Inhalt

Übergänge gestalten


Vorwort von Margot Käßmann


Statt Einleitung: Zehn Fragen an den Autor

Plurales Judentum

Heute Jude sein

Warum bin ich Jude?

Wahrheit

Sinn und Glück

Was glücklich macht

Frei durch das Gesetz

Ethik und Erwählung

Ethik und Ritual

Wessen Werke sind schöner?

Unrast und Besinnung

Gott der Vater

Gottesleugnung

Religionskritik

Kein Personenkult

Messias

Beten

Reform

Einer von uns

Zeugen

Religion und Moderne

Das Judentum in der Moderne

Bibelkritik und Aufklärung

Erfolgskonzept Toleranz

Jüdische Theologie

Theologie an der Universität

Universitätsstudium für Geistliche

Vernunft und Geschichte

Öffentliche Religion

Stammzellforschung

Homosexualität

Frauen im Amt

»Mischehen«

Kompetenz und Verantwortung

Juden – Christen – Muslime

Veränderungen würdigen – den Dialog suchen:
Im Gespräch mit Katholiken

Einander begegnen und Unterschiede aushalten:
Im Gespräch mit Protestanten

Gemeinsamkeiten betonen – Unterschiede respektieren:
Im Gespräch mit Muslimen

Verbindendes und Trennendes

Keine Judenmission

Unter Freunden

Jesus – Brücke oder Hindernis?

Ein Muslim mit Chuzpe

Paulus

Pessach und Ostern

Karfreitagsfürbitte

Was treibt uns an?

Benedikt XVI.

Beten für einen Freund

Ein Ketzer als Brücke

Martin Luther

Adolf von Harnack

Logik und Mystik

Wertegemeinschaften

Proselyten

Seitenwechsel unter Brüdern

Vermächtnis

Land und Staat Israel

Israel und die Diaspora

Heimat in der Fremde

»Nächstes Jahr in Jerusalem«

Niemand sonst

Siebzig Jahre

Gerechtigkeit und Frieden

Gewissen im Judentum

Gerechtigkeit und Barmherzigkeit

Dem Frieden nachjagen

Wahrheit und Frieden

Gleichheit und Menschenrechte

Ökonomie und Ethik

Finanzmarktkrise

Umweltschutz

Heimat

Deutsche Einheit

Über den Autor

Über die Autorin des Vorworts

Über das Buch

Impressum

Hinweise des Verlags


Walter Homolka

Übergänge

Beobachtungen eines Rabbiners

Patmos Verlag

ÜBER DEN AUTOR

Professor Dr. Walter Homolka, geb. 1964, PhD (King’s College London 1992), PhD (University of Wales Trinity Saint David 2015), DHL (Hebrew Union College-Jewish Institute of Religion New York) ist deutscher Rabbiner.

– Professor für Jüdische Religionsphilosophie der Neuzeit, Schwerpunkt Denominationen und interreligiöser Dialog, der Universität Potsdam

– Geschäftsführender Direktor der School of Jewish Theology der Universität Potsdam

– Mitbegründer und Rektor des Abraham Geiger Kollegs an der Universität Potsdam sowie Geschäftsführer des Zacharias Frankel College an der Universität Potsdam

– Chairman der Leo Baeck Foundation – Stiftung in Brandenburg

– Direktor des Ernst-Ludwig-Ehrlich-Studienwerks – Jüdische Begabtenförderung

– Mitglied im Executive Board der World Union for Progressive Judaism Jerusalem sowie Vizepräsident der European Union for Progressive Judaism London

– Mitglied im Direktorium des Zentrums Jüdische Studien Berlin-Brandenburg, des Stiftungsrats der Eugen-Biser-Stiftung München, des Gesprächskreises Juden und Christen beim Zentralkomitee

der deutschen Katholiken

– Seit 2003 ist Walter Homolka Vorsitzender des Kuratoriums der Ursula-Lübbe-Stiftung. Seit 2012 Mitglied des Vorstands des Gustav Mahler Jugendorchesters Wien. Er war Mitglied im Jewish Studies Advisory Board der Princeton University, Fellow des Moses Mendelssohn Zentrums für europäisch-jüdische Geschichte Potsdam und German Marshall Fund Fellow, außerdem stellvertretendes Stiftungsratsmitglied der Berliner Philharmoniker, Mitglied der Hessischen Kulturkommission und Mitglied des Aufsichtsrates der Österreichischen Bundestheater Holding. Walter Homolka ist Oberstleutnant der Reserve beim Bundesverteidigungsministerium.

ÜBER DIE AUTORIN DES VORWORTS

Professorin Dr. Margot Käßmann, geb. 1958, Theologin und Pfarrerin, Landesbischöfin der Evangelisch-lutherischen Landeskirche Hannovers (1999–2010), Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (2009–2010), »Botschafterin des Reformationsjubiläums 2017« (2012–2018).

ÜBER DAS BUCH

Walter Homolka ist einer der profiliertesten Vertreter des Judentums in Deutschland. Seit zwanzig Jahren wirkt er als Rabbiner und bildet heute Rabbiner und Kantoren für ganz Europa aus. Er ist Gründer und Rektor des ersten deutschen Rabbinerseminars nach der Schoa, des Abraham Geiger Kollegs. In diesem Buch äußert er sich zur Pluralität des Judentums, zu Religion und Moderne, zum Dialog der Religionen, zu Land und Staat Israel, zu Gerechtigkeit und Frieden. Programmatische Beiträge und prägnante Notizen – zeitgenössische Beobachtungen eines deutschen Rabbiners, unterhaltsam und oft überraschend.

»Für mich ist gerade der Wandel der Schlüssel,

dem Judentum treu zu bleiben.«

WALTER HOMOLKA

Auch als Printausgabe erhältlich.

www.patmos.de/ISBN978-3-8436-0924-1

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© 2017 Patmos Verlag,

ein Unternehmen der Verlagsgruppe Patmos

in der Schwabenverlag AG, Ostfildern

Umschlaggestaltung: Finken & Bumiller, Stuttgart

Umschlagabbildung: © Abraham Geiger Kolleg / T. Barniske

ISBN 978-3-8436-0924-1 (Print)

ISBN 978-3-8436-0925-8 (eBook)

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Übergänge gestalten
Vorwort von Margot Käßmann

Zum ersten Mal habe ich Walter Homolka intensiv erlebt, als wir beide an Lebensübergängen standen: Wenige Wochen nach meinem Amtsantritt als Landesbischöfin 1999 kam er mit seinem Vorgänger, Rabbiner Henry G. Brandt, zu mir in die Bischofskanzlei in Hannover, um sich als neuer Landesrabbiner von Niedersachsen vorzustellen. Wir hatten damals ein spannendes Gespräch über das Abraham Geiger Kolleg, dessen Mitbegründer und Rektor Rabbiner Homolka ist. Das Rabbinerseminar war eben erst ins Leben gerufen worden, hatte den Lehrbetrieb aber noch nicht aufgenommen. Ich war damals schon begeistert von der Initiative, in Deutschland Rabbiner auszubilden. In der Folgezeit habe ich mit hohem Respekt verfolgen können, wie durch den enormen Einsatz von Rabbiner Homolka und seiner Mitstreiter das Kolleg seine Arbeit aufnahm. Dass in Deutschland nach dem Holocaust wieder jüdisches Leben existiert, Gemeinden gegründet und ihre Rabbiner in diesem Land ausgebildet werden, ist für mich als Christin bewegend und ich bin Rabbiner Homolka dankbar für seinen unermüdlichen Einsatz.

In den kommenden Jahren wurde er für mich zum wichtigen Gesprächspartner, wann immer ich Fragen zum Judentum in Deutschland heute, zur jüdischen Theologie oder auch zur jüdischen Praxis habe. Besonders intensiv wurde unser Austausch, nachdem er mich eingeladen hatte, am 13. November 2013 die Festrede zur Eröffnung der School of Jewish Theology an der Universität Potsdam zu halten, deren geschäftsführender Direktor er ist. Zum ­allerersten Mal wurde damit an einer deutschen Universität der Studiengang »Jüdische Theologie« im Fakultätsrang eingerichtet. Meine Anwesenheit sollte auch ein Zeichen sein, waren es doch nicht zuletzt angesehene protestantische Theologen, die im 19. Jahrhundert jüdischer Theologie an deutschen Universitäten ablehnend gegenüberstanden.

Natürlich wurden auch im 19. Jahrhundert und bis zum Beginn der Schoa Rabbiner in Deutschland ausgebildet. Doch diese Ausbildung konnte sich nicht an öffentlichen Universitäten etablieren, sondern fand in eigenen Seminaren statt: eins in Breslau, zwei in Berlin. Auch gab es an evangelisch-theologischen Fakultäten Nischen für Judentumskunde. Besonderes Gewicht hatte der Lehrstuhl von Hermann Leberecht-Strack in Berlin, der mit seinem Institutum Iudaicum hoch angesehen war. Seine »Einleitung in Talmud und Midrasch« war ein Klassiker, er arbeitete mit dem orthodoxen Rabbinerseminar zusammen. Anders als andere protestantische Theologen hatte er sich gegen jedweden Antisemitismus positioniert. In Leipzig gab es zudem das Institut am Lehrstuhl von Franz Delitzsch, nach 1945 wurde es nach Münster verlegt. Aber es waren christliche Lehrstühle, nicht jüdische, und das Berliner Institut hatte zudem den Untertitel »Institut zur Förderung der Judenmission«. Judaistik, jüdische Wissenschaft war ein Appendix. Es gab hier und da jüdische Lehrstuhlmitarbeiter – freie Forschung und Lehre des Judentums war das nicht.

Mit der School of Jewish Theology der Universität Potsdam stehen wir am Übergang in eine Zukunft, in der jüdische Theologie als eigenständiges Fach an einer deutschen Universität betrieben wird. Das ist etwas Neues, und ich bin überzeugt: Das wird der Ausgangspunkt sein für eine Begegnung auf Augenhöhe. Uns allen ist bewusst, dass wir einen Dialog der Religionen brauchen. Und genau diesen Dialog kann und soll gerade die Theologie möglich machen. Sie gibt den menschlichen Begegnungen, die ebenso unerlässlich sind, die notwendige Substanz für das Gespräch.

Das Ringen um Gott und die Welt, der wissenschaftliche Zugang zu den heiligen Schriften, die systematische und praktisch-theologische ebenso wie die historische Durchdringung der Religion sind eine Herausforderung im Zeitalter der Aufklärung. Sie gehört an die Universität, um diskursfähig zu sein in der säkularen Welt und sich eben nicht in privat-religiöse Nischen zurückzuziehen. Theologie braucht universitäre Fakultäten – jüdische ebenso wie christliche und islamische.

Das zwanzigjährige Ordinationsjubiläum von Rabbiner Homolka fällt in das Jahr 2017, in dem die Evangelische Kirche Deutschlands das fünfhundertjährige Reformationsjubiläum feiert. Es kann gerade nach der Realität des Holocaust kein Reformationsjubiläum geben, das bei aller Freude über die Errungenschaften der Reformation ihre Schattenseiten nicht benennt. Und gerade die bedrückende Geschichte der christlichen Judenfeindschaft hat in Martin Luther einen furchtbaren Zeugen, so sehr vieles an ihm hochzuschätzen ist. Der Antijudaismus Martin Luthers hat der protestantischen Kirche ein fatales Erbe hinterlassen. Dabei finden sich in seiner 1523 veröffentlichten Schrift »Dass Jesus Christus ein geborener Jude sei« für die damalige Zeit bemerkenswerte Ansichten: Stereotype Vorwürfe gegen die Juden, darunter den des Wucherzinses, weist der Reformator entschieden zurück. Durch jene Schrift Luthers entstand in jüdischen Kreisen die Hoffnung, es könne zu einem Neuanfang im Verhältnis zwischen Juden und Christen kommen. Doch zwanzig Jahre später, 1543, erscheint ein im Duktus völlig anderer Text Luthers. Schon der Titel »Von den Juden und ihren Lügen« verrät, dass es sich um eine Schmähschrift handelt. Luther schlägt darin der Obrigkeit vor, dass sie Synagogen und jüdische Schulen »mit Feuer anstecken«, ihre Häuser »zerbrechen« und die Juden »wie die Zigeuner in einen Stall tun« soll. Diese so unfassbaren Äußerungen werfen auf ihn und die Reformation insgesamt einen Schatten und sollten die Kirche, die sich nach ihm benannte, auf einen entsetzlichen Irrweg führen.

Bis auf wenige Einzelne versagte die Evangelische Kirche in der Zeit des Nationalsozialismus, weil sie Juden und Jüdinnen nicht schützte, sich dem Holocaust nicht vehement entgegenstellte. Erst nach 1945 begann sie – langsam –, den verhängnisvollen Weg des Antijudaismus zu verlassen, eine Lerngeschichte setzte ein. Der jüdisch-christliche Dialog hat neu entdecken lassen, was der Apostel Paulus über das Verhältnis von Christen und Juden schreibt: »Nicht du trägst die Wurzel, sondern die Wurzel trägt dich« (Römer 11,18). Das war für die Evangelische Kirche ein Prozess, der Erschrecken über eigene Irrwege zutage treten ließ und Befangenheit auslöste. Mein Eindruck aber ist, dass immer öfter freie Begegnung möglich wird, die um das Vergangene, um Schuld ebenso wie um Opfer­erfahrung weiß, aber nicht dort verhaftet bleibt, sondern Übergänge eröffnet in die Zukunft eines Dialogs auf Augenhöhe.

Für solche vertrauensvollen Dialoge, die auch Spannungsvolles nicht ausklammern, stellt sich Rabbiner Walter Homolka gern zur Verfügung. Er ist dabei ein kundiger Gesprächspartner, hat er doch in Vorbereitung seines Rabbinatsstudiums als Jude selbst zunächst protestantische Theologie studiert, drei Jahre bis zum Baccalaureat 1986 an der Ludwig-Maximilians-Universität in München, und danach 1992 am Kings’ College in London über Rabbiner Leo Baeck und den deutschen Protestantismus promoviert. Er ist 2017 bei der Weltausstellung Reformation an der Vorbereitung des Themenbereiches »Dialog der Religionen« beteiligt. Mit dabei sind neben Juden und Christen auch Muslime, und dieser Trialog macht die Kommunikationsfähigkeit von Walter Homolka noch einmal besonders wahrnehmbar.

Ich habe von ihm viel gelernt über die jüdische Luther-Rezeption, die vor dem Nationalsozialismus offenbar bemerkenswert wohlgesonnen Luthers Stellung zu den Juden betrachtete. Es war ein Rabbiner, nämlich Reinhold Lewin, der 1911 die erste wissenschaftliche Monografie zu diesem Thema veröffentlichte. Luther sei deswegen für das Judentum interessant, weil er den nach Gott suchenden Menschen in den Mittelpunkt stellt, so der Rabbiner. Das Judentum habe von der Reformation profitiert, sagt Homolka. Er kennt sich aus in der Geisteswelt des 19. Jahrhunderts, als Luther im Zuge der jüdischen Aufklärung zum Symbol und Ausgangspunkt geistiger Freiheit stilisiert wurde. Er ist auch ein großer Kenner der Theologie Leo Baecks, dessen Klage ich teile: »Es ist ein geistiges und moralisches Unglück Deutschlands, dass man aus dem Deutschtum eine Religion gemacht hat.« Die Reformation habe die Religion an den Staat ausgeliefert, meinte Baeck – eine diskussionswürdige These, die Rabbiner Homolka wieder ins Gespräch bringt. Dabei sind »Verstaatlichung« und »Privatisierung« zwei Entwicklungen, die beide zu vermeiden sind. Ich teile seine Bedenken, dass sich Religion ins Private verflüchtigen könnte. Homolka sieht Parallelen zwischen liberalem Judentum und liberalem Christentum: Beide müssen immer wieder erklären, auf welche Weise sie ihrer Tradition treu sind.

Wir leben in einer Zeit der Übergänge, auch was die Gestalten und Erscheinungsformen der Religionen betrifft. Dabei hat Walter Homolka nach zwanzig Jahren im Rabbinat eine große Weitsicht und Geduld. Er wünscht sich Veränderungen und Entwicklung des Judentums wie der Kirchen – aber weiß auch, dass es immer wieder längere Durststrecken gibt. Das muss nicht beunruhigen, sondern kann mit Zuversicht ertragen werden.

Immer wieder meldet sich Walter Homolka zu Wort; einige dieser Wortmeldungen sind in diesem Buch versammelt. Ich freue mich auf das Buch, in dem sowohl programmatische Beiträge als auch Notizen und Beobachtungen aus den vergangenen Jahren zusammengestellt sind, und ich bin gespannt auf seine Anregungen, was er zur Pluralität des Judentums, zu Religion und Moderne, zum Dialog der Religionen, zu Land und Staat Israel sowie zu Gerechtigkeit und Frieden zu sagen hat. Ein Ringen, durchaus auch Streiten um diese Themen ist hilfreich in einer Zeit, in der Fundamentalismus um sich greift. Eigenes Denken und Fragen, ja Streit um die Wahrheit sind notwendig gegen jede Form von Fundamentalismus. Frei denken zu können, Religions-, Meinungs- und Redefreiheit sind ein hohes Gut. Ohne gemeinsames Denken und Ringen landen wir in isolierten Sackgassen.

Walter Homolka und ich sind uns immer wieder an Lebensübergängen begegnet. Am allermeisten schätze ich seinen Humor, mit dem er auch schwierige Gespräche entspannen kann. Solch eine Haltung, mit der ein Mensch auch einmal über sich selbst lachen kann, wünschte ich mir in manch anderem Gespräch. Seit zwanzig Jahren wirkt er als Rabbiner in Deutschland. Darüber freue ich mich und bin dankbar. Sein Wirken kann für alle zum Segen werden, und diesen Segen wünsche ich ihm persönlich als christliche Theologin von Herzen.