mittelfinger der Rechten unbehaglich durch den auf einmal sehr eng gewordenen Kragen.

»Das ist ja scheußlich.«

Der Arzt nickte.

»Warte, ich hole dir was.«

Er kam mit einer Schachtel Tabletten zurück.

»Das sind Beruhigungspillen. Sie sind ungefährlich. Vielleicht solltest du abends hin und wieder eine nehmen. – Weiß Viola davon?«

»Kein Wort. Um Himmels willen, ich möche es nicht. Sie ist sowieso so abgearbeitet und blaß. Wenn ich daran denke, wie schön sie war…«

Melvin Braddock lächelte.

»Das ist sie immer noch, Bernie. Da kannst du beruhigt sein.«

*

Es blieb dabei; Tadden kam pünktlich jede Woche und kassierte. Wobei es nicht blieb, waren die zwanzig Prozent. Eines Tages forderte er dreißig.

Das war der Tag, an dem Tuckers Geduld riß. Er holte urplötzlich aus und versetzte dem Gangster einen Schlag, der ihn zurücktaumeln ließ und vor der Theke zu Fall brachte.

Tadden lag, auf dem rechten Ellbogen gestützt, am Boden; in der angehobenen Hand blinkte die Spritze.

Eisiger Schreck lähmte alle Glieder des Barwirtes. Er vermochte sich nicht zu bewegen. Mit geweiteten Augen starrte er auf den Verbrecher.

Der hatte den Mund zu einem winzigen Strich zusammengezogen. Viele kleine scharfe Falten zogen sich von diesem dünnen Strich ins Gesicht.

»Was hast du da gewagt, Dreckskerl!«

Plötzlich flog die kleine Spritze vorwärts und blieb im linken Wadenmuskel des Wirtes stecken. Selbst durch den starken Stoff der Tweedhose hatte sie sich ihren Weg in die Haut des Getroffenen gebahnt. Der Schmerz war nur winzig, und Tucker wäre auch gar nicht in der Lage gewesen, einen Schrei auszustoßen. Zu sehr war er noch vom Schreck benommen.

Tadden erhob sich, kam blitzschnell heran und zog die Spritze zurück.

»Wenn du Glück hast, hast du nur wenig abbekommen, andernfalls steht dir einiges bevor. So, und jetzt kommen wir zur Sache.«

Als er sah, daß Tucker auf einmal vor Schmerz das Gesicht verzog, in sich zusammensank und den Kopf hart gegen die Rückwand der Theke stieß, trat der Gangster kaltblütig an die Kasse, tippte die rote Leuchtzahl der Schlußsumme selbst und kassierte mit eisiger Ruhe dreißig Prozent. Während er um die Theke herumging und sich dem Ausgang näherte, sagte er leutselig:

»Es ist ganz gut, daß du jetzt mal Erfahrung mit der Antwort des Syndikats auf Ungehorsam machst. Verhalte dich ruhig, dann wird das Gift am wenigsten Gewalt über dich gewinnen. Es wird ein paar Krämpfe geben, und nach ein paar Stunden kannst du mit Besserung rechnen. Wenn du etwas mehr davon abbekommen hast, mußt du mit ein, zwei Tagen rechnen. Es geht eben nicht anders. Und denk daran: halt’s Maul! Sonst geht’s dir schlecht, noch sehr viel schlechter als jetzt. Und übrigens: wenn dir irgend etwas an deiner Frau liegt, dann hältst du dein Maul eisern dicht. Ist das klar?« Lautlos verschwand der Gangster aus der Schenke.

Dreieinhalb Stunden wurde der Schankwirt von fürchterlichen Krämpfen gepeinigt, aber er wagte nicht, einen Arzt zu rufen. Ratlos stand Viola an seinem Bett. Er hatte ihr befohlen, nichts zu unternehmen.

»Ich verstehe dich nicht, Bernie«, sagte sie, als der Morgen zu grauen begann. »Braddock würde doch sofort kommen. Er ist doch mit uns befreundet.«

»Du bleibst hier!«

»Ich könnte ja telefonisch…«

»Du rührst mir das Telefon nicht an!«

»Aber, um Himmels willen, was ist denn geschehen?« stammelte die Frau.

»Sei still!«

Es war die fürchterlichste Nacht seines Lebens. Niemals zuvor hatte er ähnliche Qualen durchzustehen gehabt. Am nächsten Morgen schien alles vorüber zu sein. Als er sich dann aber erhob und aufstehen wollte, spürte er, daß sein linkes Bein, sein linker Arm, überhaupt seine ganze linke Körperhälfte einschließlich der Gesichtsmuskeln wie taub waren.

Es dauerte Tage, bis er die Nachwirkungen des teuflischen Lähmungsgiftes überwunden hatte. Das Syndikat hatte ihm einen Denkzettel erteilt.

Es waren keine feinen Mittel, die das Syndikat einsetzte. Diese Organisation war in nichts zu vergleichen mit dem legendären Al Capone – und dennoch gefährlich. Der Gangsterkönig selbst ließ andere im Trüben fischen. Sie alle konnten ihm nicht das Wasser reichen, aber irgendwann einmal nützlich für ihn sein. Al Capone würde das Gangstertum zur vollen Meisterschaft bringen; ein Künstler, der ein Gangster war. Fast vornehm hielt er sich einstweilen noch zurück. Aber er war schon bereit für die ganz große Nummer, der Alfonso Capone…

*

Woche für Woche stellte sich der Gangster Joseph Tadden mit größter Pünktlichkeit ein, um die dreißig Prozent für das Syndikat zu kassieren. Der Sommer kam und verging, und der Herbst schlich vorüber. Es war an einem trüben Winterabend, als der untersetzte Mann vom Syndikat plötzlich unerwartet nach Feierabend in der Tür erschien.

»Morgen ist doch erst der Tag«, entfuhr es dem Wirt.

»Richtig. Aber der Tag wird jetzt verlegt. Ich werde jetzt immer einen Tag früher kommen.«

»Weshalb?« Sofort nachdem er diese Frage ausgesprochen hatte, wurde Tucker klar, wie unsinnig sie war. Aber wenn er geglaubt hatte, daß es nur um eine Verlegung des Kassiertages ging, so wurde er erneut schwer enttäuscht. Diesmal sogar besonders schwer, dann Tadden erklärte mit rauher Stimme:

»Das Syndikat muß jetzt vierzig Prozent kassieren.«

»Vierzig? – Sind Sie wahnsinnig, Tadden? Das kann nicht Ihr Ernst sein! Nein, nein, das glaube ich Ihnen nicht.«

»So?«

»Ich habe Sie im Verdacht, Tadden, daß Sie das Syndikat betrügen wollen.«

Er war nicht mehr zurückzunehmen, der Satz, den er da ausgesprochen hatte, und der Gangster maß ihn aus ganz schmalen Augen. In seiner rechten Hand blinkten die beiden Metallkappen der Injektionsspritze. Ein Lichtstreifen zuckte über die Kanüle. Langsam, wie ein Raubtier, kam der Bandit näher.

Der Wirt wich zurück. Seine linke Hand umspannte instinktiv eine Stuhllehne.

»Mach dich nicht lächerlich, Tucker. Ehe du den Stuhl angehoben hast, habe ich dir die Spritze ins Gesicht geworfen; und was dir dann blüht, das kannst du dir vorstellen.«

»Verdammtes Schwein!«

Eine verächtliche Lache brach von dem dünnlippigen Mund des Verbrechers.

»Stell dich nicht an, du wirst es verschmerzen können.«

»Nein, das kann ich eben nicht!«

»So, und weshalb nicht?«

»Weil ich das Geld ganz einfach nicht mehr habe.«

»Mach dich doch nicht mausig, Mensch. Wir wissen genau, daß dir der Laden gehört.«

»So? Dann wißt ihr mehr als ich. Ich habe zwar einen Teil der Kaufsumme selbst aufgebracht, aber ich habe zweiundsiebzigtausend Dollar dazu aufnehmen müssen. Wenn ihr es nicht glaubt, könnt ihr euch bei der Bank of Illinois erkundigen. Sie liegt unten in der Waterloo Street. Schätze, daß euer Boß sie kennen wird.«

»Wie dem auch sei; es ändert nichts an der Tatsache, daß das Syndikat vierzig Prozent kassiert. Alles andere geht mich nichts an.«

»Das kann ich mir denken. Es geht Sie nichts an, weil Sie die Sorgen ja nicht zu tragen haben…«

Es blieb dabei: Vierzig Prozent! Das Syndikat hatte in einem knappen Jahr einen Würgegriff um seine Opfer gelegt, der den Betroffenen die Luft abzuschnüren drohte. Vierzig Prozent, das war bei den meisten schon ein gewaltiger Schlag, bei einigen von ihnen fast tödlich. Denn nicht alle, die von dem Syndikat erpreßt und bedroht wurden, waren in der Lage, einen solchen Prozentsatz zu zahlen. Die vierzig Prozent gingen ja nicht etwa vom Reingewinn ab, sondern von der eingenommenen Summe; und das Syndikat hatte mit der Zeit herausgefunden, welches die besten Tage für die einzelnen Kunden waren.

So war es im »Hold in« Bernie Tuckers nicht etwa der Samstag, sondern der Dienstagabend. Mit großer Genauigkeit hatte das Syndikat das studiert. An diesem Tage wurden regelmäßig zwischen vier- und fünfhundert Dollar in der Bar eingenommen. Für eine so kleine Schenke war der Betrag immerhin nicht unerheblich. Und vierzig Prozent davon – das war mehr, als Tucker im Durchschnitt in der ganzen Woche erübrigen konnte.

Hinzu kam die Befürchtung, daß der Würgegriff des Syndikats sich noch verschärfen würde.

Wieder war ein Dienstagabend herangekommen. Der Tag war kalt gewesen, und draußen rieselte feiner Schnee, dessen Flocken einen wirbelnden Tanz um die Straßenlaternen vollführten.

Es war ein schlechter Tag gewesen für die Hold in-Bar. Mit verkrampftem Gesicht stand der Wirt hinter der Theke und blickte zur Tür. Es war wenige Minuten vor zwei. Der letzte Gast hatte eben die Schenke verlassen.

Plötzlich stürmte der Wirt vorwärts und schlug die Tür ins Schloß. Er warf die beiden Riegel vor und lehnte sich gegen den Türrahmen. Den Kopf zurückgelegt, atmete er tief ein.

Dann spannte sich seine rechte Hand um den Griff des Stiletts, das er sich vor wenigen Stunden gekauft hatte. Er glaubte ganz sicher zu sein, daß ihn niemand beobachtet hatte, als er wie ein Irrer durch das Warenhaus geflüchtet und seinem Bewacher entkommen war, um in einer Nebengasse in einem Waffengeschäft das italienische Stilett für sieben Dollar zu erstehen.

»Es ist dein Glück, Junge, daß du nicht gekommen bist, du hättest den heutigen Tag nicht überlebt«, flüsterte er vor sich hin.