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Hrsg. Manuela Schauten

Der Weg ist das Ziel





BookRix GmbH & Co. KG
80331 München

Vorwort

 

 

Sich von einem Bild zu einer Geschichte oder einer Erzählung, einem Gedicht, einem Brief inspirieren lassen; was steckt in ihm, was ist darin verborgen, wie weit reicht der Blick des Schriftstellers, was sieht man auf dem Grund des Bildes? Im Grunde fragt man sich das bei jedem Gemälde: Was verbirgt es, welche persönliche Mitteilung ist da für mich hinterlegt?

 

Man greift unterschiedliche Aspekte auf, verwebt sie mit seinen Assoziationen. Was erscheint auf dem Weg?

 

Der Erlös dieses Buches geht an caritative Zwecke.

Aphorismus

 

 © Nibiru

 

 

 

Es gibt Momente, da erkennen wir
das Besondere des Wortes
LEBEN.

 

Inhaltsverzeichnis

 

© Phil Humor - Vorwort

© Nibiru - Aphorismus

© Gitta Rübsaat - Unser Weg – Unsere Zeit

© Nibiru - Lebensaufnahmen

© Phil Humor - Toteninsel – Lebensinsel

© Roland Schilling - Die Allee in die Ewigkeit

© Nova Cassini - Der Zypressenweg

© Manuela Schauten -  Weg der Zypressen

© Nibiru - Hole tief Atem

© Petra Peuleke -  Am Ende des Weges

© Anneliese Koch -  Der Weg nach Nirgendwo

© M. Editha Schmiedel - Michi im Kloster.. Schweigeexerzitien

© Ina Baumgarten - Das Ziel ist der Weg

© Martina Hoblitz - So ein Banause

© Hartmut Gelhaar - Traumurlaub

© Dörte Müller - Gustav und Adele

© Nibiru -  Das Leben

© Doris Frese - Ein Weg der Erinnerung

© Hope Vania Greene - Los. Lauf. Weg.

© Andrea Grau  Eigene Wege gehen

© Elke Immanuel - Das Landhaus in der Toscana

© Dörte Müller - Zukunftsglück

© Jasmin Frei -  Gemeinsam 

© Heike Brands - Der Weg ist das Ziel

© Hartmut Gelhaar - Gut zu Fuß               

© M. Editha Schmiedel - Der geheimnisvolle Weg

© Anneliese Koch - Ausflug ins Märchenland

© Wolf Rebelow - Liebesgedicht

© Ma'ii Desperado - Dutchy

© Nibiru - Hand in Hand

© Roland Böhme - Jenseits des Horizonts

© Petra Peuleke - Ohne Zweifel?

© Manuela Werner - Verlorene Kinder

© Jimi Wunderlich - Guns in Ruh

© Wolf Rebelow - Es ist schön mit dir

© M. Editha Schmiedel - Zimmer 71

© Nibiru - Schwingungen

© Ralf von dr Brelie - Was vom Leben bleibt

© Heike Brands - Geh deinen Weg

© Manuela Werner - Interview mit Manuela Schauten

Unser Weg – Unsere Zeit

© Gitta Rübsaat

 

 

Liebe Celine,

 

Oh ja, reiselustig warst Du, dass kann nun wirklich niemand bestreiten. Und nein, ich habe nie abgelehnt, mitzufahren - denn eine bessere Gefährtin für unterwegs, hätte ich mir gar nicht vorstellen oder wünschen können. Als hätten wir uns abgesprochen, fiel Dir immer wieder ein neues Traumziel ein – ich brauchte gar nicht groß nachzudenken. Irgendwann, meist so gegen Frühlingsanfang, kam Jahr für Jahr Dein Anruf: "Na, alles im Lot? Wie wäre es dieses Jahr mit … XYZ?"

Habe ich mal 'nein' gesagt? Ich weiß es gar nicht mehr, ich glaube, aber eher nicht. Für mich war das so wie ein jährliches Überraschungsei: "Bin gespannt, was dieses Mal drin ist?" Das war Neugierde pur, weißt Du? Und Du hast tatsächlich auch immer Landschaften, Städte und sonstige Zielorte gefunden, die auch noch auf meiner inneren Wunschliste standen.

Ich höre noch Deine Vorreden, denn immer hast Du mich gnadenlos auf die Folter gespannt. Drum herum geredet wir eine Reporterin. Nein, schlimmer, wie eine Reporterin von der Bildzeitung, die stundenlang quatscht und doch nichts sagt! Ha, ich sehe gerade Dein Gesicht vor mir: "Was ich, niiiee!!!"

 

Doch, doch, meine liebe Celine, grad Du konntest das hervorragend, denn Du wusstest ja ganz genau, wie sehr ich auf Deinen Anruf und Deinen Vorschlag oder besser gesagt – unser neues gemeinsames Reiseziel - gespannt war. Wenn mich mal jemand gefragt hätte, ob ich eigentlich auch mal Urlaub mache oder wo ich schon überall war, ich glaube, ich hätte nur genickt, aber den Mund gehalten. Vielleicht hätte es unglaubwürdig geklungen, auf jeden Fall hätte ich sonst eine Art von Geheimnis verraten: unser Geheimnis, denn diese Reisen gingen niemanden was an, die waren einzig und allein unsere Sache und unsere ganz eigenen Erlebnisse.

Schon in der Schule haben wir uns Fantasieziele gesteckt, aber keiner hat wohl je gedacht, dass wir sie je wahr machen können. Weißt Du noch: Du wolltest Dolmetscherin werden und ich Reporter, um so, im Doppelpack, möglich viel zusammen arbeiten zu können. Auf all unseren Reisen natürlich. Unsere Berufe haben wir wahr gemacht, aber ganz so idyllisch und einfach wurde es nicht, weil wir meist an völlig unterschiedlichen Orten arbeiten mussten und von regelmäßiger Zusammenarbeit konnte nicht die Rede sein. 

Nun ja, aber trotz beruflicher und räumlicher Trennung hattest Du den Plan: wir wollen einmal jährlich unseren Urlaub zusammen zu verbringen, egal in welcher Situation wir stecken oder wo wir mal gerade wohnen. Und genau das haben wir dann auch umgesetzt. Viel haben wir gesehen, kleine und große Abenteuer erlebt und auch brenzlige Situationen.

Aber dieses eine Mal haben wir alles verschieben müssen! Unsere Reise nach Sizilien im Juni platzte, da ich terminlich nicht fort konnte. Aber dann hattest Du die Idee: "Lass uns stattdessen Ende Juli in die Toskana fahren, da blüht der Lavendel besonders schön!" Genau das machten wir dann auch, suchten uns als ersten Standort Florenz aus, das kannten wir beide noch nicht so gründlich, wie man sich das wünscht und es war fürwahr ein tolles Erlebnis. Tagsüber, meist sogar schon am frühen Vormittag, wenn die Temperaturen noch erträglich waren, eroberten wir die ehrwürdigen sowie auch die prunkvollen Gemäuer der Stadt Florenz.

Abends thronten wir, auf einer Decke mit einer Flasche Wein aus der Region, über Florenz in einem ehemaligen Klostergemäuer, dass zu einem einfachen Hotelbetrieb umfunktioniert wurde. Die nächtliche Dunkelheit um uns herum, schenkte uns meist einen wolkenlosen Sternenhimmel und ließ uns den täglichen Wahnsinn der Touristenströme unten im Tal vergessen.

 

Aber, das war ja erst der Anfang. Unvergessen und für immer und ewig mit Dir verbunden: unsere weitere Fahrt nach Siena. Einige Kilometer vor den Stadttoren sagtest Du plötzlich: "Fahr doch mal hier den kleinen Weg rechts ab!", was ich, zwar erstaunt, auch befolgte. An einer kleinen Ausbuchtung sollte ich das Auto parken, weil: "Wir gehen jetzt ein Stück zu Fuß!"

Staunend folgte ich Dir und schon nach einigen Metern wurde mir klar, warum. Vor uns ein Feldweg, Natur pur, rechts und links gesäumt mit Zypressen und in der Mitte nur wir beide. Ich konnte nicht anders und legte meinen Arm um Deine Schultern, denn da war in mir das Gefühl unserer Zusammengehörigkeit so stark, wie selten zuvor. Ich erhaschte ein kurzes Lächeln auf Deinem Gesicht und spürte, wie sich Deine Schultern entspannten.

Ich mutmaßte, dass Du nicht zum ersten Mal hier bist und, wann auch immer, sicher nicht allein und obwohl wir uns in keinster Weise Rechenschaft über unser Tun und Lassen geben mussten oder je taten, spürte ich einen kleinen Stich von Eifersucht.

In diesem Moment bliebst Du stehen: "Schau mal da hinten, da muss der ehemalige Gutshof sein, den ich für uns beide gemietet habe, liegt das nicht traumhaft in dem Tal dort? Ich konnte es ja vorher nicht besichtigen, aber ich hoffte, es ist genau das, was wir mögen."

Himmel, was war ich froh, Dich noch nicht gefragt zu haben, mit wem Du diese Idylle entdeckt hattest, keine Minute später und ich hätte vermutlich alles mit meiner dummen Frage und Eifersucht zerstört. Dabei waren wir uns ja gar keiner Rechenschaft schuldig, denn wir lebten jeder für sich unser eigenes Leben.

 

Ich bin ja vor Jahren sogar mal das Wagnis einer Verlobung eingegangen. Kurz vor Weihnachten, wozu Du uns mit den Worten "Ich bewundere Euren Mut, möge es Euch zusammen lange gut gehen!", gratuliertest und mir kurz drauf am Telefon die Prophezeiung machtest: "Ich denke mal, wir sehen uns im nächsten Sommerurlaub wieder …!" Damals war ich empört über diese Anmaßung und hatte vehement widersprochen, um nach knapp einem halben Jahr Abbitte leisten zu müssen. Du hattest leider Recht, wir sahen uns nur wenig, zu wenig, weil ich beruflich zuviel auf Reisen war. Das war der Tod unserer Beziehung und wir lösten unsere Verlobung klammheimlich wieder auf.

 

Mit jedem Schritt, mit dem wir uns nun dem ehemaligen Gutshof näherten, rückten auch wir näher zusammen. Mein Arm legte sich, wie von selbst, um Deine Schulter und wurde mit Deinem bezaubernden Lächeln belohnt. Über uns türmte sich ein Wolkengebilde auf, das mir wie ein großer, gewaltiger Schutzschirm erschien. Der Weg wurde ein wenig breiter, nur noch ein paar Schritte und wir standen vor 'unserem' Gutshof – wenn auch nur 'unser' für eine Woche. Aber das spielte jetzt erst einmal keine Rolle.

Nichts spielte mehr eine Rolle. Nun ja, wie oft wir diesen unseren Weg Richtung Siena und zurück gingen, liefen, hopsten, tanzten oder auch oft genug schwebten, weiß ich nicht mehr. Gegen Deinen und den Zauber unserer Liebe verblassten selbst die schönsten Sehenswürdigkeiten. Aber sie passte zum Flair dieses Weges mit seinen Zypressen und zu diesem wunderbaren alten Gutshof – unserem Nest für zehn rosarote unbeschwerte Tage.

 

Heute, einige Jahre später, bin ich diesen Weg noch einmal gegangen, hin zum Hof und zurück. Nein, ich wollte nicht hinein, denn es war ja nicht das Haus, es war der Weg zum Haus, der diese neuen Gefühle der Liebe in uns weckte, der aus Freunden für zehn Tage ein glückliches Liebespaar zauberte.

 

Das war unser letzter gemeinsamer Urlaub. Nie wieder habe ich von Dir etwas gehört oder gesehen und ich habe jetzt, nach Jahren, aufgehört, zu suchen, nach Dir zu fragen und zu forschen. Um wirklich abschließen zu können, musste ich noch einmal hierher kommen. Noch einmal diesen Weg hin und zurück gehen. 

Lebensaufnahmen

© Nibiru

 

 

Es ziehen die Bilder
von Sorglosigkeit über
HOLPRIGE WEG
zur Zärtlichkeit

 

Über
FEURIGE STRASSEN
zum Liebeszelt

 

Über
STOPPELFELDER
zum Tränenbelt

 

Es ziehen die Bilder nach
UNBEKANNT
und weiter, weiter zum
SEHNSUCHTSLAND

Toteninsel – Lebensinsel

© Phil Humor

 

Man müsste trunken vor Glück sein, eine Welt eingehüllt in toskanische Brillanz der Farben. Ich kam vor einigen Tagen auf die Idee, ich könne mich als Maler versuchen. Die Landschaft weckt den Maler in Dir, auch wenn er vorher tief geschlafen hat. Eine Staffelei besorgt und losgelegt. Wenn da nicht immer die Assoziationskette von den Allee-Zypressen zu Arnold Böcklins mit Zypressen bestandener Toteninsel wäre. Die gemahnen doch an was. Das hier könnte der Gegenentwurf sein: Lass Lebensinseln um Dich sein, hol die Leute zu Dir; das Leben scheint einem zuzurufen, dass seine Schönheit über das Malenswerte hinausgehe, aber man solle doch den Versuch machen, es entsprechend auf der Leinwand zu würdigen, es so in Szene zu setzen, dass jeder gleich beim Anblick aus tiefstem Herzen sagt: „Ist das Leben nicht schön?“

 

Okay, meine ersten Versuche enden mit einem Wutanfall, die Farben wollen nicht so wie ich, die Palette sieht besser aus als das Bild – aber die Zypressen gemahnen mich an etwas: An zweierlei – sie säumen Deinen Weg, kennzeichnen ihn, Wegmarker. Was, wenn sie auf sich selber verweisen, auf die Toteninsel, auf der sie sehr ruhevoll verharren, auf Ankömmlinge warten, die vom Fährmann herübergebracht werden, eingehüllt in weiße Tücher, bereit, Felsennischen zu beziehen, als sei man ein Felsenbrüter? Aber da ist nichts mehr auszubrüten, keine Gedanken, die man in die Welt hinausschickt.

 

Ein von Zypressen umsäumter Weg hat ja keinerlei Verbindlichkeit – und dennoch, wann geht man in seinem Leben querfeldein? Da war immer jemand vor einem, man ist ein Nachfolger. Auch die Sonne hat ihre Route, als ob sie ein Wächter sei, dienstversunken.

 

Der immergrüne Baum auf einer Toteninsel – will er uns verspotten? Mich beschleicht das Gefühl, dass selbst die Toskana in ihrer Herrlichkeit eine verkappte Toteninsel ist; mit Schönheit bestäubt, verführerisch anzusehen, eine Kruste. Wie stellt man so etwas auf einem Bild dar? Es ist ja Aufgabe des Malers, tiefer zu blicken, er setzt seine Symbol-Gegenstände ins Bild, sie verweisen aufeinander und erreichen gemeinsam jene Tiefe, die zum Unsagbaren und Unmalbaren führt. Das Numinose – in seiner Größe zugleich schaudervoll und anziehend.

 

Okay, man könnte seinen Urlaub auch vergnüglicher verbringen; aber da ist so eine Herausforderung in der Landschaft, sie will porträtiert werden, sie scheint eitel zu sein; tausendfach gemalt und noch immer ist es nicht genug – sie dürstet nach mehr, will Gewissheit, dass sie noch immer der Bringer sei, auch wenn sie gezwungen ist, sich selbst treu zu bleiben. Als ob ein Model immer wieder dieselbe Kollektion tragen würde – sie läuft immer wieder für denselben Designer. Fürchtet ein bisschen, in den Ruf zu geraten, langweilig zu sein, dass es uns über würde mit der hier präsentierten Raffinesse und Schneiderkunst von Mutter Natur.

 

Okay, das Numinose könnte man auf meinem Bild erkennen, aber es ist sehr ungegenständlich; die Zypressen fänden keinen Gefallen daran, sie würden sich vergebens auf meinem Bild suchen. „Gar keine Ähnlichkeit!“, käme die Beschwerde. Ich lass es gar nicht erst soweit kommen und zerreiße das gute Bild. Ich will mich nicht ihrem Vorwurf aussetzen. Ich wechsle der Reihe nach von Ölfarben zu Aquarell, dann Pastellkreiden, dann einfach nur Kohle. Egal, wie ich es versuche, die Dinge scheinen sich nicht auf meiner Leinwand wiederfinden zu wollen, es scheint, als ob sie sich verabredet hätten, gemeinsam Widerstand zu leisten. Das Wort „Dilettant“ raunen die Zypressen und die anderen haben nichts Besseres zu tun, als es ihnen nachzuplappern. „Ruhe, Lavendel, Sonnenblumen, Weinreben!“ Ich sollte mich erst mal betrinken, dann geht bekanntlich alles locker von der Hand, ich gehe das wohl zu ehrgeizig an; will meine Gedankenbilder da untermischen, unterheben, als sei das ein Kuchenteig, der aber nicht aufgehen will. Verdammt! Als Autodidakt verbietet sich mir natürlich der Besuch entsprechender Kurse; allmählich betrachte ich die Landschaft als Wildpferd, das den Rodeo-Ungeübten ein paarmal abwirft. Ich bleibe ja nicht mal eine Sekunde im Sattel.

 

Trauer-Zypresse – auch wenn sie wie ein Ausrufezeichen dasteht, so erscheint sie mir wie ein Fragezeichen. Und ihre Frage will ich mittels eines Bildes beantworten? Dem Unbewussten die Chance geben, am Bewusstsein vorbei sich mitzuteilen. Na, dann mal los.

 

Die Sonne gibt sich richtig Mühe, mir einen ihrer schönsten Abgänge zu zeigen, sie verbeugt sich, ihr gefällt wohl selber, was sie sieht. Ihre Strahlen kommen dieser Landschaft zugute, es ist ihre Energie, die dem Felsen das Leben schenkt. Die Toteninsel belebt für eine Weile. Die Zypressen deuten – wie Johannes der Täufer auf dem Bild von Leonardo da Vinci – schelmisch nach oben, als wüssten sie unsagbare Geheimnisse, seien Hüter derselben. Ich, im Kampf mit tückischen Farben und Pinseln, die sich fragen, was ich da eigentlich tue. Ich quetsche großzügigst Farben aus den Tuben; ziehe auch den Spachtel hinzu, verteile, glätte pastöse Farben; es hat schon was Sinnliches – aber eben nichts Schönes. „Der Widerstand des Bildes“, könnte ich mein Machwerk taufen.

 

„Man hat aus Euch Sakrales und Profanes gebaut. Begehrt, weil Ihr dauerhafter seid, als wir es sind. Könnt Ihr Seelen aufnehmen?“ Die Steine in Stonehenge sollen diese Fähigkeit besitzen, warum also nicht auch Zypressen, die ähnlich ausdauernd dastehen, da verweilen, ausharren. In ihrer Immergrünheit gleichen sie den Steinen – sie wechseln nicht ihren Zustand, sie verwahren sich dagegen. Man selber nimmt wohl die Schattierungen, die Färbungen seiner Umwelt an, verfärbt sich mit ihr. Wenn man zumindest ein Prisma wäre, das weiße Licht säuberlich zerlegen in Spektralfarben ...

 

Die Sonne hüllt alles in ihr Orange-Rot; ich würde es gerne in mir aufnehmen; es verinnerlichen. Als ob das einen feien würde gegen die Zeit, die einen hin und wieder gemahnt, dass sie ja voranschreite und man wieder entsetzlich trödele. Was gilt es zu schaffen? Dem Moment zu huldigen? Ihn zu verschmähen, weil es größere Ziele gibt, die es wert sind, dass man ihn mit Füßen tritt? Ich liebe dieses Bild „Die Toteninsel“ von Arnold Böcklin – das wird mir bewusst, während ich hier mit dem Counterpart, dem Gegenstück konfrontiert werde mit solch einer Eindringlichkeit und Vehemenz, dass man dem kaum standhalten kann. Eine Orgie der Schönheit, ein Rausch der Zufriedenheit, die Welt trunken vom Gefühl, attraktiv zu sein – die Schwärze des sonstigen Universums schlichtweg übersehend. Ein Mini-Paradies. Handtaschen-Format. Hier ist die Toskana-Fraktion zu Hause. Aber ist man schon ein Salonbolschewist, nur weil man das Schöne zu schätzen weiß?

 

Die Zypressen ziehen es wieder vor, nicht zu antworten, sie gehen auf meine Fragen überhaupt nicht ein; stattdessen führen sie eine Art Anklage-Monolog wider mich. Es sei eine Unverschämtheit, Parallelen zu ziehen zwischen ihnen und den Toteninsel-Zypressen, wobei sie auch geschmeichelt scheinen, da Letztere so berühmt sind; da könne man sich was darauf einbilden, so etwas in der ferneren Verwandtschaft zu haben.