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Andreas May, Senta May, Nils Goltermann

Schlichtung in der wirtschaftsrechtlichen Praxis

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© Wolfgang Metzner Verlag, Frankfurt am Main 2018

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eISBN 978-3-96117-029-6

Druck und Einband Hubert & Co., Göttingen

Printed in Germany

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Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Zitiervorschlag:
May/May/Goltermann, Schlichtung in der
wirtschaftsrechtlichen Praxis, Rn. 23

Inhalt

Vorwort

Teil 1: Grundlagen

A.Begriffsbestimmung Schlichtung

I.Der Oberbegriff der ADR

II.Eigenschaften der Schlichtung

III.Grundtypen der Schlichtung

B.Abgrenzung von anderen ADR-Verfahren

I.Mediation

II.Schiedsgerichtsverfahren

III.Schiedsgutachterverfahren

IV.Schlichtungsähnliche Verfahren im englischsprachigen Raum

C.Gesetzliche Grundlagen

I.Landesschlichtungsgesetze

II.Verbraucherstreitbeilegungsgesetz

III.Anwendbarkeit des Mediationsgesetzes

D.Grundprinzipien der Schlichtung

I.Neutralität des Schlichters

II.Freiwilligkeit

III.Vertraulichkeit

IV.Eigenverantwortlichkeit

E.Voraussetzungen und Inhalt des Einigungsvorschlages

I.Auf Wunsch der Parteien

II.Unverbindlichkeit

III.Maßstäbe für den Einigungsvorschlag

F.Vorteile und Auseinandersetzung mit Vorbehalten

I.Vorteile

II.Auseinandersetzung mit Vorbehalten

G.Anwendungsbereiche

I.Schlichtung allgemein

II.Fokussierung auf wirtschaftsrechtliche Konflikte

H.Praktisches Bedürfnis nach Schlichtung in wirtschaftsrechtlichen Konflikten

I.Unternehmerischer Nutzen

II.Objektivierung durch neutrale Instanz

III.Teilen von Verantwortung

IV.Dokumentation der Entscheidungsfindung

V.Rechtfertigung vor Gremien und Anteilseignern

Teil 2: Der Weg in die Schlichtung

A.Möglichkeiten der Verfahrenseinleitung

I.Ad-hoc-Vereinbarung

II.Schlichtungsklausel

III.Güteantrag

IV.Übergang von Mediation in Schlichtung

V.Sonstige Arten der Verfahrenseinleitung

B.Schlichtung als Rechtsdienstleistung

C.Auswahl des Schlichters

I.Mögliche Schlichter/Schlichtungspersonen

II.Auswahlverfahren

III.Qualifikation, Kompetenzen, Eignung des Schlichters

IV.Mehrere Schlichter/Co-Schlichtung

D.Sicherung der Neutralität

I.Offenbarungspflichten

II.Tätigkeitsbeschränkungen des Schlichters

E.Wirkungen der Verfahrenseinleitung

I.Verjährungshemmung

II.Unzulässigkeit/Ruhen eines gerichtlichen Verfahren

F.Vertrag zur Durchführung der Schlichtung

I.Vertragsparteien

II.Rechtsnatur des Vertrages

III.Typische Elemente

IV.Vergütung des Schlichters

V.Hinweise zur Vertragsgestaltung

G.Schlichtungsklausel

I.Zweck und Form

II.Typische Elemente

III.AGB-Kontrolle

IV.Kombinationsklauseln

H.Anerkannte Gütestellen und Güteanträge

I.Gütestellen

II.Verjährungshemmung

III.Schlichtungsverfahren bei Einverständnis des Antragsgegners

Teil 3: Die Durchführung der Schlichtung

A.Aufgaben des Schlichters

B.Verschwiegenheitspflicht

C.Vertraulichkeit

D.Verfahrensablauf

I.Ablauf und Phasen der Schlichtung

II.Vorbereitung

III.Konfliktbearbeitung

IV.Beendigung des Verfahrens

E.Gestaltung der Schlichtungsverhandlungen

I.Zeitlich

II.Örtlich

III.Teilnehmerkreis

IV.Verhandlungsstil

V.Protokollierung

F.Einzelgespräche/Shuttle-Schlichtung

I.Sinnhaftigkeit

II.Praktische Hinweise

G.Wechsel zwischen Schlichtung und Mediation

H.Zeitpunkt, Form und Kommunikation des Einigungsvorschlages

I.Der richtige Zeitpunkt

II.Die richtige Form

III.Kommunikation des Einigungsvorschlages

I.Wirksamkeit und Vollstreckbarkeit der Einigung

I.Wirksamkeit des Einigungsvertrages

II.Vollstreckbarkeit

J.Haftung des Schlichters

K.Rolle und Einsatzmöglichkeiten von Rechtsanwälten in Schlichtungsverfahren

I.Verfahrensauswahl

II.Klärung der Teilnahmebereitschaft der Parteien

III.Mitwirkung an Auswahl des Schlichters und Auftragsklärung

IV.Anwaltliche Begleitung in Schlichtungen

V.Mitwirkung an der Formulierung der Einigung

Teil 4: Projektbegleitende Schlichtung

A.Präventionswirkung des projektbegleitenden Konfliktmanagements

B.Schlichtung als Form des projektbegleitenden Konfliktmanagements

C.Ausgestaltung der projektbegleitenden Schlichtung

Anhang: Muster-Schlichtungsvertrag

Literaturverzeichnis

Sachverzeichnis

Vorwort

Konflikte gehören zum Menschsein dazu und sind auch aus dem Wirtschaftsleben nicht hinwegzudenken, wenngleich ihre Existenz manchmal verdrängt oder geleugnet wird. Der Umgang mit Konflikten verändert sich. In entwickelten Gesellschaften ist Gewalt nicht das Mittel der Wahl. Aber auch die Streitentscheidung durch Gerichte, so wichtig eine funktionierende Justiz für ein Gemeinwesen ist, stellt nicht immer die beste Art der Konfliktlösung dar. Wie viele Menschen verlassen einen Gerichtssaal wirklich zufrieden? Selbst der scheinbare Sieger hat in einem Rechtsstreit meist etwas verloren, sei es Zeit, sei es die Belastung oder Zerstörung persönlicher oder geschäftlicher Beziehungen, sei es Geld, das nicht über die Kostenerstattung ersetzt wird, oder Energie, die an anderer Stelle besser und gewinnbringender hätte eingesetzt werden können. Aus diesem Grunde setzt auch im Wirtschaftsleben ein Wandel der Konfliktkultur ein. Die selbstbestimmte Konfliktlösung mit Hilfe hierfür besonders qualifizierter Mittler ist eine Alternative geworden, die mehr und mehr auch in der Wirtschaft ankommt.

Warum ein Buch über Wirtschaftsschlichtung? In welchem Verhältnis steht sie zur Mediation, die ja schon ein verbreitetes Verfahren ist, wenn es um außergerichtliche Konfliktlösung geht? Indem die Interessen und Bedürfnisse hinter den Positionen sichtbar gemacht werden, sind in Mediationen Einigungen in einer Weise möglich, die in einem Rechtsstreit undenkbar wären. Die Mediation ist in vielen Fällen, insbesondere wenn persönliche Beziehungen involviert sind, ein sehr gutes und wirkungsvolles Verfahren. Sie kann jedoch an Grenzen stoßen, wenn die Parteien mehr brauchen als eine kommunikative Unterstützung und Öffnung für sinnvolle Lösungen. Insbesondere im Wirtschaftsleben wird oft eine neutrale Bewertung der unterschiedlichen Standpunkte gewünscht, um eine gut vertretbare Einigung zu erzielen. Die sachliche Kompetenz eines Mittlers, der aufgrund seiner Neutralität noch nicht auf ein bestimmtes Ergebnis festgelegt ist, kann durch eine wohlbegründete unverbindliche Empfehlung bei der Lösungsfindung helfen. Nicht selten geht es in Unternehmen und Institutionen auch darum, dass Verhandlungsführer eine von ihnen befürwortete Einigung rechtfertigen müssen. Vorgesetzte, Gremien, Revisionsabteilungen und Rechnungshöfe seien beispielhaft genannt als Stellen, vor denen eine Legitimation der verhandelten Einigung wichtig sein kann. Diese Legitimationswirkung kann ein Schlichter im Gegensatz zu einem Mediator bieten. Dieses Buch hat insbesondere wirtschaftsrechtliche Auseinandersetzungen zwischen Unternehmen oder auf Gesellschafterebene im Fokus. Hier bietet die Schlichtung ein Verfahren, das oft noch besser passt als eine Mediation. Andererseits hat die Mediation viele Vorteile, die ungenutzt blieben, wenn der Schlichter sich im Wesentlichen auf eine sachliche Empfehlung in Form seines Schlichterspruchs beschränken würde. Ideal erscheint daher eine Kombination unter Einsatz von Elementen beider Verfahren in den Fällen, in denen eine Mediation an Grenzen stößt. Das ganze Potential der Schlichtung kann ausgeschöpft werden, wenn der Schlichter Mediationskompetenz hat, das Verfahren unter Einsatz von Mediationselementen gestaltet und es dann, wenn eine Einigung durch reines Verhandeln nicht gelingt, um einen Einigungsvorschlag anreichert. Diese Form der Schlichtung ist eine Möglichkeit, die aus Sicht der Verfasser empfehlenswert ist und mehr und mehr genutzt werden sollte. Diese von uns als »Schlichtung plus« bezeichnete Verfahrensart bietet in sehr vielen Fällen eine Chance, die im Fokus dieses Buches stehenden Konflikte auf eine effizientere und selbstbestimmtere Art und Weise zu lösen als die herkömmlichen streitigen Methoden.

Um die außergerichtliche Konfliktlösung in der Wirtschaft noch stärker zu etablieren, ist es uns ein Anliegen, ergänzend zu der derzeit bekannteren Mediation auch die Schlichtung mit ihren ganz besonderen Möglichkeiten und Chancen ins Bewusstsein zu rücken. Auf diese Weise möchten wir dazu beitragen, die Angebotspalette der alternativen Konfliktlösung zu erweitern und das Verständnis dafür zu schärfen, welches Verfahren für den jeweiligen Konflikt am besten geeignet ist. Wir sehen ein großes praktisches Bedürfnis sowohl für die Mediation als auch für die Schlichtung als Möglichkeiten des professionellen Umgangs mit wirtschaftsrechtlichen Konflikten. Während die Mediation, nicht zuletzt nach Einführung des Mediationsgesetzes, in der Fachliteratur schon reichlich Beachtung gefunden hat, ist speziell über die Wirtschaftsschlichtung bisher noch wenig geschrieben worden. Die aus Sicht der Verfasser insoweit bestehende Lücke soll dieses Buch schließen und den interessierten Wirtschaftskreisen einen Einblick in die Praxis der Wirtschaftsschlichtung vermitteln. Wenn dieses Buch die Berater und Entscheider in der Wirtschaft dazu anregt, neue Wege der Konfliktlösung in Erwägung zu ziehen, erfüllt es seinen Zweck.

Frankfurt am Main/Berlin im Juli 2018

Andreas May Senta May Nils Goltermann

Teil 1: Grundlagen

A. Begriffsbestimmung Schlichtung

1

Schlichtung ist ein Begriff, der im Alltag häufig verwendet wird. Seine genaue Bedeutung als Konfliktlösungsmechanismus ist jedoch wenig bekannt. Selbst in Diskussionen mit wirtschaftsrechtlichen Beratern und sogar mit professionellen Konfliktlösern zeigt sich immer wieder, dass ihnen beispielsweise die Unterschiede zwischen Mediation und Schlichtung nicht bewusst sind. Unklarheiten entstehen insbesondere durch den uneinheitlichen Wortgebrauch. So wird Schlichtung teilweise als Oberbegriff für verschiedene Methoden der außergerichtlichen Streitbeilegung (»schlichten statt richten«1) oder aber synonym mit der Mediation verwendet. Beides lässt den wahren Gehalt der Schlichtung im Unklaren. Dies erschwert für alle Konfliktbeteiligten die Wahl des richtigen Verfahrens und dessen ordnungsgemäße Durchführung. Die Schlichtung ist eines mehrerer Verfahren der alternativen Streitbeilegung. Zunächst werden wir daher der Oberbegriff der Alternative Dispute Resolution (ADR) vorstellen. Er umfasst alle Verfahren der alternativen Streitbeilegung. Sodann werden wir die Eigenschaften der Schlichtung herausarbeiten sowie eine Abgrenzung zu anderen ADR-Verfahren vornehmen.

I. Der Oberbegriff der ADR

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Alle Verfahren der alternativen Streitbeilegung, häufiger auch als Alternative Dispute Resolution (ADR) bezeichnet, haben gemein, dass sie eine Einigung außerhalb der staatlichen Gerichtsbarkeit mithilfe eines neutralen Dritten anstreben.2 Die Einigung durch Mittler geht historisch gesehen weit zurück und findet sich in allen Kulturen, Religionen und Gesellschaften.3 Das Konzept der ADR ist jedoch Ausdruck einer systematischeren Verwendung von Mechanismen der alternativen Streitbeilegung. Es fand seinen Ursprung in den USA in den 1960 er Jahren. Hintergrund war die Überlastung der staatlichen Gerichte und die mit einem Gerichtsprozess verbundenen Kosten und Risiken, aber auch der Gedanke, dass rechtliche Streitigkeiten auf andere Weise womöglich nachhaltiger beigelegt werden könnten.4 Auch in Europa gewann die Idee schnell an Bedeutung. Die Entwicklung der ADR ist symptomatisch für ein gewandeltes Verständnis der Rechtspflege nicht mehr als bloßes Streitentscheidungs-, sondern auch als Streitbehandlungssystem.5 Teilweise wird mit der Abkürzung ADR auch die Idee der Appropriate Dispute Resolution, der angemessenen Streitbeilegung verbunden. Das soll verdeutlichen, dass es eben nicht ein richtiges Verfahren für alle Situation gibt, sondern die passende Form der Streitbeilegung je nach Art des Konfliktes und Parteiinteressen unterschiedlich zu beurteilen ist.6

3

Zu den Verfahren der alternativen Streitbeilegung zählen in Deutschland insbesondere die Schiedsgerichtsbarkeit, das Schiedsgutachten, die Schlichtung und die Mediation. Darüber hinaus existieren jedoch viele weitere Verfahrensformen sowie hybride Verfahren, welche verschiedene Streitbeilegungsmechanismen kombinieren. Vor allem in den USA ist die alternative Streitbeilegung weit verbreitet. Die ADR hebt sich von der staatlichen Gerichtsbarkeit vor allem dadurch ab, dass die Parteien in erhöhtem Maße selbst die Kontrolle über das Streitbeilegungsverfahren haben. Dies gilt insbesondere für die Mediation, in abgestufter Form aber auch für die anderen Verfahrensarten. Zur Veranschaulichung kann man sich die ADR-Verfahren auf einer Skala vorstellen.

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Skala der ADR-Verfahren

An einem Ende der Skala befindet sich die Mediation und am anderen Ende die Schiedsgerichtsbarkeit.7 Bei der Mediation gelangen die Parteien weitestgehend selbstständig zu einer Lösung. Schiedsgerichtsverfahren und Schiedsgutachten hingegen enden mit einer verbindlichen Entscheidung des neutralen Dritten und weisen bereits starke Ähnlichkeit zum staatlichen Gerichtsverfahren auf.8 Eine Abstufung findet sich auch in Bezug auf die Anwendung rechtlicher Maßstäbe. Das Mediationsverfahren ist primär an den Parteiinteressen ausgerichtet. Es nimmt die rechtliche Einordnung des Konflikts lediglich als Orientierungshilfe. Die Schiedsgerichtsbarkeit auf der anderen Seite fußt ausschließlich auf der Anwendung des geltenden Rechts. Diese Verfahren werden zu einem späteren Zeitpunkt noch Gegenstand dieses Kapitels sein. Kommen wir jedoch zuerst zur Einordnung der Schlichtung.9

II. Eigenschaften der Schlichtung

4

Die Schlichtung ist zwischen den beiden Polen der Mediation und der Schiedsgerichtsbarkeit anzusiedeln.10 Jedenfalls in der hier präferierten Ausgestaltung, die nachstehend näher beschrieben wird, überwiegen die Gemeinsamkeiten mit der Mediation. Die Schlichtung ist jedoch in ihrer Durchführung durchaus flexibel und kann sich je nach Ausgestaltung des Verfahrens mehr dem einen oder dem anderen Pol annähern. Grundsätzlich zeichnet sie sich vor allem dadurch aus, dass der neutrale Dritte nicht nur wie der Mediator das Streitgespräch zwischen den Parteien moderiert, sondern wie der Schiedsrichter bei Bedarf auch bewertet, wie der Konflikt aus seiner Sicht beizulegen wäre. Diese Bewertung findet in der Regel Ausdruck in einem Einigungsvorschlag (oft auch Schlichterspruch genannt), jedenfalls dann, wenn die Parteien sich im Schlichtungsverfahren nicht selbst einigen können. Aber auch dann, wenn letztlich kein Einigungsvorschlag unterbreitet wird, reicht bereits die konkrete Möglichkeit, um das Verfahren als Schlichtung zu charakterisieren.11

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Anders als der sogenannte Schiedsspruch beim Schiedsgerichtsverfahren ist der Schlichterspruch für die Parteien nicht bindend. Es steht ihnen frei, die vorgeschlagene Lösung anzunehmen oder abzulehnen. Nur bei Annahme des Lösungsvorschlages kommt es zu einer verbindlichen Einigung. Der Schlichterspruch kann sodann die Basis für den Abschluss eines Vergleichsvertrages bilden. Somit bleibt es den Parteien vorbehalten, ob sie sich rechtlich an den Vorschlag des Schlichters binden wollen. Sie behalten selbst die Kontrolle über das Verfahren. Gleichzeitig profitieren sie von der Einschätzung eines unparteiischen Dritten. Da es vom Willen der Parteien abhängt, ob eine Einigung erzielt wird, ist das Verfahren darauf ausgerichtet, Konsens zwischen den Streitenden herzustellen. Dies fördert der Schlichter in der Regel, indem er die Kommunikation zwischen den Parteien ermutigt und unterstützt.

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Der Schlichter wird in den meisten Fällen von den Parteien selbst ausgewählt. Bei der Auswahl des Schlichters spielt häufig eine gewisse fachliche Expertise auf dem Streitgebiet sowie persönliche Autorität eine Rolle.12 Dies müssen jedoch nicht die einzigen Kriterien sein. Wie der Begriff Schlichtung bereits nahelegt, ist auch die Vermittlung und Aussöhnung zwischen den Parteien ein zentrales Element. Dementsprechend ist auch die Fähigkeit und Bereitschaft, in einem Streit zu vermitteln, bei der Auswahl des Schlichters von Belang. In der Regel orientiert sich der Schlichter für seine Bewertung an rechtlichen Maßstäben und an möglichen Prozessrisiken. Auf Wunsch der Parteien können aber auch andere Maßstäbe angewendet werden. Dies ermöglicht die Anpassung der Schlichtung an den konkreten Konflikt und die damit einhergehenden individuellen Bedürfnisse.

7

Die Kosten für die Schlichtung werden meist von den Parteien gemeinsam getragen. Kommt es zu keiner Einigung, kann weiterhin der Weg zu den staatlichen Gerichten beschritten werden. In der überwiegenden Anzahl der Fälle wird jedoch der Lösungsvorschlag des Schlichters angenommen und das Verfahren endet einvernehmlich.

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Die Schlichtung nimmt in Deutschland sehr verschiedene Formen an. Teilweise ist sie gesetzlich geregelt. So normiert z. B. § 15a EGZPO die obligatorische Schlichtung bei vor den Ländern eingerichteten Gütestellen. Verfahren vor privaten oder behördlichen Verbraucherschlichtungsstellen richten sich nach dem Verbraucherstreitbeilegungsgesetz (VSBG). Darüber hinaus ist die Schlichtung aber auch basierend auf privater Vereinbarung vielfältig einsetzbar. Je nach Streitgegenstand und Parteiwünschen kann die Schlichtung in ihrer Schwerpunktsetzung variieren. Sie kann einerseits vor allem auf eine schnelle Einigung ausgelegt sein. Andererseits kann sie aber ein besonderes Augenmerk auf die Aufarbeitung des Konflikts und die Versöhnung der Parteien richten. Dementsprechend unterschiedlich gestaltet sich auch der Verfahrensablauf. Alle diese Varianten der Schlichtung haben gemeinsam, dass sie den Konflikt deeskalieren, auf eine einvernehmliche Lösung hinwirken und den Parteien den Weg zum Gericht ersparen sollen. Der Einigungsvorschlag des Schlichters wirkt hierfür insofern als Antrieb, dass er den Parteien verdeutlicht, welche Erwartungen sie realistischerweise an die Gegenseite haben können. Zudem hat der Vorschlag von neutraler, fachkundiger Stelle meist eine gewisse Autorität, welche die Einigung ebenfalls fördert.

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Anhand der soeben beschriebenen Merkmale lässt sich ein allgemein gültiger Begriff der Schlichtung zusammenfassend folgendermaßen definieren:

Definition: Die Schlichtung ist ein Verfahren, in dem die Parteien mit Hilfe eines neutralen Dritten (Schlichter) eine gütliche Einigung anstreben und die konkrete Möglichkeit eines nicht bindenden Einigungsvorschlages durch den Dritten vorgesehen ist.

III. Grundtypen der Schlichtung

10

Die Schlichtung kann verschiedene Formen annehmen. Über die Art der Durchführung lassen sich daher wenig allgemeingültige Aussagen machen. Die Schlichtung läuft je nach Anwendungsbereich und Parteipräferenzen auf unterschiedliche Weise ab. Um dennoch Orientierung zu bieten, wird in diesem Kapitel die Schlichtung zunächst in zwei Grundtypen eingeteilt.

1. Schlichtung pur

11

Der erste Schlichtungstyp soll hier »Schlichtung pur« genannt werden. Er bildet das Grundmodell. Dieser Schlichtungstyp erfüllt lediglich die in der allgemein gültigen Definition enthaltenen Mindestvoraussetzungen, welche nötig sind, um ein Verfahren begrifflich eine Schlichtung nennen zu können. Nach der Definition der Schlichtung genügt hierfür die konkrete Möglichkeit eines nicht bindenden Einigungsvorschlages durch einen neutralen Dritten. Ein solcher Vorschlag kann selbst ohne vorausgehende Verhandlungen mit den Konfliktparteien, oder auch fernmündlich erfolgen. Eine Erforschung und Erörterung der tiefer liegenden Konfliktgründe und Parteiinteressen steht bei dieser schlankeren Form der Schlichtung nicht im Vordergrund. Die Schlichtung pur kann in hierfür geeigneten Fällen als schneller Konfliktlösungsmechanismus dienen. Ihr fehlt es aber an Tiefgang und sie nutzt nicht die kommunikativen Möglichkeiten, wie sie etwa in einer Mediation zum Einsatz kommen. Sie weist kaum Ähnlichkeit zur Mediation auf. Auf der Skala der ADR-Verfahren findet sich dieser Schlichtungstyp näher an der Schiedsgerichtsbarkeit, mit dem Unterschied, dass die vorgeschlagene Lösung ohne Zustimmung der Parteien nicht bindend wird.

2. Schlichtung plus

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Der zweite Typ der Schlichtung soll hier »Schlichtung plus« genannt werden. Auf der Skala der ADR-Verfahren ist dieser Schlichtungstyp näher an der Mediation. Die Schlichtung plus erfüllt wie die Schlichtung pur alle Mindestvoraussetzungen des allgemein gültigen Schlichtungsbegriffs. Es kommt aber noch etwas Wesentliches hinzu. Das »plus« bezieht sich darauf, dass zusätzlich zur einfachen Schlichtung auch Elemente der Mediation verwendet werden (Schlichtung pur plus Mediationselemente). Diese Elemente können insbesondere Kommunikations- und Verhandlungstechniken (»Tools«) eines Mediators als auch in Mediationen übliche Verfahrensweisen und -strukturen sein. Die Schlichtung plus nutzt die Errungenschaften und Vorzüge der Mediation und ergänzt sie durch die konkrete Möglichkeit eines Einigungsvorschlages. Insofern ließe sich das Verfahren umgekehrt auch als »Mediation plus« (Mediation plus Einigungsvorschlag) bezeichnen.13 Da aber der Einigungsvorschlag dazu führt, dass das Verfahren keine Mediation mehr ist, ist die Bezeichnung »Mediation plus« missverständlich. Deshalb wird der Bezeichnung »Schlichtung plus« der Vorzug gegeben.

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Zentraler Bestandteil des Verfahrens ist die Erforschung der Parteiinteressen und die Ermöglichung von konstruktiver Kommunikation. Die Schlichtung plus geht der Konfliktursache auf den Grund, anstatt nur an ihrer Oberfläche zu kratzen. Angestrebt wird dadurch eine nachhaltige Konfliktbeilegung. Wie bei der Mediation liegt die Betonung auf der Eigenverantwortlichkeit der Parteien. Dennoch bringt sich der Schlichter aktiv in das Verfahren ein. Hier erkennt man Parallelen zur evaluativen Mediation, welche an anderer Stelle noch thematisiert wird.14 Auch die im Mediationsgesetz betonten Eigenschaften der Strukturiertheit und Vertraulichkeit des Verfahrens werden bei der Schlichtung plus übernommen. Der Aspekt, welcher das Verfahren letztlich doch zur Schlichtung macht, ist der mögliche Einigungsvorschlag. Auf diese Weise können auch solche Konflikte erfolgreich beigelegt werden, bei denen die Parteien es nicht vermögen, selbst eine Lösung zu finden.

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Diese Form der Schlichtung ist nach unserer Ansicht die vorzugswürdige. Gegenüber der einfachen Schlichtung pur ist die ausgefeilte Form der Schlichtung plus vielseitiger und wirkungsvoller. Professionell geleitete Schlichtungen werden in der Wirtschaftspraxis in aller Regel in dieser Form durchgeführt. Sie ermöglicht es, die Vorteile der Schlichtung mit denen der Mediation zu vereinen. Das Ergebnis ist ein Verfahren mit großem Potential für die eigenverantwortliche, einvernehmliche Konfliktbeilegung.

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Auf der Basis der vorgestellten allgemeinen Begriffsbestimmung für Schlichtungen kann die hier propagierte Schlichtung plus wie folgt definiert werden:

Definition: Die Schlichtung plus ist ein mediationsähnliches vertrauliches und strukturiertes Verfahren, in dem die Parteien mit Hilfe eines neutralen Dritten (Schlichter mit Mediationskompetenz) eine gütliche Einigung anstreben und die konkrete Möglichkeit eines nicht bindenden Einigungsvorschlages durch den Dritten vorgesehen ist.

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Dieses Buch ist für die wirtschaftsrechtliche Praxis geschrieben. Es hat vor allem die im Wirtschaftsleben bewährte Schlichtung plus mit ihrem Potential für die Lösung von wirtschaftsrechtlichen Konflikten im Auge. Insbesondere wenn in diesem Buch die Durchführung der Schlichtung thematisiert wird, ohne ausdrücklich auf die Schlichtung pur Bezug zu nehmen, ist daher die besonders zu empfehlende Form der Schlichtung plus gemeint.

B. Abgrenzung von anderen ADR-Verfahren

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Damit der Schlichtungsbegriff noch schärfere Konturen bekommt, muss das Verfahren von anderen ADR-Verfahren abgegrenzt werden. Dabei ist die Diskussion um die Wahl der Bezeichnung keineswegs rein akademischer Natur. Für die am Konflikt Beteiligten ist es entscheidend, dass sie anhand der verschiedenen Begriffe die Verfahren genau unterscheiden und das für sie passende Verfahren wählen können. Nur so ist eine umfassende und nachhaltige Konfliktbeilegung gewährleistet.

18

Zunächst wird die Schlichtung daher von den anderen in Deutschland bekannten Verfahren abgegrenzt. Um ein umfassenderes Bild zu zeichnen, werden sodann aber auch einige in den USA gängige schlichtungsähnliche Verfahren vorgestellt und mit der deutschen Schlichtung verglichen.

I. Mediation

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Die Mediation wird der Schlichtung im allgemeinen Sprachgebrauch häufig gleichgestellt. Dies vernachlässigt die sachlichen Unterschiede. Das 2012 in Kraft getretene Mediationsgesetz kann bei der Abgrenzung behilflich sein. § 1 Abs. 1 MediationsG definiert die Mediation als »vertrauliches und strukturiertes Verfahren, bei dem Parteien mithilfe eines oder mehrerer Mediatoren freiwillig und eigenverantwortlich eine einvernehmliche Beilegung ihres Konflikts anstreben«. Der Mediator wird von § 1 Abs. 2 MediationsG als »unabhängige und neutrale Person ohne Entscheidungsbefugnis, die die Parteien durch die Mediation führt« beschrieben.

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Hier zeigen sich zunächst einige Ähnlichkeiten zur Schlichtung. Auch die Schlichtung ist in der Regel ein vertrauliches Verfahren. Wie bei der Mediation wird eine einvernehmliche Lösung angestrebt. Das Herstellen von Konsens ist daher zentraler Verfahrensbestandteil beider Verfahren. Bis auf einige wenige Ausnahmen ist auch bei der Schlichtung die Verfahrensteilnahme freiwillig. Zudem ist der Schlichter ebenfalls zur Unabhängigkeit und Neutralität verpflichtet. Eine weitere Gemeinsamkeit besteht darin, dass die Parteien es selbst in der Hand haben, eine verbindliche Einigung herbeizuführen. Der Dritte kann die Streitbeilegung nicht erzwingen.15

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Dennoch unterscheiden sich beide Verfahren in einigen Punkten. Ein häufig genannter Unterschied ist, dass das beiden Verfahren gemeine Ziel der einvernehmlichen Lösungsfindung auf unterschiedlichem Weg erreicht wird.16 Dies ist für viele Fälle auch zutreffend. So kann sich die Mediation von der Schlichtung durch einen erhöhten Grad an Eigenverantwortlichkeit der Parteien abheben. Bei der reinen Mediation erarbeiten die Parteien weitgehend selbstständig eine Lösung. Das führt zu einem von der Schlichtung verschiedenen Rollenverständnis des neutralen Dritten. Der Mediator wird vorwiegend unterstützend tätig, indem er die produktive Kommunikation zwischen den Parteien anregt und fördert. Seine Aufgabe ist die Optimierung des Verhandlungsprozesses. Seine eigene Beurteilung des Konflikts teilt er den Parteien meist nicht mit, da sie ohnehin eine untergeordnete Bedeutung hat.17 Der Schlichter hingegen hat eine deutlich proaktivere Rolle. Zwar kann und wird er namentlich bei der Schlichtung plus ebenso unterstützend wie ein Mediator agieren; er evaluiert aber darüber hinaus die verschiedenen Standpunkte und kommt zu einer eigenen Einschätzung des Konflikts. Diese teilt er bei Bedarf auch mit den Parteien und macht einen Lösungsvorschlag.18 Daraus wird teilweise gefolgert, das Schlichtungsverfahren laufe zielgerichteter ab, während bei der Mediation zunächst die Annäherung der Parteien im Vordergrund stehe.19 Anders gesagt gehe es bei der Schlichtung anders als bei der Mediation nicht um die Vermittlung von Verstehen, sondern um die Vermittlung von Lösungen.20

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Dies mag für manche Verfahren zutreffen und entspricht auch dem klassischen Bild, welches von Mediation und Schlichtung besteht. Dabei ist jedoch eines zu beachten: Genau wie nicht jede Mediation und jede Schlichtung identisch ablaufen, sind nicht all diese Gemeinsamkeiten und Unterschiede in allen Fällen gleich zutreffend. Sie variieren vielmehr nach Art der Durchführung des konkreten Verfahrens. Pauschalisierungen sollten daher soweit möglich vermieden werden, um den Verfahren keine allzu starre Maske aufzudrücken. So wird z. B. als weiterer Unterschied genannt, dass es bei der Schlichtung vor allem um schnelle Konfliktbeilegung gehe. Anders als bei der Mediation sei das gezielte Erforschen der Parteiinteressen und -bedürfnisse sekundär.21 Dies ist jedoch keineswegs zwingend der Fall. Je nach Ausgestaltung der Schlichtung kann auch hier wie bei der Mediation eine Aufarbeitung des Konflikts wichtiger Bestandteil sein. In der hier befürworteten Schlichtung plus stehen dem Schlichter die gleichen Mittel wie einem Mediator zur Verfügung. Ein guter Schlichter wird diese gleichermaßen für eine Annäherung der Parteien und das Vermitteln von Verstehen nutzen. Dies ist schon deshalb sinnvoll, weil dann die Chancen steigen, dass die Parteien sich entweder selbst einigen oder der Einigungsvorschlag des Schlichters zumindest auf fruchtbareren Boden fällt.

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Umgekehrt ist die Aussage problematisch, Mediatoren dürften per se keine Evaluation des Konflikts durchführen.22 Abgesehen davon, dass häufig die Art der Vermittlung nicht ganz von der Bewertung des Konflikts zu trennen ist, ist dies wohl auch nicht wünschenswert. Angestrebt wird ja in erster Linie eine effektive Konfliktlösung. Indem man dem Mediator jegliche Art der Intervention verbietet, beraubt man das Verfahren der nötigen Flexibilität, um dieses Ziel auch in besonders festgefahrenen Fällen zu erreichen.

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