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Frankfurter Wagner-Kontexte

Herausgegeben vom Richard-Wagner-Verband Frankfurt am Main

Frankfurter Wagner-Kontexte | Band 1

Herausgegeben vom Richard-Wagner-Verband Frankfurt am Main

Michael Hofmeister

Alexander Ritter

Leben und Werk eines Komponisten
zwischen Wagner und Strauss

Tectum Verlag

Michael Hofmeister

Alexander Ritter

Leben und Werk eines Komponisten zwischen Wagner und Strauss

Frankfurter Wagner-Kontexte, Bd. 1

Zugleich: Dissertation an der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst
Frankfurt am Main, 2018

© Tectum Verlag – ein Verlag in der Nomos Verlagsgesellschaft, Baden-Baden 2018

ePub: 978-3-8288-7077-2

(Dieser Titel ist zugleich als gedrucktes Werk unter der ISBN 978-3-8288-4138-3 im Tectum Verlag erschienen.)

ISSN: 2569-5258

Umschlaggestaltung: Verwendung eines Bildes aus Siegmund
von
Hauseggers Alexander Ritter. Ein Bild seines Charakters und Schaffens (1907).

Alle Rechte vorbehalten

Besuchen Sie uns im Internet
www.tectum-verlag.de

Bibliografische Informationen der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der

Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Angaben

sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Auftakt

Mit der Eröffnung derSchriftenreihe Frankfurter Wagner-Kontexte erweitert der Richard-Wagner-Verband Frankfurt am Main sein bisher auf die Förderung junger Bühnenschaffender fokussiertes Stipendienprogramm. Durch die zusätzliche Vergabe eines jährlichen Publikationsstipendiums wird künftig ein musikwissenschaftlicher und qualitativ hochwertiger Beitrag zur Richard-Wagner-Forschung geleistet. Das Themenspektrum wird dabei bewusst weit gefasst. Als einzige Voraussetzung haben die primär geförderten Dissertationen einen konkreten Kontext zum Komponisten Richard Wagner zu gewährleisten. Der vorliegende Eröffnungsband steht exemplarisch dafür.

Autor Michael Hofmeister studierte Schulmusik und Musikwissenschaft sowie Sologesang in Würzburg. Später absolvierte er ein Aufbaustudium „Historische Aufführungspraxis“ an der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst Frankfurt am Main, wo er 2017 außerdem seine Dissertation „Alexander Ritter – Leben und Werk eines Komponisten zwischen Wagner und Strauss“ einreichte. Diese in jeder Hinsicht opulente Arbeit ist also einem Wegbegleiter Richard Wagners gewidmet, der wie eine Reihe anderer Komponisten jener Zeit im übergroßen Schatten des Bayreuther Meisters zu verschwinden droht. Ein Schicksal übrigens, das bis zum heutigen Tage – und allen Bemühens einzelner Opernintendanten zum Trotz – auch Wagners komponierender Sohn Siegfried teilt.

Seit Dresdner Kindertagen war Alexander Ritter (1833–1896), dessen Mutter Julie sein bewundertes Idol im Exil förderte, von Richard Wagner geprägt. Er heiratete Wagners Nichte Franziska und baute sich u. a. mit Franz Liszt, Hans von Bülow und Peter Cornelius ein Wagner-nahes Netzwerk auf. Später war er es, der den jungen Richard Strauss zu Wagner hinführte.

Es ist ein Verdienst Michael Hofmeisters, dass er bei der Themenwahl zu seiner Dissertation eben nicht der Versuchung eines prominenten Namens erlag. Vielmehr schließt er eine Lücke, die die Wagner- und Strauss-Forschung seit Langem beklagt, indem er uns Alexander Ritter als einen rigorosen Verfechter der neudeutschen Richtung vorstellt. Erstmals wertet der Autor alle greifbaren Quellen aus und bringt dem Leser die Persönlichkeit Ritters nahe. Gleichzeitig nimmt er ihn als eigenständigen Komponisten ernst und gewährt tiefe Einblicke in sein heute völlig vergessenes Werk.

Für die Premiere der Frankfurter Wagner-Kontexte kann ich mir folglich keinen passenderen Titel als den hiermit präsentierten Band 1 vorstellen.

 

Meinen großen Dank für besonderes Engagement bei dessen Realisierung richte ich an

Prof. Dr. Peter Ackermann und Dr. Laila Nissen von der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst Frankfurt am Main für die stets verlässliche Unterstützung bei der Autoren- und Verlagsfindung,

Tamara Kuhn vom Tectum Verlag für die kompetente, partnerschaftliche Betreuung und das wohlwollende Entgegenkommen bei dieser Erstpublikation,

Dr. Sven Hartung, Vorstandsmitglied im Richard-Wagner-Verband Frankfurt am Main, für die Initiative und erfolgreiche Leitung unseres Projektes „Publikationsstipendien“,

die Mitglieder im Richard-Wagner-Verband Frankfurt am Main, die mit ihren zweckgebundenen Zuwendungen die Finanzierung sichergestellt haben, und natürlich an

unseren ersten Autor Michael Hofmeister, der uns – bei allem Anspruch an eine umfassende musikwissenschaftliche Dissertation – in verständlicher Weise mit der Biografie und dem Werk des Komponisten Alexander Ritter vertraut macht.

 

Dirk Jenders
Vorsitzender

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Danksagung

Die vorliegende Arbeit wurde vom Fachbereich 2 (Lehrämter, Wissenschaft und Komposition) an der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst Frankfurt am Main als Dissertation zur Erlangung des Grades eines Doktors der Philosophie angenommen.

Mein erster großer Dank gilt meinem Doktorvater Prof. Dr. Peter Ackermann, der meine Arbeit über viele Jahre hinweg mit fachlichem Rat und wertvollen Anregungen begleitet hat und ihrem kontinuierlichen Wachsen stets mit Verständnis und Zuspruch begegnet ist. Eine schöne Fügung war es, dass mein erster, prägender Universitätslehrer Prof. Dr. Ulrich Konrad bereitwillig das Zweitgutachten übernommen hat, wofür ich ihm herzlich danke.

Zahlreiche Archive und Bibliotheken habe ich während meiner Recherchen persönlich aufgesucht. Stellvertretend für die vielen freundlichen Mitarbeiter, die mir die Quellensichtung erleichtert haben, seien Dr. Uta Schaumberg (Musikabteilung der Bayerischen Staatsbibliothek, München), Kristina Unger (Nationalarchiv der Richard-Wagner-Stiftung, Bayreuth), Dr. Ann Kersting-Meulemann (Universitätsbibliothek J. C. Senckenberg, Frankfurt am Main) und Dr. Jürgen May (Richard-Strauss-Institut, Garmisch-Partenkirchen) namentlich bedankt.

Für die freundliche Aufnahme in die Familienvilla und die Möglichkeit, dort im privaten Richard-Strauss-Archiv arbeiten zu dürfen, ein herzliches Dankeschön an Gabriele Strauss. Vielen Dank auch an Hans-Christoph Mauruschat, Nachfahre Hans Sommers und Leiter des Hans-Sommer-Archivs, Berlin, an den Antiquar Carl Ott und vor allem an Michael Ritter, den Ururenkel Alexander Ritters, der die Erinnerungsstücke seiner Familie großzügig zur Verfügung stellte und ein anregender Korrespondenzpartner war.

Ferner danke ich Dr. Martin Dürrer (Richard-Wagner-Briefausgabe), der nützliche Hinweise gab, Dr. Matthias Schäfers, der bereitwillig seine Forschungen über Alexander Ritter teilte, Prof. Dr. Walter Werbeck, der meine Arbeit mit Interesse verfolgte, und besonders Prof. Dr. Christian Thorau, der vielfach unschätzbare Unterstützung bot.

Dem Richard-Wagner-Verband Frankfurt am Main, seinem Vorsitzenden Dirk Jenders und Projektleiter Dr. Sven Hartung danke ich für die gute Zusammenarbeit und die großzügige Unterstützung bei den Druckkosten, die mit der Aufnahme in die Frankfurter Wagner-Kontexte einhergeht. Diese neue Reihe mit meiner Arbeit zu eröffnen, ist mir eine besondere Freude. Auf Seiten des Tectum Verlages hat Tamara Kuhn die Drucklegung mit viel Engagement betrieben, wofür ich ebenfalls sehr dankbar bin.

Als gleichermaßen gute Freundin wie Korrekturleserin erwies sich Anne Urban, die mein Vorankommen konstruktiv begleitete. Weitere Hilfestellung bei der Korrektur bot Diethelm Paulussen. Gerhard Werlitz hat vor vielen Jahren die Saat der Musikwissenschaft gelegt, Bettina Hutschek, Björn Huestege, Tobias Reimann und Marcel Schawe haben freundschaftlich mitgelitten und an mich geglaubt, als es Durststrecken zu überwinden galt. Ralf Schnall war geduldig und hilfsbereit, wenn sich Alexander Ritter immer wieder in den Vordergrund drängte. Ihnen allen kann ich hier nur unzureichend für ihren Beitrag danken.

Ein Herzensdank gilt schließlich meiner Mutter, Waltraud Hofmeister, die meinen künstlerischen und wissenschaftlichen Weg von Anfang an gefördert hat. Ihr und dem Andenken meines Vaters, Hans Hofmeister, sei diese Arbeit gewidmet.

München, im April 2018 Michael Hofmeister

Inhalt

Auftakt

Danksagung

A. Voraussetzungen

1. Alexander Ritter als Gegenstand der Forschung

2. Die Quellen

2.1. Primärquellen

2.2. Sekundäre Quellen

3. Werkbestand und Überlieferung

B. Alexander Ritter Stationen seines Lebens und Schaffens

Leben I: Der Weg zur Musik – Erste Begegnungen
mit Liszt und Wagner

1. Kindheit in Narva (1833–1841)

1.1. Ritters Vorfahren – Geschichte einer Kaufmannsfamilie

1.2. Behütetes Aufwachsen

2. Jugend in Dresden (1841–1849)

2.1. Hans von Bülow und Franz Liszt

2.2. Der Königlich Sächsische Kapellmeister Richard Wagner

2.3. Das Dresdner Konzertwesen – Clara und Robert Schumann

2.4. Familie Ritter als Wagnerianer der ersten Stunde

2.5. Der persönliche Kontakt zu Wagner – ein unerfüllter Wunsch

2.6. Die Ereignisse der Revolution 1849 – Ende der Jugendjahre in Dresden

3. Als „Conservatorist“ in Leipzig (1849–1851)

3.1. Studienwahl

3.2. Das Leipziger Konservatorium und seine Lehrer

3.3. Ritters Kommilitonen

3.4. Leipziger Musikleben

3.5. Fernab von Wagner

Exkurs: Eine wundervolle Geschichte zwischen uns allen
der Exilant Richard Wagner und die Familie Ritter

Leben II: Glückliche Anfangsjahre – Aufbruch in eine
verheißungsvolle Zukunft

4. Zurück in Dresden (1851–1854)

4.1. Der verlässliche Freund Hans von Bülow

4.2. Franziska Wagner – die Frau in Alexander Ritters Leben

4.3. Das Verhältnis Richard Wagners zur Familie seines Bruders Albert

4.4. Endlich wird es ernst – Franz Liszt und das Engagement nach Weimar

5. Hofmusiker in Weimar (1854–1856) – Franz Liszt und sein Kreis

5.1. Die Altenburg

5.2. Liszts Kreis und sein Wirken in Bezug auf Alexander Ritter

5.3. Das Weimarer Hoftheater und sein Orchester

5.4. Liszts Schaffen in den Jahren 1854–56

5.5. Familiäres und gesellschaftliches Leben in Weimar

Werk I : Erstes Komponieren – Konventionelles
und Exzentrisches

a. Weimarer Jahre – Verschollene Werke und Violinsonate

b. Belsazar op. 8: „eine sehr genießbare Manifestation
der jüngeren Weimaraner Schule“

Leben III: Mission eines Neudeutschen – Anspruch und Wirklichkeit

6. „Aus Stettin“ (1856–58)

6.1. Das Stettiner Theater

6.2. Ritters musikalische Aktivitäten in Stettin – Widerstände

6.3. Erste schriftstellerische Schritte – Ritter steigt in den Ring der Musikkritik

6.4. Franz Brendel und die Neue Zeitschrift für Musik

6.5. Die Auseinandersetzung mit Carl Koßmaly über Programmmusik

7. Zwischenzeit in Dresden (1858–1860)

7.1. Das musikalische Dresden – alte Bekannte und neue Freunde

7.2. Die Radikalen

7.3. Zwei Artikel für die NZfM

7.4. Franziska und Alexander Ritter auf dem Konzertpodium

8. In Schwerin und Leipzig (1860–1863)

8.1. Schwerin – Komponieren und Üben ohne Verpflichtungen

8.2. Die Briefe an Julie Kummer

8.3. Tonkünstlerversammlung in Weimar – Begegnung mit Richard Wagner

8.4. Abschied von Schwerin – Zwischenstation Leipzig

Werk II: Neben- und Hauptwerke – Erste Veröffentlichungen

c. Kleinere Gelegenheitswerke

d. Ritters Opus 1: das Streichquartett c-moll

e. Ein zurückhaltender Erstling – Die Schlichten Weisen op. 2

Leben IV: Musikalische Unternehmungen – Wiederholtes Scheitern
und Sesshaftigkeit

9. Erste Jahre in Würzburg (1863–1867)

9.1. Engagement am Stadttheater

9.2. „Verfall und Reform – Eine Schilderung deutscher Theaterzustände“

9.3. Richard Wagner in München – Die Uraufführung von Tristan und Isolde

9.4. Peter Cornelius zu Besuch in Würzburg

9.5. Die Gründung des „Ritter’schen Quartetts“

9.6. Wagner, Liszt, Bülow – wechselvolle Beziehungen zu den Idolen

10. Fluchtversuche (1867–1869)

10.1. Fluchtpunkt Italien? – Erinnerungen an eine Jugendfreundschaft

10.2. Erneute Geigenstudien – ausgerechnet in Paris (1867)

10.3. Enttäuschte Hoffnungen in München

10.4. Missglückter Neuanfang in Berlin

11. Zurück in Würzburg (1870–1872)

11.1. Annäherung an Wagner – Konzert in Mannheim und ein guter Rat

11.2. Bekanntschaft mit Friedrich Nietzsche

11.3. Grundsteinlegung des Bayreuther Festspielhauses 1872

11.4. Gegenseitige Besuche und Annäherungen

Werk III: Liebesnächte op. 4: Ein Liederzyklus im Banne
des Tristan

f. Widmung – Gattungen – Texte – Philosophie

g. Musikalischer Aufbau

h. Vorbild Tristan – Rezeption – ein Nachspiel

Leben V: Erneutes Scheitern und Resignation

12. Stadtmusikdirector“ in Chemnitz (1872/73)

12.1. Voraussetzungen vor Ritters Amtsantritt

12.2. Ritters Arbeitsbedingungen in Chemnitz

12.3. Der Bruch mit dem Orchester

13. Ausharren in Würzburg (1873–1882)

13.1. Die Geburtstagsfeierlichkeiten zu Wagners Sechzigstem

13.2. Die Würzburger Musikschule

13.3. Finanzprobleme und Hilfestellungen aus Bayreuth

13.4. Gründung einer Musikalienhandlung – mühsamer Broterwerb

13.5. Die ersten Bayreuther Festspiele 1876

13.6. Kontakte und Freunde in den späteren Würzburger Jahren

13.7. Die Freundschaft zu Bülow – Endzeit in Würzburg

Werk IV: Der faule Hans: Siegfrieds kleiner Bruder

i. Zur Entstehung

j. Felix Dahns „fauler Hanns“ – der Stoff und Ritters Adaption

k. Der faule Hans – Opern komponieren neben Wagner

Leben VI: Alte und neue Freunde – und Feinde

14. Bei Bülow in Meiningen (1882–1886)

14.1. Meiningen und sein Orchester – zurück am musikalischen Puls der Zeit

14.2. Startschwierigkeiten

14.3. Bayreuther Festspiele – Orchestergeiger und Strippenzieher

14.4. Ritter als Bearbeiter Wagners

14.5. Konzerte und Reisen – „Meiningerscher Hin- und Herzoglicher“

14.6. Alexander Ritter und Johannes Brahms

14.7. Bülows Abschied in Etappen

15. Der junge Richard Strauss

15.1. Strauss als Kapellmeister in Meiningen

15.2. Münchner Zukunftspläne

15.3. Ritters Einfluss auf Strauss in den Meininger Jahren

16. Hermann Levi und Der faule Hans in München

16.1. Rund um die Uraufführung

16.2. Das jüdische Sauluder – Ritters Antisemitismus

Werk V: Die fruchtbaren späten Jahre

l. Nebenwerke der Meininger Jahre – Hymne an das Licht

m. Orchesterwerke – Ein Überblick

n. Wem die Krone? – Ritters heitere zweite Oper

Leben VII: Wagner-Vermittler und Wegbegleiter für Strauss und seine Freunde

17. Neuanfang in München (1886–1889)

17.1. Unsichere Aussichten

17.2. Die Griechenland-Reise

17.3. Ungestörtes Arbeiten in relativer Isolation

17.4. „Edler Gedankenaustausch“ beim „Abendschoppen“ – Ritters „Tafelrunde“

17.5. Der Ausflug nach Berlin zu Bülows Konzerten

17.6. Ein Geschenk an Strauss – das „Braune Kunstbuch“ neu betrachtet

17.7. Bayreuther Festspiele 1889

18. Strauss’ Freundschaftsdienste in Weimar (1890/91)

18.1. Ritters Opern am Weimarer Hoftheater

18.2. Glückliche Tage zusammen mit Weimarer Künstlern und Musikern

18.3. Richard Strauss’ geplanter Artikel über die Ritter-Opern

18.4. Ritters Werke in Weimar und andernorts

18.5. Die „Dresdner Affaire“ – Ernst von Schuch und Der faule Hans

18.6. „Wir armen Componisten müßen auch anfangen unsere Rechte –
im Principe wenigstens – zu wahren“
– Ritter und die Autorenrechte

Werk VI: Ritters Liedkunst im Überblick

o. Neudeutsche Liedästhetik – Wagnerrezeption im Lied

p. Alexander Ritters Liedschaffen: Überblick, Chronologie, Einordnung

q. Typisches und Individuelles – Motivik, Harmonik, Form, Deklamation

r. Primula veris – „Seelig im Glauben!”

Leben VIII: Beziehungen – Krisen

19. Beziehungen – Krisen

19.1. „Das himmlische Kind“ – Sonia von Schéhafzoff

19.2. Ritter, Strauss und Cosima Wagner

19.3. Autor der Bayreuther Blätter – Cosima Wagner und Hans von Wolzogen

19.4. Tod des Bruders Karl Ritter

19.5. „Vom – Spanisch-Schönen“ – Ritters Bruch mit Hans von Bülow

20. Strauss wendet sich ab – Ritters Lebensabend (1892–1896)

20.1. Besuche bei Strauss in Weimar und Mottl in Karlsruhe

20.2. Ritter als Karriere-Ratgeber für Richard Strauss

20.3. Der Konflikt mit Strauss um das Guntram-Textbuch

20.4. „W. Ehm“ – Ritters Theuerdank-Libretto für Ludwig Thuille

20.5. Bülows Tod und Strauss’ Rückkehr nach München

20.6. Ritters letztes Lebensjahr

20.7. Pietät kenne ich nicht – Strauss’ posthumes Engagement für Ritter

C. Schlussbetrachtung

D. Alexander-Ritter-Werkverzeichnis (ARWV)

E. Editionen

1. Artikel und Notizen

1.1. Alexander Ritter: „Vom – Spanisch-Schönen“ 751

1.2. Das „Braune Kunstbuch“, S. 7 (RSA) – Die Notizen Richard Strauss’
zu Ritters Gedanken über die Geschlechtsliebe

1.3. Das „Braune Kunstbuch“, S. [53] (RSA) – Strauss’ Notizen vom 22. November 1915

2. Unveröffentlichte Briefe

2.1. Alexander Ritter an Hermann Levi, 23. September 1885 755

2.2. Alexander Ritter an Hans von Wolzogen, 6. März 1894 758

2.3. Richard Wagner an Alexander Ritter, 19. August 1877

2.4. Richard Wagner an Alexander Ritter, ca. 9. Juli 1878

2.5. Richard Wagner an Alexander Ritter, 30. März 1875

F. Verzeichnisse

1. Verzeichnis der verwendeten Abkürzungen

2. Abbildungsverzeichnis

3. Quellenverzeichnis

4. Verzeichnis der verwendeten Sekundärliteratur

5. Personenregister

A. Voraussetzungen

When I read the book, the biography famous,

And is this then (said I) what the author calls a mans life?

And so will some one when I am dead and gone write my life?

(As if any man really knew aught of my life,

Why even I myself I often think know little or nothing of my real life,

Only a few hints, a few diffused faint clews and indirections

I seek for my own use to trace out here.)

Walt Whitman, Leaves of Grass

1. Alexander Ritter als Gegenstand der Forschung

In den Jahren 2013 und 2014 konnte die Musikwelt gleich zwei große Jubiläen hintereinander begehen: dem „Wagner-Jahr“ folgte unmittelbar ein „Strauss-Jahr“. Ausgiebig und ebenso unüberseh- wie -hörbar wurden der 200. Geburtstag Wagners sowie der 150. Geburtstag Strauss’ gefeiert und medial aufbereitet. Die beiden „großen Richards“ der Musikgeschichte (Richard Strauss wurde von Hans von Bülow bekanntlich scherzhaft als Richard III. betitelt, da es neben Wagner – eben Richard I. – keinen Zweiten geben könne) wurden dabei nicht nur mit zahlreichen Veranstaltungen, CD-Produktionen und Festaufführungen geehrt, es kam auch eine Flut von neuen und wiederaufgelegten wissenschaftlichen Publikationen zu beiden Komponisten auf den Markt – schließlich wollte sich auch die Musikwissenschaft nicht lumpen lassen. Man kann also getrost davon ausgehen, dass die bereits unüberschaubare und mitunter überwältigende Fülle an Literatur und im besten Fall auch der damit korrelierende Wissensstand und Erforschungsgrad in Bezug auf diese beiden Großkomponisten und ihr umfangreiches Werk nun noch einmal einen neuen Höchststand erreicht haben.

In wohl jeder Biographie über Richard Strauss seit Steinitzers Buch von 19111 und in fast jeder über Richard Wagner seit den sechs Bänden Glasenapps2 lässt sich der Name Alexander Ritter finden. Im vierzehn Seiten langen Register des Richard Strauss Handbuchs von 20143 gehört Alexander Ritter zu den Top 15, was die Menge der Seitenzahlen angeht, die auf eine Namensnennung verweisen – zusammen mit Klassikern wie Goethe und Mozart, Referenzgrößen wie Wagner und Liszt, aber auch langjährigen Strauss-Mitarbeitern wie Hofmannsthal, Gregor und Schuh, sowie Familienmitgliedern. Alexander Ritter als der Mentor Richard Strauss’ ist geradezu ein stehender Begriff in der Strauss-Literatur. Was die Wagner-Biographik angeht, so kommt man um die gesamte Familie Ritter kaum herum: Der finanziellen Unterstützung Julie Ritters, Alexanders Mutter, verdankte Wagner zunächst das Überleben im Schweizer Exil. In Zürich wurde zudem Alexanders Bruder Karl Ritter zusammen mit Hans von Bülow Wagners Geselle und Freund. Alexander Ritter selbst war ihm durch seine Heirat mit Wagners Nichte Franziska verwandtschaftlich verbunden, und noch nach Wagners Tod galt Ritter im Umfeld des Bayreuther Kreises als einer der „treuesten“ Wagnerianer.4 Im 2012 erschienenen Wagner Lexikon ist ihm – ebenso wie Julie und Karl Ritter – ein eigener mehrspaltiger Artikel eingeräumt worden.5

Man kann Alexander Ritter also mit Recht als eine bekannte Größe der Wagner- und Strauss-Forschung bezeichnen – gleichzeitig bleibt er aber eine Art Phantom, das in einigen Konturen zwar erkennbar, letztlich jedoch wenig greifbar ist. Was ist wirklich über diesen Mann und vor allem: was über seine Musik bekannt? Ritter verkehrte neben Wagner und Strauss auch mit Franz Liszt, war eng befreundet mit Hans von Bülow und Peter Cornelius und war ein anerkanntes Mitglied der Neudeutschen Schule. Allein schon diese historische Verortung könnte Alexander Ritter interessant genug erscheinen lassen, um ihm eine eingehendere wissenschaftliche Untersuchung zu widmen. Ob Ritters Relevanz heute nur noch in dieser biographischen Situation begründet liegt und er als Komponist zurecht vergessen ist, kann ernsthaft nur auf Grundlage einer detaillierten Betrachtung seiner Werke überhaupt beurteilt werden. Da diese bis heute größtenteils aussteht, mag die vorurteilsfreie Begegnung mit der Musik Alexander Ritters – jenseits des schnellen Verdikts, es handele sich um eine historische Nebenfigur und einen Kleinmeister, aber auch ohne den gutmeinenden Anspruch der Ehrenrettung eines Verkannten – neben einer biographischen Neuerzählung vielleicht sogar das dringlichere Anliegen einer musikwissenschaftlichen Auseinandersetzung sein.

Leben und Werk

Dass es allemal sinnvoll ist, das Leben Alexander Ritters auf der Grundlage neu recherchierter Fakten eingehend darzustellen, lässt sich durch den Forschungsstand und die Quellenlage begründen. Alle biographischen Texte über Ritter, auf die sich die Forschung bis heute bezieht, sind mittlerweile über 100 Jahre alt. Die Tatsache, dass sie alle aus dem nächsten Umkreis Ritters stammen, bringt neben dem Vorteil persönlicher Zeugenschaft möglicherweise auch den Nachteil beschönigender Parteinahme mit sich. Ganz bestimmt trifft dies auf die teils panegyrischen Wertungen zu, mit denen die Person Ritter und ihr Werk damals bedacht wurden. Ob davon auch biographische Fakten und Zusammenhänge betroffen sind, lässt sich nur durch eine Überprüfung dieser Angaben klären. Anspruch einer neuen Biographie muss darüber hinaus aber sein, weitere, bisher unbekannte oder nicht berücksichtigte Fakten zu finden, wo immer dies möglich ist.

Eine neuere Darstellung von Ritters Biographie fehlt noch immer6 – dieses längst bekannte und 2016 von Walter Werbeck für die Strauss-Forschung noch einmal explizit formulierte Desiderat war Ansporn und Rechtfertigung für vorliegende Arbeit. Sie versteht sich damit zum Ersten als möglichst umfassende Biographie des Komponisten Alexander Ritter und scheut dabei nicht vor einer Ausführlichkeit zurück, die mitunter auch Details jenseits musikgeschichtlicher Relevanz zutage fördert. In acht Kapitel-Blöcken wird Ritters Leben chronologisch und an seinen geographischen Stationen orientiert aufgefächert und in den jeweiligen zeitgeschichtlichen Kontext gestellt.

Alexander Ritter ist heute allenfalls als Faktotum, als „Ideologe7 unter den Wagnerianern ein gewisser, wenn auch zweifelhafter Nachruhm beschieden – als eigenständiger Komponist ist er hingegen gänzlich vergessen. Schon zu seinen Lebzeiten hatte es nur wenige Aufführungen seiner beiden Opern gegeben, auch die symphonischen Werke wurden nur vereinzelt gespielt. Heutzutage, bzw. im Grunde seit einhundert Jahren, werden seine Kompositionen gar nicht mehr aufgeführt und sind auch der Musikwissenschaft, ja selbst Forschern, die sich mit Richard Strauss oder der Neudeutschen Schule beschäftigen, größtenteils völlig unbekannt.

Zweites Hauptanliegen dieser Arbeit ist folglich, auch die Werke Ritters in angemessenem Umfang zu ihrem Recht kommen zu lassen. In sechs Kapitel-Blöcken zum Werk, die der durchgehenden biographischen Erzählung an chronologisch geeigneter Stelle jeweils interpoliert sind, werden Kompositionen Alexander Ritters exemplarisch näher untersucht. Das Ritter’sche Œuvre ist nicht besonders umfangreich, deckt aber eine Bandbreite von Gattungen und Formen ab, die vom wenige Takte langen Lied bis zur großbesetzten Oper reicht. Im Anhang dieser Arbeit findet sich ein umfassendes systematisch-thematisches Werkverzeichnis, das erstmals alle verfügbaren Daten zu allen überlieferten oder erwähnten Werken Ritters zusammenführt. Über diese reine Datensammlung hinaus wird in den werkanalytischen Teilen versucht, einen Gesamtüberblick über das Schaffen Alexander Ritters zu geben, das neben einigen wenigen rein instrumentalen Kompositionen, wie dem Streichquartett und den Symphonischen Dichtungen auch ungedruckte kleinere Gelegenheitswerke für Chor, an die 60 Klavierlieder, sowie die beiden Operneinakter umfasst. Die einzige Werkgruppe, die bislang einer eingehenden neueren Untersuchung unterzogen wurde, ist die der Symphonischen Dichtungen.8 Die Werke dieser Gattung werden in vorliegender Arbeit daher ohne detaillierte Analysen in einem kursorischen Überblick vorgestellt. Alle anderen Werkgruppen finden sich hier erstmalig mit exemplarischen Analysen und gattungsgeschichtlichen Kontextualisierungen präsentiert. Ein gewisser Schwerpunkt wird auf das Liedschaffen Ritters gelegt, womit gleichzeitig seine umfangreichste Werkgruppe in den Fokus rückt. In verschiedenen Einzelanalysen sowie einem Gesamtüberblick wird versucht, den Eigenheiten der Ritter’schen Liedsprache auf den Grund zu gehen.

Durchaus bewusst wird damit der etwas traditionelle und umfassende biographische Ansatz von „Leben und Werk“ gewählt, der zeitweilig etwas in Verruf geraten war. Carl Dahlhaus etwa hatte 1975 die provokante Frage formuliert: „Wozu noch Biographien?“.9 Als typische Produkte des 19. Jahrhunderts seien sie aus „moralisch-psychologischen, patriotischen und metaphysischen Motiven“ heraus legitimiert gewesen, die heute ebenso obsolet seien wie das „ästhetische“ Motiv der „Einfühlung“.10 Selbst wenn man diese Argumente ummünzen und als Ansporn dafür nutzen möchte, einen Gegenentwurf zu den zeitgebundenen Ritter-Biographien Hauseggers und Röschs zu liefern (vgl. A.-2.2.), bliebe doch das Urteil Dahlhaus’ bestehen: die „Trennung der Kapitel »Leben« und »Werk«“ zeige „den Zerfall der Biographik von innen heraus“.11 Nicht umsonst vermeidet z. B. auch Ulrich Konrad in seiner Otto Nicolai-Biographie das „gängige Muster von »Leben und Werk«“, indem er bewusst auf eine Gesamtdarstellung etwa aller von Nicolai bedienten Gattungen verzichtet und stattdessen präziser spezifizierte „Studien zu Leben und Werk“ vorlegt, die u. a. einen Schwerpunkt auf Einflüsse musikgeographischer Besonderheiten legen können.12

Eine solche thematische Beschränkung und Differenzierung a priori schien in Bezug auf Alexander Ritter sicher nicht weniger bedenkenswert, wich letztlich aber dem möglicherweise „naiveren“ Konzept einer großen Gesamtschau. Die Herangehensweise bestand demnach darin, das Leben und Schaffen des Komponisten Alexander Ritter möglichst ergebnisoffen monographisch zu bearbeiten. Das bedeutete zunächst einmal, Neuland zu betreten. Zahlreiche biographische Dokumente konnten neu aufgefunden und ausgewertet werden, aber auch der genaue Blick in die Ritter’schen Partituren kam oftmals einer Ersterschließung gleich. Das Verhältnis von nötiger Breite, derer es bedarf, um Einzelanalysen die nötige Einbettung zu verschaffen, und angemessener Kürze, die einen größeren, gar einen Gesamtüberblick erlaubt, auszutarieren, war dabei nicht immer einfach. Im Laufe der Untersuchung haben sich jedenfalls zwangsläufig gewisse Schwerpunkte herauskristallisiert und einige Hauptfragen aufgeworfen.

Dass etwa die beiden Pole Richard Wagner und Richard Strauss bzw. die Beziehungen dieser Komponisten zu Alexander Ritter die Untersuchung unweigerlich prägen würden, war abzusehen und keinesfalls unerwünscht. Der Spannungsbogen, der sich zwischen diesen beiden Polen auftut, machte den Reiz der Beschäftigung mit Alexander Ritter aus. Die Formulierung „zwischen Wagner und Strauss“ im Titel impliziert bei all ihrer schlichten Neutralität ja nicht zufällig neben der rein chronologischen Reihenfolge der Lebensdaten auch eine Beziehungsstruktur, in der diese beiden Komponisten als Hauptkoordinaten fungieren. Nichtsdestotrotz musste zunächst der Vorsatz gelten, sich Ritter auch unabhängig von etwaigen vorgeprägten Rollen und quasi nur um seiner selbst willen anzunähern. Zumindest galt es, den zahlreichen Beziehungen Ritters zu anderen berühmten Musikern seiner Zeit in gleichem Maße gerecht zu werden. Das Wörtchen „zwischen“ könnte in diesem Sinne auch die terra incognita meinen, die sich gerade abseits der gut erforschten „Meister“-Biographien rasch auftut. Zur Erkundung dieser Zwischenräume und damit zum besseren Verständnis einer Epoche beizutragen, ist ein nicht unwesentliches Ziel der Arbeit. Sie versteht sich dabei jedoch nicht als „Kleinmeister“-Biographie, die die zweifelhafte Rehabilitation eines vermeintlich verkannten Komponisten zum Zweck hätte.

Wagner und Strauss

Die frühe Prägung Ritters im Dresden der 1840er Jahre durch Wagner hat Spuren hinterlassen, die bis an sein Lebensende zu verfolgen sind. Die persönliche Beziehung Richard Wagners zu Alexander Ritter muss man sich gleichwohl weit distanzierter, zumindest aber komplexer vorstellen, als es das gängige Bild in der Literatur glauben macht. Vor allem die Annahme, Alexander Ritters Bekanntschaft und spätere Heirat mit Wagners Nichte Franziska habe ihm Tür und Tor in den Wagner-Kreis geöffnet, erweist sich als Trugschluss. Im Grunde ist das Gegenteil der Fall – Ritter hatte es dadurch anfangs vielleicht sogar schwerer, von Wagner ernstgenommen zu werden. So wie Alexander Ritter zunächst im Schatten seines Bruders Karl stand, war Franziskas Verhältnis zu ihrem Onkel Richard von den Verwerfungen beschattet, die zwischen ihm, ihrem Vater Albert und ihrer Schwester Johanna Wagner immer wieder zutage traten. Eine nicht unbedeutende Rolle spielte ab einem gewissen Zeitpunkt auch Cosima Wagner, die den Zugang zu Wagner zu steuern versuchte. Nur ganz allmählich konnte sich Alexander Ritter Wagner nähern, bis der sich schließlich „Onkel“ von ihm nennen ließ. Allerdings war familiäre Akzeptanz niemals gleichbedeutend mit künstlerischer Anerkennung. Schon der kurze Abriss zeigt: Es ist angebracht, auf Grundlage der Quellen die Beziehung zwischen Ritter und Wagner, die immer auch eine Beziehung der Familien Ritter und Wagner war, als eine jahrzehntelange Entwicklung voller Hoffnungen und Enttäuschungen Ritters darzustellen.

Was Wagners Werke angeht, so soll die naheliegende Annahme, sie hätten einen ungeheuren Einfluss auf diejenigen Ritters ausgeübt, ebenfalls an den Quellen und den Texten selbst verifiziert und hinterfragt werden. Fast zwangsläufig tritt in diesem Zusammenhang die Frage auf, wie Ritter mit der belasteten Situation des Komponierens neben und nach Wagner umging. Ob und wie weit er für das Problem ein Bewusstsein hatte, wenn er sich in dem Spannungsfeld von Epigonalität versus Originalität bewegte, das nicht nur seine, sondern auch noch nachfolgende Komponistengenerationen umtrieb, ist dabei ebenso von Interesse, wie die Strategien, mit denen er ihm begegnete.

Wie groß die Rolle, die Wagner für Ritter spielte, tatsächlich war, zeigt sich in einigen seiner Hauptwerke auf geradezu eklatante Weise. In einer Art Hommage-Konzept adaptierte er gleichsam den Tristan für seinen Liederzyklus Liebesnächte op. 4, und seine erste Oper Der faule Hans erweist sich als eine dezidierte Auseinandersetzung mit Aspekten des Siegfried. Statt mit unbeholfener Nachahmung hat man es hier wohl eher mit einer Strategie der bewussten Überhöhung zu tun. Daneben gibt es bei Ritter aber sicher auch die Tendenz zur Vermeidung. Um sich ganz bewusst nicht in eine aussichtslose Konkurrenz mit Wagner zu begeben, bevorzugte Ritter z. B. erkennbar die Gattung Lied, in der er sich frei fühlen konnte, einerseits Wagners Harmonik oder Prinzipien der Deklamation zu übernehmen und auf ein neues Feld zu übertragen und andererseits gleichzeitig eigene formale Wege zu gehen und damit einen persönlichen Ton zu finden. Die Gretchenfrage, wie er es mit dem Vorbild Wagner hielt, wird sich vor allem im Zusammenhang mit Ritters Opern stellen, war bei dieser Gattung der Druck doch besonders groß. Dass er mit seinen beiden Einaktern einen eigenen Weg einschlug, scheint aufgrund der „unwagnerischen“ Form auf der Hand zu liegen. Wieviel Wagner dennoch in den Ritter’schen Opern steckt, dem wird in den beiden Opern-Kapiteln unter unterschiedlichen Vorzeichen nachgegangen. Ein besonderes Augenmerk wird dabei auf die vermeintlich einfachen Zuschreibungen zu den „typischen“ nachwagnerischen Ausweichgattungen Märchenoper und komische Oper gelegt. Es wird sich erweisen, dass Ritter in seinen beiden Opern bei allen Ähnlichkeiten doch auch zwei ganz unterschiedliche Ansätze verfolgte.

Klar ist, dass Ritter die große Form Wagners vermied. Damit umging er eine Aufgabe, die einem anderen aufzubürden er sich nicht scheute. Dieser Eindruck mag jedenfalls entstehen, wenn Ritter seinen jüngeren Freund Richard Strauss zur großen Oper Guntram ermunterte. Die Einflussnahme Ritters auf den Guntram, vielmehr sein letztendliches Scheitern daran, gehört zu den u. a. von Charles Youmans gut erforschten Aspekten des Verhältnisses Alexander Ritters zu Richard Strauss. Überhaupt ist die Periode seiner Beziehung zu Strauss auch bezüglich der Quellen durch umfassende Arbeiten von Willi Schuh gut erschlossen. Hier galt es vor allem, Klarheit zu schaffen und einige kleinere Verwirrungen in der Literatur zu beseitigen. Mit einem gänzlich neuen Strauss-Bild kann diese Arbeit nicht aufwarten, gleichwohl wird die erstmalige systematische Erschließung des sogenannten „Braunen Kunstbuches“, das als Geschenk Ritters an Strauss identifiziert wird, für die Strauss-Forschung von gewissem Interesse sein. Die großenteils bekannten Texte aus dieser Quelle – in ihrer ursprünglichen Abfolge rekontextualisiert – machen die schrittweise Abwendung Strauss’ von der metaphysischen Musikauffassung seines Mentors exemplarisch nachvollziehbar. Ritters Konflikt mit Strauss spielt sich nicht zuletzt vor dem Hintergrund einer Art religiösen Spleens ab, den er in den 1890er Jahren entwickelt hatte und einer gleichermaßen religiös verbrämten „himmlischen Liebe“, die er zu der jungen Pianistin Sonia von Schéhafzoff pflegte. Diese erotisch fundierte Religiosität, so wird sich zeigen, schlägt sich auch in seinem Werk nieder und bestimmte z. B. die Neuordnung seiner Orchesterwerke und ihrer Programme.

2. Die Quellen

2.1. Primärquellen

Jede biographische Annäherung beginnt mit der Frage nach verfügbaren authentischen Quellen. Eine erste zu verfolgende Spur bei der Suche nach Originaldokumenten ist der Verbleib eines möglichen Nachlasses. Hierzu ist es nötig, sich einen Überblick über evtl. Nachkommen und deren Lebenswege zu verschaffen.

Der Nachlass Alexander Ritters – Hinweise und Vermutungen zum Verbleib

Alexander Ritter hinterließ kein Testament. Der in München überlieferte Nachlassakt sieht eine Aufteilung seiner Hinterlassenschaft zu gleichen Teilen auf seine vier Kinder vor.13 Dokumente aus dem Nachlass Alexander Ritters haben sich im Wesentlichen über zwei Linien überliefert. Sein Sohn Karl Gottfried (1857–1927) und seine Tochter Hertha (1873–1913) vererbten sie ihrerseits ihren Nachkommen. Die beiden Töchter Else und Julie blieben dagegen kinderlos.

Hertha, die selbst in kleinerem Umfang als Konzertsängerin reüssierte, heiratete 1903 den Komponisten und Dirigenten Siegmund von Hausegger (1872–1948). Bei ihnen, den beiden Musikern der Familie also, verblieb der größte Teil des musikalischen Nachlasses. Auch nach dem frühen Tod Herthas 1913 und der Wiederverheiratung Siegmund von Hauseggers verblieben die Musikalien in dessen Besitz. Der gemeinsame Sohn Friedrich von Hausegger14 (1912–2000) war es, der die Manuskripte seines Großvaters Alexander Ritter und die seines Vaters Siegmund von Hausegger weiter verwahrte und schließlich 1996 an die Bayerische Staatsbibliothek abgab. Damit ist die Frage nach dem für die Musikwissenschaft wesentlichen Teil des Nachlasses und seiner Zugänglichkeit relativ unkompliziert beantwortet: Nahezu alle überlieferten musikalischen Manuskripte befinden sich dank dieser Überlassung heute im Besitz der BSB in München.15 Auch zahlreiche Druckausgaben der Werke mit Besitzvermerken der Familie Ritter sind dort in den Katalog eingegangen.

Ob über die musikalischen Manuskripte hinaus noch andere Nachlassteile im Besitz der Familie Hausegger waren und ob sie die über einhundert Jahre bis heute überdauert haben, ist leider unklar. Siegmund von Hauseggers Biographie über Ritter (s. u.) enthält Hinweise darauf, dass er über Dokumente und Briefe (wie die überaus interessanten Briefe Alexanders an seine Frau Franziska) verfügte, die mit hoher Wahrscheinlichkeit in der Familie verblieben sind. Auch Entwürfe und Literarisches, wie ein vollendeter Operntext „Gottfried der Sänger“, über den Friedrich Rösch (s. u.) noch berichtet, er befände sich „in seinem [Ritters] Nachlasse16, könnten noch existieren. Der Urenkel Alexander Ritters, Prof. Siegmund von Hausegger, verweigert z. Zt. jedoch alle Auskünfte über evtl. noch im Familienbesitz befindliche Dokumente17, die, sollten sie vorhanden sein, damit für die Forschung vorerst unzugänglich bleiben.

Alexander Ritters Sohn Karl Gottfried dagegen war kein Musiker, sondern Hauptmann a. D. der Königlich Bayerischen Armee. Dennoch war er musisch interessiert und sich der Bedeutung seines Vaters und des Nachlasses durchaus bewusst. Wie auch seine Schwestern hielt er nach dem Tod seines Vaters mit Richard Strauss weiter herzlichen brieflichen Kontakt. Ihm, dem „Sträusschen“, wie der gestandene, mittlerweile hochberühmte Komponist sich von Familie Ritter noch immer nennen ließ, schenkte Karl Gottfried offenbar zwei Preziosen aus dem Nachlass seines Vaters: die autographe Partitur zum Orchesterwerk Sursum Corda! und eine Partitur-Ausgabe von Richard Wagners Der Ring des Nibelungen.18 Leider sind diese Gaben mittlerweile verschollen und offensichtlich nicht mehr im RSA in Garmisch vorhanden, sie sind jedoch Beispiele für den Anteil, den Ritters Sohn aus dem Nachlass übernahm. Karl Gottfrieds einzige Tochter Erika konnte jedenfalls noch über einige Schätze verfügen, und sie war es, die in den 1920er Jahren einige Wagner-Memorabilia, darunter Briefe und Bilder an das damals im Aufbau befindliche Richard-Wagner-Museum in Bayreuth verkaufte. Aus der Korrespondenz mit der Initiatorin Helena Wallem geht auch hervor, dass ein noch heute als „Lohengrin-Schreibtisch“ in Bayreuth verwahrtes Möbelstück aus dem Nachlass Alexander Ritters stammt und von Erika aus Geldnot verkauft wurde.19

Diese Enkelin Alexanders, Erika Ritter (1887–1963), hatte 1911 einen Mann geheiratet, dessen Name zufällig ebenfalls Ritter lautete: Karl Ritter war Sohn des Musikprofessors und Bratschenvirtuosen Hermann Ritter, der einige Jahre zeitgleich mit Alexander Ritter in Würzburg gelebt und gewirkt hatte.20 Das hat mitunter zu Verwirrung und Verwechslungen in der Literatur geführt und zur Annahme verwandtschaftlicher Beziehungen, die aber (damals noch) nicht bestanden.21 Durch die Verbindung der beiden Familien in späterer Generation hat sich der Nachname Ritter jedenfalls auch über die Linie der Enkelin erhalten können, was heutige Nachforschungen ungemein erleichtert. Ihr Sohn – Alexanders Urenkel, wiederum ein Karl Ritter (1912–1958) –, der sich in den 1930er Jahren als regimetreuer Film-Regisseur einen Namen gemacht hat, verließ in den 1940er Jahren Deutschland und ging mit seiner Familie nach Argentinien. Dort, in Buenos Aires, lebt bis heute ein Ururenkel Alexanders namens Michael Ritter, in dessen Besitz sich Teile des Nachlasses aus der Sohnes-Linie bis in unsere Tage überliefert haben. Dabei reicht die Familienüberlieferung, mit der sich Michael Ritter selbst intensiv beschäftigt, sogar weit vor die Generation des Komponisten Alexander Ritter zurück. Diesen überaus kooperativen Nachfahren in Übersee ausfindig gemacht zu haben, gehörte zu den erfreulichen Überraschungen bei der Recherche für vorliegende Arbeit.

Erreichbare Originaldokumente, veröffentlichte Dokumente

Nur sehr wenige Briefe Alexander Ritters wurden bis dato veröffentlicht. Hausegger legt seinem Buch einen Brief Alexanders an seine Frau als Faksimile bei und zitiert ansonsten – wie Rösch auch – nur Auszüge ohne weitere Quellenangabe. Neu ediert wurden bis dato nur zehn der im RSA in Garmisch überlieferten Briefe Ritters an Richard Strauss. Diese 1996 von Charles Youmans veröffentlichten Briefe22 sind ungewöhnlich lang und für die Strauss-Forschung von hoher Bedeutung, da sie einen tiefen Einblick in die Genese von Strauss’ erster Oper Guntram und den Wandel seines philosophischen Weltbildes gewähren. An Ritter gerichtete Briefe wurden hingegen wesentlich häufiger veröffentlicht. So sind die Briefe Bülows, Cornelius’, Liszts und Wagners an ihn in den entsprechenden Gesamtausgaben gut zugänglich. Im Falle Liszts und Bülows war es noch Ritter selbst, der den Herausgeberinnen La Mara (alias Marie Lipsius) und Marie von Bülow die Briefe zur Verfügung stellte und ihren Abdruck guthieß.23

In Archiven und Bibliotheken von Wien bis Washington ließen sich im Rahmen der Recherche zu vorliegender Arbeit immerhin einige Briefe Alexander Ritters ausfindig machen. Insgesamt sind zum jetzigen Stand lediglich 154 Briefe aus seiner Feder bekannt (für eine Persönlichkeit des 19. Jh. eine erstaunlich geringe Zahl), die in einer chronologischen Liste im Anhang (F-3.1.) aufgeführt sind. Aus etlichen Stadtarchiven konnte Material wie z. B. polizeiliche Meldebögen, Stadtratsakten, etc. herangezogen und ausgewertet werden. Die Ausbeute schwankt dabei erheblich, und so waren in einigen Wirkungsorten Ritters keinerlei Spuren auszumachen (z. B. in Stettin und Schwerin), mancherorts aber gaben die Archive reichlich Material preis (z. B. in Chemnitz und Würzburg). Auch private Überlieferungen konnten aufgespürt werden, wie z. B. Dokumente über einen Freund Ritters namens Carl Friedrich Ott, die freundlicherweise von einem Nachfahren zur Verfügung gestellt wurden (vgl. Leben V-13.6.).

Der generell guten wissenschaftlichen Erschließung vieler Quellen, die mit Richard Wagner zu tun haben, verdankt es sich, dass auch einige Quellen über die Familie Ritter die Zeit überdauert haben. Die zahleichen Erwähnungen in Wagners Korrespondenz und seine eigenen Briefe an Ritters selbst machen schon beinahe die Gesamtheit der erhaltenen Quellen zu Julie und Karl Ritter nebst den Schwestern aus. Über den Zeitraum des intensiven Kontakts ist man damit relativ gut informiert, aber alles, was an Dokumenten vor dem Kontakt zu Wagner und vor allem nach dem Abbruch desselben datiert, sowie alles, was einfach nichts mit Wagner zu tun hatte, scheint verloren.

Vom äußeren Erscheinungsbild Alexander Ritters in verschiedenen Lebensaltern geben drei zeitgenössische Porträts und einige Photographien Zeugnis. Sämtliche auffindbaren Abbildungen des Komponisten wurden in die Arbeit aufgenommen. Ein erhaltener „Königlich-Preußischer Reise-Paß für das Ausland“ vom 31. Juli 1867 liefert weitere Details zu Ritters Aussehen: Seine Körpergröße betrug „fünf Fuß“, also knapp 1,57 m. Haar- und Augenfarbe waren „braun“, das Gesicht „rundlich“, die Statur „mittel“, und Nase und Mund konnten als „proportionirt“ gelten“.24

2.2. Sekundäre Quellen

Biographische und werkbeschreibende Artikel 1894–1933

Ritter war der Öffentlichkeit als Komponist lange unbekannt geblieben. Nach der Uraufführung seiner Oper Der faule Hans 1885 und zu einigen Liederheften erschienen erste Zeitungskritiken, etwas größere Resonanz in der musikalischen Presse erreichte aber erst die Doppelaufführung seiner beiden Opern durch Strauss in Weimar 1890. Die Zeitschrift „Der Kunstwart“ schrieb über Ritter in diesem Zusammenhang: „Nun entpuppt sich auch für weite Kreise der nicht mehr junge Künstler plötzlich als einer der so recht Kernechten unter unseren Komponisten“.25 In seinem Münchner Kreis genoss Ritter in den 1890er Jahren unter jungen Musikern schon bald den Ruf einer charismatischen Autorität (vgl. Leben VII-17.4.). Aus diesem Kreis gingen auch alle späteren publizistischen Bemühungen um Ritter hervor. So war etwa der junge Schriftsteller Josef Hofmiller (1872–1933), der später vor allem als Nietzsche-Forscher bekannt wurde, von der Erscheinung des Älteren fasziniert und verfasste 1894 seinen enthusiastischen Artikel über den „Dichter und Komponist“ Ritter, der von persönlichen Begegnungen und Eindrücken zeugt. Es ist bemerkenswert, dass dieser erste ohne direkten Aufführungsanlass entstandene Artikel über Ritter und sein Wirken erst zwei Jahre vor seinem Tod verfasst wurde und zu seinen Lebzeiten auch der einzige dieser Art blieb.

Nach dem Tode Ritters im April 1896 erschien eine Anzahl von Nachrufen und Würdigungen, unter denen ein zwölf Seiten langer Artikel Hofmillers erneut heraussticht. Auch der Strauss-Schüler Hermann Bischoff, sowie Max von Schillings und Wilhelm Mauke – allesamt Komponisten, die mit Ritter bekannt waren – verfassten Nekrologe. Mit organisatorisch begründetem Zeitabstand erschien dann 1897 mit der „Festgabe der Neuen Musikalischen Rundschau26 ein erster umfänglicher und ambitionierter Überblick über Ritters Werk, der offenbar von Richard Strauss initiiert worden war, und zu dem namhafte Musikschriftsteller und Komponisten Beiträge lieferten. Danach wurde es ruhiger – abgesehen von den zwei größeren biographischen Arbeiten (s. u.) erschienen nur noch zwei Artikel, bis im Jahr 1933, anlässlich des 100. Geburtstags, schließlich noch einmal an Ritter erinnert wurde.

Autor

Titel des Artikels

Zeitschrift

Fundstelle

Hofmiller, Josef

Alexander Ritter, der Dichter und Komponist

Die Gesellschaft

X. Jg., 1894,

Heft 4, S. 519–525

B[ischoff], H[ermann]

Alexander Ritter †

Allgemeine Musik-Zeitung

XXIII. Jg., 1896

Nr. 16, 17.4.1896,

S. 217 f.

H[ofmiller], J[osef]. M[ax].

Alexander Ritter

Die Gesellschaft

XII. Jg., 1896

Heft 8, S. 1056–1067

Schillings, Max

Alexander Ritter

Die Redenden Künste

II. Jg., 1895/96

Heft 31+32, S. 946 f. +
S. 968–970

Mauke, Wilhelm

Alexander Ritter †

Münchener musikalische Nachrichten

II. Jg., 1895/96, Nr. 26, 25.4.1896, S. 4 f.

Wolzogen, Hans von

Alexander Ritter †

Bayreuther Blätter

18. Jg., 1896, S. 204

Strauss, Richard

Geleitwort

Zum Andenken Alexander Ritters.
Festgabe der Neuen Musikalischen Rundschau zur Mannheimer Tonkünstler-Versammlung 27. Mai 1897

S. 3

Bischoff, Hermann

Alexander Ritter

S. 3–5

Louis, Rudolf

Alexander Ritter und die Symphonische Dichtung („Olaf’s Hochzeitsreigen“ und „Sursum corda“)

S. 5–11

Thuille, Ludwig

Kaiser Rudolfs Ritt
zum Grabe

S. 11 f.

Hausegger, Friedrich

Der faule Hans

S. 13

Seidl, Arthur

Alexander Ritter’s Opern

S. 13–19

Wolzogen, Hans von

Gedenkwort

S. 19

Porges, Heinrich

Alexander Ritter als Schriftsteller

S. 20–23

Stradal, August

Lieder

S. 23 f.

Humperdinck, Engelbert

Schlusswort

S. 24

Teibler, Hermann

Alexander Ritter. Ein Blatt zur Würdigung seiner Kunst

Die Musik

Juli 1902,

S. 1745–1755

Hausegger, Siegmund von

Ritter, Alexander, Tondichter

Lebensläufe aus Franken

I. Band, 1919,

S. 379–386

Hausegger, Siegmund von

Erinnerung an Alexander Ritter. Zu seinem 100. Geburtstag am 27. Juni 1933 (=Einleitung aus Hauseggers Buch von 1907)

Zeitschrift für Musik

Nr. 100, 1933,

Heft 8, S. 815 f.

Hausegger, Siegmund von

Erinnerung an Alexander Ritter. Zu seinem 100. Geburtstag am 27. Juni 1933 (=Einleitung aus Hauseggers Buch von 1907)

Münchner Neueste Nachrichten

27.6.1933

Richard, August

Alexander Ritter und seine Tafelrunde

Zeitschrift für Musik

Nr. 100, 1933,

Heft 8, S. 817 f.

Voranstehende Zusammenstellung gibt einen Überblick über die in verschiedenen Zeitschriften veröffentlichten Artikel über Alexander Ritters Leben und Werk, die zwischen 1894 und 1933 mit identifizierbarem Autorennamen erschienen sind (ohne Aufführungskritiken). Die Autoren und Initiatoren dieser Artikel sind ausschließlich dem direkten Umfeld Ritters zuzurechnen. Es handelt sich um Anhänger und Freunde, die zudem alle einen lokalen Bezug zu München haben. Vor allem Strauss und Hausegger haben sich um Ritters Nachruhm bemüht und verdient gemacht. Man könnte auch sagen, sie haben Ritter damals überhaupt erstmals über einen engen Kreis hinaus bekannt gemacht und ihm mit den Mitteln gezielter Publizistik einen Platz in der Musikgeschichte zu sichern versucht. Selbst persönliche Bekanntschaft war allerdings nicht automatisch ein Garant für Fehlerfreiheit. Es erstaunt vielmehr, wie widersprüchlich oder ignorant mit den ein oder anderen Fakten selbst unter Ritters Anhängern umgegangen wurde.

Die Biographen Friedrich Rösch und Siegmund von Hausegger –
zwei zeitgenössische Lebensbeschreibungen als Hauptquellen