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Titel

Impressum

Der Hass

EIN VORWORT IN EIGENER SACHE

PROLOG AM HIMMEL

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EPILOG AM HIMMEL

NACHSATZ DES AUTORS IM JAHRE 2009

„Die spannendsten Geschichten schreibt das Leben selbst.

Über den Autor

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LESEN SIE MEHR SPANNUNG UND UTOPIE VON RAINER A. FIEGL BEI DEBEHR

 

 

Rainer A. Fiegl

 

 

Und tötet

die Ungläubigen,

wo immer ihr sie

findet

 

 

 

THRILLER

 

 

 

 

 

DeBehr

 

ISBN: 9783957534804

© by Rainer A. Fiegl

Herausgeber: Verlag DeBehr, Radeberg

2. Auflage 2018 Verlag DeBehr, Radeberg

(1. Auflage erschien unter dem Titel: Der stille Terrorist)

Grafik Copyright by fotolia by trafa

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»Der Hass ohne Wunsch nach Rache ist wie ein Saatkorn, das auf Granit fällt.«

Honoré de Balzac

 

EIN VORWORT IN EIGENER SACHE

 

Als ich mir im Jahre 1986 diese Geschichte ausdachte, stand ich zwar unter dem Einfluss der damaligen islamistischen Attentate, aber der schreckliche 11. September 2001 lag noch in weiter Ferne. Ich wollte auf keinen Fall »vorhersagen«. Doch wie der geneigte Leser selbst spürt, rast die Zeit, und meine über zwanzig Jahre zurückliegenden Phantasien wurden von der schrecklichen Realität fast noch übertroffen.

Der Leser möge es mir nachsehen, dass im Roman die zwei Supermächte noch existieren und sich hochgerüstet in Schach halten. Auch bei der rasanten Entwicklung der Hochtechnologie war es schwierig, treffsicher vorauszusagen, allerdings sind einige technische Projekte immer noch Zukunftsmusik, zum Beispiel die computergesteuerten Verkehrsleitsysteme.

Doch so kann es einem Visionär nun einmal ergehen, wenn er seine Geschichten in der nahen, noch erlebbaren Zukunft ansiedelt. Ein schwacher Trost bleibt, wenn man sagen kann, zum Glück ist es nicht so gekommen.

Der Zusammenbruch des Riesenreichs Sowjetunion und der Fall des Eisernen Vorhangs wurden so zum Hintergrund meiner 1987 entstandenen Zukunftsvisionen (»Das verkaufte Land« und »Das unsichtbare Netz«). Doch da schimmerte bereits ein demokratischer Silberstreifen am Horizont. Dass dann alles so schnell ging, hat keiner erahnt. Leider bleibt Demokratie immer verwundbar. Nur wird sie nie solche Massenphänomene wie Selbstmordattentäter hervorbringen. Das bleibt Diktaturen mit fanatischen, religiös verbrämten Volksverhetzern vorbehalten. Integration und Abgrenzung werden immer ein gefährlicher Balanceakt in der Globalisierung bleiben. Denn leider entpuppen sich die Parallelgesellschaften oft als Brutstätten des internationalen Terrorismus. Aber auch in der Demokratie können sich durch den fremden Terror geschundene Individuen zu feurigen Racheengeln entwickeln. Allerdings kann in einem asymmetrischen Krieg der Gegner nicht mit den eigenen Waffen geschlagen werden.

Terrorismus ist immer menschenverachtend, egal unter welchen ideologischen oder religiösen Vorwänden er sich versteckt. Jeder Mensch soll seinen eigenen Gott haben oder alle haben nur einen oder keinen? Nur sollte kein Mensch einen anderen von seinem Gott überzeugen wollen. Schon gar nicht mit Gewalt und Terror. Die einzige Alternative ist und bleibt gegenseitiger Respekt und ein friedliches Nebeneinander. Demokratie lässt sich im Gegensatz zum Terror nicht zwangsexportieren.

Aber vielleicht wandeln sich die Konflikte im Laufe der Zeit, und es kämpft künftig Nord gegen Süd, arm gegen reich, jung gegen alt? Oder alle Konflikte schmelzen auf der sich erwärmenden Erde dahin, wie einst das Eis des Kalten Krieges, und auch das Feuer des Kampfes der Kulturen erstickt in der immer dünner werdenden Luft.

Tatsache ist, die Realität hat die im Jahre 1986 geschriebene Zukunftsvision längst eingeholt.

Vielleicht wurde der geneigte Leser auch schon einmal durch die strengen Kontrollen an den Flughäfen genervt und ihm wurden alle Flaschen und Gefäße mit Flüssigkeiten abgenommen? Vor dieser heimtückischen Variante, Sprengstoff an Bord der Maschinen zu schmuggeln, habe ich schon vor über zwanzig Jahren im vorliegenden Roman gewarnt.

Wenn meine Visionen alle eintreten, sollten meine Manuskripte vielleicht besser in der Schublade schlummern.

Ich prophezeie ja schon wieder ...

 

Der Autor im Jahre 2009

 

PROLOG AM HIMMEL

 

Lichtblau glänzen die ausgefransten Polkappen in der glasklaren Luft. Verästelt wie auslaufende Tinte kriechen die Flüsse über die ockerbraunen Erdschollen. Die Regenwälder schrumpfen. Weißer Wolkendampf steigt aus ihnen hoch. Grasgrüne Steppen und fahlgelbe Wüsten breiten sich ebenso aus, wie die riesigen Mohnfelder in den Opiumanbaugebieten. Nur vereinzelt noch schimmern limonengrüne Oasen im Wüstensand. Lavaschwarze Nachtschatten ziehen nach Westen. Am Horizont zerfließen die letzten Sonnenstrahlen im purpurnen Dunst.

Wie in Bernstein gegossene Insekten hängen die Frühwarnsatelliten tief im Weltraum. Hochempfindliche Sensoren können im endlosen Lichtermeer den Feuerschweif abgeschossener Raketen erkennen. Blitzschnelle Spektralanalysen klären ihren Ursprung und melden das Ergebnis an die kirchturmgroßen Kampfstationen des Schutzschildes.

Aufsteigende feindliche Raketen würden in den aus Fluor und Wasserstoff erzeugten Vernichtungsstrahlen der chemischen Laserwaffen verglühen. Das Zusammenspiel der silbernen Kampfspiegel und der Neutronenstrahlbeschleuniger zerstört die Steuerungssysteme anfliegender Raketen.

In friedlicher Sicherheitspartnerschaft schweben die elektronischen Schutzschilde der Supermächte im Raum. Die Militärs mussten die in ihren Silos nutzlos rostenden Atomraketen verschrotten.

In der weltweiten Auseinandersetzung zwischen Ost und West um das bessere Gesellschaftssystem tritt der Klassenkampf in den Hintergrund. Das Proletariat, die Quelle der marxistischen Philosophie, schrumpft in den Industrienationen immer mehr. Seine Arbeit übernehmen immer öfter Industrieroboter und Automaten. Die Zivilisation auf dem blauen Planeten erkennt die Kostbarkeit seiner dünnen, verletzlichen Hülle. Sie versucht zu retten, was sie in der Vergangenheit zu bewahren versäumte. Fünf Minuten vor zwölf entstand eine neue Industrie zur Umweltentgiftung und verschlang die durch das Einfrieren der atomaren Rüstung freigewordenen Mittel.

Über den Industriezentren steigt bleicher gefilterter Rauch in die Atmosphäre. Die sensiblen Überwachungssatelliten registrieren alle schwefelgelben und kohlenmonoxidgrauen Abweichungen. Die bahnstationären Beobachter über den Weltmeeren entdecken jede in Regenbogenfarben schillernde Ölschliere im endlosen Wasserblau. Die durch die vielen Reaktorunfälle mit Radioaktivität geschwängerte Luft atmet auf. Strahlungsarme Kernfusionsreaktoren und verwandelte sanfte Sonnen- und Windenergien liefern Strom in die weltweiten Verbundnetze.

Langsam verschwinden die Giftstoffe aus den Nahrungsketten. Schlimmer und weitaus gefährlicher für die anpassungsfähige Menschheit ist jedoch das ideologische Gift fanatischer Volksverführer.

Unverbesserliche militante Kräfte setzten den Krieg mit versteckten Mitteln fort. Durch die Unverletzlichkeit der Territorien belebt sich die Agenten- und Spionagetätigkeit. Doch vor allem die Aktivitäten des internationalen Terrorismus nehmen brutale Ausmaße an.

Die neu gegründete »Vereinigte Arabische Volksrepublik« mit General Assifa an der Spitze gibt sich nach außen friedliebend und demokratisch. Mit seiner brutalen Blut- und Eisenpolitik hatte der General die arabische Welt von Mauretanien über den Irak und Iran bis nach Afghanistan und Pakistan zwangsvereinigt.

Arabische Könige und moslemische Führer, die sich gegen die Entmachtung stellten, jagten seine Todesschwadrone in die Luft. Offiziell verkündet General Assifa, er werde mit allen Mitteln gegen den Missbrauch seines Territoriums durch den internationalen Terrorismus vorgehen. Doch heimlich fördert er die Anschläge gegen die westlichen Demokratien, um seinem krankhaften Wunsch, eine islamische Weltherrschaft zu errichten, ein Stück näher zu kommen.

Aus Angst vor Vergeltungsschlägen hält er meistens die eigenen arabischen Untergrundkämpfer zurück und schürt an der unsichtbaren Front die Zerstörungswut fanatischer Nationalisten.

Die blutige Spur des internationalen Terrorismus zieht durch die westliche Welt. Die krankhaften Gehirne der Selbstmordkommandos drohen mit Terror ohne Grenzen.

Israel, eine schwerbewaffnete Festung inmitten des arabischen Riesenreiches, flüchtet unter den elektronischen Schutzschirm der Westmächte.

Die östliche Halbkugel liegt in tiefer Nacht. Gegen 24 Uhr steigen über der sowjetischen Hauptstadt rote Raketen in den Himmel und zerplatzen zu buntem Geflimmer. Türkisgrüne Kugeln und magnesiumgrelle Strahlen zischen in die frostklare Luft. Purpurne Fahnen wallen. Die Bürger feiern hoffnungsvoll den Beginn eines neuen Jahrtausends.

Der Frühwarnsatellit »Explorer 311« registriert das ungewöhnliche Lichterspiel mit seinen empfindlichen Fühlern. Das harmlose Feuerwerk bewegt jedoch keinen der stratosilbernen Relaisspiegel. Untätig hängen die Laserwaffen im Raum.

Zügig zieht die Silvesternacht nach Westen. Noch ein klein wenig bunter erblüht das zweite Jahrtausend über den mitteleuropäischen Großstädten. Kurz vor Mitternacht überstrahlt ein extrem heller Schein die Freudenfeuer über der geteilten Hauptstadt in Deutschland. »Explorer 311« positioniert seine Fühler und Spiegel. Die Spektralanalyse des Feuerblitzes verweist auf Explosivstoffe, jedoch abklingende Leucht- und Wärmeintensität.

Die Normalwerte sind leicht überschritten. Der Satellit setzt eine Meldung über die grelle Explosion in der Neujahrsnacht zur Erde ab.

 

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Vereinzelt zischen noch Raketen in die frostklare Luft und zerplatzen zu rubinroten Sternen. Starke Scheinwerfer zerreißen die Dunkelheit über dem Trümmerfeld. In der Luft orgeln die Sirenen der Rettungsfahrzeuge. Über dem grauenvollen Durcheinander aus Beton, Stahl und Glas wallen lange Schleier aus Rauch und Pulverdampf. Armdicke Wasserstrahlen löschen aufflackernde Feuer. Bizarre Eiszapfen wachsen an den zerrissenen Stahlträgern. Aus dem zusammengestürzten Tanzpalast dringen die Hilferufe der Verletzten. Rettungstrupps in orangefarbenen Overalls leisten Erste Hilfe. Hubschrauber steigen, leise summend, mit den Schwerverletzten in den nachtschwarzen Himmel. Die kompakte Laseranlage der Diskothek ist heilgeblieben, gespenstisch schickt sie ihre grün-roten Lichtstrahlen über das Chaos aus Blut, Kleidern und Kristall. Von der Dachruine rutscht Schnee nach und mischt sich mit dem Blut der Verletzten zu rotem Himbeereis. Der brisante Sprengstoff der Terroristen hat in der Neujahrsnacht ganze Arbeit geleistet.

Der Bereitschaftsarzt Dr. Einert hetzt in das Innere des gesprengten Palastes. »Hierher!«, dirigieren ihn die verzweifelten Rufe der Retter. Feuerwehrmänner hantieren mit schwerer Hebetechnik. Mit starken Stahlseilen fesseln sie eine kalte Marmorplatte. Leise zischt die Hydraulik. Unter den abgerissenen Rändern der riesigen Platte ragen Arme und Beine menschlicher Körper hervor. Millimeterweise ruckt der schwere Brocken nach oben und gibt die Erschlagenen frei. Die türkisgrüne Maserung des Steines ist mit Blut verschmiert. Der Kran brummt laut und schwenkt herum.

Bei vielen der Zerquetschten kommt jede Hilfe zu spät. Dr. Einert kann nur noch den Tod feststellen. In der hinteren Ecke liegt in einer großen Blutlache, noch im Neujahrskuss verschlungen, ein junges Paar. Sie ist tot. In dem etwa achtzehnjährigen Burschen pulsiert noch schwaches Leben. Unter den blutverkrusteten Haaren ertastet Dr. Einert schwerste Schädelverletzungen. Noch an Ort und Stelle leitet er eine Bluttransfusion ein. Die Sanitäter steigen mit dem Schwerverletzten vorsichtig über die herumliegenden Betonbrocken.

Die Armee hat die Straße gesperrt. Mitten auf der Fahrbahn stehen die kleinen, rot-weißen Helikopter der Unfallkliniken. Noch im Steigflug gibt der Pilot die Daten des Verletzten durch. Im Krankenhaus bereiten die eilig zusammengerufenen Ärzte die Notoperation vor. Im Sprechfunkverkehr des Piloten hört Dr. Einert erleichtert, dass auch die Kliniken des östlichen Teiles der geteilten Hauptstadt Verletzte zur Notversorgung aufnehmen.

»Doktor, die Informationszentrale teilt mir gerade mit, bei Alexander Hartung ist kein Sperrvermerk für die Organentnahme eingetragen.«

Die Stimme des Piloten klingt müde. Dr. Einert überprüft aufmerksam die Instrumente. Sollte der Verletzte noch in der Luft sterben, wird ihr Flug umgeleitet, um ein anderes Leben zu erhalten.

Sanft schwebt der Rettungshubschrauber über dem Klinikum hinein. Unter sterilen weißen Tüchern wird Alexander Hartung in den Operationssaal gerollt. Als der Neurochirurg vorsichtig den Schädel untersucht, schüttelt er bedenklich den Kopf. In bunten Bildern zeigt der Computertomograf das grauenvolle Ausmaß der Quetschungen. Mit ruhigen Griffen öffnet der Chirurg den Schädel. Die knöcherne Schale gibt das verletzte Gehirn frei. Hellrote Flüssigkeit überzieht die weißgelbe Masse. Die Pumpen schlürfen das Blut von der Schädeldecke ab.

Zwischen Instrumentenklappern und gedämpften Operationsgeräuschen tropft träge die Zeit dahin. Eilig rennen die Schwestern durch die langen Gänge. In der Intensivstation herrscht Hochbetrieb. Ständig kommen frischoperierte Neuzugänge. Erschöpft tritt Dr. Einert an Alexander Hartungs Bett. Er hatte bei der dreistündigen Schädeloperation assistiert. Die Chancen für den Verletzten stehen eins zu hundert. Unruhig atmet der Operierte unter dem Sauerstoffzelt. Auf den bunten Monitoren pulsieren in weichen Wellen die Lebenszeichen. Regelmäßig signalisiert der Computer akustisch die Herztöne. Dr. Einert kontrolliert das Überwachungssystem und druckt die Daten aus. Aufmerksam studiert er die Messergebnisse. Plötzlich zerfließen die weichen Wellen auf den Monitoren in die gnadenlose Nüchternheit eines grünen Striches. Alle Schirme zeigen diese geradlinige Ewigkeit an. Der Computer löst Alarm aus. Der regelmäßige Piepton wird nicht mehr unterbrochen und schwebt durchdringend als Dauerton im Raum. Nach erfolglosen Wiederbelebungsversuchen schaltet Dr. Einert die Geräte ab und benachrichtigt die Organentnahme.

Eine Stunde später steigt der Düsenjet senkrecht vom Dach der Klinik in den blassblauen Himmel. Mit Überschallgeschwindigkeit jagt er durch den aufkeimenden jungen Morgen. An Bord lebensrettende Organe. Die Informationszentrale des weltweiten Lebensretterverbandes gibt dem Piloten die Daten der Zielklinik durch. Der nimmt den Schub zurück. Der Jet sinkt sanft dem Dächerdschungel einer Großstadt entgegen.

Dr. Einert spricht den Abschlussbericht in den Computer. Schweren Herzens beschließt er, die Eltern zu benachrichtigen.

Fahl wie ein bleicher Knochen hängt die Sonne im kalten Neujahrsmorgen. In der gnadenlosen Helle des aufziehenden Tages zeigt sich das grauenvolle Ausmaß der Zerstörung. Über 500 fröhlich feiernde Menschen begrub der zusammengestürzte Kristallpalast in der Silvesternacht unter sich. Auch im Freien erlitten viele Passanten von den durch die Luft fliegenden Splittern schwere Schnittverletzungen und tiefe Fleischwunden.

Gerd Döring, Spezialist einer eilig eingeflogenen Antiterroreinheit, inspiziert die Trümmer. Ohnmächtig vor Wut starrt er auf ein Paar Damenschuhe. Mitten auf dem Tanzparkett liegen diese stummen Zeugen des Grauens, das während der Feier losbrach. Noch immer bergen die Rettungstrupps Leichen aus dem Schutt.

Grotesk verzieren die Attribute der Fröhlichkeit, buntes Konfetti und Luftschlangen, das Bild der Vernichtung. Selbst die verstümmelten Körper der Toten tragen noch lustige Hüte und Pappnasen. Angeekelt wendet sich Gerd Döring ab. Die Spurensicherung hat nur wenig Anhaltspunkte ergeben. Nur so viel scheint festzustehen, der Einsatz wurde von Selbstmordattentätern durchgeführt. Die hochempfindlichen Messgeräte der legendären Eliteeinheit hatten sieben im Palast verteilte Explosionsorte ermittelt. Die Attentäter müssen den Sprengstoff am Körper getragen haben und wurden wahrscheinlich von einem Signal außerhalb des Palastes gezündet. Die Explosion hatte auch die Attentäter selbst pulverisiert und damit alle Anhaltspunkte für ihre Identität mit in die Luft geblasen.

Im Anblick des Grauens ärgert sich die Reporterin Monika Seidel darüber, in einer der letzten Ausgaben ihrer Zeitung einen kritischen Artikel über den gnadenlosen Waffeneinsatz der Terroristenjäger geschrieben zu haben. Als die Feuerwehrmänner einen verstümmelten, halbnackten Frauenkörper an ihr vorbei tragen, steigt Übelkeit in ihr hoch. Sie schwankt und droht zu stürzen. Plötzlich fühlt sie den festen Griff einer männlichen Hand.

Dankbar lächelt sie Gerd Döring an. Als sie jedoch über ein abgerissenes Bein stolpert, sackt sie endgültig zusammen. Der Schock treibt sie in eine schwarze Ohnmacht. Gerd Döring trägt die schlanke Reporterin über die Trümmer zum Notarzt. Noch während sie über das Chaos aus Stein steigen, schlägt Monika Seidel die Augen auf.

Sie bittet leise für ihre Schwäche um Verzeihung. Gerd Döring winkt verständnisvoll ab. Er fingert eine Packung Zigaretten aus der Brusttasche seines gefleckten Tarnanzuges. Tief zieht er den scharfen Rauch in die Lungen. Mit einem respektvollen Blick auf das weltbekannte Emblem der Eliteeinheit an seiner Unform fragt die Reporterin den Spezialisten: »Wie groß sind eigentlich eure wirklichen Chancen im Kampf gegen den Terrorismus?«

 Döring resigniert und antwortet: »Gegen Fanatiker, die mit ihrem Leben abgeschlossen haben, wirksam vorzugehen, ist nahezu unmöglich.«

Neugierig schaut die Frau ihrer Zufallsbekanntschaft in das männlich herbe Gesicht.

»Fanatiker machen vor nichts halt. Sie töten aus purer Freude daran, sich selbst und Unschuldige in die Luft zu jagen. Hier hilft nur, das Übel mit der Wurzel auszurotten. Die Drahtzieher müssen beseitigt werden.« Sein jungenhaftes Lachen hatte einen leichten Anflug von Brutalität.

Sie schüttelt ihre blonde Mähne, als könne sie damit die grauenhaften Bilder vertreiben. Beunruhigt denkt sie an ihre Kritik am Einsatz der Eliteeinheit. Sie nimmt sich vor, um einen neuen Interviewtermin zu bitten. Auf einmal hat sie Verständnis für das harte Vorgehen der Terroristenjäger.

Sie berichtet Gerd Döring von den vielen Bekenneranrufen, die bereits jetzt in ihrer Redaktion eingegangen sind. Sie zeigen die Pervertiertheit der Terroristen, sich gegenseitig den Rang abzulaufen, die Urheber dieses grauenvollen Verbrechens zu sein.

Angewidert winkt Döring ab. »Trotz des schrecklichen Anlasses unseres Kennenlernens wünsche ich Ihnen persönlich alles Gute für das neue Jahr.«

Döring will gehen. Kurzentschlossen hält die Reporterin den Mann an seiner olivgrünen Uniform fest und fragt nach einem Wiedersehen. Ihre rauchfarbenen Augen bitten. Nach kurzem Zögern gibt ihr Döring seine Karte.

Hinter ihnen bricht unter den wuchtigen Schlägen der Baumaschinen das Gerippe aus Stahl und Beton zusammen. Eine dünne Rauchsäule steigt wie ein mahnender Finger in die blassblaue Unendlichkeit.

Die Tannen und Zäune tragen weiße Hauben. Wie funkelnde Diamanten glitzern die winzigen Schneekristalle im scharfen Scheinwerferlicht. Leise summen die kleinen Elektroautos durch das gepflegte Villenviertel. Früh am Morgen verabschieden sich die Gäste von den Hartungs. Spuren der fröhlichen Silvesterparty verzieren den Garten. Über konfettibuntem Schnee ranken grüne und rote Luftschlangen. Ausgebrannte Feuerwehrkörper liegen überall herum. Auf den Gehwegen schwebt noch der Geruch von Pulver und Schwefel.

Durch die hintere Terrassentür strömt frische Luft. Der Duft starken Kaffees zieht durch die Räume. Das bittere Aroma belebt. Peter Hartung versinkt im tiefen Sessel. Infratrot-ferngesteuert sorgen die dienstbaren Haushaltsroboter für Ordnung. An der Zimmerwand erscheint das ernste Gesicht des Nachrichtensprechers. Kamerateams berichten vom Ort des brutalen Attentats. Grauenvolle Bilder stürzen von der Wand. Die Zuschauer sind entsetzt. Schreckliche Angst überfällt die Eltern.

Das Telefon klingelt schrill.