Die Herrin der Morton-Ranch

Thomas West

Published by Casssiopeia-XXX-press, 2017.

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Die Herrin der Morton-Ranch | Western von Thomas West

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Die Herrin der Morton-Ranch

Western von Thomas West

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© 2012 der Digitalausgabe 2012 by AlfredBekker/CassiopeiaPress

www.AlfredBekker.de

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WAS EMPFINDET EIN MANN Auge in Auge mit dem Tod?

Randolph O'Rourke hatte sich diese Frage oft gestellt. In den Jahren vor dem Krieg, als er Siedlertrecks durch die Indianergebiete noch Oregon hinaufführte. Dutzende von Gräbern ließen sie am Wegrand zurück.

Und natürlich während der Kriegsjahre dann, in denen er als Kavallerist der Konförderation gegen die Yankees ritt. Vor allem, an dem Tag, als ihn die Nachricht vom Tod seines Bruders und seines Vater erreichte - weiß Gott - vor allem an diesem Tag, hatte er sich diese Frage gestellt, was ein Mann angesichts des Todes empfindet.

Jetzt wusste er es. Jetzt, wo der neue Befehlshaber von Fort Worth - ein Colonel der Yankees - auf der Veranda vor der offenen Tür seines Kommandantur-Büros stand, um der Hinrichtung von neun Partisanen beizuwohnen.

Jetzt, da fünf von Randys Waffengefährten gefesselt und mit verbundenen Augen an der Rückwand der Stallungen standen.

Jetzt, da zehn Blauröcke die Gewehre anlegten, und der Sergeant zehn Schritte neben dem Hinrichtungskommando "Feuer!" brüllte, und der Schusslärm über den Exerzierplatz donnerte. Jetzt wusste Red Randy bestens Bescheid.

Ein Mann angesichts des Todes empfand Glockengedröhn, das seinen Körper von den Fußnägeln bis hinauf in die Haarwurzeln ausfüllte - seinen Herzschlag. Und er empfand einen quälenden Harndrang. Vielmehr nicht.

Die Männer an der Stallwand brachen zusammen. Einer kippte seitlich um, einer stürzte das Gesicht voran in den Staub, einer drehte sich spiralartig um sich selbst, bevor er endlich still am Boden lag, und zwei prallten gegen die Stallwand und rutschen langsam daran herunter.

Noch während die Yankees Randys tote Gefährten durch den Staub davonschleiften, packten die Corporals rechts und links von ihm den langen Kerl an den Armen. Seine Hände waren auf den Rücken gefesselt. Zusammen mit seinen drei noch lebenden Waffenbrüdern zogen sie ihn hinüber zu der Stallwand.

Gleich ist's vorbei, dachte Randy, gleich hab ich's geschafft. Seine einzige Sorge war tatsächlich die, sich nicht in die Hosen zu pinkeln, solange er noch lebte.

Feuchte Flecken an den geteerten Holzstämmen der Stallwand. Auch im Staub davor Blut. Sie stießen Randy und die anderen drei mit den Gesichtern voran gegen die Stallwand. Sie verbanden ihnen die Augen Mit den Tüchern, die sie den schon toten Gefährten abgenommen hatten. Warm und feucht waren die Tücher.

Sicher hatte Randy vor drei Tagen daran gedacht, dass er sterben könnte. Vor drei Tagen an der Grenze ins Indian Territory, als sie den Vierspännertross der Yankees überfielen, die schweren Armee-Planwagen voller Munition und Waffen.

Es war nicht schwer gewesen - sie hatten sich die blauen Uniformen der verdammten Yankees angezogen. Und die schwerbewaffnete Eskorte - eine ganze Kavallerie-Schwadron - hatte sie für eine Nordstaaten-Einheit gehalten.

>Nordstaateneinheit<...! Partisanen der Südstaaten waren sie! Dreiundsiebzig zu allem entschlossene Partisanen! Es ging ruckzuck. Keinen hatten sie am Leben gelassen, nur die Pferde.

Grobe Hände rissen Randy herum und drückten ihn rücklings gegen die Außenwand des Stalls. Dann entfernten sich die Schritte der Corporals. Randy glaubte, der Schädel unter seinem Rotschopf müsste ihm zerspringen, so heftig dröhnte der Glockenschlag seines Herzens in seinem Hirn...

Lancaster war der Verräter gewesen. Ohne Zweifel - Henry Lancaster. Der Bürgermeister von Paradise arbeitete mit den Yankees zusammen! Ausgerechnet der Bürgermeister...! Diesmal war das Überraschungsmoment auf Seiten der Nordstaaten gewesen. Red Randy hatte von der Schießerei gar nichts mitgekriegt. Sie hatten ihn betrunken aus dem Bett geholt. Das war gestern gewesen.

Lancaster würde das Kriegsende nicht erleben. Doch das tröstete Randy nicht.

Er hörte das Geschrei des Sergeants. "Achtung!" Zu Harndrang und Glockendröhnen in seinem Kopf mischte sich ein Bild. Das Bild seiner Mutter, ihr liebes Gesicht, ihre zärtlichen Augen, ihre vom Waschen, Nähen und Stallarbeit schwieligen Hände.

"Gewehr anlegen!"

Randy fühlte sich plötzlich wie ein Sechsjähriger. Seine Tränen sickerten in die schwarze Augenbinde und vermischten sich mit dem Schweiß des schon erschossenen Kampfgefährten. Er biss die Zähne zusammen und wartete auf den Feuerbefehl.

Plötzlich Hufschlag. "Halt!" Eine Frauenstimme. Dunkel, herrisch, lauter als die Männerstimme, die jetzt hätte "Feuer!" schreien müssen. Wie aus einer anderen Welt drang sie in Randys Bewusstsein. Er stand schon auf der Grenze in jenes Land, aus dem es kein Zurück mehr gibt. "Halt, zum Teufel! Ihr erschießt den Falschen!" Randy erkannte die Stimme.

Josephine Morton...

Stimmengewirr vor der dunklen Binde, Getuschel. Der Hufschlag verstummte. Es mussten vier oder fünf Reiter sein, die auf den Exerzierplatz von Fort Worth geritten waren. Randy hörte wenigstens einen aus dem Sattel springen. Er war jetzt hellwach.

"Colonel Webbster!", rief die Frauenstimme. "Ich weiß nicht, ob dieser Mann ein Partisan ist oder nicht! Aber ich weiß, dass er vor drei Tagen keinen Munitionstransport an der texanischen Grenze überfallen haben kann!" Randy sah nichts - die Binde, wie gesagt - aber er wusste, dass sie auf ihn deutete. "Vor drei Tagen nämlich war dieser Mann auf der Morton-Ranch und hat mit mir zusammen meine Fohlen gebrannt."

Das stimmte nur halb. Randy war auf der Morton-Ranch gewesen, ja. Aber das war über eine Woche her. Und da hatte er nicht mit Josephine Morton zusammen ihre Fohlen gebrannt, da lag er mit ihr zusammen in ihrem Bett.

"Das kann ich beschwören, Colonel!"

Randy vergaß zu atmen. Und er vergaß auf den dröhnenden Glockenschlag in seinem Schädel zu achten. Er lauschte Josephines energischer Stimme und den bohrenden Fragen des Yankee-Kommandeurs. Wie viele Meilen ihre Farm von Denton entfernt sei, wollte er wissen, wie lange O'Rourke an diesem Tag mit ihr zusammen die Fohlen mit dem Brandeisen bearbeitet hatte, ob das jemand bezeugen könne, und so weiter, und so weiter.

Josephine Morton beantwortete jede seiner Fragen knapp und nachdrücklich und mit der für sie so typischen rauen Altstimme. Über eine Reitstunde läge ihre Ranch von Denton entfernt und der Ort mindestens zwanzig Meilen von der Grenze zum Indian Territory, und O'Rourke hätte vom frühen Vormittag bis zum Sonnenuntergang bei ihr gearbeitet. Einige Männerstimmen bestätigten das. Dann die Stimmen der Yankees, und schließlich der Befehl des Sergeants "Gewehr ab!"

Randy wusste nicht, wie ihm geschah. Sie nahmen ihm die Binde ab. Da stand sie - dunkle, zornige Augen, brauner Teint, schwarzes, streng zurückgekämmtes und zusammengebundenes Haar und ähnliche Kleider, wie die fünf Männer bei ihr: Staubige Nietenhosen, Lederchaps, Baumwollhemd, speckige Weste und verschwitzter Stetson. Josephine Morton.

Ihre Blicke begegneten sich. Triumph loderte in ihren braunen Augen. Wie ein Engel kam sie ihm vor. "Sperrt ihn ein", sagte Colonel Webbster.

Die Corporals führten ihn über den Exerzierhof zum kleinen Zellentrakt von Fort Worth. Randy glaubte zu träumen. "Gewehr auf!", schrie der Sergeant. "Feuer!" Eine Schusssalve krachte hinter Randy über den Exerzierplatz. Er hörte die Körper seiner Waffengefährten dumpf auf dem Boden aufprallen.

Wieso leb ich noch...? Warum hat mich keine Kugel getroffen...? Ein Karussell rotierte in seinem Schädel. Es drehte sich um das Gesicht von Josephine Morton. Ich kenn sie kaum, warum hat sie das getan...?

Sie stießen ihn in eine der zehn Zellen des Gefängnistraktes. Randy stand am kleinen Zellenfenster und versuchte zu begreifen, was gerade geschehen war. Auf der anderen Seite des Exerzierplatzes sah er den Kommandeur mit Josephine Morton sprechen. Ihre Männer standen abseits bei den Pferden und rauchten. Randy kannte sie nicht.

Er wusste - jeder unter den Partisanen wusste das - dass Josephine Morton die Kavallerie der Yankees mit Pferden belieferte. Es blieb ihr nichts anderes übrig. Die Union hatte den Krieg so gut wie gewonnen. Sie führten sich schon auf wie die Herren von Texas.

Aber Josephine Morton belieferte auch die Partisanen mit Pferden. Heimlich natürlich. Deswegen hatte der rothaarige Randy gemeinsam mit vier Waffenbrüdern die Mortonranch aufgesucht. Vor etwas mehr als eine Woche, wie gesagt.

Das Geschäft nahm einen halben Tag in Anspruch, nicht mehr. Doch die Morton hatte darauf bestanden, ihnen ein Essen vorsetzen zu lassen. Es gab Bier und Whisky dazu. Das Hausmädchen stellte den anderen eine Flasche teuren Bourbons auf den Tisch, und die Morton drängte Randy, sich ihre Zuchthengste anzuschauen. Allein mit ihr.

Tja - im Stall gings schon los. Die Morton, vielleicht vier, fünf Jahre älter als Randolph O'Rourke, wusste genau was sie wollte. Irgendwann landeten sie ihm Bett. Und Randy blieb über Nacht.

Alles in allem also knapp vierundzwanzig Stunden, die sie gemeinsam verbracht hatten. Und jetzt das.

Randy fragte sich ernsthaft, ob am Ende weiter nichts als sein Schwanz daran Schuld war, dass die Yankees ein bis zwei Kugeln gespart hatten, und er nun vielleicht doch älter werden würde als nur dreiunddreißig Jahre.

Er beobachtete, wie Josephine Morton und ihre Männer in die Sättel stiegen. Sie ritten über den Exerzierplatz zum Tor. Einer der Reiter löste sich aus der Gruppe und lenkte sein Pferd dem Zellentrakt entgegen. Vor Randys Zellenfenster zog er grob an den Zügeln, das Pferd stieg hoch und schnaubte.

"Hör zu, Roter", knurrte der Reiter, ein etwa vierzigjähriger Mann mit faltigem, sonnenverbranntem Gesicht und einem dichten, schwarzen Schnauzer. "Wenn du das hier auch noch überlebst, und sie dich nach dem Krieg rauslassen, komm zur Morton-Ranch. Mrs. Morton will, dass du für sie arbeitest..."

Er riss die Zügel herum, preschte über den Exerzierhof den anderen hinterher, und galoppierte durch das Tor von Fort Worth.

Mrs Morton will, dass du für sie arbeitest... Immer wieder zog der Satz durch Randys Kopf. Mrs Morton will, dass du für sie arbeitest... Er kam überhaupt nicht auf die Idee, das nur als Angebot zu verstehen, über das er nachdenken müsste. Mrs Morton will...

*

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NOCH IM SELBEN MONAT kapitulierte General Lee, und acht Wochen später, am 2. Juni, 1865, streckte mit General Smith der letzte Armeeführer der Konföderation die Waffen. Und zwei Jahre später erließ Präsident Johnson eine Amnestie. Auch Randolph O'Rourke wurde aus dem Gefängnis in Fort Worth entlassen.

Er machte sich zu Fuß auf den Weg Richtung Denton. Nach anderthalb Tagen erreichte er eine große Ranch am Ufer des Grapevine Lakes. Josephine Mortons Ranch...

*

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JOHN CARSON GLAUBTE zunächst in die falsche Stadt geritten zu sein. Ein einziges Mal in seinem Leben war er bisher in Wichita, Kansas, gewesen. Ein, zwei Jahre vor dem Bürgerkrieg. Damals hatte er für die Wells Fargo als Postkutschen-Begleitschutz gearbeitet. Und damals war Wichita ein kleines Nest gewesen. Ein paar lächerliche Holzbaracken um ein kleines Kirchlein und den Saloon herum, weiter nichts.

Und jetzt reihte sich ein Haus ans andere entlang der Mainstreet. Es gab Hotel, Saloons, Spielhallen, Friseure und Stores, und viele Reiter, Kutschen und Fußgänger füllten die breite, staubige Straßenzeile.

John Carson zog die Zügel seines Wallachs an, das Pferd blieb stehen. >Wichita Restroom< war auf einem weißen Schild über dem Vordach des Saloons zu lesen. "Wir sind tatsächlich in Wichita, Grauer." Er stieg von seinem Wallach, band ihn am Bürgersteiggeländer vor dem Saloon fest, klopfte ihm zärtlich den Hals und betrat den >Wichita Restroom<.

Johnny Carson war nicht gerade ein Riese. In seiner Kavallerie-Schwadron hatten ihn die meisten Kameraden um einen halben Kopf überragt. Die Krempe seines weißen Stetsons trug er in der Regel tief ins Gesicht gezogen, und unter seiner gewölbten Stirn leuchteten ein paar hellblaue Augen. Ziemlich vergnügte Augen, wenn nicht gerade Ärger anstand. Ein schwarzer Stoppelbart bedeckte die untere Hälfte seines Gesichts.

Er trug nicht die allerbilligsten Klamotten: Eine gute, schwarze Baumwollhose, eine schwarze Lederweste, darunter ein weißes Rüschenhemd und darüber ein langschößiges hellgraues Jackett. Zwei Colts .45er steckten links und rechts in den Halftern seines Waffengurtes. Johnny Carson war drei Wochen zuvor, Mitte September, vierunddreißig Jahre alt geworden.

Im Saloon - ein großzügiger, quadratischer Raum - bevölkerten ein gutes Dutzend Frauen und vielleicht dreimal so viele Männer Tische und Theke. Lärmende, aufgekratzte Männer, Texaner hauptsächlich. Nach Wochen unter freiem Himmel, nur in Gesellschaft von ihresgleichen und Tausender Longhornrinder, setzten sie nun ihren Hirtenlohn in Whisky und Frauen um. Es war Johnny Carson neu, dass Wichita seit wenigen Monaten als aufstrebende Kuhstadt galt. Er war nicht aus Kansas, er kam von weit her.

Johnny drängte sich zwischen die Texaner an die Theke und bestellte einen Kaffee. Ein paar Minuten später schob ihm der Wirt den Becher mit dem dampfenden Gebräu über den Tresen. "Eine Menge los in eurer Stadt", sagte Johnny. "Als ich das letzte Mal nach Wichita wollte, wäre ich fast dran vorbeigeritten - so klein war es."

"Das haben wir Jesse Chisholm zu verdanken." Der Wirt, ein fülliger Bursche von etwa fünfzig Jahren und mit bärtigem Vollmondgesicht, machte nicht den Eindruck, als hätte er Sorgen. Seine glatten Gesichtszüge, die wulstigen Lippen und die großen, ruhigen Augen ließen Johnny an ein sattes Kind denken. "Seit er die Route durchs Indianerterritorium nach Texas hinunter gefunden hat, können wir uns über Langeweile nicht mehr beklagen..."

"Und über leere Kassen auch nicht, was?", feixte einer der Texaner, ein drahtiger Mann in Johnnys Alter. Seine Haut hatte einen ungesunden Gelbstich. Eine große Lücke klaffte in seinen Schneidezähnen.

Johnny drehte sich eine Zigarette und zündete sie an. "Wo finde ich die Farm der O'Rourkes?", wandte er sich dann an den Wirt. Ein schnurrbärtiger Bursche auf der anderen Seite der Theke horchte auf. Johnny entging es nicht. Es gab überhaupt wenig, das ihm entging.

"Das ist jetzt die Farm der Conellis", sagte das Vollmondgesicht. "Italienische Einwanderer, sie haben das Land nach Kriegsende gekauft."

Johnny ließ sich seine Enttäuschung nicht anmerken. "Mrs. O'Rourke lebt also nicht mehr in Wichita?"

"Leben nicht, aber in der Stadt schon", sagte der Wirt. "Sie liegt auf dem Friedhof. Ihr Mann und ihr ältester Sohn sind in der Schlacht um Petersburg gefallen. Das hat ihr das Herz gebrochen."

"Übel", brummte Johnny. "Aber da muss es noch einen jüngeren Sohn geben..."

"Red Randy?" Der Wirt zuckte mit den Schultern. "Hat sich Quantrills Partisanen angeschlossen, als er vom Tod seines Vaters und seines Bruders erfuhr. Ein gerissener Hund, bei allen Teufeln! Soll den Yankees mächtig zugesetzt haben. Keiner weiß, was aus ihm geworden ist."

"Er ist tot", mischte sich der junge Texaner mit der Zahnlücke ein. "Unten in Fort Worth von den Blauröcken erschossen. Im letzten Kriegsjahr. Mit acht anderen Partisanen."

"Red Randy?", kam es von der anderen Seite der Theke. Die meisten Cowboys dort hatten ihre Gespräche unterbrochen und zugehört. "Erschossen? Blödsinn! Er sitzt im Kerker von Fort Worth. Schon das dritte Jahr."

Es war der Mann mit dem dichten, schwarzen Schnurrbart, der das sagte. Johnny fiel sein sonnenverbranntes, etwas hohlwangiges Gesicht auf. Und der lauernde Ausdruck in seinen Augen. Er hieß Abner Kearny und stammte aus Denton, Texas. Aber das sollte Johnny erst Wochen später erfahren.

"Red Randy lebt?!" Der Texaner neben Johnny runzelte die Stirn. "Ich schwör dir, sie haben ihn an die Wand gestellt."

"Schon möglich", knurrte der Schnauzbart. "Aber sie haben ihn nicht abgeknallt."

"Woher weißt du das, Texaner?", erkundigte sich Johnny.

"Ich weiß es." Der Mann leerte sein Glas, knallte es auf den Tresen und stieß es ab. Es scheuerte über das Holz Richtung Wirt. "Bring uns eine ganze Flasche von dem Gesöff." Dann wandte er sich wieder der Frau neben sich zu. Nach seinem Geschmack hatte er genug geredet, wie es schien.

Der Wirt angelte eine Whiskyflasche aus dem Barschrank und stellte sie vor den Schnauzbart. Danach kam er zurück zu Johnny, stützte sich auf die Theke und beugte sich zu ihm. "Was willst du von den O'Rourkes?" Er zog ein misstrauisches Gesicht.

"Ich hab eine Nachricht für sie." Jetzt beäugte das Vollmondgesicht den fremden Gast mit unverhohlener Neugierde. "Eine persönliche Nachricht", sagte Johnny. Dabei beließ er es.

Er versenkte drei Löffel Zucker in seinem Kaffee. Nachdenklich rührte er ihn um und rauchte dabei. Die Neuigkeiten, die er eben gehört hatte, gefielen ihm nicht.

Es war ein weiter Weg gewesen von der Westküste Kanadas bis nach Kansas. Und nun sah es ganz danach aus, als wäre er vergeblich in den Sattel gestiegen.

Johnny hielt sich seit Kriegsende in Kanada auf. Aus gutem Grund. Er hatte zu General Lees Truppen gehört, die 1864 von den Yankees in Petersburg eingekesselt waren. Ein Stoßtrupp unter seinem Kommando hatte eines Morgens einen Ausfall aus der belagerten Stadt gewagt und über sechzig Yankees getötet. Darunter einen Brigadegeneral.